Medizinrecht

Krankenhausvergütung – Einordnung einer ICM-Station in den OPS

Aktenzeichen  L 4 KR 326/17

Datum:
15.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3327
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
KHEntgG § 7
KHEntgG § 9
KHG § 17 b Abs. 1
OPS. 2011

 

Leitsatz

1. Bei den in den OPS verwendeten Begriffen „Intensivstation“ sowie „Intermediate-Care-Station“ (ICM-Station) handelt es sich nicht um genau definierte Begriffe, sondern um lediglich nicht-technische Begriffe.
2. Auch aus der Definition der IMC-Station durch die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ergibt sich, dass die Übergänge zwischen der IMC- und der Intensivstation fließend sind.
3. Für die Abrechnung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung i Sinne des OPS-Kodes 8-980 ist auf den konkreten Einzelfall, insbesondere die organisatorische, apparative und personelle Struktur der jeweiligen IMC-Station, abzustellen.

Verfahrensgang

S 7 KR 1322/13 2017-04-27 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. April 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 38.790,11 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung von 38.790,11 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Das SG hat zu Recht der Klage stattgegeben. Auf die ausführliche Urteilsbegründung des angefochtenen Urteils wird verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das SG nicht den Unterschied zwischen Intensivstation und IMC-Station verkannt. Es ist vielmehr zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mindestmerkmale des OPS 8-980 (intensivmedizinische Komplexbehandlung) im hier streitgegenständlichen Fall der Behandlung des Versicherten D. in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus erfüllt sind und die zweimalige Verwendung des Begriffes „Intensivstation“ im Rahmen der Mindestmerkmale des OPS 8-980 der Anwendung dieses OPS im vorliegenden Fall für die Behandlung auf der IMC-Station vom 07.12.2011 bis 14.12.2011 nicht entgegensteht. Es hat weiter richtig darauf hingewiesen, dass es auf die strukturelle Aufgabe der IMC-Station im konkreten Fall als Intensivstation und die Art und Weise der vorliegend durchgeführten Behandlung als intensivmedizinische Komplexbehandlung ankommt.
Die OPS 8-980 setzt auch bei der nach Rechtsprechung des BSG anzuwendenden strengen Wortauslegung der Vergütungsregelung gerade nicht den Aufenthalt in einer als solchen bezeichneten Intensivstation voraus. Vielmehr sind die Anforderungen an die apparative und personelle Ausgestaltung der Einheit, für die eine Anwendbarkeit der OPS 8-980 gegeben ist, in der Vergütungsregelung im Einzelnen festgelegt. Für den Aufenthalt in Intensivstationen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, ist die Komplexziffer nicht anwendbar. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet ist. So kann nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R) die intensivmedizinische Komplexbehandlung im Sinne des OPS-Kodes 8-980 nicht abgerechnet werden, wenn nach der Organisationsstruktur des Krankenhauses der ärztliche Bereitschaftsdienst nachts und am Wochenende nicht ausschließlich für die Versorgung der Patienten der Intensivstation, sondern auch für diejenige der Patienten der Normalstation zuständig ist und deshalb die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet ist. Damit wird deutlich, dass der Begriff „Intensivstation“ nicht für sich genommen eine Station beschreibt, die über bestimmte personelle und apparative Einrichtungen verfügt, sondern dass es sich lediglich um einen nichttechnischen Begriff handelt.
Auch bei dem Begriff „Intermediate-Care-Station“ handelt es sich gerade nicht um einen genau definierten Begriff. Vielmehr ergibt sich aus den Empfehlungen zur Ausstattung und der Struktur einer Intermediate Care Station der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dass eine Abgrenzung zu Intensivstationen schwierig ist. Die DIVI führt zur Definition der IMC-Station aus, diese sei geeignet für die Überwachung und Behandlung von Patienten mit mäßiger oder potentiell schwerwiegender Instabilität physiologischer Parameter, die eine apparative Überwachung und Organunterstützung, aber keinen Organersatz benötigten. Dies umfasse Patienten, die weniger als normale Intensivtherapie/ -pflege benötigten, aber mehr, als auf der Normalpflegestation möglich sei. Sie solle nicht eine Intensivstation ersetzen. Naturgemäß könne es Überschneidungen mit den anderen Stationsformen geben; ob bestimmte Formen der Organunterstützung auf einer IMCanstatt auf einer Intensivstation durchgeführt werden könnten, hänge von weiteren Überlegungen ab. Die IMC-Stationen hätten die Aufgabe, Patienten zu versorgen, deren Behandlung so schwerwiegend und/oder aufwändig sei, dass sie eine ständige oder engmaschige Überwachung erfordere. Dabei handele es sich um Patienten, deren Zustand einen oder mehrere Organausfälle erwarten lasse, oder deren Zustand nach einem oder mehreren Organausfällen zu ernst oder instabil für eine Rückverlegung in eine Normalstation sei und die deshalb ein kontinuierliches Monitoring benötigten. Dies umfasse die Prävention, Diagnostik und Behandlung von allen medizinischen und chirurgischen Krankheiten, welche zum Versagen von Vitalfunktionen führen könnten. Die IMC könne auch hochspezialisierte, beispielsweise neurologische oder kardiologische Behandlungen („stroke unit“, „coronary care unit“, etc.) anbieten, um den bestmöglichen Behandlungsstandard zu garantieren.
Es sei ersichtlich, dass es im Übergang zwischen den 3 Stationsbereichen (Intensivstation, IMC-Station, Normalstation) ein kontinuierliches Spektrum an Krankheitsschwere und Behandlungsbedarf und -aufwand gebe und eine scharfe Grenzziehung nicht generell möglich sei. Neben anderen Faktoren hänge die Zuordnung von Patienten darüber hinaus von den jeweiligen Strukturen und Ausstattungen und den damit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Krankenhäuser bzw. Stationen ab. So hätten die personelle Ausstattung und die Qualifikation des eingesetzten Personals, ihre apparative Ausstattung, die räumlichen Gegebenheiten und Erfahrung des Personals erheblichen Einfluss auf die Behandlungsmöglichkeiten. Die Übergänge zwischen IMC- und Intensivstation seien fließend. Die Abgrenzung verlaufe gänzlich unscharf.
Abzustellen ist dabei auf den konkreten Einzelfall. Das SG hat deutlich herausgearbeitet, dass vorliegend die Voraussetzungen der OPS 8-980 gegeben waren. Sowohl aus der Homepage der Klinik als auch aus der an das DIMDI gerichteten E-Mail der Klinik ist ersichtlich, dass die IMC-Station Teil eines zentralen internistischen Intensivbereichs mit drei Stationen ist. Die Klinik hat in ihrer E-Mail darauf hingewiesen, dass eine dieser drei Stationen – die IMC-Station – für nicht beatmete Patienten verwendet wird.
Die apparative und personelle Struktur der IMC-Station in der Klinik der Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen, die in der streitgegenständlichen OPS aufgeführt sind. Dies hat die Klinik mehrfach dargelegt, dies ist vom SMD bestätigt worden und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Insbesondere sind eine kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen, und eine Facharztpräsenz durch Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „internistische Intensivmedizin“ gegeben und eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Station gewährleistet.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, ob die übrigen Voraussetzungen der OPS gegeben sind, worauf das SG deutlich hingewiesen hat. So hat weder die Beklagte ausgeführt noch der SMD in seinen Gutachten dargelegt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Behandlung lediglich um eine Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige (< 24 Stunden) Intensivbehandlung bzw. eine nur kurzfristige (< 24 Stunden) Stabilisierung des Patienten nach operativen Eingriffen gehandelt hat. Auch ist den Ausführungen des SMD zu entnehmen, dass die von der Klinik ermittelten Aufwendungspunkte bei Anerkennung des gesamten Aufenthaltes (Intensivstation und IMC) korrekt sind.
Auch der erneute Hinweis auf die Ausführungen des DIMDI zur OPS 9-200 führt zu keinem anderen Ergebnis. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die OPS 9-200 von der Klägerin nicht abgerechnet worden ist. Aus der Anlage zum OPS 2011 ergibt sich für die Abrechnung der OPS 9-200 im Übrigen, dass die OPS – entgegen der Ausführungen der Beklagten – im Jahr 2011 nur auf der „Normalstation“ zu kodieren war. Im Jahr 2011 waren nach der Anlage keine Kalendertage auf Intensivstationen,
Überwachungseinheiten, IMC-Stationen, Stroke units etc. für die Kodierung heranzuziehen. Die von der Beklagten zitierte Stellungnahme des DIMDI bezieht sich gerade nicht auf die für die Abrechnung der stationären Behandlung im vorliegende Fall anzuwendende OPS-Version 2011 und ist bereits aus diesem Grund vorliegend nicht heranziehbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 1, 2 SGG.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a SGG i.v.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).


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