Medizinrecht

Krankenhausvergütung – Verlegungsabschlag nur im Falle identischer Erkrankungen

Aktenzeichen  S 29 KR 477/14

Datum:
12.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2, § 57 Abs. 1, § 105 Abs. 1 S. 1
SGB V SGB V § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 4 S. 3
FPV FPV § 3 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Verlegungspauschale ist bei der Vergütung für keine Klinik in Abzug zu bringen, wenn unterschiedliche Erkrankungen zur stationären Aufnahme in beiden Krankenhäusern geführt haben, weil dann begrifflich keine Verlegung vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.476,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.430,82 EUR seit 10. Oktober 2013 und aus 2.046,13 EUR seit 27. September 2013 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.476,95 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, da das sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) zuständige Sozialgericht München angerufen wurde und es eines Vorverfahrens zwischen den Parteien bei einer Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) nicht bedurfte, so dass auch keine Klagefrist einzuhalten war (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 54, Rn. 41).
Vorliegend konnte das Gericht einen Gerichtsbescheid erlassen, da gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß gehört.
2. Die Klage ist auch begründet.
a) Die rechtlichen Grundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit den Vorschriften des jeweils einschlägigen Sicherstellungsvertrages bzw. bei dessen Fehlen in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung.
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung wie hier in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Absatz ein Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die Krankenhausvergütung bemisst sich dabei nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage Diese Voraussetzungen und auch die Notwendigkeit der Krankenhausleistungen sind hier unstreitig.
Streitig ist zwischen den Parteien ein Verlegungsabschlag einmal für die stationäre Behandlung im Klinikum A-Stadt und zusätzlich in der Kreisklinik C-Stadt.
b) Im Falle einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus ist von dem verlegenden Krankenhaus ein Abschlag auf die Rechnung vorzunehmen, wenn die im Fallpauschalenkatalog ausgewiesene mittlere Verweildauer (für die DRG „B 69 C“: 5,6 Tage) unterschritten wird, was für den stationären Aufenthalt im Klinikum A-Stadt der Fall wäre (§ 3 Abs. 1 Satz 1 FPV 2013 im folgenden: „FPV“).
Auch von der Rechnung des aufnehmenden Krankenhauses ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen, wenn dort die mittlere Verweildauer (bei DRG „I 69 B“ (Belegabteilung): 7,9 Tage) ebenfalls unterschritten wird (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FPV), was für die Kreisklinik C-Stadt ebenfalls zuträfe.
Dauert allerdings die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden, so ist beim aufnehmenden Krankenhaus kein Verlegungsabschlag vorzunehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FPV). Diese Ausnahmevorschrift könnte hier jedoch nicht angewendet wer-den, da die stationäre Behandlung im Klinikum A-Stadt unstreitig mehr als 24 Stunden gedauert hat.
c) Die Verlegungspauschale fällt jedoch in beiden Kliniken auch dann nicht an, wenn unterschiedliche Erkrankungen zur stationären Aufnahme in den beiden Krankenhäusern ge-führt hat. In diesem Fall liegt begrifflich gar keine Verlegung vor.
Die Systematik des FPV geht bei einer Verlegung grundsätzlich von der eigenständigen Fallpauschalenabrechnung der beiden beteiligten Krankenhäuser aus (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe FPV). § 3 FPV ergänzt dann nur die allgemeinen Bestimmung in §§ 1 und 2 FPV 2013 (BSG, Urteil vom 6. März 2012, B1 KR 15/11 R, Juris, Rn. 19). Wann eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten tatbestandlich gegeben ist, regelt dies-bezüglich § 2 FPV 2013 im Rahmen der Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus. Er bestimmt dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten „zu einem Fall“ (also einer abrechnungtechnischen Behandlung) zusammenzufassen ist bzw. wann andernfalls eine Mehrheit selbstständiger Behandlungen zur Abrechnung kommt. Hieran knüpfen § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FPV an (BSG, a.a.O., Rn. 20). Die gesetzlichen Grundlagen für das Fallpauschalensystem im Krankenhausentgeltgesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz gehen im Grundsatz ebenfalls davon aus, dass das Krankenhaus für einen Behandlungsfall vergütet wird. Unter einem Behandlungsfall ist bei einer stationären Behandlung im Fallpauschalensystem die gesamte Behandlung derselben Erkrankung zu verstehen, die ein Patient von der stationären Aufnahme bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung erhält. (Thüringer LSG, Urteil vom 28. August 2012, L6 KR 295/11, Juris, Rn. 25). Diese Systematik wird bei Verlegungstatbeständen durch Abschläge bei beiden Kliniken dem Grunde nach aufrechterhalten. Die Regelungen über die Berechnung des Verlegungsabschlag und seinen Ausschluss betreffen unterschiedslos alle Varianten einer selbstständigen Behandlung, eben „die Behandlung“ (BSG, a.a.O., Rn. 20). §§ 2 und 3 FPV stellen damit nur die grundlegenden gesetzgeberischen Zielvorstellungen der einen Behandlung wieder her und wirken daneben ökonomischen Fehlanreizen etwa der rein wirtschaftlich motivierten Verlegung von Versicherten entgegen (Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 27).
Dieser systematische Zweck von § 2 bzw. § 3 FPV entfällt aber, wenn es sich tatsächlich um zwei Behandlungsfälle handelt. Dies zeigt u.a. auch § 2 FPV, weil dort für die (beispielgebende) Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus u.a. die „Einstufung in dieselbe Basis-DRG“ (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) bzw. innerhalb von 30 Kalendertagen innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe in bezeichnete Partitionseinteilungen (Abs. 2) vorgenommen worden sein muss.
d) Diese Überlegungen gelten aber zweifellos nicht nur, wenn der 2. Krankenhausaufenthalt auf einem unerwarteten Geschehensablauf (Unfall) beruht (Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 28) sondern auch dann, wenn der 2. Krankenhausaufenthalt auf unterschiedliche Erkrankungen zurück geht. Diese ergeben sich regelmäßig aus den unterschiedlich abgerechneten DRG. Vorliegend sind unterschiedliche DRG abgerechnet worden, die in der korrespondierenden Unterschiedlichkeit der Erkrankungsbilder für sich gesehen zwischen den Parteien unstreitig sind. Es ist auch ohne weiteres einsichtig, dass eine „Transitorische ischämische Attacke“ einerseits und eine „Knochenkrankheit und spezifische Arthropathien“ andererseits zwei unterschiedliche Behandlungsfälle darstellen, die zufällig in engem zeitlichen Zusammenhang zu Krankenhausaufenthalten geführt haben. Es handelt sich jedoch nicht um einen Behandlungsfall, sondern um zwei. Aus der oben dargestellten Systematik der Krankenhausvergütung im Rahmen der FPV ergeben sich somit keine Hinderungsgründe, die Behandlungsfälle jeweils getrennt und ohne Verlegungsabschlag abzurechnen.
3. Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt Sie aus § 197 ab Abs. 1 SGG§ 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 SGG, § 52 Abs. 1 GKG. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Abs. 3 Satz 3 SGB V, § 288 Absatz ein Satz 2 BGB.


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