Medizinrecht

Möglichkeit der Behandlung einer koronaren Herzkrankheit in Georgien

Aktenzeichen  AN 4 K 17.33474

Datum:
20.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26927
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

In Georgien stehen grds. alle Arten von Medikamenten des westeuropäischen Marktes als Originalpräperate oder Generika zur Verfügung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf die Zuerkennung von subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) oder auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz. Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, dem sich das Gericht anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Hierzu ist gerichtlischerseits mit Blick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) noch folgendes zu ergänzen:
Die ursprünglich geltend gemachte Verfolgungsgeschichte wurde in der mündlichen Verhandlung nicht weiter ausgeführt. Der Kläger ist damit der Argumentation des Bundesamtes nicht entgegengetreten. Die behaupteten Verfolgungshandlungen bleiben im Übrigen vollkommen pauschal und detailarm. Nach dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung, die im Wesentlichen von der Erkrankung des Klägers geprägt war, ist das Gericht der Überzeugung, dass die entsprechende Verfolgungsgeschichte lediglich vorgeschoben ist.
Nach der Sach- und Rechtslage ist das Gericht ferner zu der Überzeugung gekommen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz nicht zuzusprechen war.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erheblich grundlegende Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich die Erkrankung des Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, kann ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1997, Az. 9 C 58/96 zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).
Erheblich ist die Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Gerät der Ausländer alsbald nach der Rückkehr in die Heimat in diese Lage, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlungen seines Leides angewiesen ist und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte, so ist die Gefahr auch konkret (vgl. BVerwG U.v. 25.11.1997, a.a.O.). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetzes danach, das sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr von Leib oder Leben führt, das heißt dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG U.v. 17.10.2006, Az. 1 C 18/05 – juris Rn. 15).
Dies zugrunde gelegt steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger an der sozialen medizinischen Versorgung in Deutschland teilnehmen will und deshalb zielgerichtet eingereist ist. Der Kläger hatte z.B. zunächst behauptet, er sei nicht richtig behandelt worden und gestand erst auf Nachfrage ein, es sei eine Sonografie durchgeführt worden. Ganz offensichtlich führt dies zwar nicht grundsätzlich zu einem Ausschluss des Abschiebeschutzes i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG. Es kann im Gegenteil dazu Ausdruck des persönlichen Notstandes sein, in dem ein Kläger sich befindet. Die entsprechende Feststellung kann jedoch Indiz für die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens im Übrigen sein. Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger die Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht, unter denen ein Abschiebeverbot zu erteilen ist.
Aufgrund der vorgelegten Attestierungen hat der Kläger nachgewiesen, dass er an einer schweren Form der koronaren Herzkrankheit leidet. Die ärztliche Bescheinigung des …-Krankenhauses vom 1. März 2018 beschreibt, dass bei dem Kläger eine primär prophylaktische Implantation eines Defibrillators erfolgt ist. Die Fortführung der medikamentösen Therapie und eine engmaschige ambulante fachkardiologische Betreuung seien lebenslang notwendig. In Stresssituationen, bei Behandlungsabbruch sowie bei Auslassen der Kontrolltermine ist mit einer raschen Dekompensation der Symptomatik, erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und vitaler Bedrohung zu rechnen. Die ärztliche Bescheinigung ist überschrieben mit „Zur Vorlage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ versehen. Die ärztliche Bescheinigung ist aus Sicht des Gerichts nicht geeignet eine drohende Gesundheitsverschlechterung in der für § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz erforderlichen Weise zu bescheinigen. Die Folgen werden lediglich pauschal behauptet unter Anführung einiger Medikamente. Glaubhaft ist, dass eine fachkardiologische Betreuung dem deutschen medizinischen Stand der Technik entspricht. Nicht glaubhaft dagegen ist die völlig pauschal behauptete „rasche Dekompensation der Symptomatik beim Auslassen der Kontrolltermine“. Aufgrund des Gesamtbilds der Attestierung ist hier davon auszugehen, dass die Unterzeichnenden Ärzte die Argumentation „ihres Patienten“ stützen wollten. Denn in der Attestierung derselben Klinik vom 8. Februar 2018 wird unter Diagnosen noch ausgeführt, dass eine nicht interventionspflichtige hochgradige Stenose und ein gutes Langzeitergebnis nach Stent-Implantation vorliege. Woraus sich eine drohende rasche Dekompensation anhand des Vergleiches dieser Befunde herleiten lassen soll, bleibt die Attestierung vom 1. März 2018 schuldig, weshalb zur Überzeugung des Gerichts keine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu befürchten ist.
Unter Berücksichtigung des fachärztlichen Attestes vom 21. Februar 2018 der Ärzte Dr. … Dr. …und Dr. … (Internisten – Kardiologie) ist der Kläger auf eine Nachsorge seiner Defibrillatorinstallation sowie auf bestimmte Medikamente angewiesen. Es ist indessen nicht ersichtlich, weshalb der Kläger entsprechende Medikamente oder Generika in Georgien nicht erhalten können sollte. Ausweislich der Länderanalyse BFM über das georgische Gesundheitswesen im Überblick – Struktur, Dienstleistungen und Zugang stehen in Georgien grundsätzlichen allen Arten von Medikamenten des westeuropäischen Marktes als Originalpräperate oder Generika zur Verfügung (Seite 7). Weiter wird ausgeführt, dass die Registrierung von in Georgien noch nicht zugelassenen Medikamenten ohne größeren administrativen Aufwand kurzfristig möglich sei. Der Kläger hatte in Georgien beruflich gut verdient und das Gericht ist anhand dessen der Überzeugung, dass er sich die entsprechenden Medikamente auch leisten kann. Auf die Frage der fortbestehenden Verdienstmöglichkeit angesprochen verwies der Kläger auf seine Erkrankung. Aus den ärztlichen Attestierungen ergibt sich jedoch keine Erwerbsunfähigkeit. Aufgrund dieser potenziellen Einkommenssituation und aufgrund der langfristigen Planbarkeit des Austausches der Batterien des ICD kann dem Kläger auch ohne weiteres zugemutet werden visafrei aus Georgien einzureisen und die entsprechenden Nachsorgen in Deutschland durchführen zu lassen, ohne dass auf die Behandlungsmöglichkeiten im Zielland angegangen werden muss.
Im Ergebnis kommt es daher auf den vom anwaltlichen Vertreter gestellten Beweisantrag nicht mehr an, so dass kein Beweis zu erheben war. Im Übrigen stellte sich der Antrag auch als Beweisausforschungsantrag dar.
Damit war die Klage abzuweisen. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtkostenfreien Verfahrens, § 83 b AsylG, 154 Abs. 1 VwGO.


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