Medizinrecht

Rechtmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund Alkoholabhängigkeit

Aktenzeichen  M 6 E 16.1537

Datum:
8.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Anlage 4 zur FeV Nr. 8.3
FeV FeV § 46 Abs. 1
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ist die Frage, ob eine (erneute) Alkoholabhängigkeit vorliegt, nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren offen, überwiegt das Risiko, dass es zu einer (erneuten) Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblichem Alkoholeinfluss kommt und damit Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werden, das Interesse des Antragstellers, vorläufig weiterhin am Straßenverkehr teilzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 8.750,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, BE, C1E, CE, L und T.
Im Dezember 2012 erhielt die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners davon Kenntnis, dass gegen den Antragsteller wegen Trunkenheit im Verkehr am … Dezember 2012 ermittelt werde und dieser am selben Tag nach dem Bayerischen Unterbringungsgesetz im …krankenhaus A. untergebracht worden sei. In der Mitteilung des Krankenhauses an den Antragsgegner vom … Dezember 2012 sind als psychiatrische Diagnosen Alkoholintoxikation und akute Suizidalität angegeben.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts A. vom … Januar 2013 wurde gegen den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen verhängt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 15 Monaten angeordnet. Dem lag die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers vom … Dezember 2012 mit einer Blutalkoholkonzentration von a… ‰ zugrunde.
Im September 2014 beantragte der Antragsteller die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die hierauf vom Antragsgegner eingeholte Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts vom … September 2014 ergab, dass im Fahreignungsregister unter anderem folgende Eintragungen enthalten sind:
Tattag
Verkehrszuwiderhandlung
Ahndung/Rechtskraft
…06.2011
Sie führten das Kraftfahrzeug mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr geführt hat. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug a… mg/l.
Bußgeldbescheid
…7.2011/…7.2011
…12.2012
Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr.
Strafbefehl AG A.
…01.2013/…02.2013
Hierauf teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom … Oktober 2014 mit, dass angesichts seiner Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss am … Juni 2011 und … Dezember 2012 Zweifel an seiner Fahreignung bestünden und ordnete auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und e FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Zu klären sei folgende Frage: „Ist zu erwarten, dass der Betroffene auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines missbräuchlichen bzw. unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 (Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, B, BE, C1, C, C1E, CE, L und T) in Frage stellen?“
Das dem Antragsgegner im Dezember 2014 vorgelegte Fahreignungsgutachten der A. vom … Dezember 2014 beantwortete die vom Antragsgegner gestellte Frage dahingehend, dass nicht zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Als Folge eines missbräuchlichen bzw. unkontrollierten Alkoholkonsums lägen keine Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 und 2 in Frage stellten. Am Untersuchungstag (… November 2014) hätten neben zwei Teilnahmebescheinigungen der A. über im Zeitraum vom … April 2013 bis … Oktober 2014 durchgeführte Urinproben, die alle negativ gewesen seien, insbesondere folgende Unterlagen vorgelegen: ein ärztliches Attest vom … September 2014, wonach unter Medikation von Metformin keine Hyperglykämien zu erwarten seien, eine Bestätigung eines Sozialpädagogen bei der Caritas in A. vom … April 2014, dass der Antragsteller vom … April 2013 bis … April 2014 an Einzel- und Gruppengesprächen teilgenommen habe, und eine Bescheinigung vom … November 2014 über den Besuch einer …Selbsthilfegruppe in A.. Unter „medizinische Untersuchungsbefunde“ ist zur gesundheitlichen Vorgeschichte angegeben, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben an Diabetes mellitus Typ II leide und ein Antidiabetikum einnehme. Zum Alkoholkonsum wird ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben habe, seit März 2013 alkoholabstinent zu leben. Vor der Verkehrsauffälligkeit habe er fast täglich einen halben Liter Wodka und 5 Bier getrunken. Beim psychologischen Untersuchungsgespräch habe der Antragsteller zum früheren Konsum Folgendes angegeben: „Im Juni 2011 habe ich schon gemerkt, dass ich ein Problem habe […]. Ich habe mich von Kunden verleiten lassen und zu viel getrunken. Gesteigert haben sich die Trinkmengen 2012. Da wurde mir vieles zu viel. Ich habe drei- bis viermal in der Woche nachmittags Alkohol zum Stressabbau getrunken. Ich habe immer öfter und immer mehr getrunken. Dann habe ich schon mittags mit dem Trinken angefangen, dann bereits morgens. Ab Sommer 2012 habe ich bereits morgens und täglich getrunken. […] Im November 2012 habe ich bereits gewusst, dass ich ein erhebliches Problem mit dem Alkohol hatte. Ich habe heimlich getrunken, den Alkohol vor meiner Frau versteckt und hatte morgens beim Kaffeetrinken bereits ein Zittern.“ Unter der (zusammenfassenden) „Bewertung der Befunde“ wird zunächst ausgeführt, dass beim Antragsteller Alkoholabhängigkeit vorliege. Mittels ETG Urinproben könne er einen 18-monatigen Abstinenzzeitraum nachwiesen. Aus medizinischer Sicht könne das Gutachten positiv abgeschlossen werden. Weiter wird ausgeführt, dass die vorliegenden Befunde auswiesen, dass im Fall des Antragstellers eine Alkoholabhängigkeit im klinischen Sinn vorliege. Der Antragsteller habe sich in der Vergangenheit einer ambulanten Alkoholentwöhnung unterzogen, „in deren Zusammenhang nachvollziehbar eine Abhängigkeitsdiagnose gestellt wurde, die sich an anerkannten Diagnosekriterien (ICD 10) orientierte“. Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte, der eigenen Angaben des Antragstellers und der Voraussetzungen für eine positive Prognose sei festzustellen, dass sich die Bedenken der Fahrerlaubnisbehörde ausräumen lassen. Insbesondere habe der Antragsteller erkannt, dass bei ihm eine Alkoholabhängigkeit vorliege, die eine lebenslange Abstinenz erfordere. Zusammenfassend könne von ausreichenden Kompetenzen und einer ausreichenden motivationalen Grundlage ausgegangen werden, um die abstinente Lebensführung dauerhaft fortzusetzen. Auf das Gutachten wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Hierauf erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller am … Dezember 2014 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, BE, C1E, CE, L und T.
Im Januar 2016 erhielt der Antragsgegner Kenntnis, dass der Antragsteller am … und am … Januar 2016 erneut nach Art. 1 Abs. 1, 10 Abs. 2 Unterbringungsgesetz untergebracht worden sei. Laut Polizeibericht vom … Januar 2016 wurde der Antragsteller am … Januar 2016 von einem Kunden seines A.markts bewusstlos auf dem Boden liegend vorgefunden. Aufgrund seiner starken Alkoholisierung sei der Antragsteller offensichtlich gestürzt und habe sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Der Antragsteller habe gegenüber der Polizei angegeben, dass er Alkoholiker sei und vor kurzem einen Rückfall gehabt habe. Außerdem habe er seit 8 Tagen nicht gegessen, da er nicht mehr weiter wisse. Der Antragsteller sei so stark alkoholisiert gewesen, dass er nur mit Unterstützung habe stehen bzw. gehen können. Aufgrund von Selbstgefährdung sei er in das B… Klinikum in B… eingewiesen worden. Im Polizeibericht vom … Januar 2016 heißt es, dass der Antragsteller gegenüber einem Mitarbeiter und seiner Tochter geäußert habe, sich umbringen zu wollen. Daher sei eine sofortige Unterbringung notwendig.
Mit Schreiben vom … Februar 2016 hörte der Antragsgegner den Antragsteller unter Bezugnahme auf die beiden Vorfälle vom „…“ und … Januar 2016 zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Hierauf teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass dieser angesichts der Erkrankung und anschließenden Unterbringung seiner Ehefrau mit Pflegestufe in einem Seniorenheim einer menschlich und praktisch extrem komplexen Situation ausgesetzt gewesen sei. Der Zustand des an Diabetes erkrankten Antragstellers am … und … Januar 2016 sei in erster Linie auf eine schwere Unterzuckerung zurückzuführen. Seine Äußerungen in Bezug auf eine Alkoholabhängigkeit hätten daher keinerlei Aussagekraft. Zudem habe der Antragsteller an den besagten Tagen gerade kein Kraftfahrzeug geführt. Die Vermutung, der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, sei daher unbegründet. Hinzu komme, dass der Antragsteller als Inhaber eines A.markts bei Entzug der Fahrerlaubnis seine Existenz verliere.
Mit Schreiben vom … und … März 2016 teilte die Polizeiinspektion A. dem Antragsgegner ergänzend mit, dass der Antragsteller am … März 2016 in seinem Laden kontrolliert worden sei, nachdem die Tochter des Antragstellers bei der Polizei angerufen habe, weil ihr Vater „volltrunken“ den A.markt leite und die Absicht habe, im Anschluss mit seinem Pkw nach Hause zu fahren. Bei Eintreffen der Polizei habe der Antragsteller sichtlich betrunken hinter der Kasse des A.markts gestanden. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest habe einen Wert von b… mg/l ergeben. Seine Fahrzeugschlüssel seien sichergestellt worden, um eine Trunkenheitsfahrt zu verhindern.
Hierauf entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 14. März 2016 die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben (Nr. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von EUR a… an (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller spätestens durch seinen Alkoholrückfall am … März 2016 seine Fahreignung verloren habe. Die Ungeeignetheit stehe zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest (§ 11 Abs. 7 FeV). Der Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens bedürfe es daher nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … März 2016 Widerspruch. Am … März 2016 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Antragsgegner ab.
Mit Schriftsatz vom … März 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München per Fax am … April 2016, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, „dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller erteilten Klassen wieder zu erteilen“ und ihn zu verurteilen, „die Fahrerlaubnis wieder auszuhändigen“, hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18. März 2016 gegen die Entziehungsanordnung vom 14. März 2016 wiederherzustellen.
Zur Begründung lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, dass nicht definitiv feststehe, dass er alkoholabhängig sei. Der Alkoholkonsum beim ersten Vorfall (am … Januar 2016) sei nicht bewiesen. Beim zweiten Vorfall (am … März 2016) hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Antragsteller tatsächlich gefahren wäre. Auch wenn der Antragsteller Alkohol getrunken habe, sei dies kein Beleg dafür, dass er wieder alkoholabhängig sei. Zudem bekomme der Antragsteller inzwischen Insulin, so dass er sich auch aus diesem Grund von Alkohol fernhalten müsse.
Der Antragsgegner legte mit Schriftsatz vom 13. April 2016 die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Unter dem … Juli 2016 teilte der Antragsgegner ergänzend mit, dass für den Fall, dass Zweifel an einer nachvollziehbaren Alkoholabhängigkeitsdiagnose in dem Fahreignungsgutachten bestünden, darauf hinzuweisen sei, dass sich bereits aus dem psychologischen Untersuchungsgespräch drei der Diagnose-Kriterien nach ICD-10 eindeutig ableiten ließen, nämlich süchtiges Verlangen, Entzugssymptomatik und Kontrollminderung. Nach den Begutachtungsleitlinien „sollte“ zwar die sichere Diagnose Abhängigkeit nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres mindestens drei der dort genannten sechs Kriterien gleichzeitig vorgelegen hätten. Allerdings handle es sich dabei nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 17.12.2015, 11 ZB 15.2200) nur um eine Sollvorgabe, die andere Wege der Feststellung nicht ausschließe. Die zeitliche Vorgabe „irgendwann während der letzten Jahres“ beziehe sich auf die Diagnose einer akut bestehenden Erkrankung. Eine derartige Diagnose dürfe aber auch ex post gestellt werden. Aufgrund der wiederholten Rückfälle am … Januar und … März 2016 gehe der Antragsgegner weiterhin von Alkoholabhängigkeit aus. Insbesondere der polizeilichen Mitteilung vom … März 2016 ließen sich wiederum drei der genannten Kriterien entnehmen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in einem vergleichbaren Fall (Beschluss vom 9.12.2014, 11 CS 14.1868) offen gelassen, ob die Fahrerlaubnisbehörde auch ohne ärztliches Gutachten von einem Rückfall in die Alkoholabhängigkeit habe ausgehen dürfen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Soweit der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Fahrerlaubnis aller erteilten Klassen wiederzuerteilen, ist der Antrag bereits unzulässig. Ist dem Antragsteller – wie hier – bereits mit der Suspendierung des ihn belastenden Verwaltungsakts, also mit der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehung gedient, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – die allein statthafte Antragsart und ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO unzulässig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm „die Fahrerlaubnis wieder auszuhändigen“. Auch insoweit ist der Antrag bereits gemäß § 123 Abs. 5 VwGO unzulässig. Denn dem Antragsteller wäre bereits mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Nr. 2 des Bescheids enthaltene Pflicht zur Abgabe des Führerscheins gedient. Damit entfiele nämlich der Rechtsgrund für das vorläufige behalten dürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde. Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde in diesem Fall ihrer Pflicht zur (vorläufigen) Rückgabe des Führerscheins nicht nachkäme, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen bestünde dann für das Gericht die Möglichkeit, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen.
Soweit der Antragsteller hilfsweise die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 18. März 2016 gegen die Entziehungsanordnung vom 14. März 2016 beantragt, ist sein Begehren als (Hilfs-)Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auszulegen. Da die beiden Hauptanträge erfolglos sind, ist über diesen Antrag zu entscheiden.
Auch der Hilfsantrag bleibt allerdings ohne Erfolg.
Soweit der uneingeschränkt gestellte Antrag gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen ist, dass der Antragsteller auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich der in Nr. 3 des Bescheids enthaltenen und gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat den Führerschein ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks am … März 2014 bei der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners abgeben. Damit ist die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG gleichwohl noch beitreiben wird. Daher fehlte es dem Antragsteller für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (BayVGH, B. v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).
Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 14. März 2016 entspricht den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf Seite 4 unter Nr. 4 des Bescheids des Antragsgegners. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Sie hat ausgeführt, dass aufgrund der beabsichtigten Verkehrsteilnahme unter erheblichem Alkoholeinfluss am … März 2016 feststehe, dass beim Antragsteller ein die Fahreignung ausschließender Rückfall in die Alkoholabhängigkeit vorliege. Es könne nichtlänger hingenommen werden, dass der Antragsteller als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehme, da sich die von ihm ausgehende abstrakte Gefahr einer erneuten Fahrt unter Alkoholeinfluss jederzeit verwirklichen könne. Der Umstand, dass der Antragsgegner dem Antragsteller keine Gelegenheit gegeben hat, vor Entziehung der Fahrerlaubnis unter Anordnung des Sofortvollzugs auch zum Vorfall am … März 2016 und damit zu den hierfür maßgeblichen Tatsachen Stellung zu nehmen, begründet dabei im Ergebnis keinen Verstoß gegen das Begründungsgebot des § 80 Abs. 3 VwGO (vgl. Art. 28 Abs. 2 Nr. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren. Die Frage, ob die Begründung inhaltlich richtig ist, ob also der Antragsgegner tatsächlich von einer (erneuten) Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller ausgehen durfte, spielt insoweit keine Rolle.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, weil das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens – hier des Widerspruchsverfahrens – ist nicht hinreichend absehbar, so dass es bei einer Interessenabwägung verbleibt, die vorliegend zulasten des Antragstellers ausfällt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
In Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV wird bezüglich Alkohol ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Von Alkoholmissbrauch wird in diesem Zusammenhang immer dann gesprochen, wenn ein Bewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits abhängig zu sein. Als alkoholabhängig wird in der Regel bezeichnet, wer die Kriterien der diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 erfüllt. Alkoholabhängigkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne wird unter Bezugnahme auf die ICD-10 dann angenommen, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: a) Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren. b) Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums. c) Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, nachgewiesen durch substanzspezifische Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahen verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. d) Nachweis einer Toleranz. e) Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen. f) Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2012 -11 CS 11.3011 – juris). Waren die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholabhängigkeit, bei der die Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen generell aufgehoben ist, nicht gegeben, so können sie nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass dauerhafte Abstinenz besteht. Hierzu ist in der Regel eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließend mindestens einjähriger Abstinenz erforderlich, die mittels regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen und Labordiagnostik nachgewiesen werden muss; weiterhin dürfen keine sonstigen eignungsrelevanten Mängel vorliegen. Gleiches ergibt sich im Wesentlichen aus Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV.
Bei Alkoholabhängigkeit liegt im Regelfall Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor, ohne dass es darauf ankommt, ob ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum und das Führen von Fahrzeugen hinreichend sicher getrennt werden kann. Abhängigkeit rechtfertigt deswegen auch dann die Feststellung von Ungeeignetheit, wenn bisher keine Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss festgestellt wurde (Hentschel/König/Dauer, StVG, 42. Aufl. 2013, § 2 Rn. 45). Ist zu klären, ob eine Person alkoholabhängig ist, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ein ärztliches Gutachten zur Klärung der Kraftfahreignung an. Liegen hingegen Anzeichen für Alkoholmissbrauch im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis e FeV vor, wird die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet.
Im vorliegenden Fall steht zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht zu dessen Überzeugung fest, dass der Antragsteller (erneut) alkoholabhängig und daher ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Allerdings erscheint es aus Sicht des Gerichts als nicht ausgeschlossen, dass sich der Antragsteller im Hauptsacheverfahren wegen Alkoholabhängigkeit als fahrungeeignet erweist.
Vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hat der Antragsgegner zur Klärung der aufgrund der Vorfälle am … Juni 2011 und … Dezember 2012 bestehenden Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Das hierauf vorgelegte Gutachten der A. beantwortet die gestellte Frage dahingehend, dass nicht zu erwarten sei, dass der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Zugleich kommt es im Rahmen der zusammenfassenden Bewertung der Befunde zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller Alkoholabhängigkeit vorliege. Auf dieser Grundlage und aufgrund seiner im Schriftsatz vom … Juli 2016 näher dargelegten eigenen Feststellungen gelangt der Antragsgegner angesichts der erneuten Vorfälle am … Januar und … März 2016 zu der Überzeugung, dass der Antragsteller die gutachterlich geforderte Abstinenz nicht länger einhält und daher (erneut) alkoholabhängig im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne ist. Die erhebliche Alkoholisierung des Antragstellers ist dabei jedenfalls für den … März 2016 durch die gemessene Atemalkoholkonzentration von b… mg/l belegt. Im Fall einer gutachterlich geforderten dauerhaften Abstinenz mag ein erneuter, erheblicher Alkoholkonsum eine bereits früher diagnostizierte Alkoholabhängigkeit zwar wieder aufleben lassen und ohne weitere Begutachtung zur Feststellung der Fahrungeeignetheit führen (vgl. auch BayVGH, B. v.9.12.2014, 11 CS 14.1868 – juris, Rn. 21, für das summarische Verfahren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren). Im vorliegenden Fall kann aber jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage des vorgelegten Gutachtens nicht zweifelsfrei von einer (früheren) Alkoholabhängigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Denn das vorgelegte Gutachten der A. genügt jedenfalls insoweit derzeit nicht den gemäß Nr. 2 Buchst. a der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV geltenden Anforderungen. Danach muss das Gutachten insbesondere nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Hieran fehlt es im Hinblick auf die festgestellte Alkoholabhängigkeit. Zwar mag angesichts der aufgeführten Befunde sowie insbesondere der eigenen Angaben des Antragstellers im Rahmen des Explorationsgesprächs viel für eine frühere Alkoholabhängigkeit sprechen. So ist dem Antragsgegner darin Recht zu geben, dass sich zum Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt im Dezember 2012 vermutlich mindestens drei der in den Begutachtungsleitlinien geforderten o.g. Kriterien hätten feststellen lassen (etwa ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren, eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums, ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums („Zittern“) und/oder der Nachweis einer Toleranz). Das Gutachten geht jedoch auf die genannten Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit nicht einmal ansatzweise ein, sondern stellt diese lediglich fest: „Beim [Antragsteller] liegt Alkoholabhängigkeit vor. […] Die vorliegenden Befunde weisen aus, dass im Fall [des Antragstellers] eine Alkoholabhängigkeit im klinischen Sinne vorliegt“. Es fehlt mithin an einer schlüssigen Darstellung der aus den Befunden gezogenen Schlussfolgerungen, zumal sich die Befunde nicht in den Akten befinden: Aus welchen Gründen der Gutachter zum Ergebnis kommt, dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, lässt sich dem Gutachten selbst nicht entnehmen. An diesem Ergebnis vermag auch der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2015 (11 ZB 15.2015 – juris) nichts zu ändern. Zwar hat das Gutachten auch in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Alkoholabhängigkeit des Betroffenen nicht nach den Kriterien der ICD-10 begründet. Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall unterscheidet sich von dem hier vorliegenden aber schon dadurch, dass eine Diagnose auf der Grundlage des ICD 10 offenbar an der nicht ausreichenden Kooperation des Fahrerlaubnisinhaber scheiterte, während hier eine derartige Diagnose aufgrund der Angaben des Antragstellers im Untersuchungsgespräch wohl durchaus möglich gewesen wäre. Vor allem aber legte das Gutachten nach den Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine Stellungnahme eines Bezirkskrankenhauses und damit eines über einen hohen Grad an Spezialisierung verfügenden Fachkrankenhauses zugrunde, das seinerseits eine Alkoholabhängigkeit diagnostizierte (BayVGH v. 17.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Ob auch in dem hier vorliegenden Fall eine vergleichbare, ebenso verlässliche externe Diagnose zugrunde gelegt wurde, lässt sich dem Gutachten hingegen nicht eindeutig entnehmen.
Allerdings erscheint eine Nachbesserung des Gutachtens im noch laufenden Widerspruchsverfahren als nicht ausgeschlossen. Denn in dem Gutachten heißt es weiter: „[Der Antragsteller] unterzog sich in der Vergangenheit einer ambulanten Entwöhnungsbehandlung, in deren Zusammenhang nachvollziehbar eine Alkoholabhängigkeitsdiagnose gestellt wurde, die sich an anerkannten Diagnosekriterien (ICD 10) orientierte“. Aus Sicht des Gerichts spricht diese Äußerung dafür, dass dem Gutachter Unterlagen vorlagen oder sonst Tatsachen bekannt waren, die eine (frühere) Alkoholabhängigkeit des Antragstellers belegen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus als möglich, dass sich im laufenden Widerspruchsverfahren im Wege weiterer Ermittlungen – insbesondere einer Nachbesserung des Gutachtens durch die Begutachtungsstelle – die (frühere) Abhängigkeit nachvollziehbar belegen lässt und das Gutachten damit als ausreichende Grundlage für die Überzeugung der Behörde von einer (erneuten) Alkoholabhängigkeit dienen kann. Angesichts der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung können die gebotenen weiteren Ermittlungen nicht durch das Gericht selbst erfolgen, sondern bleiben dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Der Annahme, dass sich das Gutachten der A. im Widerspruchsverfahren nachbessern lässt, steht auch der Umstand nicht entgegen, dass es hierfür möglicherweise der (erneuten) Mitwirkung des Antragstellers bedarf, indem dieser ggf. die den Gutachtern zur Verfügung gestellten Unterlagen erneut vorlegt. Aufgrund des im verwaltungsbehördlichen Verfahren gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG allgemein geltenden und in §§ 11 bis 14 FeV näher ausgestalteten Amtsermittlungsgrundsatzes ist es zwar Sache der Behörde, Zweifel an der Fahreignung zu klären. Allerdings geht das Verwaltungsverfahrensrecht davon aus, dass den Beteiligten insoweit eine Mitwirkungslast obliegt (vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG). Diese kann zwar weithin nicht erzwungen werden (und ist deshalb eine bloße Obliegenheit). Kommt ein Beteiligter dieser Obliegenheit jedoch nicht nach, darf die Behörde und ggf. auch das Gericht daraus die gebotenen Schlüsse ziehen (vgl. § 11 Abs. 8 FeV und BayVGH, B. v.16.9.2010, 11 ZB 09.2002 – juris, Rn. 14 ff.).
Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten im Hauptsachverfahren vorzunehmende Interessenabwägung geht vorliegend zulasten des Antragstellers aus. Das Risiko, dass es zu einer (erneuten) Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblichem Alkoholeinfluss kommt und damit Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werden, ist gegeben und wiegt schwerer als das Interesse des Antragstellers, vorläufig weiterhin am Straßenverkehr teilzunehmen. Im Rahmen der Interessenabwägung fällt hier insbesondere ins Gewicht, dass der Antragsteller bereits im Dezember 2012 unter erheblichem Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat und nach eingeräumter und zunächst offenbar überwundener Alkoholproblematik nun erneut – wenn auch ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr – alkoholauffällig geworden ist. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration von b… mg/l lässt dabei auf eine erhebliche Alkoholproblematik schließen und rechtfertigt es, dem Schutz von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer den Vorrang vor den Interessen des Antragstellers einzuräumen, obwohl sich die Alkoholabhängigkeit derzeit nicht zweifelsfrei nachweisen lässt. Zulasten des Antragstellers fällt zudem ins Gewicht, dass er nach seinen eigenen Angaben, die sich auch im Gutachten der A. finden, über mindestens 18 Monate alkoholabstinent gelebt hat. Wenn er nun wieder Werte von über 2 Promille BAK erreicht, muss er bereits über einen längeren Zeitraum nach der Abstinenzzeit erneut Alkohol in erheblichen Mengen konsumiert haben, um erneut eine derart massive Trinkfestigkeit zu entwickeln. Schließlich spricht vieles dafür, dass der Antragsteller aufgrund seines Alkoholkonsums die Kontrolle über sein Verhalten seit dieser Abstinenzzeit – wie schon zuvor – wiederum verloren hat. So wurde er in seinem Geschäft von einem Kunden schwer alkoholisiert aufgefunden, was u. a. mit seinem Interesse an der Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz nicht kompatibel sein dürfte und die Annahme begründet, der Antragsteller könne die Kontrolle über sein Verhalten auch im Zusammenhang mit der Frage einer Verkehrsteilnahme trotz vorangegangenen Alkoholkonsums verlieren. In diesem Zusammenhang spricht zuletzt viel dafür, dass es zu einer solchen Verkehrsteilnahme lediglich deshalb nicht gekommen ist, weil sie durch Polizeibeamte mittels Beschlagnahme des Autoschlüssels am … März 2016 verhindert wurde. Am Ergebnis der Interessenabwägung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Antragsteller als Inhaber eines A.-handels beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist. Vielmehr erhöht dies noch das Risiko einer Trunkenheitsfahrt. Auch der Einwand, der Antragsteller habe insbesondere im Hinblick auf seine Diabetes-Erkrankung ein erhebliches Eigeninteresse daran, künftig abstinent zu leben, kann insoweit zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die drohenden schädlichen Folgen für seine Gesundheit konnten den Antragsteller auch in der Vergangenheit, insbesondere am … März 2016 nicht davon abhalten, in erheblichem Maße Alkohol zu konsumieren. Im Ergebnis sprechen auch die problematischen familiären Umstände des Antragstellers nicht dafür, ihm die Fahrerlaubnis zu belassen. Er hat im Gegenteil nach seinen eigenen Angaben bereits in der Vergangenheit solche Lebenssituationen zum Anlass für übermäßigen Alkoholkonsum genommen und sie zugleich als Erklärung, wenn nicht sogar Rechtfertigung benutzt. Das gibt Anlass zur Besorgnis, der Antragsteller könnte auf die von ihm benannten Probleme wiederum mittels Alkohol als „Problemlöser“ reagieren. Unter Berücksichtigung und Abwägung all dieser Umstände hält es die Kammer zum jetzigen Zeitpunkt im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer nicht für vertretbar, dem Antragsteller seine Fahrerlaubnis einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bzw. im Widerspruchsverfahren zu belassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1 sowie 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).


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