Medizinrecht

Rinderhaltungsverbot, Bestandsauflösung

Aktenzeichen  M 23 K 20.1411

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55690
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Streitsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Soweit die Klage (= Ziffern 6 bis 8 des streitigen Bescheids) übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO).
Die verbleibende Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Soweit das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf Ziffer 1 des Bescheides vom 29. Januar 2020 in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt wurde, ist ein anzuerkennendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht gegeben. Soweit der Klägerbevollmächtigte ein derartiges Interesse mit der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses begründete, ist dies einerseits pauschal und ohne jeglichen Beleg hierfür erklärt worden, und ist andererseits die anerkannte Fallgruppe der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses für ein anzunehmendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits deswegen nicht gegeben, als das Verwaltungsgericht insofern kein sachnäheres Gericht darstellt, da Erledigung am 30. Januar, spätestens 6. Februar 2020 eingetreten war und die Anfechtungsklage erst am *. April 2020 erhoben wurde (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 97 und 118). Im Übrigen wurde der Kläger vom Landratsamt für die von dort fortgenommenen Tieres bereits durch den Verkaufserlös entschädigt (Schreiben vom 11. März 2020).
Auch konkrete Wiederholungsgefahr vermag das Gericht nicht zu erkennen. Es ist weder dargelegt noch anzunehmen, dass absehbar identische Umstände in naher Zukunft ein vergleichbares Eingreifen des Beklagten wahrscheinlich und erforderlich machen würden. Hierzu müssten konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer dem erledigten Bescheid ähnlichen Belastung bei einem abzusehenden und vergleichbaren Sachverhalt vorgetragen werden (BayVGH, B. v. 28.01.2015 – 11 ZB 14.1129 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall.
Selbst wenn man – wie nicht – von einem anzuerkennenden Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ausgehen wollte, wäre die Maßnahme des Landratsamtes rechtmäßig und die Klage abzuweisen, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, hierzu sogleich.
Die in den Ziffern 2 bis 5 des streitigen Bescheids verfügte Untersagung der Haltung und Betreuung von Rindern sowie die in der rechtlichen Folge hierzu angeordneten Auflösung des Bestandes der Tiere (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 16a Rn. 52) mitsamt den angeordneten Modalitäten im Einzelnen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies trägt auch die Anordnung der Weggabe der gehaltenen Tiere (Ziffer 1).
Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG oder einer tierschutzrechtlichen Anordnung wiederholt oder grob zuwider gehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Dabei kommt es bei der groben Zuwiderhandlung auf die Intensität und Dauer des Verstoßes, auf die Größe der dadurch herbeigeführten Gefahren, auf das Ausmaß und die Dauer der verursachten Schmerzen, Leiden und Schäden und den Grad des Verschuldens an.
Voraussetzung für ein Tierhaltungsverbot nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG ist ein Sachverständigengutachten des Amtstierarztes zur Feststellung der Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl., § 15 Rn. 5). Den Veterinären des Landratsamts wird hierdurch eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris R. 13, Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl., § 15 Rn. 10).
Das entsprechende Gutachten der verbeamteten Tierärztin datiert vom 28. Januar und 5. Februar 2020 (dazu kommt der Sektionsgericht bezüglich eines Rindes des LGL vom 5. Februar 2020) und kommt zu einer fachlich zweifelsfreien Bewertung, was den Tatbestand der Norm betrifft. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln und vermochte auch die Klageseite diesen Feststellungen nicht fachlich entgegenzutreten. Ein entgegenstehendes veterinärfachliches Gutachten/ Bewertung wurde nicht vorgelegt und erschiene es dem Gericht auch schwerlich vertretbar. Sonach steht es fest, dass der Kläger den Tieren länger anhaltende Schäden, Schmerzen beziehungsweise Leiden zugefügt hat. Auf Verschuldenstatbestände kommt es hierbei an sich nicht an. Dennoch ist der Kläger mittlerweile – was den Vorwurf bestätigt – mittlerweile erstgerichtlich wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, wie dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde. Schließlich ist eine nur individuell abweichende Beurteilung des Zustands seiner Tiere durch den Kläger unbehelflich.
Weiterhin ist die Behörde auf der bezeichneten und zutreffenden Rechtsgrundlage zu der prognostisch nachvollziehbaren Bewertung gekommen, dass aufgrund der dokumentierten und häufig über einen längeren Zeitraum hin festgestellten Verstößen realistisch davon ausgegangen werden muss, dass etwaigen von dem Kläger weiter gehaltenen Rindern auch in Zukunft Schmerzen, Schäden oder Leiden zugefügt werden, was das Rinderhaltungsverbot rechtfertigt. Das Gericht folgt den zutreffenden Feststellungen und der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO), und ergänzt lediglich wie folgt:
Entgegen der Darstellung des Klägerbevollmächtigten durfte das Landratsamt die Untersagungsverfügung und die Bestandsauflösung anordnen, ohne (erneut) auf mildere Mittel zurückgreifen zu müssen. Die Anzahl der festgestellten Verstöße und das Verhalten des Klägers gegenüber potenziellen Betriebshelfern und der Behörde lassen den Schluss darauf zu, dass er – sei es aus Unwillen, Unvermögen, Unachtsamkeit und/oder gesundheitlichen Problemen – auch künftig nicht in der Lage sein wird, einen Rinderbestand tierschutzgerecht zu halten. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Behörde keine Ermessungserwägungen angestellt hat, wenngleich sie dies möglicherweise nicht explizit so bezeichnet hat. Dass das Landratsamt das Für und Wider der Bestandsauflösung und der Untersagungsverfügung abgewogen hat, belegen die Behördenakten und insbesondere auch die differenzierende Tatsache, die Untersagungsverfügung lediglich für Rinder verfügt zu haben (und nicht für sämtliche Tierarten). Abwägung wird weiter belegt durch die veterinärfachliche Bewertung vom 5. Februar 2020, wonach es im Nachhinein sogar für möglich gehalten wurde, dem Kläger einen deutlich reduzierten Rinderbestand unter im einzelnen bezeichneten Bedingungen zu ermöglichen (sowie schließlich die in der mündlichen Verhandlung dargestellte Tatsache, dass die Tiere nach wie vor und trotz der im Änderungsbescheid formulierten Fristsetzung bei dem Kläger belassen wurden).
Gegen Kostentragungspflicht, Gebühr, Auslage (Ziffer 10 und 11 des Bescheidtenors) und gegen die Fristsetzungen des Änderungsbescheids ist gerichtlicherseits nichts zu erinnern und wurde dies auch von Klägerseite nicht weiter thematisiert.
Die in Ziffer I. des Klageantrags formulierte Fortsetzungsfeststellungsklage sowie die in Ziffer II. des Klageantrags formulierte Anfechtungsklage waren daher insgesamt abzuweisen, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren (“III. des Klageantrags) in der Folge nicht auszusprechen.
Die Kosten des Verfahrens waren gegeneinander aufzuheben (§ 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO), da – wie dargelegt – die verbliebenen Klagen einerseits abzuweisen waren, andererseits die Klage im Hinblick auf die von Beklagtenseite durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung aufgehobenen Ziffern 6 bis 8 des Bescheides voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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