Medizinrecht

Rückkehrmöglichkeit nach Äthiopien bei Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörungen

Aktenzeichen  AN 3 K 16.30181

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 102847
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG § 3c Nr. 3

 

Leitsatz

Posttraumatische Belastungsstörungen oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m.
§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge), weshalb der Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Unter Würdigung des Vortrags der Klägerin in den mündlichen Verhandlungen und der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass die Klägerin in Äthiopien politischer Verfolgung ausgesetzt war und ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtliche Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG unterfallene Gefährdungen drohen. Ihr steht aus diesem Grund weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
Die Klägerin erklärte weder in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt noch in den beiden mündlichen Verhandlungen, dass sie für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien mit staatlichen Maßnahmen auf Grund eines der in Art. 16a GG bzw. § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale rechnen müsste.
Vielmehr gab sie an, ihre Stiefmutter habe im Jahr 2011 ihre Ausreise aus Äthiopien zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in … als Hausmädchen organisiert. Hierbei erklärte sie, sie vermute, dass die Stiefmutter das Haus ihres Vaters an sich habe reißen wollen. Probleme mit staatlichen Stellen habe es nicht gegeben.
Nachdem sich aus dem Vorbringen der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte für asylrelevante Verfolgungshandlungen ergeben und sie auch nicht darlegt, sich hier in Deutschland exilpolitisch exponiert betätigt zu haben, droht ihr für den Fall ihrer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch staatliche Stellen.
2. Auch Gründe für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG sind weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Auch nationale Abschiebungsverbote liegen in der Person der Klägerin nicht vor.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, sobald sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II, S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglich erforderlicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
b) Ebenso wenig besteht im Fall der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
aa) Nach der hier relevanten Vorschrift des § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt demnach nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
Posttraumatische Belastungsstörungen oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. hierzu: Hailbronner, AuslR, Stand August 2016, Rn. 90 zu § 60 AufenthG; OVG NRW v. 6.9.2004, NVwZ-RR 2005, 359; v. 23.1.2001 – 13 A 5340/00). Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Beeinträchtigungen der allgemeinen Befindlichkeit als Folge depressiver Schübe reichen daher im Allgemeinen nicht mehr aus, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass eine hinreichend schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden kann (BT-Drs. 18/7538, S. 18). In Fällen einer PTBS ist daher die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, sie führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Für die Darlegung einer ärztlich attestierten posttraumatischen Belastungsstörung und eine daraus resultierende schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung ist eine substantiierte Beschreibung der traumatisch bedingten Gesundheitsstörung sowie Angaben zum spezifischen Therapieplan erforderlich. Das fachärztliche Attest muss detailliert Aufschluss über die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf geben (Hailbronner a.a.O. m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste lassen auf Grund der Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin gerade nicht den Schluss zu, dass sich ihr Zustand für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien alsbald nach der Ankunft im Zielland bis hin zu einem lebensbedrohlichen Zustand verschlechtern könnte.
Eine derartige Verschlechterung wird zwar behauptet, ist jedoch aufgrund der Anamneseerhebung und des Krankheitsbildes nicht nachvollziehbar dargelegt. Den oben dargelegten Anforderungen an den ärztlichen Nachweis des Bestehens und des Schweregrades einer PTBS genügen die vorgelegten Atteste nicht. Insbesondere lässt sich ihnen nicht nachvollziehbar entnehmen, dass zwischen den traumatisierenden Ereignissen und den beschriebenen Symptomen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Nach dem ärztlichen Attest des Herrn Dr. …, … vom 6. Februar 2017 liegt bei ihr eine depressive Symptomatik mit Stimmungstief, Schlafstörungen, Appetitmangel und Antriebsminderung vor. Ausweislich des Gutachtens des Klinikums … vom 18. August 2016 leidet die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10.F43.1). Diese Symptome seien klinisch relevant und behandlungsbedürftig.
Das Gutachten des Klinikums …, das im Wesentlichen die Angaben der Klägerin aus dem Asylverfahren zum vorgetragenen Sachverhalt wiederholt – gibt unter III. „Psychopathologischer Befund“ an, dass die Klägerin deutlich antriebsgemindert sei und wenig Appetit habe, dass sie lange Einschlafzeiten und Durchschlafstörungen bedingt durch Albträume bezogen auf die zahlreichen Vergewaltigungen habe. Die Affektlage sei deutlich zum depressiven Pol verschoben, die affektive Schwingungsfähigkeit deutlich reduziert. Es bestehe subjektiv Hoffnungslosigkeit, Verlustängste und eine leichte Konzentrationsschwäche. Ich-Störungen seien nicht vorhanden. Es würden passive Suizidgedanken angegeben, die Klägerin distanziere sich jedoch glaubhaft von Suizidhandlungen. Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung seien die anhaltende vegetative Überaktivität, Hyperarousal, ausgeprägte Ein- und Durchschlafstörungen, Flashbacks, Intrusionen sowie intensive Trauma-bezogene Albträume. Im Kontakt werde die Klägerin jedoch freundlich zugewandt und sei bereit, ihren schulischen Werdegang fortzuführen sowie eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen.
Einen Anspruch auf Behandlung und Genesung hat die Klägerin im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht. Dies gilt auch für den Fall, dass die Behandlung in Äthiopien nicht den medizinischen Maßstäben in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen sollte. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Ausreise nach eigenen Angaben depressiv erkrankt war, damals aber nicht wusste, dass sie ärztlicher Hilfe bedurfte (Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 26. April 2016, S. 8).
bb) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin geltend macht, sie sei alleinstehend und verfüge über keinerlei familiäre Kontakte. Zwar ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass Frauen in Äthiopien im besonderen Maß dem Risiko von Übergriffen ausgesetzt sind (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gewalt gegen Frauen vom 20.10.2010; Äthiopien: Rückkehr einer alleinstehenden jungen Frau vom 13.10.2009; Auswärtiges Amt, Lagebericht für Äthiopien vom 24. Mai 2016). Für die Klägerin ist nach ihren Schilderungen jedoch nicht davon auszugehen, dass sie als alleinstehend in diesem Sinne anzusehen wäre. Sie selbst gab an, ihre Stiefmutter habe die Ausreise aus Äthiopien organisiert und sie sei hierbei von deren Schwester begleitet worden. Außerdem nahm die Klägerin in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 23. April 2012 telefonisch Kontakt zu einer Tante auf, die sie damals zum Übersenden ihrer Schulzeugnisse bat. Damit ist sie nicht als alleinstehende Frau anzusehen, die ohne familiären Rückhalt mit einer Existenzgefährdung in Äthiopien rechnen müsste. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin jedenfalls in der Anfangszeit mit Hilfe ihrer im Heimatland lebenden (weiteren) Verwandtschaft rechnen kann. Zudem verfügt die Klägerin über langjährige berufliche Erfahrung im Bereich der Haushaltshilfe und hat keine familiären Verpflichtungen, weshalb sie sich auf den Erwerb ihres Lebensunterhalts konzentrieren kann. Auch derzeit macht sie eine Berufsausbildung und leitet eine Kindergruppe in einer kirchlichen Einrichtung.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Demnach war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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