Medizinrecht

Tonerstaubexposition durch Laserdrucker am Arbeitsplatz

Aktenzeichen  L 17 U 88/14

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152948
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BKV
SGB VII § 9
Berufskrankheitenverordnung Nr. 4301, Nr. 4302

 

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer durch Tonerstaub bedingten allergischen Atemwegserkrankung als Berufskrankheit Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung.

Verfahrensgang

S 11 U 222/09 2014-01-14 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.01.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat hat nach Ausübung seines Ermessens aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung (zum Begriff Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, § 126 Rn 4; Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, § 126 Rn 26) entschieden, nachdem für die ordnungsgemäß geladene Klägerin im Termin vom 15.03.2017 niemand erschienen ist. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die am Sitzungstag um 08.57 Uhr beim LSG per Telefax eingegangene Mitteilung nicht frei von Widersprüchen ist. Denn die Klägerbevollmächtigten haben mit diesem Schreiben „im Einvernehmen mit der Klägerin (ihr) Einverständnis mit einer Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt“. Die Entscheidung nach Lage der Akten ist jedoch in § 126 SGG geregelt, während der in Bezug genommene § 124 Abs. 2 SGG die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung betrifft.
Das Begehren der Klägerin ist vor dem Hintergrund des Verfahrensgegenstands durch Auslegung zu ermitteln, § 123 SGG. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK 4301 und 4302 sowie Ansprüche auf Leistungen, insbesondere auch für Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken, abgelehnt hat. Ausweislich der schriftsätzlich gestellten Anträge begehrt die Klägerin – nunmehr im Berufungsverfahren – die Anerkennung einer BK 4301 und 4302 (dazu unter 1), die Gewährung von Verletztenrente und die die Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 BKV (dazu unter 2).
Die mit diesen Begehren geführte, form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das SG die Klagen auf Feststellung einer BK 4301 und 4302 abgewiesen. Die Klagen waren zulässig, insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklagen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft. Die Klägerin konnte unmittelbar eine gerichtliche (und nicht nur eine Verurteilung zur behördlichen) Feststellung des Versicherungsfalles erstreben (vgl. BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, juris Rn 9; vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris Rn 12 m.w.N.). Die Klagen waren aber unbegründet. Denn die BKen 4301 und 4302 liegen bei der Klägerin nicht vor.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Der Verordnungsgeber hat die BK 4301 bezeichnet als durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; die BK 4302 als durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Bewertung der Krankheit und des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und BK ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu berücksichtigen (vgl. LSG Bayern vom 04.02.2015, L 2 U 430/12 juris Rn 42). Daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers auch die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums zu beachten, die Leitlinien der entsprechenden medizinischen Fachgesellschaften sowie die „Empfehlung für die Begutachtung der Berufskrankheiten der Nummern 1315 (ohne Alveolitis), 4301 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung“ des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, sogenannte Reichenhaller Empfehlung (im Folgenden RHE).
Die genannten Maßgaben zugrunde legend lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall und auch für die hier zu prüfenden BKen folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Bedingung für die Feststellung einer Listen-BK (vgl. u.a. BSG vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, B 2 U 33/07 R, B 2 U 7/08 R, B 2 U 9/08 R m.w.N.; BSG vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R m.w.N.).
Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S.d. „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 20/04 R; Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R m.w.N.). Für den Vollbeweis ist keine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit zu fordern, vielmehr genügt für die entsprechende richterliche Überzeugung ein der Gewissheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 27.03.1958 – 8 RV 387/55, juris Rn. 16). Die volle Überzeugung wird als gegeben angesehen, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, d.h. eine Wahrscheinlichkeit besteht, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt, weil sie bei jedem vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen keine Zweifel mehr bestehen lässt (BSG, Urteil vom 27.04.1972 – 2 RU 147/71, juris Rn. 30; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 3b m.w.N.). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 4 m.w.N.; BSG, Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77, juris Rn. 13). Die Beweisanforderungen bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit sind höher als bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes, vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5). Überwiegende Wahrscheinlichkeit bedeutet die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (vgl. BSG vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5 und Orientierungssatz; vom 14.12.2006 – B 4 R 29/06, juris Rn. 116; vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R, juris Rn. 36; Keller, a.a.O., Rn. 3d m.w.N.; zum Zivilrecht BGH vom 11.09.2003 – IX ZB 37/03, juris Rn. 8; vom 15.06.1994 – IV ZB 6/94).
Die oben dargestellten Grundsätze zugrunde legend steht nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit oder später an einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 oder BK 4302 erkrankt war bzw. ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat unter Würdigung der Gutachten des B und des H, insbesondere der von diesen getroffenen medizinischen Feststellungen und gestellten Diagnosen, sowie unter Würdigung der weiteren aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen und Berichte.
Sowohl für die Feststellung einer BK 4301 als auch einer BK 4302 ist Voraussetzung, dass eine obstruktive Atemwegserkrankung im Vollbeweis gesichert ist. Die Krankheit „obstruktive Atemwegserkrankung“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Obstruktive Atemwegserkrankungen beziehen sich auf eine Erkrankung der Bronchen oder der Lungen (SMV, aaO, Seite 1106). Ist eine Obstruktion nicht vorhanden, sind die Voraussetzungen für eine obstruktive Atemwegserkrankung zu verneinen. Denn der Verordnungsgeber wollte nur Atemwegserkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen (BSG vom 21.03.2006, B 2 U 24/04 juris Rn 14; BR-Drucks. 115/61, Begründung S. 7 zu Nr. 41; BR-Drucks. 563/76, Begründung S. 4 zur 7. BKVO; Merkblätter für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 4301 und 4302, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BABl. 1979 Heft 7-8, S. 74 ff), wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung „Bronchialasthma“ (vgl die Nr. 41 der Sechsten BKVO vom 28. April 1961, BGBl I 505) und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwangs ergibt (BSGE vom 21.03.2006, B 2 U 24/04 juris Rn 14). Unter den Begriff obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der BK 4301 als der BK 4302 fallen insbesondere die Krankheitsbilder Asthma bronchiale und chronic obstructive pulmonary disease (COPD), wobei der Begriff COPD für eine chronisch obstruktive Bronchitis mit oder ohne relevantes Emphysem steht (RHE Punkt 3.1; Schönberger Mehrtens Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 – im Folgenden SMV -, Seite 1105). Für die BK 4301 fällt unter den Begriff obstruktive Atemwegserkrankungen ferner das Krankheitsbild (allergische) Rhinopathie. Für die BK 4302 gilt dies nicht, wie sich aus dem Wortlaut der Norm in seinem systematischen Zusammenhang ergibt (vgl. dazu BSG vom 30.10.2007, B 2 U 15/06 R juris Rn 14 – 16). Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw. Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Die unspezifische bronchiale Hyprreaktivität ist kein selbstständiges Krankheitsbild, sondern ein bedeutsames Merkmal der obstruktiven Atemwegserkrankung; als solcher wurde sie als wesentlicher Eigenschaftsbestandteil in die Begriffsdefinition der obstruktiven Atemwegserkrankung aufgenommen (SMV, aaO, Seite 1116, 1105).
B diagnostiziert nach entsprechender Prüfung bereits keine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 und der BK 4302. Er diagnostiziert lediglich eine Psoriasis vulgaris mit arthritischen Veränderungen. H diagnostiziert zwar allgemein eine obstruktive Atemwegserkrankung. Seine Ausführungen begründen aber keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit in Bezug auf das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 oder 4302.
Im Einzelnen: Zur Frage einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 oder 4302 führt B aus, der Tiffeneau-Index sei bei allen Messungen unauffällig gewesen. Die von B durchgeführten Lungenfunktionsuntersuchungen haben keine Hinweise auf eine latente oder manifeste Atemwegsobstruktion ergeben. B nannte eine große Totalkapazität, ein Residualvolumen und ein normales intrathorakales Gasvolumen. Ferner stellte B fest, dass bei ausreichender Atemtechnik Vital- und Einsekundenkapazität, Tiffeneau-Index sowie die endexspiratorischen Flüsse normal gewesen seien; es gäbe keine Reagibilität im Methacholintest. Die CODiffusion sei unauffällig. Würden die in den Unterlagen des Bezirksklinikums O. (Lungenfunktionsmessung vom 03.12.2007) vorliegenden Bodyplethysmographiekurven betrachtet, so seien diese nicht artefaktfrei, weshalb zum Zeitpunkt der Messung nicht vom Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung auszugehen sei. B weist in diesem Zusammenhang auch zutreffend auf die Ergebnisse einer aktenkundigen weiteren Lungenfunktionsmessung aus dem Jahr 2008 (vom 08.04.2008) hin, die bodyphlethysmographisch einen unauffälligen Atemwegswiderstand und spirometrisch einen unauffälligen Tiffeneau-Index zeigt. Insgesamt stellte B eine unauffällige Lungenfunktion fest. Er kam zu der Überzeugung, dass kein Nachweis einer pulmonalen Limitierung gegeben sei.
Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des H lässt sich eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 und der BK 4302 nicht mit dem zu fordernden Beweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bejahen, obwohl H in seinem Gutachten unter der Überschrift „Diagnosen“ den Begriff obstruktive Atemwegserkrankung verwendet. Pathologische Lungenbefunde, die auf eine schwere Erkrankung der unteren Atemwege schließen lassen, finden sich in seinem Gutachten aber nicht. Im Rahmen seiner klinischen Untersuchung stellt H seitengleiche Beatmung der Lunge fest, ferner einen sonoren Klopfschall, Vesikuläratmung und keine pathologischen Nebengeräusche. An anderer Stelle führt H aus, für ein chemisch-irritatives Krankheitsgeschehen sprächen der Epicutantest gegenüber Kobalt und Nickel vom 14.01.2008, der Epicutantest gegenüber Toner vom 14.01.2008 und ein akuter Infekt der oberen Atemwege mit Beteiligung der Nasennebenhöhle und Bronchitis, die Rückbildung des Infekts nach Beendigung der Exposition. Nach seinen Diagnosen führt H aus, bei der Klägerin bestünden Atembeschwerden sowie eine chronisch rezidivierende Bronchitis bei Exposition gegenüber Tonerstaub. In der Zusammenfassung des Gutachtens werden dann nur „obstruktive Atemwegssymptome während Exposition gegenüber Toner“ genannt. H führt an anderer Stelle aus, bei der Klägerin bestünden Atembeschwerden, gehäufte Erkältungen und Schleimhautreizungen von Hals und Nase, Brennen und Jucken der Augen, chronisch rezidivierende Bronchitis bei Exposition gegenüber Tonerstaub. Die Beschwerden hätten sich während der Tätigkeit an Laserdruckern und Laserkopierern entwickelt, sie bildeten sich nach Beendigung der Exposition wieder zurück. Bei der Klägerin hätten rezidivierende Infekte bestanden, die Symptomatik bildete sich jeweils während des Urlaubs wieder zurück. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung vermag der Senat vor dem Hintergrund der oben dargestellten Voraussetzungen der entsprechenden BKen und des Gutachtens des B aus den Ausführungen des H nicht abzuleiten.
Eine solche Wahrscheinlichkeit ergibt sich erst recht nicht aus den weiten Teilen des Gutachtens des H, die nur allgemeine Ausführungen ohne Bezug zum vorliegenden Fall enthalten; in diesem Sinne stellt H etwa dar, in den Untersuchungen von Mersch-Sundermann seien nach einer Exposition mit Tonermaterialien eine Erhöhung der inflammatorischen Aktivität nachgewiesen worden; lungenfunktionsanalytisch sei bei drei von acht Probanden eine auffällige Verschlechterung und Behinderung der Nasenatmung mit anschließender Erhöhung nach Exposition mit Tonermaterialien nachgewiesen. Zu chronischen Entzündungen nach/durch Tonerbelastung führt H allgemein aus: Erkrankungen durch Toner stellten sich überwiegend als Entzündungen der Schleimhäute und der Haut dar. An erster Stelle stünden rezidivierende absteigende Entzündungen der Atemwege (Rhinitis, Epistaxis, Sinusitis, Asthma bronchiale). Bei bronchialer Beteiligung sei das Vorliegen eines hyperreagiblen Bronchialsystems mit verminderter Lungenfunktion typisch. Die Beschwerden verstärkten sich, wenn viel gedruckt werde. Am Wochenende oder bei längerer krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit finde eine Verbesserung der Symptome statt. Entzündungsprozesse könnten bei sehr niedriger Belastungskonzentration ausgelöst werden. Dosisabhängige Entzündungsprozesse würden nach Inhalation von Zinn, Nickel, Chrom, Kobalt nachgewiesen.
Die allgemeinen Ausführungen des H zu chronischen Entzündungen nach/durch Tonerbelastung und zur Wirkung von Nanopartikeln auf das Bronchialsystem und die Lungen sind nicht fallbezogen und haben insofern keine unmittelbare Aussagekraft für die Beurteilung der konkreten Fragen des vorliegenden Falles. Dasselbe gilt für die allgemein gehaltenen Ausführungen des H zu Reaktionen von Probanden auf Laserdruckerexpositionen. Unter Berücksichtigung des oben dargestellten Standes der medizinischen Wissenschaft lassen die von H berichteten Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen, die bei einigen Probanden eine Behinderung der Nasenatmung mit anschließender Erhöhung nach Exposition mit Tonermaterialien oder das Vorliegen eines hyperreagiblen Bronchialsystems mit verminderter Lungenfunktion ergeben haben, auch keinen Schluss auf das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen 4301 oder 4302 zu. Denn wie ausgeführt bezieht sich diese zum einen auf die unteren Atemwege, zum anderen reicht eine Hyperreagibilität für die Bejahung der genannten BKen nicht aus.
Auch soweit H am Ende seiner nicht fallbezogenen Ausführungen die allergischen Symptome Rhinitis, Bronchitis, Konjunktivitis als typisch für eine allergische Reaktion bezeichnet und ausführt, dass diese Symptome für die Klägerin zuträfen, lässt sich daraus nicht ableiten, dass eine hinreichend schwere obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer Erkrankung der unteren Atemwege gegeben sei. Auch die durch H erfolgte Bejahung obstruktiver Atemwegssymptome oder eines zeitnahen Zusammenhangs zwischen Tonerbelastung und vermehrter Infektanfälligkeit stellen keine nachvollziehbare Begründung für die Bejahung einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen 4301 und 4302 dar, ebenso wenig die am Ende der allgemeinen Betrachtungen abgegebene Bewertung des H, dass „die Erkrankung durch Exposition gegenüber Lasertoneremissionen“ entstanden sei.
Auch aus den (von H in Bezug genommenen) Befundberichten des Dr. H. vom 26.11.2007 und vom 03.12.2007 ergeben sich keine überzeugenden Gründe für die Annahme einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen 4301 und 4302. Soweit Dr. H. in seinem Befundbericht vom 26.11.2007 (40 S) von rezidivierenden sinu-bronchialen Symptomen mit einer nasalen Obstruktion berichtet, spielt dies vorliegend schon deshalb keine Rolle, weil sich die obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BKen 4301 und 4302 auf eine Erkrankung der Bronchien oder Lungen bezieht (untere Atemwege; SMV, aaO, Seite 1106). Im Befundbericht des Dr. H. vom 03.12.2007 wird nur eine leichtgradige Obstruktion mit guter Reversibilität nach Salbutamol-Inhalation angegeben. Auch wenn sich die hier angegebene Obstruktion auf die unteren Atemwege beziehen sollte, lässt dieser Befund keinen Schluss auf eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der hier zu prüfenden BKen zu, weil, wie ausgeführt, von der BK 4301 und 4302 nach dem Willen des Verordnungsgebers nur Atemwegserkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfasst werden soll. Soweit in Berichten behandelnder Ärzte von einer Obstruktion die Rede ist, ist diese nicht – jedenfalls nicht im Sinne der oben dargestellten Grundsätze zu den BKen 4301 und 4302 – hinreichend belegt. Gegen das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 bzw. 4302 spricht im Übrigen auch, dass nach Aussage der Klägerin selbst seit 2008 keine lungenfachärztlichen Behandlungen respektive Untersuchungen durchgeführt worden seien und dass sie lediglich 2013 noch einmal Medikamente genommen habe. Über die von der Klägerin angegebenen Beschwerden wegen des Umgangs mit Tonern im Frühjahr 2013 liegen keine Unterlagen vor.
In der Gesamtschau bestehen auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des H und der sonstigen aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen erhebliche, den zu fordernden Überzeugungsgrad ausschließende Zweifel daran, dass bei der Klägerin Krankheiten gegeben sind, die eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 und der BK 4302 darstellen.
Hilfsweise wären, das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4301 bzw. BK 4302 unterstellt, die Krankheiten nicht mit der insofern (nur) zu fordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit durch die Einwirkungen verursacht, so dass es an der sogenannten haftungsbegründenden Kausalität fehlen würde (vgl. zu den entsprechenden Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK allgemein BSG vom 23. 04.2015, B 2 U 10/14 R juris Rn 11). Dies ergibt sich unter Würdigung der Gutachten des B und des H. B führt insofern aus, Tonerstäube seien nach Erkenntnissen des B nicht geeignet, obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne einer allergischen bzw. toxisch-irritativen Reaktion verursachen zu können. Es sei bislang nicht wissenschaftlich belegt worden, dass Druckeremissionen geeignet wären, obstruktive Atemwegserkrankungen verursachen zu können. Auch aus dem internistisch-pneumologischen Bericht des Dr. H. vom 03.12.2007, in dem dieser ausführt, dass eine wechselnde obstruktive Ventilationsstörung vorhanden sei, die durchaus am Arbeitsplatz verstärkt werden könne, ergibt sich nicht der zu fordernde Überzeugungsgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, weil eben auch hier nur die Möglichkeit einer Verstärkung benannt wird. Zudem bestand eine konkurrierende Ursache durch das Rauchen der Klägerin. Auch H hebt dies in seinem Gutachten hervor. Durch das Raucherverhalten bestehe eine Mitwirkung bei der Entstehung der (von H ohne überzeugende Gründe bejahten) obstruktiven Atemwegserkrankung. Die Klägerin habe zwischenzeitlich das Rauchen aufgegeben.
Bei alledem ging der Senat davon aus, dass die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4301 und 4302 erfüllt sind. Für deren Vorliegen sprechen die Feststellungen des Prävisionsdienstes, wonach bis Ende 2007 eine relevante Tonerstaubexposition vorgelegen habe. Dagegen spricht die „Stellungnahme Arbeitsplatzexposition – Atemwegserkrankung BK 4301/4302/5101“ vom 25.04.2008. Dort wird das Vorliegen einer gesundheitsschädigenden Einwirkung im Sinne der genannten Ziffern verneint. Wegen Fehlens der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen kommt es letztlich aber nicht in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen.
2. In Bezug auf die auf Verletztenrente gerichtete Leistungsklage ist die Berufung nicht begründet, weil die entsprechende Klage wegen Fehlens einer Verwaltungsentscheidung bereits unzulässig ist. Denn die Beklagte hat mit dem angegriffenen Bescheid lediglich eine sachliche Prüfung der oben genannten BKen durchgeführt. Soweit sie darüber hinaus „Leistungen“ und damit auch die von der Klägerin begehrte Verletztenrente aus diesem Grunde abgelehnt hat, beruhte dies lediglich darauf, dass eine BK nicht anerkannt wurde. Eine Sachentscheidung bezüglich einer Rentengewährung, insbesondere über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 56 SGB VII, hat die Beklagte in den angegriffenen Entscheidungen nicht getroffen. Was die Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 BKV betrifft, gilt dies erst recht, weil insofern das Vorliegen einer BK gar nicht vorauszusetzen ist, sondern nur die Gefahr der Entstehung einer BK (vgl. zum Begriff BSG vom 22.03.2011, B 2 U 4/10 R juris Rn 27), die in den angegriffenen Bescheiden keine Erwähnung findet. Die Übergangsleistungen werden in dem angegriffenen Bescheid unter Punkt 2 ebenso pauschal, d.h. ohne Prüfung konkreter Tatbestandsmerkmale des Leistungsanspruchs, abgelehnt wie die Verletztenrente. Dass die Klagen insoweit unzulässig sind, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Hätte das SG eine BK anerkannt und den Versicherungsträger darüber hinaus verurteilt, „den Unfall zu entschädigen“ oder „die gesetzlichen Leistungen zu erbringen“, würde es sich insofern um ein unzulässiges Grundurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt handeln, dem neben dem Feststellungsausspruch keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BSG vom 30.01.2007, B 2 U 6/06 R juris Rn 11; vom 07.09.2004, B 2 U 35/03 R juris Rn 12). Auf Verwaltungsebene übertragen bedeutet dies, dass die pauschale Ablehnung von Leistungen nach Ablehnung der Anerkennung eines Versicherungsfalls ohne Prüfung konkreter Tatbestandsmerkmale des Leistungsanspruchs keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X darstellt. Besonders deutlich wird dies – wie ausgeführt – bei der Ablehnung von Übergangsleistungen, bei denen es gar nicht auf das Vorliegen einer BK, sondern auf das Vorliegen einer Gefahr der Entstehung einer BK ankommt, zu der sich die Bescheide überhaupt nicht äußern. Die auf Verletztenrente und Übergangsleistungen gerichteten Klagen waren mithin wegen Fehlens einer Verwaltungsentscheidung hierüber unzulässig. Sie waren – hilfsweise – auch unbegründet, weil eine BKbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gegeben ist und auch nichts dafür spricht, dass eine Gefahr der Entstehung einer BK 4301 oder 4302 gegeben war oder ist.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung auch aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurück und sieht von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Bevollmächtigten der Klägerin, wie auch im Erörterungstermin vom 17.09.2014 und zuvor schon in zahlreichen Verfahren vor dem Senat mit anderen Beteiligten, erst unmittelbar vor dem Senatstermin, vorliegend am Tag der mündlichen Verhandlung, mitgeteilt haben, dass sie den Senatstermin nicht wahrnehmen. Der Senat weist daher darauf hin, dass die Pflicht, einen Gerichtstermin wahrzunehmen, um dort gegebenenfalls sachgerechte Anträge zu stellen, zu den Grundpflichten des Anwalts gehört.
Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung erfolglos geblieben sind.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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