Medizinrecht

Unbegründeter Antrag auf einstweilige Anordnung gegen amtsärztliche Untersuchung der Dienstfähigkeit

Aktenzeichen  B 5 E 16.386

Datum:
6.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 65 Abs. 2, Abs. 3
BayVwVfG BayVwVfG Art. 35 S. 1
VwGO VwGO § 44 a, § 123 Abs. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

Bloße Schlecht- bzw. Minderleitstungen eines Beamten sind für sich allein in der Regel nicht geeignet, eine amtsärztliche Untersuchung zu rechtfertigen, es sei denn gesundheitliche Beschwerden kommen von vornherein als einzig denkbare Ursache für einen plötzlichen und anders nicht erklärbaren Leistungsabfall in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
Die bloße Schlechtleistung ist grundsätzlich im Rahmen der regelmäßigen dienstlichen Beurteilungen des Beamten zu würdigen. (redaktioneller Leitsatz)
Im neurologisch-psychiatrischen Bereich dürfen die Anforderungen an die Angabe von Art und Umfang der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der weniger strengen Konturierung medizinischer Sachverhalte nicht überspannt werden. Es kann dem Dienstherrn nicht zugemutet werden, bereits im Vorfeld im Zusammenwirken mit den Ärzten entsprechender Fachrichtungen die Untersuchungen in Einzelheiten vorzubereiten. (redaktioneller Leitsatz)
Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens stellt wegen des dann vermuteten schuldhaften Verhaltens gegenüber der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung kein milderes Mittel dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der Antragsgegnerin, sich in Hinblick auf ihre Dienstfähigkeit am 8. Juni 2016 amtsärztlich untersuchen zu lassen.
Die 1966 geborene Antragstellerin steht als Beamtin im Statusamt eines Verwaltungsamtmanns (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst der Antragsgegnerin. Nach Abschluss ihres dualen Studiums für die gehobene Funktionsebene im Jahr 1990 war sie von 1993 bis 2009 als Programmiererin/IT-Consultant in der Abteilung Information/Kommunikation eingesetzt. Mitte 2009 wurde sie der Abteilung Versicherung und Rente zugewiesen und in die Rentensachbearbeitung eingearbeitet. Nach der Geburt ihres Sohnes am … 2010 und anschließender Elternzeit wechselte die Antragstellerin zum 2. April 2012 als stellvertretende Teamleiterin in das Team „Direkter Beitragseinzug“ und war dort in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche beschäftigt. Seit 1. April 2016 hat die Antragstellerin ihre Tätigkeit wieder in Vollzeit aufgenommen.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2015 wurde die Antragstellerin zu einer betriebsärztlichen Besprechung am 28. Mai 2015 geladen, bei welcher es sich tatsächlich um eine betriebsärztliche Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin, zur Prüfung eines amtsangemessenen Einsatzes sowie einer Arbeitszeiterhöhung handelte. Im Untersuchungsauftrag vom 12. Mai 2015 stellte die Antragsgegnerin den Werdegang der Antragstellerin dar und führte aus, der Wechsel aus dem Bereich Information und Kommunikation sei wegen ihres fachlichen Leistungsvermögens erfolgt. Die Antragstellerin sei für eine Verwendung in diesem Bereich nicht mehr geeignet gewesen. Die Zuteilung zum Team „Direkter Beitragseinzug“ sei erfolgt, da dort ein vergleichsweise geringes Arbeitsspektrum anfalle und die Anforderungen auch quantitativ deutlich weniger anspruchsvoll seien als in den regulären Teams der Sachbearbeitung im Nichtvertragsbereich. Die Einarbeitung habe jedoch nicht abgeschlossen werden können. Im Rahmen ihrer letzten periodischen Beurteilung habe die Antragstellerin ein deutlich unterdurchschnittliches Gesamtprädikat erzielt, wobei ihre Leistung nicht den mit dem Amt verbundenen Mindestanforderungen entsprochen habe. Statt einer Verbesserung sei zwischenzeitlich eine weitere Leistungsverschlechterung eingetreten. Die Leistungsentwicklung sei mehrfach in Gesprächen mit der Antragstellerin thematisiert worden.
In seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2015 gelangte der Betriebsarzt Dr. K. zu dem Ergebnis, dass keine medizinischen Gründe für eine Dienstunfähigkeit vorlägen. Es bestünden aus betriebsärztlicher Sicht keine Einschränkungen hinsichtlich des für die Antragstellerin in Frage kommenden Aufgabenkreises. Auch gegen eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden bestünden keine medizinischen Einwände. Weitere Veranlassungen seien nicht zu treffen.
Unter dem 20. Juli 2015 teilte Dr. K. mit, dass seinem Schreiben vom 12. Mai 2015 eine Änderung dahingehend hinzuzufügen sei, dass „nach heutigem Kenntnisstand“ hinsichtlich der Frage nach weiteren Veranlassungen eine Untersuchung der Antragstellerin auf neurologischem Fachgebiet zur weiteren Klärung der gestellten Fragen sinnvoll sei.
Mit Schreiben vom 4. August 2015 wandte sich die Antragsgegnerin an das Landratsamt B. – Fachbereich Gesundheitswesen – mit der Bitte um Unterstützung. Darin schilderte die Antragsgegnerin die Leistungsentwicklung der Antragstellerin und teilte mit, dass es dieser trotz nunmehr über dreijähriger Tätigkeit im Bereich „Direkter Beitragseinzug“ nicht gelinge, einfachste Arbeiten selbstständig und fehlerfrei zu erledigen. Selbst mitunter separat besprochene Fälle nach Musteranleitung könnten oft nur unzureichend gelöst werden. Auch bereits richtig erledigte Sachverhalte würden im Wiederholungsfall plötzlich wieder falsch gemacht. Der Leistungseinbruch dokumentiere sich auch in den periodischen Beurteilungen der Antragstellerin. So habe diese im Jahr 2009 4 Punkte, 2012 3 Punkte und 2015 2 Punkte (auf einer 16-Punkte-Skala) erhalten. Ein Gesamturteil von 2 Punkten sei dann zu vergeben, wenn die Arbeitsleistung mit erheblichen Mängeln behaftet sei und die Anforderungen daher nur unzureichend erfüllt würden. Einhergehend damit sei auch ein Stopp in der Dienstalters-Stufenvorrückung erfolgt. Die Antragstellerin selbst beurteile ihre Leistungen dagegen völlig konträr. Das Landratsamt B. wurde um Stellungnahme zur Dienstfähigkeit der Antragstellerin gebeten. Nennenswerte Arbeitsunfähigkeitszeiten seien nicht zu verzeichnen.
Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Landratsamt B. beauftragt worden sei, zur Frage ihrer Dienstfähigkeit Stellung zu nehmen. Mit Terminsmitteilung des Landratsamts B. vom 7. August 2015 wurde die Antragstellerin zur amtsärztlichen Untersuchung am 18. September 2015 geladen.
Ein von der Antragstellerin deswegen vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth angestrengtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. B 5 E 15.564) wurde mit Beschluss vom 8. September 2015 eingestellt, nachdem die Antragsgegnerin die Untersuchungsanordnung „aus formellen Gründen“ aufgehoben und den Untersuchungstermin abgesetzt hatte und die Beteiligten den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.
Unter dem 4. September 2015 wandte sich die Antragsgegnerin erneut an das Landratsamt B. – Fachbereich Gesundheitswesen – mit der Frage, ob eine amts- oder fachärztliche Begutachtung der Antragstellerin sinnvoll erscheine und welche Fachrichtung hier zur Klärung beitragen könnte. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Betriebsarzt keine Dienstunfähigkeit festgestellt, jedoch eine neurologische Untersuchung angeraten habe. Das Landratsamt B., Dr. G., teilte mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 mit, dass eine zusätzliche Beurteilung durch einen Arzt auf neurologischem oder neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet durchaus sinnvoll sei.
Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20. April 2016 an die Antragstellerin eine Begutachtung durch das Landratsamt B. – Fachbereich Gesundheitswesen – an. Zur Begründung wurde die oben geschilderte Leistungsminderung der Antragstellerin dargestellt. Hierfür seien keine äußeren und damit organisatorisch behebbaren Ursachen wie etwa Publikumsverkehr oder Personalverantwortung zu erkennen. Auch eine quantitative oder qualitative Überlastung sei auszuschließen, da der Antragstellerin nur eine eingeschränkte Anzahl von Akten zugewiesen werde, die in keinem Verhältnis zur Arbeitszeit stehe. Seit der Rückkehr zur Vollzeittätigkeit habe sich daran nichts geändert, da eine signifikante Erhöhung der Arbeitsmenge bislang zurückgestellt worden sei. Es bestehe die begründete Sorge, dass gesundheitliche Gründe ursächlich für diese Leistungsentwicklung sein könnten, so dass eine amtsärztliche Überprüfung der Dienstfähigkeit – auch durch eine Untersuchung auf neurologischem bzw. neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet – erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 27. April 2016 erteilte die Antragsgegnerin dem Landratsamt B. – Fachbereich Gesundheitswesen – einen entsprechenden Untersuchungsauftrag (Beiakte I Bl. 144), auf dessen Inhalt verwiesen wird. Mit Schreiben vom selben Tag brachte sie den Untersuchungsauftrag der Antragstellerin zur Kenntnis.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin auffordern, die Aufforderung vom 20. April 2016, sich am 8. Juni 2016 im Landratsamt B. amtsärztlich untersuchen zu lassen, zurückzunehmen.
Die Antragsgegnerin erwiderte hierzu mit Schreiben vom 19. Mai 2016, dass keine Veranlassung gesehen werde, den Untersuchungsauftrag vom 27. April 2016 zurückzunehmen.
Mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 23. Mai 2016 an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth ließ die Antragstellerin im Wege des Eilrechtsschutzes nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beantragen:
Die Antragstellerin ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet, die Anordnung der Antragsgegnerin vom 20. April 2016 zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung ihrer Dienstfähigkeit durch das Landratsamt B. (Fachbereich Gesundheitswesen) am 8. Juni 2016 zu befolgen.
Zur Begründung wird ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei aufgrund der Eilbedürftigkeit wegen des unmittelbar bevorstehenden Untersuchungstermins am 8. Juni 2016 gegeben. Die Untersuchungsanordnung vom 20. April 2016 sei rechtswidrig und entspreche weder den formellen noch den inhaltlichen Anforderungen, die das Gesetz und die Rechtsprechung voraussetzten. Es sei nicht erkennbar, auf welche konkreten Umstände und Vorfälle die Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin gestützt würden. Die Ausführungen seien insoweit unsubstantiiert und erschöpften sich in pauschalen Behauptungen ohne Nennung von konkreten Beispielen und Vorfällen. Auch werde nicht dargelegt, inwieweit die Arbeitsleistung der Antragstellerin hinter der ihrer Kollegen erheblich zurückbleibe. Worin die Minderleistungen zu sehen seien, etwa Arbeitsrückstände, juristische Fehler oder Fehler im formalen Arbeitsablauf, werde nicht erkennbar. Der Gutachtensauftrag an das Landratsamt nehme zwar auf die dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin Bezug, diese seien jedoch nicht beigefügt, so dass eine Auseinandersetzung mit den behaupteten schlechten Einzelleistungen und ein Einfließen in die medizinische Bewertung nicht möglich seien. Die Untersuchungsanordnung enthalte darüber hinaus keine Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung in den Grundzügen, dies bleibe vielmehr dem Landratsamt überlassen. Es sei lediglich ein Fragenkatalog übermittelt worden, welcher Art und Umfang der Untersuchung jedoch offen lasse, etwa, ob erneut eine allgemeinmedizinische oder eine fachärztliche Untersuchung durch einen Neurologen/Psychiater durchgeführt werde und welche Untersuchungsmethoden zur Anwendung kämen. Überdies stelle sich die Anordnung einer uneingeschränkten, nicht näher bestimmten, amtsärztlichen Untersuchung – insbesondere vor dem Hintergrund des Ergebnisses der betriebsärztlichen Untersuchung vom Mai 2015 -als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig dar. Das Gutachten des Dr. K. habe einen hohen Beweiswert, sei im Gutachtensauftrag an das Landratsamt B. jedoch nicht einmal erwähnt worden. Da es sich bei der neuerlichen Untersuchung um einen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin handele, sei nachvollziehbar zu begründen, weshalb das betriebsärztliche Gutachten als nicht ausreichend erachtet werde.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 27. Mai 2016,
den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Die Gründe für die amtsärztliche Untersuchung seien ausreichend dargetan. Es seien ausdrücklich Beispiele genannt worden, welche Anlass zur Sorge begründeten. Dabei handele es sich nicht um einzelne, gelegentliche Fehler, sondern um eine stetige Schlechtleistung, welche über Jahre in den periodischen Beurteilungen dokumentiert sei. Es bestehe die begründete Sorge, dass hierfür gesundheitliche Gründe ursächlich sein könnten. Der amtsärztliche Untersuchungsauftrag müsse gerade keine dienstlichen Beurteilungen enthalten sondern lediglich über die Beweggründe des Auftrags informieren. Die Antragstellerin sei auch ausdrücklich über Art und Umfang der Untersuchung informiert worden. Aus dem Anschreiben vom 20. April 2016 gehe hervor, dass es sich um eine Untersuchung auf dem neurologischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet handele. Im Untersuchungsauftrag an das Landratsamt B. seien Art und Umfang der Untersuchung auf Grundlage eines Fragenkatalogs hinreichend konkretisiert worden. Die Antragstellerin überschätze darüber hinaus den Beweiswert der betriebsärztlichen Untersuchung. Dr. K. habe in seiner abschließenden Stellungnahme erklärt, dass eine Untersuchung auf neurologischem Fachgebiet sinnvoll sei.
Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2016 nahm der Bevollmächtigte der Antragstellerin hierzu Stellung und führte aus, die Antragsgegnerin beschränke sich nach wie vor auf allgemeine Ausführungen ohne zu nennen, worin die angeblichen Leistungsminderungen zu sehen seien. Gründe für eine amtsärztliche Untersuchung seien mithin nicht dargetan. Der behauptete Leistungsabfall lasse sich nicht anhand objektiver Tatsachen überprüfen. Aus dem Anschreiben vom 20. April 2016 ergebe sich – entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin – ausdrücklich, dass die Antragstellerin nochmals uneingeschränkt amtsärztlich untersucht werden solle, sofern erforderlich auch auf neurologisch bzw. neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der Untersuchungsauftrag sei damit zu weitgehend und daher rechtswidrig, insbesondere werde die betriebsärztliche Untersuchung vom Mai 2015 unerwähnt gelassen, so dass das Landratsamt nur einseitig informiert werde. Eine Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit dem Ergebnis der betriebsärztlichen (allgemeinmedizinischen) Untersuchung – der Bestätigung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin durch Dr. K. – finde nicht statt. Gründe für die Erforderlichkeit einer nochmaligen umfangreichen Untersuchung gebe die Antragsgegnerin nicht an. Die Anordnung einer uneingeschränkten und nicht näher bestimmten amtsärztlichen Untersuchung erweise sich somit als unverhältnismäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Er ist insbesondere nach § 123 Abs. 5 VwGO statthaft, da es sich bei der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung mangels entsprechender Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt i. S.v. Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handelt (BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – ZBR 2014, 254 – juris Rn. 8; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – NVwZ 2012, 1483 – juris Rn. 15; U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – BVerwGE 146, 347 – juris Rn. 16), so dass im Hauptsacheverfahren keine Anfechtungssituation i. S.v. §§ 80 ff. VwGO gegeben ist. Auch steht die Regelung des § 44 a VwGO Satz 1 nicht entgegen, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Von der Ausnahmeregelung des § 44 a Satz 2 VwGO sollen insoweit auch solche Verfahrenshandlungen erfasst werden, bei denen ohne selbstständige Anfechtbarkeit behördlichen Handelns die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache dem Rechtsschutz des Betroffenen nicht genügen würde. Daher ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Untersuchungsanordnung zulässig, wenn sie eine grundrechtlich geschützte subjektiv-öffentliche Rechtsstellung beeinträchtigt (BayVGH, B.v. 16.7.2015 – 3 CE 15.1046). Da die angeordnete amtsärztliche Untersuchung mit Eingriffen die die körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin verbunden sein kann, ist eine mögliche Beeinträchtigung der Antragstellerin in subjektiv-öffentlichen Rechten als gegeben anzusehen. Im Übrigen ist die Weigerung, an der Untersuchung teilzunehmen, disziplinarisch sanktionierbar und damit vollstreckbar (BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 – juris Rn. 28).
2. Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Ein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ergibt sich vorliegend aus der Eilbedürftigkeit der Sache, da die amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin für den 8. Juni 2016 vorgesehen ist und der Untersuchungstermin somit unmittelbar bevorsteht.
b) Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
aa) Auf den vorliegenden Sachverhalt finden die Vorschriften des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) Anwendung. Nach Art. 1 Abs. 1 BayBG gilt das Gesetz unter anderem für die sonstigen unter der Aufsicht des Staates stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Antragsgegnerin ist gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 der Satzung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern vom 8. Juli 2008 eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung i. S. d. § 29 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Da ihr Zuständigkeitsbereich gem. § 1 Abs. 3 der Satzung auf die Regierungsbezirke Mittelfranken, Oberfranken und Unterfranken beschränkt ist, untersteht sie nach § 90 Abs. 2 SGB IV i. V. m. Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) der Aufsicht des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, so dass für die Beamten der Antragsgegnerin das Bayerische Beamtengesetz Anwendung findet.
bb) Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) ist der Beamte verpflichtet, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstfähigkeit bestehen. Da es sich dabei um einen Eingriff in die grundrechtsbewährte persönliche Sphäre des Beamten handelt, sind an eine solche Anordnung bestimmte inhaltliche und formelle Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – ZBR 2014, 254 – juris Rn. 8). So muss aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft sein, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11; B.v. 10.4.2014 – juris Rn. 19). Den Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, welche in der Untersuchungsaufforderung anzugeben sind. Der Beamte muss anhand der Begründung der Anordnung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 6; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – NVwZ 2012, 1483 – juris). Er muss ihr entnehmen können, was konkreter Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag. Dabei darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Adressat würde schon wissen, „worum es gehe“ (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a. a. O., juris Rn. 20). Genügt die Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a. a. O., juris Rn. 21). Die Untersuchungsanordnung muss somit aus sich heraus verständlich und ausreichend bestimmt sein (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 – juris Rn. 31).
Die Untersuchungsanordnung muss darüber hinaus auch Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die anordnende Behörde darf dies nicht dem Belieben des (Amts-)Arztes überlassen. Nur so wird der Beamte in die Lage versetzt, die Verhältnismäßigkeit der an ihn ergangenen Aufforderung prüfen zu können. Der Dienstherr muss sich somit bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347 – juris Rn. 22 f.) Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Beamte einer fachpsychiatrischen Untersuchung unterziehen soll, da Erhebungen eines Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit und Ausbildung, zu besonderen Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher stehen als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind und die mit einer solchen Untersuchung verbundenen Eingriffe in das Recht des Beamten aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig sehr weitgehend sind (vgl. BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69 – juris Rn. 55; BVerwG, U.v. 26.4.2012 a. a. O.).
Minderleistungen des Beamten sind für sich allein in der Regel nicht geeignet, eine amtsärztliche Untersuchung zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347 – juris Rn. 19; OVG RhPf, U.v. 22.5.2013 – 2 A 11083/12 – juris Rn. 28 f.). Da diese in der Regel einen erheblichen Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeit darstellt, was – wie ausgeführt – insbesondere bei psychiatrischen Untersuchungen der Fall ist, kann die bloße Schlecht- bzw. Minderleistung allenfalls dann derart erhebliche, eine amtsärztliche Untersuchung rechtfertigende Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten begründen, wenn gesundheitliche Beschwerden von vornherein als einzig denkbare Ursache für einen plötzlichen und anders nicht erklärbaren Leistungsabfall in Betracht kommen. Die bloße Schlechtleistung ist daher zunächst im Rahmen der regelmäßig erfolgenden dienstlichen Beurteilungen des Beamten entsprechend zu würdigen.
Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung keinen rechtlichen Bedenken.
Die Untersuchungsanordnung im Schreiben der Antragsgegnerin vom 20. April 2016 an die Antragstellerin wird vorliegend durch den der Antragstellerin im Abdruck übersandten Untersuchungsauftrag an das Landratsamt B. – Fachbereich Gesundheitswesen – sowie die Terminsmitteilung des Landratsamts Bayreuth vom 3. Mai 2016 konkretisiert.
Es wird darin hinreichend erkennbar, dass die Antragsgegnerin aufgrund eines stetigen Leistungsabfalls der Antragstellerin erhebliche Zweifel an deren Dienstfähigkeit hat. Es wird deutlich, dass es der Antragstellerin nach einer über vier Jahre andauernden Beschäftigung bzw. „Einarbeitungsphase“ im Bereich „Direkter Beitragseinzug“ nicht gelingt, ein zumutbares Mindestmaß an Leistung sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht zu erbringen. Die Antragsgegnerin schildert, dass es der Antragstellerin, welche jedenfalls formal als stellvertretende Teamleiterin eingesetzt wird, häufig – auch im Wiederholungsfall – nicht gelingt, selbst einfache Arbeiten selbstständig und fehlerfrei einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Dieser Leistungseinbruch wird durch die dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und die darin erkennbare Entwicklung des Gesamturteils von 4 Punkten in der Beurteilung 2009 auf nurmehr noch 2 Punkte in der Beurteilung 2015 augenfällig dokumentiert. Es ist für die Antragstellerin damit erkennbar und nachvollziehbar, welche Umstände ihrem Dienstherrn Anlass zu Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit geben und welche Gründe für die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung vorliegen. Eine Angabe konkreter Ereignisse aus dem Arbeitsalltag mit detaillierten Vorhalten hinsichtlich mangelbehafteter Einzelleistungen ist nicht erforderlich. Die Antragstellerin kann sich anhand des Anordnungsschreibens in Verbindung mit dem ihr übersandten Untersuchungsauftrag in hinreichendem Maße Kenntnis davon verschaffen, warum die Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit erfolgen soll. Insbesondere ist ihr auch der Inhalt der erwähnten dienstlichen Beurteilungen und mithin die Grundlage ihrer sich zunehmend verschlechternden Beurteilungen bekannt. Eine Übersendung der Beurteilungen an das Landratsamt B. brauchte nicht zu erfolgen, da sich bereits aus dem Untersuchungsauftrag für den Amtsarzt der Anlass der durchzuführenden Begutachtung deutlich ergibt. Die Untersuchungsanordnung gibt hinsichtlich ihrer Bestimmtheit und Nachvollziehbarkeit keinen Anlass zu Zweifeln.
Darüber hinaus legt die Untersuchungsanordnung unter Berücksichtigung des übersandten Fragenkatalogs auch Art und Umfang der Untersuchung hinreichend deutlich fest. Es ist ersichtlich, dass eine allgemeine Dienstfähigkeits-Untersuchung sowie – soweit vom Amtsarzt hiernach für erforderlich gehalten – eine neurologische bzw. neurologisch-psychiatrische Begutachtung stattfinden soll. Gerade im neurologisch-psychiatrischen Bereich dürfen die Anforderungen an die Angabe von Art und Umfang der angeordneten Untersuchung aufgrund der weniger strengen Konturierung medizinischer Sachverhalte nicht überspannt werden. Die Antragstellerin muss nach dem ihr bekannten Inhalt des Anordnungsschreibens und des damit unmittelbar in Zusammenhang stehenden Untersuchungsauftrags mit einer Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet rechnen. Es kann dem Dienstherrn nicht zugemutet werden, bereits im Vorfeld im Zusammenwirken mit Ärzten entsprechender Fachrichtungen die Untersuchung in Einzelheiten vorzubereiten, da dies zu einer faktischen Vorwegnahme der dem Amtsarzt aufgrund seiner Sachkenntnis im jeweiligen situativen Kontext zu treffenden Entscheidungen über die Erforderlichkeit und Zweckdienlichkeit einzelner Untersuchungsbestandteile führen würde.
Weiterhin erweist sich die streitgegenständliche Anordnung als verhältnismäßig. Auch mit Blick auf die bereits stattgehabte betriebsärztliche Untersuchung ist festzustellen, dass der Begutachtung durch einen Amtsarzt für die Entscheidung des Dienstherrn über die Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Ruhestandsversetzungsverfahrens erhebliche Bedeutung zukommt. Dies zeigt sich bereits an der gesetzlichen Regelung des Art. 65 Abs. 2 und 3 BayBG, welche ausdrücklich einen Amtsarzt bzw. ein amtsärztliches Gutachten erwähnen. Der Amtsarzt verfügt in der Regel über ein breites Erfahrungswissen auch hinsichtlich der beamtenrechtlichen Besonderheiten in dienstrechtlich überlagerten Fällen medizinischer Begutachtungen, so dass seinem Urteil im Vergleich zu dem anderer Ärzte regelmäßig ein besonderes Gewicht zukommt. Darüber hinaus hatte der Betriebsarzt selbst seine damalige Einschätzung mit Schreiben vom 20. Juli 2015 ergänzt und eine neurologische Untersuchung der Antragstellerin als sinnvoll erachtet. Die amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin stellt sich auch als das letzte Mittel für die Antragsgegnerin dar, die Ursachen für die gravierenden Leistungsmängel der Antragstellerin zu ergründen, nachdem organisatorisch behebbare Gründe wie etwa eine Überlastung durch Zuweisung einer nicht zu bewältigenden Arbeitsmenge, Publikumsverkehr oder Personalverantwortung nicht erkennbar sind. Auch die Antragstellerin selbst gibt insofern keinen plausiblen Hinweis auf den Hintergrund der gezeigten Leistungen. Nachdem sich die Situation den Angaben der Antragsgegnerin zufolge seit Aufnahme der Vollzeittätigkeit zum 1. April 2016 verschärft hat, bleibt dieser aus ihrer Sicht keine andere Möglichkeit, auf die Leistungsentwicklung der Antragstellerin zu reagieren, will sie nicht mit disziplinarischen Mitteln auf die erbrachte Minder- bzw. Schlechtleistung reagieren, wobei die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des – dann vermutet schuldhaften – Verhaltens der Antragstellerin aus Sicht des Gerichts gegenüber der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung kein milderes Mittel darstellt.
Da sich die streitgegenständliche Anordnung somit als rechtmäßig erweist, kann die Antragstellerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG)


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