Medizinrecht

Unterlassungsanspruch des angeblich ungeeigneten Arztes gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung

Aktenzeichen  S 28 KA 216/20 ER

Datum:
27.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4323
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BDO-KVB § 3, § 11
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1
SGB V § 73 Abs. 2, § 75

 

Leitsatz

Zu einer einstweiligen Anordnung wegen der vorläufigen Verpflichtung einer Kassenärztlichen Vereinigung, es zu unterlassen, gegenüber Vertragsärzten sinngemäß zu behaupten, dass ein als Vertreter im Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingesetzter Arzt ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist. (Rn. 27 – 64)
1. Der zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt muss selbst für eine Vertretung sorgen und den Vermittlungs- und Beratungszentralen sowie der Kassenärztlichen Vereinigung bekanntgeben. Eine Zulassungserteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung erfolgt nicht.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die sinngemäße Äußerung der Ungeeignetheit eines Arztes für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst verletzt den betroffenen Arzt in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn verschiedene Vorfälle Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes aufkommen lassen, so besteht ein Unterlassungsanspruch des betroffenen Arztes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bezüglich der Behauptung und Verbreitung seiner Ungeeignetheit, wenn die entsprechenden Sachverhalte nicht abschließend ausermittelt sind.  (Rn. 55 – 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Antragsteller zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst zuzulassen, wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, es zu unterlassen, gegenüber Vertragsärzten zu behaupten und zu verbreiten, dass der Antragsteller ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist.
III. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu 1. ist unzulässig, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu 2. begründet.
§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG regelt, dass das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Solche Anträge sind schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
1. Soweit der Antragsteller die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst zuzulassen, macht er eine Regelungsanordnung geltend (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Mangels Antragsbefugnis ist dieser Antrag unzulässig.
Unter Berücksichtigung seiner Antragsbegründung vom 23.10.2020 begehrt der Antragsteller mit seinem Antrag die vorläufige Zulassung, gemäß §§ 3, 11 Abs. 3 BDO-KVB die Vertretung im Rahmen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes auszuüben.
Ein solcher Anspruch kommt unter keinem rechtlichen Aspekt in Betracht.
Eine von der Antragsgegnerin zu erteilende Zulassung für die Vertretung im Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist rechtlich nicht vorgesehen.
§ 11 Abs. 1 bis 4 BDO-KVB (in der Fassung vom 23.11.2012, geändert durch Beschluss vom 23.11.2019) lautet:
(1) Der zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt hat die für ihn vorgemerkten Bereitschaftsdienste grundsätzlich persönlich auszuführen.
(2) Ist der zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt an der persönlichen Wahrnehmung seines Bereitschaftsdienstes gehindert, ist er verpflichtet, die Verhinderung der KVB unverzüglich mitzuteilen und den betreffenden Bereitschaftsdienst rechtzeitig innerhalb der Dienstgruppe abzugeben bzw. zu tauschen oder für eine geeignete Vertretung zu sorgen. Ist ein MVZ zum Bereitschaftsdienst eingeteilt, treffen die vorgenannten Pflichten den Ärztlichen Leiter des MVZ.
(3) Vertretungen im Allgemeinen Ärztlichen Bereitschaftsdienst sind durch einen nach § 3 ausreichend qualifizierten Arzt zulässig. Im Fachärztlichen Bereitschaftsdienst ist eine Vertretung nur durch einen Facharzt desselben Fachgebietes zulässig. Der zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt/der Ärztliche Leiter des MVZ hat sich persönlich zu vergewissern, dass die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen in der Person des Vertreters erfüllt sind. Der Vertretene trägt die Verantwortung für die rechtzeitige Aufnahme sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch seinen Vertreter. Der Vertreter hat dem Vertretenen unverzüglich mitzuteilen, wenn er an der Wahrnehmung des übernommenen Bereitschaftsdienstes gehindert ist. Die Verpflichtung zur Durchführung dieses Bereitschaftsdienstes obliegt damit wieder dem Vertretenen als ursprünglich eingeteiltem Arzt.
(4) Diensttausch bzw. Dienstabgabe oder Vertretung ist den Vermittlungs- und Beratungszentralen (§ 12) und der KVB durch den abgebenden/vertretenen Arzt bzw. bei angestellten Ärzten durch den Ärztlichen Leiter/anstellenden Vertragsarzt unverzüglich bekannt zu geben.
Aus den Vorschriften des § 11 Abs. 2 bis 4 BDO-KVB ergibt sich, dass der zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt selbst für eine geeignete Vertretung sorgt und diese den Vermittlungs- und Beratungszentralen sowie der Antragsgegnerin bekannt gibt. Eine Zulassungserteilung für die Vertretung durch die Antragsgegnerin erfolgt nicht. Ebenso wenig bedarf es im Fall einer Vertretung des Abschlusses einer Kooperationsvereinbarung mit der Antragstellerin (vgl. § 4 BDO-KVB zur freiwilligen Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst).
Eine rechtliche Grundlage für die vom Antragsteller beantragte vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn zur Vertretung im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gemäß §§ 3, 11 Abs. 3 BDO-KVB zuzulassen, existiert somit nicht. Der Antragsteller ist daher insoweit nicht antragsbefugt.
2. Mit seinem zweiten Antrag macht der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch geltend, so dass die Sicherungsanordnung statthaft ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, 2020, § 86b Rn. 25a m.w.N.).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieses Antrags liegen allesamt vor.
Darauf, dass ein solcher Unterlassungsanspruch in der Hauptsache noch nicht anhängig ist, kommt es vorliegend nicht an (§ 86b Abs. 3 SGG).
Das Gericht geht (noch) vom Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers aus. Seine Prozessbevollmächtigten haben sich mit Schriftsatz vom 31.8.2020 vorab an die Antragsgegnerin zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs wegen rufschädigender Äußerungen gegenüber ärztlichen Kollegen des Antragstellers im Zusammenhang mit Vertretungstätigkeiten im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gewandt.
Der Antrag ist auch begründet.
Voraussetzungen im Rahmen der Begründetheit der Sicherungsanordnung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund; diese sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt (Keller, ebenda, § 86b Rn. 27 m.w.N.).
Wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, ist der Antragsteller nicht schutzwürdig. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist, abzulehnen. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund; auch in diesem Fall kann aber auf einen Anordnungsgrund nicht verzichtet werden. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (Keller, ebenda, § 86b Rn. 29, 29a m.w.N.).
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wäre ein Erfolg einer Unterlassungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) im Hauptsacheverfahren gegen die Antragsgegnerin mit großer Wahrscheinlichkeit gegeben.
Der Anordnungsanspruch des Antragstellers basiert auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB.
Ein auf einem vertraglichen Unterlassungsanspruch des Antragstellers (wegen eines Verstoßes der Antragsgegnerin gegen eine vertragliche Verhaltenspflicht) beruhender Anordnungsanspruch kommt hingegen nicht in Betracht. Zwischen den Beteiligten besteht, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat, kein Rechtsverhältnis.
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BDO-KVB hat der zu vertretende Arzt für eine geeignete Vertretung zu sorgen; er hat sich dabei persönlich zu vergewissern, dass die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen in der Person des Vertreters erfüllt sind (§ 11 Abs. 3 Satz 3 BDO-KVB). Der Vertretene trägt die Verantwortung für die rechtzeitige Aufnahme sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch seinen Vertreter (§ 11 Abs. 3 Satz 4 BDO-KVB).
Der vertretene Arzt delegiert somit seinen Bereitschaftsdienst an den Vertreter; er bezahlt diesen auch für die Vertretung (vgl. auch Hesral in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, Stand 15.6.2020, § 75 Rn. 169). Die von dem Vertreter im Ärztlichen Bereitschaftsdienst erbrachten Leistungen stellen persönliche Leistungen des vertretenen Arztes dar. Ein Rechtsverhältnis besteht somit nur zwischen vertretenem Arzt und Vertreter, nicht jedoch zwischen der Antragsgegnerin und dem Vertreter (anders zur früheren Rechtslage in Hessen SG Marburg, Urteil vom 26.10.2016, Az. S 12 KA 387/15, Rn. 36). Mangels Rechtsverhältnis kann der Antragsteller somit keinen vertraglichen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend machen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es rechtlich konsequent ist, wenn die Antragsgegnerin (zunächst) nicht den Antragsteller, sondern die von ihm jeweils vertretenen Ärzte mit Vorfällen aus den Bereitschaftsdiensten konfrontiert, welche der Antragsteller in Vertretung übernommen hatte (vgl. das von der Antragsgegnerin beschriebene Vorgehen in ihrem Schreiben vom 18.9.2020 an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers). Wegen der Verantwortung des vertretenen Arztes für die ordnungsgemäße Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch seinen Vertreter (§ 11 Abs. 3 Satz 4 BDO-KVB) sind die die Vertretertätigkeiten betreffenden Beschwerden von der Antragsgegnerin im Verhältnis zum vertretenen Arzt näher aufzuklären; dieser kann gegebenenfalls den Antragsteller bzw. den Vertreter mit einbeziehen. Daneben ist es der Antragsgegnerin aber aus Sicht des Gerichts unbenommen, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zusätzlich auch direkt eine Stellungnahme des Antragstellers bzw. des Vertreters einzuholen.
Nach summarischer Prüfung besitzt der Antragsteller einen deliktischen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. Die Antragsgegnerin ist nicht berechtigt, gegenüber Vertragsärzten (sinngemäß) zu behaupten und zu verbreiten, dass der Antragsteller ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist.
Die sinngemäße Äußerung, der Antragsteller sei ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin, verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Betroffenes Rechtsgut bei wie vorliegend rufschädigenden Äußerungen, wenn das berufliche Ansehen im Allgemeinen betroffen ist, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Bei Boykottaufrufen o.ä., die sich auf eine freiberufliche Tätigkeit wie die des Antragstellers beziehen, ist kommt daneben eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht, jedenfalls dann, wenn eine selbstständige freiberufliche Praxis existiert (vgl. Wilhelmi in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 823 BGB, Rn. 60).
Der von Antragstellerseite geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist (noch) hinreichend konkret gefasst.
Grundsätzlich betrifft der Anspruch auf Unterlassung – nur – den zu beanstandenden Eingriff. Nur die wörtlich oder sinngemäß gefallene konkrete Äußerung darf verboten werden (Rixecker in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Anhang zu § 12 Rn. 274 m.w.N.).
Eine wortwörtliche Äußerung der Antragsgegnerin gegenüber Vertragsärzten, dass der Antragsteller ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist, lässt sich keiner der dem Gericht vorliegenden Unterlagen entnehmen. Auch in dem vom Antragsteller nachgereichten Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.11.2020 an einen Vertragsarzt wird dieser lediglich aufgefordert, die Geeignetheit seines Vertreters (des Antragstellers) zu prüfen. Die Antragsgegnerin spricht in dem Schreiben jedoch nicht dem Antragsteller dessen Eignung für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst ab.
Die Antragsgegnerin hat aber in ihrem Schreiben vom 19.8.2020 an den Internisten Dr. C. sinngemäß geäußert, dass der Antragsteller nicht zur Ausübung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes geeignet ist. In diesem Schreiben hat sie formuliert, dass der Antragsteller nicht die persönlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Antragsgegnerin erfülle. Zugleich hat sie Dr. C. aufgefordert, einen anderen, geeigneten Vertreter zu benennen oder den Dienst im Dienstplanungsprogramm freizugeben und darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Durchführung des Bereitschaftsdienstes bis dahin ihm als ursprünglich eingeteiltem Arzt obliege (§ 11 Abs. 3 Satz 6 BDO-KVB).
Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller nicht über die Eignung zur Ausübung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes verfügt. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 BDO-KVB differenziert zwischen den persönlichen und fachlichen Voraussetzungen des Vertreters. Aus Sicht des Gerichts kann auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 21 Satz 1 Ärzte-ZV, wonach ein Arzt ungeeignet für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist, der aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben, diese Äußerung nur so verstanden werden, dass der Antragsteller nach Auffassung der Antragsgegnerin nicht über die notwendige Eignung zur Ausübung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes verfügt. Auch aus dem Hinweis am Ende des Schreibens, dass die Verpflichtung zur Durchführung des Bereitschaftsdienstes bis dahin Dr. C. als ursprünglich eingeteiltem Arzt obliege (§ 11 Abs. 3 Satz 6 BDO-KVB), ergibt sich, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht als geeigneten Vertreter ansieht.
Eine sinngemäß gefallene konkrete Äußerung der Antragsgegnerin dahingehend, dass der Antragsteller ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist, ist somit zu bejahen. Die Antragstellung der Prozessbevollmächtigen des Antragstellers ist daher im Hinblick auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als noch hinreichend konkret einzustufen.
Soweit die Antragsgegnerin sinngemäß gegenüber Vertragsärzten geäußert hat, der Antragsteller sei ungeeignet für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst, greift sie rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers sowie in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein.
Die Antragsgegnerin ist gegenüber Vertragsärzten zwar zur Äußerung von Zweifeln an der ordnungsgemäßen Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch den Antragsteller sowie an der Äußerung von Zweifeln hinsichtlich seiner Eignung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst aufgrund § 75 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b Satz 1 1.HS, Abs. 2 Satz 2 SGB V berechtigt. Sie ist jedoch nicht zu der weitergehenden (sinngemäßen) Behauptung gegenüber Vertragsärzten berechtigt, dass der Antragsteller nicht zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst geeignet ist bzw. diesbezüglich die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Absatz 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) (§ 75 Abs. 1b Satz 1 1.HS SGB V). Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Absatz 5 vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten (§ 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V).
Der Sicherstellungsauftrag der Antragsgegnerin umfasst die gesetz- und vereinbarungsgemäße Durchführung der ambulanten Versorgung zum Zwecke der Erfüllung der Leistungsansprüche der gesetzlich Versicherten in Gestalt der Erbringung ärztlicher Leistungen in bedarfsdeckender Zahl und geschuldeter Qualität (Hesral, ebenda, Rn. 34 m.w.N.). Soweit die Qualität der ärztlichen Behandlung im Bereitschaftsdienst durch einen Vertreter in Frage steht, gehört es deshalb zum Sicherstellungsauftrag der Antragsgegnerin, Vertragsärzte, die sich durch diesen Vertreter (möglicherweise) vertreten lassen (wollen), aus Gründen des Patientenschutzes hierüber zu informieren. Eine derartige Verpflichtung ergibt sich zudem aus der Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin gegenüber ihren Mitgliedern (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.1.2012, Az. L 7 KA 71/11 B ER, Rn. 23), da diese die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch ihre Vertreter tragen. Die Fürsorgepflicht gebietet es, die Mitglieder u.a. über etwaige zivilrechtliche Haftungsrisiken zu informieren.
Das Gericht schließt sich der Auffassung der Antragsgegnerin an, dass nicht unerhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch den Antragsteller und ebenso an seiner Eignung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst bestehen.
Dabei stützt sich das Gericht auf den Sachverhalt, wie er sich aus der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie den Akten des hiesigen und des Verfahrens S 28 KA 219/20 ergibt. Der Antragsteller bestreitet zwar die von der Antragsgegnerin geschilderten „Vorfälle“, erhebt jedoch keine substantiierten Einwendungen und macht insbesondere keine Tatsachen glaubhaft.
Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch den Antragsteller als Vertreter bestehen zum einen, weil er – aufgrund des dem Gericht vorliegenden Sachverhalts – während seines Bereitschaftsdienstes vom 14.6.2020/15.6.2020 im Fahrdienst trotz mehrfacher Hinweise des Fahrers keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hat. Unabhängig von der (noch zu klärenden) Frage, ob damals in dem Fahrzeug, wie vom Antragsteller behauptet, eine Plastikfolie zwischen Vorder- und Rücksitzen befestigt war, wäre hierin voraussichtlich ein schuldhafter Verstoß gegen die Vorschrift des § 8 Satz 1 der 5. BayIfSMV (vom 29.5.2020) zu sehen, wonach u.a. im öffentlichen Personennahverkehr für Fahrgäste Maskenpflicht besteht. Diese Vorschrift ist in dem von der Antragsgegnerin für die Ausübung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes eingerichteten Fahrdienst entsprechend anzuwenden. Zusätzlich läge auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vor, wonach der Arzt verpflichtet ist, die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften zu beachten.
Dass sich der Antragsteller bei seinem Einsatz am 15.6.2020 (G-Straße, B-Stadt) nach der Darstellung der Antragsgegnerin geweigert hat, beim Hausbesuch einer Patientin u.a. wegen eines COVID-19 Abstrichs eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) anzuziehen, stellt hingegen, soweit ersichtlich, keinen rechtlichen Verstoß dar. Diesbezüglich existieren nur Empfehlungen des RKI, jedoch keine rechtlich zwingenden Vorgaben, neben dem notwendigen Mund-Nasen-Schutz auch eine PSA zu tragen.
Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch den Antragsteller sowie an seiner Eignung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst bestehen zudem aufgrund zahlreicher Beschwerden von Patienten sowie von Personal des Bereitschaftsdienstes. Angesichts der Häufigkeit und des Inhalts der Beschwerden stellt sich die Frage der Eignung des Antragstellers, ob er also in der Lage ist, die Versicherten sachgemäß zu behandeln (BSG, Urteil vom 8.7.1981, Az. 6 RKa 17/80, Rn. 27).
Bei den von der Antragsgegnerin beanstandeten „Vorfällen“ handelt es sich jedoch allesamt um nicht abschließend ausermittelte Sachverhalte. Stellungnahmen des Antragstellers, die ggf. auch über die vertretenen Ärzte eingeholt werden könnten, liegen regelmäßig nicht vor, ebenso wenig über die Inhalte der einzelnen Beschwerden hinausgehende Informationen zu den dem Antragsteller zum Vorwurf gemachten fehlerhaften Behandlungen und sein Verhalten.
Angesichts dieses Ermittlungsstandes ist die Behauptung des Nichtvorliegens der persönlichen Voraussetzungen bzw. der Eignung des Antragstellers für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht gerechtfertigt. Denn grundsätzlich ist, wie im Rahmen von § 21 Ärzte-ZV, von der Geeignetheit eines Arztes auszugehen (vgl. Clemens in: Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Auflage, 2018, § 21 Rn. 6), so dass die „Feststellungslast“ für eine Ungeeignetheit bei der Antragsgegnerin liegt. Hierfür bedürfte es weiterer Sachverhaltsaufklärungen der Antragsgegnerin.
Lediglich anzumerken ist, dass es aus Sicht des Gerichts sehr fraglich ist, ob es angemessen wäre, (nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts) einzig aufgrund eines einmaligen schuldhaften Verstoßes am 14.6./15.6.2020 gegen die Vorschrift des § 8 Satz 1 der 5. BayIfSMV (vom 29.5.2020) die Ungeeignetheit des Antragstellers für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst anzunehmen, selbst wenn aufgrund der Pandemiesituation und des besonders hohen Infektionsrisikos im Bereitschaftsdienst und im Fahrdienst der Verstoß als gravierend eingestuft werden würde.
Nach alledem ist die Antragsgegnerin nicht berechtigt, gegenüber Vertragsärzten zu behaupten, dass der Antragsteller nicht zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst geeignet ist bzw. diesbezüglich die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Infolge des Schreibens der Antragsgegnerin vom 19.8.2020 an Dr. C. besteht auch eine Wiederholungsgefahr.
Auch ein Anordnungsgrund liegt vor, da weitere Äußerungen der Antragsgegnerin gegenüber Vertragsärzten zum Nichtvorliegen der persönlichen Voraussetzungen bzw. der Ungeeignetheit des Antragstellers für die Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) des Antragstellers zumindest erschweren würden.
Dem Antrag zu 2. war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog.


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