Medizinrecht

Unwirksamer Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges – keine Fristverlängerung zur Stellungnahme

Aktenzeichen  19 U 6524/19

Datum:
21.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24309
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 224, § 520 Abs. 2 S. 3, § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der antragstellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozeßförderung und der Prozeßwirtschaftlichkeit zu orientieren. Dieser Regelungszweck stimmt mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO überein. Denn er dient zum einen der Verfahrensbeschleunigung und soll der Einlegung von Rechtsmitteln allein in der Absicht, das Verfahren und den Eintritt der Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen. (Rn. 14 – 15) (red. LS Andy Schmidt)
2. Sinn und Zweck von § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Verfahrensbeschleunigung. Anders als bei der Berufungsbegründung erübrigt sich bei der Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO eine erneute Einarbeitung in die Akten. Mit dem Mandanten konnte in der Regel schon allgemein Rücksprache gehalten werden. Aus diesem Grund sind die “erheblichen Gründe” für eine Fristverlängerung im Rahmen von § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO restriktiver als im Fall der Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO zu handhaben. (Rn. 16 – 21) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

29 O 12121/19 2019-10-28 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Antrag des Klägers vom 17.04.2020, die Frist zur Stellungnahme zur Verfügung vom 12.03.2020 bis zum 18.05.2020 zu verlängern, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.10.2019, Aktenzeichen 29 O 12121/19, wird zurückgewiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Antrag des Klägers, den Rechtstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, wird zurückgewiesen.
5. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
6. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
7. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 28.10.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, welcher beantragt,
Es wird unter Aufhebung des am 28.10.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I (Az.: 29 O 12121/19) in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts München I vom 26.11.2019 beantragt wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 31.592,21 nebst Zinsen in Höhe von 5% – Punkten über dem Basiszinssatz der EZB zu zahlen nach Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges des Fabrikats BMW, Modell XI XDRIVE I8D, FahrgestellNr.: …95 nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeuges des Fabrikats: BMW, Modell: XI XDRIVE I8D, FahrgestellNr.: …95 in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 1.474,89 nebst Zinsen in Höhe von 5% – Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt der Kläger:
1. Die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
2. Das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Vorabentscheidungsverfahren C-66/19 auszusetzen.
3. Das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsverfahren des Landgerichts Ravensburg vom 07.01.2020 (Az.: 2 O 315/19) auszusetzen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.03.2020 (Bl. 157/166 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2020 (Bl. 167/168A.), eingegangen am 17.04.2020, 18:19 Uhr, beantragten die Klägervertreter aufgrund erheblicher Arbeitsüberlastung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts die am selben Tag ablaufende Frist zur Stellungnahme um einen Monat bis zum 18.05.2020 zu verlängern.
Eine Stellungnahme des Klägers zu dem Hinweis des Senats ging nicht ein.
Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Der am letzten Tag der Frist eingegangene Antrag der Klägervertreter vom 17.04.2020, die Frist zur Stellungnahme zu dem Hinweis vom 12.03.2020 bis zum 18.05.2020 zu verlängern, ist zurückzuweisen.
Den Klägervertretern wurde im Hinweisbeschluss vom 12.03.2020 eine Frist zur Stellungnahme binnen drei Wochen gesetzt. Diese Frist ist nicht nur ausreichend, sondern deutlich länger bemessen als die an sich gebotene Stellungnahmefrist von zwei Wochen.
Dass diese Frist dennoch nicht zur Fertigung einer Stellungnahme ausreicht, haben die Klägervertreter unter Darlegung erheblicher Gründe für eine Fristverlängerung glaubhaft zu machen (§ 224 ZPO).
Zu beurteilen sind die erheblichen Gründe vor dem Hintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks sowohl des Verfahrens zur Fristverlängerung (§ 224 f. ZPO) wie des Verfahrens zur Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der antragstellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozeßförderung und der Prozeßwirtschaftlichkeit zu orientieren (vgl. auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 61. Aufl., § 224 ZPO Rn. 2). Dieser Regelungszweck trifft sich mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO. Er dient zum einen der Verfahrensbeschleunigung und soll der Einlegung von Rechtsmitteln allein in der Absicht, das Verfahren und den Eintritt der Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 62, 64).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die von den Klägervertretern gleichwohl nur formelhaft und pauschal angeführte erhebliche Arbeitsüberlastung des allein sachbearbeitenden Rechtsanwalts die beantragte Fristverlängerung nicht. Weshalb den Klägervertretern eine rechtzeitige Stellungnahme innerhalb der ohnehin großzügig bemessenen Frist von drei Wochen nicht möglich gewesen sein soll, haben die Klägervertreter nicht substantiiert dargelegt geschweige denn glaubhaft gemacht.
Die „Vertrauensrechtsprechung” des BGH zur Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO) findet auf die Fristverlängerung nach §§ 522 Abs. 2 S. 2, 224 Abs. 2, 225 ZPO keine Anwendung.
Sinn und Zweck von § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Verfahrensbeschleunigung. Anders als bei der Berufungsbegründung erübrigt sich bei der Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO eine erneute Einarbeitung in die Akten. Mit dem Mandanten konnte in der Regel schon allgemein Rücksprache gehalten werden. Aus diesem Grund sind die „erheblichen Gründe“ für eine Fristverlängerung im Rahmen von § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO restriktiver als im Fall der Fristverlängerung nach § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO zu handhaben.
Hinzu tritt, dass der Antrag erst am letzten Tag vor Fristablauf gestellt wurde (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschluss vom 23.5.2003 6 U 43/02, OLG-NL 2004, 228/229 f). Denn selbst wenn die von den Klägervertretern angegebenen Gründe dazu geführt haben, die Stellungnahme nicht mehr rechtzeitig einreichen zu können, handelt es sich ersichtlich nicht um erst bei Fristablauf überraschend eingetretene Umstände. Der Kläger hätte das Gesuch insbesondere angesichts der erkennbar strengeren Handhabung von Verlängerungsgesuchen durch den Senat früher stellen und die Einhaltung der formalen Anforderungen sicherstellen können. Gerade deshalb, weil der Senat zum Zweck der Prozeßförderung auf seine Absicht hingewiesen hat, Fristverlängerungen restriktiv zu handhaben, hätten die Klägervertreter eingehend und rechtzeitig vor Fristablauf zu den erheblichen Gründen vortragen müssen.
Die Anwendung der angeführten höchstrichterlichen Vertrauensrechtsprechung zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den hiesigen Fall nur unterstellt, hat der Senat keinen Vertrauenstatbestand für die Klägervertreter auf eine Fristverlängerung aus erheblichen Gründen geschaffen.
In der Hinweisverfügung vom 12.03.2020 wurde der Kläger unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verlängerung der Stellungnahmefrist nur bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe in Betracht kommt.
Dem Kläger war die strengere Handhabung von Fristverlängerungsanträgen durch den Senat also bekannt. Dennoch hat er lediglich formelhaft Gründe vorgetragen und diese im Übrigen weder spezifiziert noch glaubhaft gemacht. Dass ein derartiger Antrag dem Postulat triftiger Gründe, die eine Fristverlängerung im konkret begründeten Einzelfall erfordern, nicht genügt, liegt auf der Hand.
Die Klägervertreter konnten angesichts dessen auch nicht darauf vertrauen, dass der Senat ihren am letzten Tag der Frist nur formelhaft begründeten Fristverlängerungsgesuch stattgeben würde (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. 7. 2008 – 3 B 69/08).
III.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 29 O 12121/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 12.03.2020, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält. Da eine fristgemäße, sich mit den Argumenten des Senats inhaltlich auseinandersetzende Stellungnahme nicht eingegangen ist, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert bis zu 35.000,00 € (Nettodarlehensbetrag in Höhe von 31.393,25 €) für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, § 3, 4 ZPO bestimmt.


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