Medizinrecht

Verfahren zur Feststellung der Behinderung nach SGB IX (Schwerbehindertenrecht)

Aktenzeichen  S 1 SB 321/16

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55007
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 109
SGB IX § 152 Abs. 1 u. Abs. 3

 

Leitsatz

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit festgestellt, § 152 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen /Teilhabebeeinträchtigungen/ mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet sind.
Der angefochtene Bescheid vom 15.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2016 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellten die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest.
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX).
Die Grundsätze und Kriterien für die Beurteilung ergeben sich aus der aufgrund der Ermächtigung des § 30 Abs. 16 BVG (früher Abs. 17) erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Bestandteil der Verordnung ist eine Anlage mit der Bezeichnung „Versorgungsmedizinische Grundsätze“. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze („VG“) treten an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“, die bisher als sogenannte antizipierte Gutachten zur Gesetzesauslegung und als Entscheidungshilfe herangezogen wurden.
Nah dem Ergebnis der Beweisaufnahme tragen die Feststellungen des Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid dem Gesundheitszustand der Klägerin und den hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigungen in zutreffender Weise Rechnung. Die GdB-Bildung ist nach erneuter medizinischer und rechtlicher Überprüfung nicht zu beanstanden.
Bei der Klägerin liegen folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. Posttraumatische Belastungsstörung, seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (Einzel-GdB 30).
Im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. ist hierzu festgehalten:
In psychischer Hinsicht war Frau A. zum Untersuchungszeitpunkt in allen Qualitäten klar orientiert. Gedächtnis und Merkfähigkeit waren nicht beeinträchtigt. Das Denken war geordnet, inhaltlich auf ihr Schmerzerleben zentriert. Psychotische Wahrnehmungsveränderungen ließen sich nicht eruieren. Die Stimmung war bedrückt, affektiv war sie nur begrenzt schwingungsfähig. Sie schilderte Teilsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mit wiederkehrenden belastenden Erinnerungen. Aufgrund der Symptomatik findet eine ganz gelegentliche ambulante psychiatrische Mitbehandlung bei Dr. E., B-Stadt, statt. Sie nimmt Antidepressiva ein. Eine engmaschige Psychotherapie erfolgt nicht.
Bei der seelischen Störung der Klägerin in Form der rezidivierenden Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen und chronischen Schmerzstörung handelt es sich um eine stärker behindernde Störung, die ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich einschränkt.
Ein Einzel-GdB von 30 ist zustandsgerecht.
2. Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes, Gebrauchseinschränkung der linken Hand, Daumensattelgelenksarthrose rechts.
Der GdB hierfür beträgt nach den übereinstimmenden Feststellungen der Gutachter  Dr. H. und I. sowie des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten 20.
3. Knorpelschäden des linken Kniegelenkes mit rezidivierenden Reizzuständen.
Hierfür beträgt der Einzel-GdB 10 (Gutachten I., versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.05.2018).
4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden (Einzel-GdB 10).
Die Kammer folgt insoweit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H..
Selbst wenn man jedoch mit dem Gutachter I. davon ausgeht, dass der GdB insoweit 20 beträgt, bleibt diese Einschätzung ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB.
Als weitere Behinderung ist im Bescheid festzustellen:
5. Kopfschmerzsyndrom.
Der Einzel-GdB hierfür beträgt 10.
Hinsichtlich der Bewertung des Gesamt-GdBs im Sinne des § 152 SGB IX schließt sich die Kammer der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. und Dr. K. vom Versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten an.
Selbst wenn man (grenzwertig) seitens der Wirbelsäule einen Einzel-GdB von 20 unterstellt, ließe sich damit nicht die Schwerbehinderteneigenschaft begründen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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