Medizinrecht

Versammlungsbeschränkungen wegen Corona

Aktenzeichen  10 CS 20.2449

Datum:
1.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30392
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 15
7. BayIfSMV § 7
IfSG § 4, § 24, § 28

 

Leitsatz

Eine Versammlung ist unter Berücksichtigung des derzeitigen Infektionsgeschehens nur mit einer Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 1.000 Personen, der Anordnung einer Maskenpflicht sowie einer ausreichenden Anzahl an Ordnern  vertretbar. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13 S 20.5546 2020-10-31 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seiner Beschwerde verfolgt die Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Reduzierung der Teilnehmerzahl von 5.000 auf 1.000 (Ziffer 1), die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung (Ziffer 2), die Begrenzung der Dauer der Veranstaltung auf maximal 270 Minuten (Ziffer 6) und Verpflichtung zur Bereitstellung eines Ordners pro 10 Teilnehmer (Ziffer 8) für die von Herrn R. angezeigte Versammlung am 1. November 2020 „Gegen Maskenpflicht und Verordnungsregime“ auf der T.wiese weiter.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2020 bestätigte die Antragsgegnerin die Anzeige. Gleichzeitig verfügte sie jedoch u.a. die angegriffenen Beschränkungen. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Am 31. Oktober 2020 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die genannten Beschränkungen im Bescheid vom 30. Oktober 2020 anzuordnen.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Die Antragsgegnerin habe unter maßgeblicher Berücksichtigung der Stellungnahmen des Polizeipräsidiums und des Referats für Gesundheit und Umwelt nachvollziehbar ausgeführt, dass bei einer Versammlung mit 5.000 Teilnehmern am gewünschten Versammlungsort die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewährleistet wäre. Bei den aufgrund der thematischen und organisatorischen Überschneidungen als Bezugsfälle herangezogenen Versammlungen u.a. am 12. September 2020 in M., am 11. Oktober 2020 in N., am 19. Oktober 2020 in St. und am 25. Oktober 2020 in B. sei es neben Unterschreitungen des in § 7 Abs. 1 Satz 1 7. BaylfSMV vorgegebenen Mindestabstands insbesondere zu zahlreichen Verstößen gegen die in § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BaylfSMV (bzw. nach Berliner Landesrecht) angeordnete Maskenpflicht gekommen. Soweit der Antragsteller rüge, die Antragsgegnerin hätte die sog. 7-Tageslndizenz, d.h. die Anzahl der Neuinfektionen im Stadtgebiet M. der letzten sieben Tage, nicht berücksichtigen dürfen, weise die Kammer auf Folgendes hin: Grundsätzlich sei es nicht zu beanstanden, dass dieser Inzidenzwert im Rahmen der Prognose von Infektionsrisiken ergänzend herangezogen werde, auch wenn sich aus dem Wert allein jedoch noch keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergebe (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2020 – 10 CS 20.2103 – juris Rn. 10). Der Einwand des Antragstellers, positive PCR-Virusnachweise genügten nicht für die Diagnose einer (übertragbaren) Erkrankung, übersehe, dass die Antragsgegnerin ihre Gefahrenprognose nicht allein auf solche Nachweise abstelle, sondern darüber hinaus die umfassende Risikobewertung des Robert-Kochlnstituts (RKI) berücksichtigt habe. Das RKI, dem der Gesetzgeber im Bereich des vorbeugenden Infektionsschutzes besonderes Gewicht einräumt (§ 4 IfSG; vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2064 – Rn. 25 m.w.N.), schätze die Lage in Deutschland auch in seiner aktuellen Risikoeinschätzung zu Covid-19 als sehr ernst und dynamisch ein. Der bloße Zweifel an den durch die Gesundheitsämter gemeldeten „Fallzahlen“ durch Hinweis darauf, dass ein PCR-Nachweis von Virus-RNA nicht stets bedeute, dass der Virusträger ansteckend erkrankt sei, genüge nicht, um die Gesamteinschätzung der Lage durch das RKI, in die neben der Anzahl positiv getesteter Personen auch die Entwicklung der gemeldeten Fälle, das Schwereprofil der Krankheitsverläufe und die Ressourcenbelastung des Gesundheitswesen in Deutschland und anderen Ländern einflössen, durchgreifend infrage zu stellen. Die in Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin ausgesprochene Verpflichtung der Teilnehmer der Versammlung, aus Gründen des Infektionsschutzes eine Maske zu tragen, begegne keinen Bedenken. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BaylfSMV sei bei Versammlungen jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen in der Regel Maskenpflicht anzuordnen. Das Gericht sehe im vorliegenden Eilverfahren keinen Anlass, von der Einschätzung des Verordnungsgebers abzuweichen, dass das Tragen von Mund und Nase bedeckenden Masken in bestimmten sozialen Situationen einen Beitrag zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie leisten könne. Soweit sich die Klage in der Hauptsache gegen die zeitliche Beschränkung der Versammlung auf maximal 270 Minuten richtet (Ziffer 6 des Bescheides der Antragsgegnerin), habe sie keine Aussicht auf Erfolg. Die Beschränkung könne sich auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 BaylfSMV stützen.
Der Antragsteller beantragt im Beschwerdeverfahren:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 31.Oktober 2020 wird abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2020 angeordnet.
Zur Begründung bringt er vor, es bleibe unklar, woraus das Verwaltungsgericht entnehmen wolle, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet und ein Schadenseintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Aus Maskenverstößen automatisch eine solche Gefahr herzuleiten, gehe fehl. Es werde anwaltlich versichert, dass bei der Demonstration in M. am 12. September 2020 die Abstände bei etwa 10.000 Teilnehmern weit überwiegend eingehalten worden seien. Eine Maskenpflicht für die Teilnehmer sei nicht erforderlich, wenn diese in ausreichendem Abstand zueinander stünden. Die Antragsgegnerin habe mit keinem Wort belegt, dass aufgrund von vermeintlichen Verstößen gegen die Maskenpflicht tatsächlich Infektionshotspots entstanden seien. Die Stellungnahme des Polizeipräsidiums sei ohne Relevanz, wenn aus vermeintlichen Verstößen gegen eine Maskenpflicht eine konkrete Infektionsgefahr hergeleitet werde. Ein relevanter Teil der Teilnehmer lehne das Tragen einer Maske aus (häufig schwerwiegenden) gesundheitlichen Gründen ab. Das Einhalten von Abständen werde allerdings größtenteils akzeptiert. Der Verstoß gegen die Maskenpflicht stelle eine Ordnungswidrigkeit, aber keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Auf die T.wiese könne die Sicherheit durch die Erhöhung des Mindestabstands als milderes Mittel gewährleistet werden. Die 7-Tagesinzidenz sei entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts ein treibender Faktor sämtlicher Maßnahmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Diesen Vortrag habe das Verwaltungsgericht komplett ignoriert. Die Antragsgegnerin habe schlichtweg nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 24 IfSG vorlägen. Der Inzidenzwert in M. sei demnach 0. Auch der Verweis auf die Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts genüge nicht, um die Versammlungsfreiheit in derart dramatischer Weise zu beschneiden. Das Robert-Koch-Institut stütze sich auf einen PCR-Test, der nicht geeignet sei, eine vermeintliche Infektion nachzuweisen. Auf die massive Ausweitung der Testkapazitäten werde nicht hingewiesen, ohne diese könne keine aussagekräftige Relation hergestellt werden. Es stünden ausreichend Intensivbetten zur Verfügung. Die weit überwiegende Mehrzahl der Intensivbetten sei nicht von Covid-19 Patienten belegt. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verlaufe die Erkrankung mild. Das Gericht müsse zumindest die Parameter, die das RKI heranziehe, rechtlich auf Plausibilität prüfen. Auch Maßnahmen gegen Nichtstörer setzten voraus, dass hierfür ein hinreichender Grund bestehe, was nicht der Fall sei. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die 8. BayIfSV einschlägig sei. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Einhaltung infektionsrechtlicher Vorgaben nur bei einer Teilnehmerbegrenzung möglich sei. Der Eingriff in das Versammlungsrecht sei in keiner Weise gerechtfertigt und unangemessen, da 80% der Versammlungsteilnehmer ihrer Versammlungsfreiheit beraubt würden. Inwiefern das Infektionsrisiko steigen solle, wenn die Teilnehmer länger als 270 Minuten vor Ort seien, werde mit keinem Wort dargelegt. Das Gericht lege die Coronaverordnung nicht aus, sondern setze die Nichteinhaltung der Regelung in § 7 8. BayIfSV mit einer Infektionsgefahr gleich. Das sei weder rechtlich noch tatsächlich haltbar. Es müsse mithin möglich sein, auch in Zeiten von Corona große Versammlungen durchzuführen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie nimmt insbesondere ausführlich zur Gefährlichkeit des Pandemiegeschehens und zur Auslastung des Gesundheitssystems Stellung. Insgesamt verkenne der Antragsteller, dass Schutzmaßnahen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach § 28 IfSG auch gegenüber Nichtstörern getroffen werden könnten. Bezüglich der Gefahrenprognose werde zudem auf den Bescheid vom 30. Oktober 2020 verwiesen, mit dem verfügt wird, dass der Antragsteller bei der streitgegenständlichen Versammlung nicht die Funktion des Versammlungsleiters übernehmen darf.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier (vgl. Art. 25 BayVersG) – keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
Gemessen daran führen die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe zu keiner Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Anfechtungsklage gegen die angegriffenen Beschränkungen ist voraussichtlich unbegründet.
Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
§ 7 Abs. 1 Siebte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV vom 1. Oktober 2020, BayMBl. Nr. 562, BayRS 2126-1-11-G), bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1) sowie die Pflicht der nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden, soweit im Einzelfall erforderlich durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers findet auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch die 7.BayIfSMV Anwendung, da die 8. BayIfSMV erst am 2. November 2020 in Kraft tritt (§ 28 Satz 1 der 8. BayIfSMV). Im Übrigen sind die Regelungen zu öffentlichen Versammlungen in beiden Verordnungen identisch.
Von der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 7. BayIfSMV in der Regel auszugehen, wenn die Teilnehmerzahl auf 200 Personen beschränkt ist und die Versammlung ortsfest stattfindet. Jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 ist in der Regel eine Maskenpflicht anzuordnen, § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BayIfSMV. Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063).
Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht sind auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Antragsteller angezeigte Versammlung unter Berücksichtigung des derzeitigen Infektionsgeschehens nur mit einer Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 1.000 Personen und der Anordnung einer Maskenpflicht sowie einer ausreichenden Anzahl an Ordnern infektionsschutzrechtlich vertretbar ist. Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 26. Oktober 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Die Inzidenz der letzten 7 Tage ist deutschlandweit weiter auf 110,9 Fälle pro 100.000 Einwohner (EW) angestiegen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) weist für die Landeshauptstadt M. eine demgegenüber nochmals erhöhte 7-Tages-Inzidenz von aktuell 133,2 aus. Die Rüge des Antragsstellers, die Risikobewertung durch das RKI, auf das sich die Antragsgegnerin maßgeblich gestützt hat, sei nicht plausibel, greift nicht durch. Das RKI passt seine Risikobewertung anlassbezogen und situativ unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage an. Dazu gehören die Übertragbarkeit gemessen an Fallzahlen und Trends zu gemeldeten Fällen gemäß Infektionsschutzgesetz in Deutschland und in anderen Ländern, die Krankheitsschwere, bewertet am Anteil schwerer, klinisch kritischer und tödlicher Krankheitsverläufe sowie Langzeitfolgen von COVID-19 in Deutschland und in anderen Ländern sowie die Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems (Öffentliches Gesundheitswesen, klinische Versorgung) in Deutschland und in anderen Ländern unter Berücksichtigung der jeweils getroffenen Maßnahmen sowie aller Möglichkeiten der Prävention und Kontrolle. Ausgehend hiervon führt das RKI zur Übertragbarkeit aus, SARS-CoV-2 sei grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Das Risiko einer Ansteckung über Aerosole steige in Innenräumen deutlich. Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten werde, z. B. bei größeren Menschenansammlungen, bestehe auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko. Hinsichtlich der Krankheitsschwere beschreibt des RKI, bei der überwiegenden Zahl der Fälle verlaufe die Erkrankung mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe nehme aber mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Das individuelle Risiko könne anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So könne es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, seien derzeit noch nicht abschätzbar. Die Ressourcenauslastung im Gesundheitssystem sei aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, nehme aber örtlich sehr schnell zu und könne dann das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung stark belasten. Angesichts dessen teilt der Senat die isolierte Bewertung des Antragstellers, die maßgeblichen Faktoren (Übertragbarkeit, Krankheitsschwere und Ressourcenauslastung des Gesundheitssystems) seien mit „moderat, gering und gering“ zu bewerten, ausdrücklich nicht. Vielmehr erscheint die Gesamtbewertung durch das RKI, die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland sei weiterhin hoch, für Risikogruppen sehr hoch, nachvollziehbar und plausibel (vgl. zuletzt auch BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 20 NE 20.1994 – juris Rn. 20). Auch ist das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen zur 7-Tageinzidenz und den PCR-Tests nicht berücksichtigt, nicht zutreffend. Die entsprechenden Ausführungen finden sich unter Rn. 17 des Beschlusses. Weiterhin sieht auch der Senat keine Veranlassung, im Rahmen eines versammlungsrechtlichen Eilverfahrens die Risikobewertung des RKI in Frage zu stellen, zumal die Einschätzung des derzeitigen Infektionsgeschehens nur ein Bestandteil der versammlungsrechtlichen Gefahrenprognose ist. An der Sache vorbei geht auch der Einwand des Antragstellers, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Versammlung liege erst dann vor, wenn die Antragsgegnerin nachgewiesen habe, dass sich aus der Versammlung ein Hotspot entwickelt habe
Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Anordnung der Maskenpflicht zur Gewährleistung der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit der Versammlung erforderlich ist. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann das besonders leicht von Mensch zu Mensch, insbesondere durch Tröpfcheninfektion übertragbare Virus nur durch eine strikte Minimierung der persönlichen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Durch eine Mund-Nasen-Bedeckung können infektiöse Tröpfchen, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, abgefangen werden, so dass das Risiko, eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken, verringert werden kann. Deshalb empfiehlt das Robert-Koch-Institut im Sinne des Fremdschutzes ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht auf einer Neubewertung aufgrund der zunehmenden Evidenz, dass ein hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt erfolgt, und zwar bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen. Versammlungen sind gekennzeichnet durch ein dynamisches Geschehen, bei dem es nicht nur zu deren Beginn und Ende, sondern auch während der Veranstaltung zu zahlreichen Bewegungen von Teilnehmern und Kontakten zwischen den Teilnehmern und anderen Personen kommen kann. Zweck einer Versammlung ist zudem die gemeinsame Meinungskundgabe, die durch Unterhaltungen und gemeinsames Rufen ein erhöhtes Risiko für Tröpfcheninfektionen mit sich bringt (NdsOVG, B.v. 26.6.2020 – 11 Me 139/20 – juris Rn. 27 ff.).
Soweit der Antragssteller darauf verweist, dass die Einhaltung eines Mindestabstands bei ortsfesten Versammlungen hinreichend sicher vor Infektionen mit Covid-19 schütze, übersieht er zum einen die Wertung des Verordnungsgebers in § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BayIfSMV, wonach jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen zusätzlich zum Mindestabstand in der Regel eine Maskenpflicht anzuordnen ist. Im Rahmen des Eilverfahrens ist grundsätzlich von der Verfassungsmäßigkeit der getroffenen Regelung auszugehen, zumal der Verordnungsgeber der Versammlungsbehörde die Möglichkeit einräumt, vom Regelfall abzuweichen. Der Antragsteller hat zudem im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert vorgetragen, dass bei der angezeigten Versammlung ein Abweichen von der Regel gerechtfertigt wäre. Insbesondere ist die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen die Maskenpflicht keinen Straftatbestand darstellt. Eine versammlungsrechtliche Beschränkung kann nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angeordnet werden, die auch bei einer Gesundheitsgefahr vorliegt. Ausreichend ist somit eine relevante Gesundheitsgefährdung durch die angezeigte Versammlung. Der Verwirklichung eines Straftatbestands, wie der Antragsteller meint, bedarf es hierfür nicht.
Des Weiteren ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Gefahrenprognose Erkenntnisse anlässlich des Versammlungsgeschehens am 15. August 2020, am 12. September 2020 und 23. Oktober 2020 in M. sowie anlässlich anderer Versammlungen der „…“ (am 11. Oktober 2020 in N., am 19. Oktober 2020 und 25. Oktober 2020 in .) einfließen ließ. Die Antragsgegnerin hat unter Angabe konkreter Anhaltspunkte schlüssig darlegt, dass bezüglich des Mottos sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zwischen den vergangenen Versammlungen und der jetzt geplanten Versammlung bestehen (vgl. zu diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Heranziehung von Erkenntnissen von früheren Versammlungen BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17). Der Antragsteller ordnet sich der „Querdenken“-Bewegung zu und verfolgt inhaltlich die gleichen Anliegen wie die Veranstalter der genannten Versammlungen (im weitesten Sinne Kritik an den aktuellen Maßnahmen gegen das SARS-CoV-2-Virus). In Anbetracht der Erfahrungen mit den Versammlungen der Querdenken-Bewegung, kann sich die von der Antragsgegnerin geäußerte Einschätzung, dass es ohne die Teilnehmerbeschränkung zu einer Vielzahl von Verstößen gegen die angeordnete Maskenpflicht und die Abstandsregeln mit entsprechenden erheblichen Infektionsgefahren kommen werde, auf konkrete Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit stützen. Die anwaltliche Versicherung des Antragstellers, dass das Abstandsgebot überwiegend eingehalten worden wäre, steht zum einen in Widerspruch zu den polizeilichen Feststellungen, wonach nicht nur gegen die Maskenpflicht, sondern – wenn auch in geringerem Maße – insbesondere bei der Versammlung am 23. Oktober 2020 gegen das Abstandsgebot verstoßen worden ist. Zum anderen geht der Verordnungsgeber im Wege einer vorweggenommenen Gefahrenbewertung davon aus, dass ab einer bestimmten Teilnehmerzahl eine Versammlung infektionsschutzrechtlich nur vertretbar ist (und die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet), wenn das Abstandsgebot und die Maskenpflicht beachtet werden.
Dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, dass ohne die Beschränkung auf eine Teilnehmerzahl von 1.000 Personen die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der Versammlung auf der T.wiese gewährleistet wäre. Die T.wiese zeichnet sich zwar durch ein äußerst großes Platzangebot aus. Die Einhaltung der Mindestabstände wäre nach Erfahrungen mit dort abgehaltenen Versammlungen in jüngerer Vergangen auch mit einer höheren Teilnehmerzahl grundsätzlich möglich. Dies würde aber voraussetzen, dass der Antragsteller willens und in der Lage ist, durch ein entsprechendes Ordnerkonzept die Einhaltung der Abstände zwischen den Versammlungsteilnehmern und der Maskenpflicht sicherzustellen. Aus der Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums M. vom 26. Oktober 2020 und der Gefahrenprognose des Referats für Umwelt und Gesundheit der Antragsgegnerin ergeben sich aber konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller die Versammlungsteilnehmer sogar aktiv auffordert, die vorhandene Mund-Nasen-Bedeckung abzunehmen. Die Bedenken der Antragsgegnerin im Hinblick auf das Hygienekonzept des Antragstellers, insbesondere auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ordner, deren Unterweisung und Unterweisung, sind so durchgreifend, dass sie eine Beschränkung auf 1.000 Personen erforderlich machen. Die Einwendungen des Antragstellers gegen das von der Beklagten geforderte Ordnerkonzept tragen demgegenüber nicht. Versammlungen werden mit zunehmender Teilnehmerzahl immer unübersichtlicher und für den Veranstalter wird es somit immer schwieriger, auf die Einhaltung der Auflagen hinzuwirken, so dass eine ausreichende Ordnerzahl zur Verfügung stehen muss (BayVGH, B.v. 29.5.2020 – 10 CE 20.1291 – juris 9; B.v. 22.5.2020 – 10 CE 20.1236 – juris). Wenn es dem Antragsteller nicht gelingt, für eine größere Teilnehmerzahl entsprechendes Ordnerpersonal zu rekrutieren, weil ein Großteil der Versammlungsteilnehmer nach seinen Angaben aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen darf und somit als Ordner ausscheidet, liegt darin weder eine Diskriminierung noch eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 8 GG. Das von der Antragsgegnerin ohne Tragen einer Maske angenommene erhöhte Infektionsrisiko besteht angesichts der Vielzahl der Kontakte, die ein Ordner im Laufe einer Versammlung bei seiner Tätigkeit zwangsläufig hat. Der Grund, weshalb die Maske nicht getragen wird, ist dafür unerheblich. Eine Diskriminierung aus gesundheitlichen Gründen liegt insoweit nicht vor. Soweit der Antragsteller vorträgt, sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit werde dadurch beschnitten, fehlt es über die bloße Behauptung hinaus an jeglichem Nachweis, dass es ihm nicht gelinge, bereits im Vorfeld der Versammlung eine entsprechende Anzahl geeigneter Ordnung zu finden.
Auch der Einwand, Versammlungsteilnehmer seien generell als Nichtstörer anzusehen, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Es ist bereits fraglich, ob die an herkömmliche Gefahrbegriffe des allgemeinen Sicherheitsrechts anknüpfende Unterscheidung von Störern und Nichtstörern ohne Weiteres auf behördliche Maßnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie anwendbar sind, da die Gefahr nicht von einzelnen Personen als solchen, sondern von deren Zusammenkommen in einer Versammlung ausgeht (vgl. zu § 28 Abs. 1 IfSG BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 36; Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 60; zweifelnd auch VGH BW, B.v. 25.6.2020 – 1 S 1739/20 – juris Rn. 26; ebenso BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2064 – juris Rn. 27). Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass der Antragsteller als Veranstalter der vorliegenden Versammlung bei der dargelegten Gefahrenlage ohne weiteres als Störer im Sinne der allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätze anzusehen und dementsprechend zulässiger Adressat versammlungsrechtlicher Beschränkungen gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG ist. Selbst wenn man die Versammlungsteilnehmer als Nichtstörer ansehen wollte, wäre ihre Inanspruchnahme aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich gerechtfertigt, da ein Vorgehen gegen Störer vorliegend nicht gleichermaßen möglich bzw. erfolgsversprechend ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 37 f.; BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 26).
Nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Antragsteller die zeitliche Beschränkung der Versammlung auf 270 Minuten angreift. Der Zeitraum vom 16:30 Uhr bis 21:00 Uhr entspricht der Anzeige von Herrn R. vom 14. Oktober 2020, die der Antragsteller übernommen hat.
Ebenso wenig verfangen die Hinweise in der Beschwerdebegründung auf das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG und auf eine mögliche „Radikalisierung“ der „unterdrückten Bevölkerung“. Selbst wenn Verfassungsverstöße vorliegen würden, würde das Widerstandsrecht erst eingreifen, wenn „andere Abhilfe nicht möglich ist“, nämlich auch und gerade durch gerichtliche Kontrolle; das grundsätzliche staatliche Gewaltmonopol wird dadurch nicht in Frage gestellt (vgl. Huster/Rix in Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand 15.8.2020, Art. 20 GG Rn. 225; Grzesick in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand April 2020, Art. 20 GG Rn. 23). Die Erfolglosigkeit bei der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes berechtigt nicht zum „Widerstand“.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert war nach § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Nr. 2 GKG zu bestimmen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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