Medizinrecht

Versammlungsrecht, Auflagenbescheid, Begrenzung der Teilnehmerzahl an einer sich fortbewegenden Versammlung aus Gründen des Infektionsschutzes, Erledigung der Hauptsache nach Klageerhebung, Feststellungsinteresse – verneint, Schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit – verneint, Wiederholungsgefahr – verneint

Aktenzeichen  Au 8 K 21.384

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30521
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Art. 15 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 der 11. BayIfSMV
GG Art. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2021 konnte entschieden werden, ohne dass die Klägerin am Verhandlungstermin teilgenommen hat. Die Beteiligten wurden nach § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf diese Möglichkeit hingewiesen.
Für die ursprünglich zulässig erhobene Klage kann die Klägerin kein (weiteres) Rechtsschutzinteresse mehr geltend machen. Die Klage war deshalb abzuweisen, sie ist nicht (mehr) statthaft.
1. Mit dem Ablauf des 27. Februar 2021, dem Zeitpunkt der von der Klägerin angezeigten sich fortbewegenden Versammlung, hat sich das Klagebegehren erledigt. Die in der Hauptsache darauf gerichtete Klage, die Beklagte unter (teilweiser) Aufhebung von Ziffer 2.1.3 des Bescheids vom 17. Februar 2021, in der Fassung durch den Bescheid vom 24. Februar 2021, zu verpflichten, die Anzahl der zugelassenen Teilnehmer an dem angezeigten Demonstrationszug auf 1000 zu erhöhen, kann aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr erreicht werden.
In diesen Fällen kann das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Rahmen der Anfechtung des Bescheids jedoch feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Voraussetzung für diese Feststellung ist nach der gesetzlichen Regelung jedoch, dass die Klägerin „ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat“ (§ 113 Abs. 1 Satz 4 a.E. VwGO). Dieses Feststellungsinteresse ist vorliegend zu verneinen.
Die Begrenzung der Teilnehmerzahl für die von der Klägerin angezeigte sich fortbewegende Versammlung auf 300 Personen, stellt unstreitig einen Eingriff in die durch Art. 8 Grundgesetz (GG) geschützte Versammlungsfreiheit dar.
In der Rechtsprechung ist allerdings geklärt, dass nicht automatisch jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO begründen kann. Dieses Feststellungsinteresse besteht vielmehr nur dann, „wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr der Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkanntes Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit angenommen werden kann“ (VG Lüneburg, U.v. 22.5.2019 – 5 A 312/17 – juris Rn. 35 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG; vgl. bereits auch BVerwG, U.v. 23.3.1999 – 1 C 12/97 – NVwZ 1999, 991 ff. = juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen sind vorliegend zu verneinen.
Die Begrenzung der Teilnehmerzahl an der sich fortbewegenden Versammlung auf 300 Personen berührt die Wahrnehmbarkeit der Versammlung im öffentlichen Raum, stellt jedoch keine so schwerwiegende Beeinträchtigung dar, dass bereits daraus ohne weiteres ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse abzuleiten ist. Die Klägerin konnte mit der von ihr angezeigten sich fortbewegenden Versammlung auf ihr Anliegen aufmerksam machen, eine „gemeinschaftliche, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung“ (BVerfG, B.v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20 – NVwZ 2020, 711 Rn. 17) war ihr – wenn auch in einem von der Anzeige abweichenden begrenzterem Umfang – möglich. Insoweit ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits vor der Versammlung, aber nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, auf die Durchführung des Demonstrationszuges verzichtet hat. Eine durch die Entscheidung der Beklagten weiterwirkende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit ist insoweit nicht erkennbar.
Da die Klägerin auch in der Folge der angezeigten Versammlung vom 27. Februar 2021 keine weiteren Versammlungen angezeigt hat und die Beklagte nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für zukünftige Versammlungsanzeigen im Hinblick auf die Rechtslage keine weiteren ungeklärten Rechtsfragen sieht, ist auch das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr und ein Rehabilitationsinteresse zu verneinen. Hinzu kommt, dass mit den seit der Versammlungsanzeige für den 27. Februar 2021 erfolgten Änderungen der Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen und den dadurch notwendigen Maßnahmen zum Infektionsschutz im Rahmen der Versammlung, vergleichbare Rechtsfragen wie im vorliegenden Klageverfahren sich in gleicher Weise kaum mehr stellen werden.
2. Mangels Feststellungsinteresse der Klägerin war die Klage damit als unstatthaft abzuweisen. Die Klägerin trägt als unterlegener Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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