Medizinrecht

Versammlungsrecht: Vorläufige Untersagung der Nutzung von Baumhäusern bis zum Nachweis der Standsicherheit; Besetzung eines für den Autobahnbau vorgesehenen Waldgebiets

Aktenzeichen  3 M 207/21

Datum:
2.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0202.3M207.21.00
Normen:
§ 13 Abs 1 VersammlG ST
§ 65 BauO ST
§ 12 Abs 1 BauO ST
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg 3. Kammer, 23. November 2021, 3 B 321/21 MD, Beschlussnachgehend BVerfG, 4. Juli 2022, 1 BvR 504/22, Nichtannahmebeschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 3. Kammer – vom 23. November 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

 I. Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23. November 2021 den Anträgen der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Anordnungen in der Allgemeinverfügung vom 6. Oktober 2021 teilweise entsprochen und die Anträge teilweise abgelehnt. Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Anordnungen in II. Nr. 2 (Benennung Versammlungsleitender), II. Nr. 3 (Nachweis der Standsicherheit der baulichen Konstruktionen), II. Nr. 6 (soweit sie den Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nur gestattet, wenn eine personenberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sei begleitet) und II. Nr. 10 Buchst. a (soweit sie das Anleinen von Hunden betrifft).
1. Das Vorbringen der Beschwerdebegründung zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist nicht geeignet, eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses schlüssig darzulegen. Es handelt sich dabei um einen Verfahrensmangel, mit dessen Geltendmachung eine Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht erfolgreich geführt werden kann, da es allein darauf ankommt, ob die Beschwerde in der Sache begründet ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 9. Oktober 2015 – 1 M 167/15 – juris Rn. 2).
2. Soweit die Beschwerde rügt, die (noch) angegriffenen Auflagen seien bereits deshalb rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Kooperation des Antragsgegners fehle, vermag sie hiermit nicht durchzudringen.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es an der Kooperationsbereitschaft der Versammlung, insbesondere des Anmelders und Veranstalters gefehlt hat. Es hat – ohne dass sich die Beschwerde hiermit auseinandersetzt – ausgeführt, dass die Führung eines mündlichen Kooperationsgesprächs im Vororttermin angeboten und – jedenfalls im Ergebnis – abgelehnt worden sei. Das Vorbringen der Antragsteller, aus dem bisherigen Versammlungsverlauf ergebe sich, dass eine Kommunikation der Versammlungsteilnehmenden unter Berücksichtigung der spezifischen Form der Versammlung sehr wohl gewünscht sei, bleibt unsubstantiiert. Der Umstand, dass die Versammlung die E-Mail-Adresse des der Waldbesetzung nahestehenden Blogs nutze bzw. ein Waldtelefon vorhalte, belegt nicht, dass die Kommunikationsbereitschaft auch die Kooperation mit dem Antragsgegner umfassen soll. Es kommt hinzu, dass angesichts der nach Angaben der Antragsteller hierarchielosen Organisationsform der Versammlung nicht klar ist, ob etwaige Gesprächspartner am Waldtelefon oder Empfänger einer E-Mail überhaupt autorisiert sind, Kooperationsgespräche zu führen. Angesichts der von den Antragstellern beschriebenen hierarchielosen Organisationsform konnte der Antragsgegner davon ausgehen, dass die allgemein zum Ausdruck gebrachte Haltung der Versammlungsteilnehmer dem maßgeblichen kollektiven Willen der Versammlung entspricht und es auf die Auffassung einzelner Verantwortlicher, die möglicherweise während des Vororttermins nicht anwesend waren, nicht ankommt. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Grund für den Antragsgegner, der Versammlung weitere Kooperationsangebote „ins Blaue hinein“ zu unterbreiten oder zu einem „runden Tisch“ einzuladen, auch wenn der Antragsgegner für die vorliegende Anordnung die Form einer Allgemeinverfügung gewählt hat.
Angesichts der ablehnenden Haltung der Versammlung ist der Antragsgegner auch nicht darauf zu verweisen, Teilverantwortliche mit beschränktem Mandat zu ermitteln und diesen ein Kooperationsangebot zu unterbreiten. Es ist schon nicht ersichtlich, auf welche Weise die „Ermittlung“ erfolgen sollte, zumal keine Ansprechpartner benannt werden, die von der – hierarchielosen – Versammlung mandatiert sind. Es fehlt auch an einer eindeutigen Äußerung, dass gerade die Antragsteller, die zum Zeitpunkt des Vororttermins im Protestcamp nicht anwesend gewesen seien und bereit sein sollen, eine Teilverantwortung zu tragen, über eine Bevollmächtigung zur Führung von Kooperationsgesprächen verfügen.
3. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die in Ziffer II. Nr. 2 der Allgemeinverfügung getroffene Verpflichtung zur Benennung eines Versammlungsleiters rechtmäßig ist. Dem steht nicht entgegen, dass die versammlungsrechtliche Ordnungsnorm des § 6 Abs. 1 VersammlG LSA angesichts der fehlenden hierarchischen Versammlungsstrukturen im Lichte von Art. 8 Abs. 1 GG verfassungskonform auszulegen sei. Art. 8 Abs. 1 GG schützt wie Art. 12 Verf LSA zwar nicht nur Versammlungen mit hierarchischer Struktur und Organisationsgrad, sondern auch den Typus der leiterlosen oder von einem Leiterkollektiv geführten Versammlung. Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet im vorliegenden Fall die Verpflichtung zur fortgesetzten Benennung (wechselnder) Versammlungsleiter keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn es bestehen hinreichende Zweifel daran, dass der ordnungsmäße Verlauf der Versammlung ohne das Einsetzen eines Versammlungsleiters bzw. Leiterkollektivs sichergestellt ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Protestcamp auf Dauer – jedenfalls bis in das Jahr 2025 – angelegt sein soll und über diesen langen Zeitraum mit der Notwendigkeit weiterer versammlungsrechtlicher Regelungen zu rechnen ist. Dies macht es erforderlich, dass die Versammlung unter Einrichtung verlässlicher Kommunikationswege die Verantwortung effektiv wahrnimmt. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang auf die Kommunikation über die bereits erwähnte E-Mail-Adresse oder das „Waldtelefon“ verweisen, mag dies für den Unglücks- oder Notfall ausreichend sein. Die Antragsteller tragen allerdings selbst vor, dass die gleichberechtigten Versammlungsteilnehmenden zwar Mitteilungen weiter kommunizieren würden (mündlich oder über ein „weißes Brett“), nicht jedoch den Versammlungsablauf bestimmten. Mithin kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass bei den – wechselnden – Teilnehmenden des Protestcamps die erforderliche Bereitschaft besteht, den ordnungsgemäßen Verlauf der Versammlung zu sichern. Dass die vorliegende Versammlung dezentral und auf der Grundlage von Kooperation und gegenseitig akzeptierter Autonomie stattfinde, schließt die Bestimmung von (wechselnden) Verantwortlichen nicht von vornherein aus.
4. Die mit der Beschwerde erhobenen Einwände gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der in II. Nr. 3. der Allgemeinverfügung vom 6. Oktober 2021 getroffene Beschränkungen, der Untersagung der Nutzung und des Betretens der baulichen Anlagen in, an und zwischen den Bäumen, insbesondere der Baumhäuser und der dort zum Aufenthalt bestimmten Plattformen bis zum Nachweis ihrer Standsicherheit (§ 12 Abs. 1BauO LSA), rechtfertigen eine Abänderung des Beschlusses nicht.
Nach § 13 Abs. 1 VersammlG LSA kann die zuständige Behörde u.a. die Versammlung von bestimmten Beschränkungen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt (vgl. § 3 Nr. 1 SOG LSA).
Die vorbezeichneten baulichen Anlagen fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (so bereits OVG LSA, Beschluss vom 2. Juli 2021 – 2 M 78/21 – juris Rn. 25 ff.). Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften – wie dem Baurecht – erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden. Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert (vgl. BayVGH, Urteil vom 22. September 2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 58 m.w.N.). Das von der Versammlungsfreiheit gewährte Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung findet allerdings seine Grenze, soweit durch die Veranstaltung elementare Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus § 13 VersammlG LSA. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, Beschlüsse vom 5. September 2003 – 1 BvQ 32/03 – juris Rn. 22 und vom 26. Januar 2001 – 1 BvQ 8/01 – juris Rn. 15; BayVGH, Urteil vom 22. September 2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 59).
Vor diesem Hintergrund rechtfertigt allein der Umstand, dass die am Versammlungsort aufgestellten Baumhäuser die Anforderungen an den bauordnungsrechtlichen Standsicherheitsnachweis nach § 65 BauO LSA i.V.m. der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen nicht erfüllen, keine Anordnung, mit der die vorliegende Versammlung beschränkt wird. Es kommt vielmehr maßgeblich darauf an, ob die über den Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften hinausgehende Gefahrprognose es rechtfertigt, die Nutzung und das Betreten der baulichen Anlagen (Versammlungsbestandteile) bis zur Vorlage von Standsicherungsnachweisen zu untersagen. Hierbei ist – worauf das Verwaltungsgericht auch maßgebend abgestellt hat – zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, beispielsweise aufgrund eines lediglich formalen Verstoßes gegen Bauordnungsrecht, die Beschränkung der Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag, sondern eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmenden oder Dritter bestehen muss (vgl. VGH BW, Urteil vom 12. Juli 2010 – 1 S 349/10 – juris Rn. 60). Soweit die herangezogene Norm primär Ordnungscharakter hat, im konkreten Fall aber nicht zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder andere wichtige Rechtsgüter dient, reicht sie regelmäßig nicht als Rechtsgrundlage, um die Ausübung der Versammlungsfreiheit beschränken zu können. Ist es aber möglich, die Modalitäten der Durchführung der Versammlung ohne Gefährdung des Versammlungszwecks zu ändern und den Normen dadurch Rechnung zu tragen, so treten sie nicht in ihrer Anwendung zurück (vgl. OVG MV, Beschluss vom 2. Februar 2007 – 3 M 12/07 – juris Rn. 9).
Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. Außerdem müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus; bloße Vermutungen reichen indes nicht (u.a. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 – juris Rn. 27; NdsOVG, Beschluss vom 1. September 2021 – 11 ME 275/21 – juris Rn. 10). Für die Frage, ob und wann von einer Versammlung Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit ausgehen werden, bedarf es einer tragfähigen Prognose, bei der die Versammlungsbehörde prüfen muss, ob aufgrund der ihr bekannten Tatsachen der Eintritt einer derartigen Gefahr zu besorgen ist oder ob dies fernliegt. Je größer der anzunehmende Schaden für ein hochwertiges Rechtsgut ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Gefahrprognose (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 – juris Rn. 41 m. w. N.). Das Wesen einer Prognoseentscheidung bringt es mit sich, dass die Prognose nicht deshalb falsch gewesen sein muss, weil sich die Gefahr später nicht realisiert. Grundlage der Entscheidung sind allein die Tatsachen, die im Zeitpunkt der Prognose aus ex-ante-Sicht bekannt waren. Der Begriff der Gefahr erfasst dabei auch den Gefahrenverdacht, unter dem eine Situation zu verstehen ist, in der die Behörde über die tatsächlichen Gegebenheiten im Ungewissen ist und daher ein Schaden für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zwar möglich erscheint, die Tatsachengrundlage der Gefahrenprognose jedoch mit Unsicherheiten behaftet ist. Besteht ein solcher durch Tatsachen begründeter Gefahrenverdacht, so ist die Versammlungsbehörde zur weiteren Erforschung und Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet. § 13 Abs. 1 VersammlG LSA trifft insoweit bezüglich des Gefahrenbegriffes keine Sonderregelung. Auch bei Versammlungen sind Maßnahmen zur Gefahrerforschung bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts nicht ausgeschlossen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit fordert allerdings, sich bei Vorliegen eines bloßen Gefahrenverdachts grundsätzlich auf vorläufige Maßnahmen zur Gefahrerforschung zu beschränken (vgl. Barczak in: Ridder/Breitbach/Dieseroth, Versammlungsrecht des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2020, § 15 VersG Rn. 187 unter Verweis BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 – juris Rn. 16 [zur Zulässigkeit von Gefahrerforschungsmaßnahmen im Vorfeld von Versammlungen]; a.A. Hong in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2021, § 15 VersG Rn. 75b, beck-online [zum Verhältnis von Gefahrenverdacht zum Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei konkreter Gefahr]).
Den Antragstellern ist zuzugeben, dass die derzeitigen objektiven Erkenntnisse (noch) nicht die Annahme rechtfertigen dürften, dass ein Schaden für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmenden oder Dritter mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
Denn allein das Fehlen eines Standsicherheitsnachweises begründet eine solche Gefahr nicht. Vielmehr liegen die tatsächlichen Gegebenheiten im Ungewissen, so dass ein Schaden für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zwar möglich erscheint, die Tatsachengrundlage der Gefahrenprognose jedoch – jedenfalls noch – mit Unsicherheiten behaftet ist. Bei der bis zur Vorlage eines Standsicherheitsnachweises auflösend bedingten Nutzungsuntersagung handelt es sich indes um eine vorläufige Maßnahme im Rahmen eines Gefahrenverdachts. Bei einem Gefahrenverdacht kann die Einholung eines Standsicherheitsnachweises verlangt werden, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte bereits erhebliche Zweifel an der Standsicherheit der baulichen Anlage bestehen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 2. September 2014 – 2 M 31/14 – juris Rn. 6 zu bauordnungsrechtlichen Anordnungen). Es gibt im vorliegenden Fall durch Tatsachen belegte Anhaltspunkte dafür, dass die Baumhäuser keine hinreichende Standsicherheit aufweisen, deshalb mit einem Einsturz zu rechnen ist, bei dem Menschen zu Schaden kommen können.
Der Antragsgegner hat in der streitbefangenen Allgemeinverfügung dargetan, dass die Standsicherheit der Baumhäuser, Plattformen und sonstigen Konstruktionen in den Bäumen jedenfalls fraglich sei. Hierzu hat er u.a. ausgeführt, dass es sich bei der Versammlung um eine Dauerveranstaltung handele, deren Ende nicht bekannt sei. Nach Aussage der Vorhabenträger würden die „besetzten Bäume“ nicht vor dem Jahr 2025 gefällt. Damit sei die ungenehmigte und ungeprüfte Konstruktion über mehrere Jahre mit großer Wahrscheinlichkeit extremen Witterungsereignissen (z.B. Herbststürmen, Eisregen, Starkniederschlagsereignissen und extremen Trockenperioden) ausgesetzt, die die Stabilität der mit Seilen, Balken und Brettern errichteten Baumhäuser und Plattformen im Laufe der Jahre stark gefährden würden. Die Standsicherheit sei jedenfalls höchst fraglich. Unbekannt seien konkret verwendete Bauteile, insbesondere ihre Dimensionen, ihre Art und Beschaffenheit der Verbindungselemente und eventuell weiterer konstruktiver Bestandteile, beispielsweise Rundhölzer, die als Aufenthaltsplattformen und zum Teil Böden von Baumhäusern dienten, sowie die Qualität der verwendeten Seile, die die jeweiligen Konstruktionen im Baum verankerten bzw. hielten. Insbesondere aus der Höhe der baulichen Anlagen (5 bis 8 Meter) ergäben sich zusätzliche Gefahren für Leib und Leben der Nutzer der Baumhäuser bzw. unbeteiligter Dritter, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, darunter hindurchgingen bzw. -säßen. Baumhäuser könnten zu Boden stürzen, Menschen mit sich reißen bzw. auf Menschen stürzen, wenn sie nicht standsicher seien, bzw. Menschen könnten abstürzen, weil die Umwehrungen nicht ausreichend nach dem gesetzlichen Standard dimensioniert seien. Auch sei das gefahrlose Eingreifen durch Kräfte des Rettungsdienstes und der Feuerwehren erforderlich, da diese unter Umständen mit schwerem oder sperrigem Gerät zu Unfallopfern oder zu rettenden Personen in die Baumhäuser gelangen müssten. Einige Baumhäuser bestünden lediglich aus einer Bodenplattform, die mit einer Plane oder Folie zeltähnlich überdacht seien. Andere seien seitlich an den Bäumen mit Seilen befestigt, wobei die gesamte Traglast an dieser Umschlingung des Baums mit einem Seil unbekannter Festigkeit und Qualität hänge. Bei einer zu starken Belastung von Bodenplattformen und verwendeten Seilen bestehe die Gefahr des Zerberstens einzelner oder bei auftretender Kettenreaktion mehrerer Hölzer oder dem Aufspleißen von beschädigten oder unzureichenden Seilen, die zum Absturz von Baumhäusern und darin befindlichen Personen führten und unter Umständen ebenfalls darunter befindliche Personen gefährden würden. Weiter sei die konkrete Überdachung und deren Widerstandsfähigkeit gegen Wind- und Schneelasten unbekannt. Denkbar sei, dass bei starken Winden sich lösende Teile der Deckenkonstruktionen andere Bauteile aus dem konstruktiven Verbund zögen und ebenfalls den Absturz von Personen nach sich ziehen würden. Letztendlich sei auch der Zustand der Bäume und Äste, die die Lasten der Baumhäuser aufnehmen müssten, unbekannt. Komme es zum Abrechen von Ästen oder dem Abknicken von ganzen Baumstämmen, könnten diese Ereignisse die Konstruktion beschädigen, diese in die Tiefe reißen und dabei Menschen gefährden.
Zwar haben die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bzw. in der Beschwerde Angaben zum verwendeten Baumaterial (3-litziges Polypropylen-Tauwerk in Trossenschlag Split PP2, ungespleiste Seile nach DIN EN ISO 1346, Konstruktionshölzer nach DIN 4047; vgl. im Einzelnen: Beschwerdebegründung S. 6 f.) sowie allgemein zur Stand- und Bruchsicherheit von Kiefern gemacht (vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 21. Januar 2022). Ferner haben sie mit ihrer Begründung vorgetragen, dass es an Anhaltspunkten für Pilzinfektionen und anderen Kalamitäten fehle (Tragfähigkeit 250 t bei durchschnittlichem Stammdurchmesser von 40 cm) und dargelegt, mittlerweile (alle) Umwehrungen angebracht zu haben.
Gleichwohl bleiben erhebliche Zweifel, ob die baulichen Anlagen aus diesen Bauteilen in ihrem jeweiligen Ganzen standsicher sind. Offenbleiben kann hier, ob es bereits – wie mit der Beschwerdeerwiderung vom 14. Januar 2022 vorgetragen – zum Einsturz eines Baumhauses gekommen ist oder aber – wie von den Antragstellern behauptet – ein bewusster Rückbau und Abriss im August 2021 erfolgt ist. Denn berechtigte Zweifel an der Standsicherheit der baulichen Anlagen folgen zum einen daraus, dass bei dem behördlichen Vororttermin am 11. Januar 2021 festgestellt wurde, dass unter zwei baulichen Anlagen weitere Holzstämme als zusätzliche Stütze der Konstruktion verbaut wurden (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 20. Januar 2022), obgleich die Beschwerde vorgibt, dass bereits durch die beschriebene Seilkonstruktion ein Einsturz ausgeschlossen sei und die Verwendung der Stützbalken allein auf ein „besonderes Sicherheitsbewusstsein“ der Versammlung verweise. Zum anderen fehlt es weiterhin an vollständigen, nachvollziehbaren Konstruktionsangaben hinsichtlich jeder einzelnen baulichen Anlage. Dies gilt insbesondere auch für das zur Umwehrung verwendete Holz, dessen Dimensionen und die Überdachungskonstruktionen. Die Beschwerde beschränkt sich im Wesentlichen auf die bloße Behauptung, dass die verwendeten Bauteile tragfähig seien (Mindestbruchkraft von 2,8 t; vgl. im Einzelnen: Beschwerdebegründung S. 6 f.), ein Einsturz des Baumhauses nahezu ausgeschlossen und die Windlast berücksichtigt worden sei, so dass eine konkrete Gefahr nicht vorliege. Diese Annahme setzt jedoch zumindest einen fachgerechten Verbau der Bauteile voraus, an dessen Beleg es fehlt. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass die Konstruktionen allein aus den zwei benannten Bauteilen bestehen. Die bei den Akten befindlichen Lichtbilder lassen darauf schließen, dass neben den näher bezeichneten Rundhölzern weitere Holzteile, deren Dimension, Art und Beschaffenheit weiterhin unbekannt sind, verwendet wurden. Zudem genügt es nicht, pauschal darauf zu verweisen, dass die Konstruktionen von „erfahrenen Menschen“ angefertigt worden seien, deren Interesse es sei, dass sich durch die Konstruktionen niemand verletze. Weder werden dem Antragsgegner geeignete Unterlagen zur Prüfung der Standsicherheit der baulichen Anlagen vorgelegt noch wird ihm der Zugang zu den baulichen Anlagen gewährt, um mit dem vorhandenen baurechtlichen Sachverstand eine Aussage zur Standsicherheit, soweit möglich, bzw. zu notwendigen Ertüchtigungen zu treffen. Der Antragsgegner hat bereits in der Allgemeinverfügung vorgetragen, dass bei dem Vororttermin Mitte des Jahres 2021 die in 5 bis 8 Meter Höhe errichteten Konstruktionen nur vom Waldboden aus in Augenschein hätten genommen werden können und der Zutritt zu den Baumhäusern bisher nicht durch die Versammlung gewährt worden sei. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang erstinstanzlich vortragen, dass sie im Falle einer Terminvereinbarung seitens der Behörde kooperationsbereit wären, führt dies nicht weiter, wenn ihnen – wie hier – das Mandat fehlt, für die gesamte Versammlung zu sprechen (siehe Ausführungen in Abschnitt 2.). Dessen ungeachtet ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen, die (gesamte) Versammlung sei bereit, einem „sachverständigen Dritten“ den Zugang zu den Baumhäusern zwecks Prüfung der Standsicherheit zu gewähren, wobei die dabei entstehenden Kosten vom Antragsgegner zu tragen wären, dass keine Bereitschaft besteht, Mitarbeitern des Antragsgegner – insbesondere der Bauaufsichtsbehörde – Gelegenheit zu geben, die Baumhäuser in Augenschein zu nehmen und sich davon zu überzeugen, dass die Baumhäuser tatsächlich – wie die Antragsteller behaupten – keine Standsicherheitsprobleme aufweisen. Abweichendes folgt auch nicht aus dem Vortrag der Antragsteller in der Beschwerde, sie seien (nunmehr) bereit, den Antragsgegner zu „unterstützen“, indem sie ausgebildeten und befähigten Beauftragten des Antragsgegners Zugang zu den Baumhäusern gewährten und die nötigen Informationen mitteilten. Auch aus diesem Vorbringen – allein der Antragsteller als Versammlungsteilnehmer – ergibt sich nicht, dass „die Versammlung“ bereit wäre, sachkundigen Mitarbeitern des Antragsgegners den Zugang zu den Baumhäusern und deren Begutachtung zu ermöglichen. Mit dem Verweis auf eine noch folgende Begutachtung und Beurteilung sachverständiger Beauftragter des Antragsgegners wird der derzeit bestehende Gefahrenverdacht auch nicht ausgeräumt. Auch insoweit wäre – wie bei der Vorlage von Standsicherheitsnachweisen – eine Überprüfung durch einen sachverständigen Dritten erforderlich. Es dürfte viel dafürsprechen, dass allein mit einer Inaugenscheinnahme der Baumhäuser durch Mitarbeiter des Antragsgegners nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann, dass die Standsicherheit der Baumhäuser gewährleistet ist. Es handelt sich um größere bauliche Anlagen, die nicht mit standardisierten Materialien und standardisierter Konstruktion errichtet wurden. Daher dürfte eine komplexere Prüfung geboten sein, die letztlich nur durch nachweisberechtigte Personen i.S. des § 65 Abs. 2 BauO LSA durchgeführt werden kann.
Es überzeugt auch nicht, dass sich die Stand- und Bruchsicherheit der Bäume vom Boden aus ermitteln ließe. Dies mag für die Verwurzelung der Bäume und deren allgemeine Tragkraft zutreffend sein. Die Beurteilung der Bruchsicherheit der in die Konstruktion gegebenenfalls eingebundenen Äste und der fachgerechte Verbau der Konstruktionen, ohne dass Äste und Stämme Schaden nehmen, setzt indes den Zugang zu der jeweiligen Konstruktion voraus.
Angesichts der bestehenden Unklarheiten über die verwendeten Materialien, der Konstruktion und den fachgerechten Einbau verfängt auch der Einwand nicht, dass der Gefahr, dass einzelne Bretter durchbrächen oder die Materialien mit der Zeit Ermüdungserscheinungen zeigten, durch regelmäßige Kontrollen, Wartungen und Reparaturen begegnet werden könnte.
Insgesamt ist es nicht unwahrscheinlich, dass es bei Nutzung von Baukonstruktionen, deren Standsicherheit unbelegt ist, zu einem Schaden für elementare Schutzgüter wie Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer kommen kann. Am Schutz des Lebens und der Gesundheit besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Vor diesem Hintergrund besteht Anlass zu einer weiteren Erforschung und Aufklärung des Sachverhalts.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, der Versammlung bzw. den Versammlungsteilnehmern die Aufklärung der Unklarheiten aufzugeben, indem die Nutzung der Baumhäuser bis zur Vorlage eines Standsicherheitsnachweises untersagt wird. Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, darunter auch Gefahrerforschungsmaßnahmen sind denjenigen aufzuerlegen, die als Störer die Gefahr entweder durch ihr Verhalten verursacht haben oder für den Zustand einer Sache haften. Die Versammlungsteilnehmer haben die Baumaterialien und die Konstruktionsweise selbst ausgewählt und die Bauausführung selbst durchgeführt. Ferner haben sie durch die Weigerung, Mitarbeitern des Antragsgegners den Zutritt zum Gelände zu ermöglichen, einfachere Gefahrerforschungsmaßnahmen unterbunden. Damit wurden die Umstände, aus denen sich der Gefahrenverdacht ergibt, allein von den Versammlungsteilnehmern verursacht. Dies rechtfertigt es auch, den Versammlungsteilnehmern die Beibringung eines Standsicherheitsnachweises (auf deren Kosten) aufzuerlegen.
Mildere Mittel, um den Verdacht der Gefahr einer mangelnden Standsicherheit auszuräumen, sind nicht ersichtlich. Wie ausgeführt, ist angesichts des Verhaltens der Versammlungsteilnehmer in der Vergangenheit und mangels einer abweichenden Äußerung durch eine mandatierte Versammlungsleitung davon auszugehen, dass die (gesamte) Versammlung jedenfalls zunächst bestehende mildere Maßnahmen der Gefahrerforschung ausschließt, indem der Zugang zu den baulichen Anlagen in, an und zwischen den Bäumen der Behörde noch nicht gewährt wurde bzw. wird und es an den notwendigen Informationen über die baulichen Anlagen (Liste aller verwendeten Materialen, vollständige Konstruktionsangaben hinsichtlich jeder Anlage) fehlt. Ohne die notwendigen Kenntnisse ist die Behörde nicht in der Lage, den bestehenden Gefahrenverdacht auszuräumen oder zu bestätigen bzw. die Sachverhaltsaufklärung von weiteren Nachweisen abhängig zu machen. Mit Blick auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft und das Fehlen von mandatierten Ansprechpartnern war die Versammlungsbehörde auch nicht verpflichtet, gegenüber der Versammlung eine das Betreten der Baumhäuser betreffende Duldungsverfügung zur weiteren Gefahrermittlung zu erlassen. Vielmehr erfordert die effektive Gefahrenabwehr die vorläufige Untersagung der Nutzung der baulichen Anlagen bis zur abschließenden Klärung des allein durch die (leiterlose) Versammlung verantworteten Sachverhaltsmangels, da es – solange die Zweifel an der Standsicherheit nicht ausgeräumt sind – nicht auszuschließen ist, dass es durch die weitere Nutzung der Baumhäuser zu gravierenden Schäden an Leben und Gesundheit von Menschen kommen kann. Die Versammlung hat es durch die behördlich angeordnete Nachweisführung in der Hand, die Nutzung der baulichen Anlagen zügig zu erreichen.
Auch eine Helm- und Seilsicherungspflicht wäre kein milderes Mittel, um die Gefahr – bis zur Klärung durch einen Standsicherheitsnachweis – auszuschließen. Denn mittels Helm- und Seilsicherungspflicht der Versammlungsteilnehmer bzw. Absperren der Gefahrenzonen und Einrichtung von Sicherheitsbereichen in Orientierung an einschlägigen Regelungen für Arbeiten unter Verwendung von seilunterstützten Zugangs- und Positionierungsverfahren (DGUV 212-001) und für Waldarbeiten (DGUV 114/018) könnten etwaige Gefahren für Versammlungsteilnehmende und Dritte nicht in Gänze ausgeschlossen werden. Es ist bereits lebensfremd anzunehmen, dass bei einer auf Dauer angelegten Nutzung der als Kundgebungsmittel verwendeten baulichen Anlagen eine Helm- und Seilsicherungspflicht gleich gut geeignet ist, um den Gefahren zu begegnen. Die Kundgebungsmittel dienen den Versammlungsteilnehmenden als Orte des regelmäßigen Aufenthalts und als Schlafplatz, so dass eine Seilsicherung und ein Helm durchgehend – so auch beim bloßem Verweilen auf einer Plattform oder Schlafen – getragen werden müssten. Die Helm- und Seilsicherungspflicht ist für den von den Versammlungsteilnehmern beabsichtigten dauerhaften Aufenthalt nicht praktikabel, so dass es zur Überzeugung des Senats überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie nicht ausnahmslos eingehalten wird. Hinzu kommt, dass ausgehend von einer fehlenden Versammlungsanmeldung und -leitung auch Zweifel an der Durchsetzbarkeit einer solchen Maßnahme bei den Versammlungsteilnehmenden bestehen. Mit Blick auf die Lage des Versammlungsorts ist eine ununterbrochene Einhaltung einer solchen Verpflichtung auch nicht ohne unzumutbaren Aufwand für die Versammlungsbehörde überprüfbar. Erweist sich damit die Helm- und Seilsicherungspflicht nicht als milderes Mittel, kommt es auf die Möglichkeit, etwaige Gefahrenzonen unterhalb der baulichen Anlagen einzurichten, nicht an.
Die Beschränkung der Versammlung durch die in II. Nr. 3 der Allgemeinverfügung getroffene Auflage stellt sich – entgegen der Beschwerde – nicht als faktisches Versammlungsverbot dar. Der Senat verkennt bei seiner Betrachtung nicht, dass die Baumhäuser ein zentraler Aspekt der Versammlung sind. Sie sind funktional, symbolisch und konzeptionell im Sinne der konkreten kollektiven Meinungsäußerung für die Versammlung notwendig (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21. Juli 2021, a.a.O.). Durch die versammlungsrechtliche Beschränkung werden die Versammlungsteilnehmenden bis zum Nachweis der Standsicherheit zwar vorübergehend in der Nutzung wesentlicher Versammlungsbestandteile gehindert. Hierin liegt indes kein faktisches Versammlungsverbot, da der Versammlungsort als solcher sowie die Baumhäuser in ihrem derzeitigen Bestand unberührt bleiben. An der „Besetzung“ des für den Autobahnbau vorgesehenen Waldgebiets, dem zentralen Aspekt der Versammlung, ändert sich nichts, zumal ein dauerhafter Aufenthalt am Versammlungsort in zumutbarer Weise auch durch die – bis zur Vorlage eines Standsicherheitsnachweises – vorübergehende Verwendung von Zelten erreicht werden könnte. Ein faktisches Versammlungsverbot folgt auch nicht daraus, dass die Kosten des für jedes Baumhaus erforderlichen Standsicherheitsgutachtens, die von den Antragstellern – ohne weiteren Beleg – mit „mehreren Tausend Euro“ angegeben werden, mangels fehlender finanzieller Mittel der Versammlung, die durchgängig aus nur etwa 20 Teilnehmern bestehen soll, nicht getragen werden könnten. Dem ist entgegenzuhalten, dass zu erwarten ist, dass die Baumhäuser mehrjährig als Kundgebungsmittel genutzt werden, so dass sich der derzeit bestehende Gefahrenverdacht zu einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer und Dritter jedenfalls für die Zukunft verdichten könnte und die Versammlung mit ihrer mangelnden Kooperationsgemeinschaft (etwaige) mildere Mittel ausgeschlossen hat. Die Wahl der Kundgebungsmittel – hier Baumhäuser – liegt wie deren – noch nicht abschließend geklärte – fortdauernde standsichere Errichtung allein in der Sphäre der Versammlung. Etwaige Risiken und Kosten im Rahmen ihrer Verwendung sind durch die Versammlung zu tragen. Werden durch ein Kundgebungsmittel Gefahrenquellen für elementare Rechtsgüter wie Leib und Leben eröffnet, ist die Versammlungsbehörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessen berechtigt, dem zu begegnen. Dies gilt auch, soweit – wie hier – nur ein auf objektiven Erkenntnissen beruhender Gefahrenverdacht besteht, wenn das bestehende Aufklärungsdefizit maßgebend durch die Versammlung bewirkt wird.
5. Die mit der Beschwerde erhobenen Einwände hinsichtlich der in Ziffer II. 6 Satz 2 der streitbefangenen Allgemeinverfügung getroffenen Beschränkung, wonach der Aufenthalt von Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren im Protestcamp nur gestattet ist, wenn eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sie begleitet, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses ebenfalls nicht.
Der Antragsgegner hat die Beschränkung u.a. auch damit begründet, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren durch das Miterleben von Anfeindungen und Angriffen auf das Camp und aus dem Camp selbst gefährdet werden könnten. Derartige Übergriffe und Anfeindungen (Brandsatz, Angriff mit Softair-Gewehr bzw. Paintball-Waffe, brennendes Sofa, gewaltbereite Personen) gegen die Teilnehmenden des Waldcamps seien in der Vergangenheit erfolgt und auch zukünftig nicht auszuschließen. Durch die Auflage könne sichergestellt werden, dass für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren eine „verantwortliche Ansprechperson“ vorhanden sei, die im Fall auftretender Gefahren […] die Aufsicht übernehme. Aufgrund des wechselnden Personenkreises der Versammlung und der vermeintlichen Anonymität sei von einer Gefahr für Leib und Seele auszugehen, weil ein Defizit und/oder eine Unterbrechung des Erziehungsprozesses entstehe. Der Antragsgegner begründet nachvollziehbar und unwidersprochen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit, insbesondere die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Versammlungsteilnehmern unter 16 Jahren. Anhaltspunkte dafür, dass die Altersgrenze willkürlich gewählt worden sei, liegen nicht vor. Soweit die Beschwerde meint, dass ein dreijähriges Kind mehr Betreuungsaufwand erfordere als Personen der Altersgruppe 12- bis 15, führt das in diesem Zusammenhang nicht weiter. Zutreffend führt der Antragsgegner in der Allgemeinverfügung aus, dass Minderjährige, das heißt Personen unter 18 Jahren, besonders schutzbedürftig sind, da sie sich in der körperlichen und geistigen Entwicklung befinden, deren Beeinträchtigung schwere Folgeschäden für das Erwachsenenalter mit sich bringen kann. Die vom Antragsgegner gewählte Altersgrenze findet auch im Jugendschutzgesetz hinreichenden Anhalt. Der Gesetzgeber bringt mit der Regelung des § 5 JuSchG zum Ausdruck, dass er Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren gegenüber Jugendlichen im Alter von 16 bis zur Altersgrenze von 18 Jahren für besonders schutzbedürftig erachtet, indem er hinsichtlich öffentlicher Tanzveranstaltungen deren Anwesenheit an die Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person knüpft. Auch mit der Regelung des § 9 JuSchG, der u.a. die Abgabe von Bier und Wein an Jugendliche ab 16 Jahre gestattet bzw. für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre ausschließt, wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Schutzgedanken zugunsten der Selbstbestimmung von Jugendlichen erst ab dem Alter von 16 zurücknimmt. Es begegnet mithin keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die Anwesenheit von Jugendlichen im Alter von 14 bis zur Altersgrenze von 16 Jahren bei einer Versammlung, die ausgehend von Anfeindungen und Angriffen konkrete Gefahren für die körperliche, geistige und seelische Entwicklung gerade dieser Personengruppe mit sich bringt, von der Begleitung einer personenberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person abhängig zu machen. Soweit es die Beschwerde für selbstverständlich erachtet, dass Teilnehmende der „selbstorganisierten Versammlung“ gegenseitig aufeinander aufpassten, fehlt es gleichwohl an einem verlässlichen Ansprechpartner für die betroffene – besonders schutzbedürftige – Personengruppe. Die dauerhafte Anwesenheit einer personenberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person ist vorliegend auch erforderlich, weil sich die dargestellte konkrete Gefahr jederzeit realisieren kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Schutz des auf Dauer angelegten Protestcamps im Wald und damit auch von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren vor Versammlungsstörern anders als durch die vorgenommene Beschränkung erreicht werden kann, sind weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Dies würde einen dauerhaften – möglicherweise auf Jahre angelegten – Polizeischutz des gesamten Protestcamps zu Tag- und Nachtzeiten voraussetzen, der weder erwartet werden kann noch von den Versammlungsteilnehmern gewünscht sein dürfte. Letzteres kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass der Antragsgegner unwidersprochen vorträgt, dass die Gesprächsbereitschaft der Versammlung mit der Versammlungsbehörde auch daran geknüpft werde, dass die die Versammlungsbehörde begleitenden polizeilichen Einsatzkräfte das Versammlungsgelände verließen bzw. vermummte Versammlungsteilnehmende Polizeibeamten den Weg zum Protestcamp versperrten.
Nach alledem kommt es auf die weiteren von der Beschwerde im Zusammenhang mit der in II. Nr. 6 Satz 2 der Allgemeinverfügung getroffenen Beschränkung erhobenen Einwände nicht mehr entscheidungserheblich an.
6. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass die in II. Nr. 10 Buchst. a der Allgemeinverfügung getroffene Beschränkung rechtmäßig ist, wonach mitgeführte Hunde auf dem Veranstaltungsgelände anzuleinen sind, nicht unbeaufsichtigt gelassen werden dürfen sowie sich stets unter der Verfügungsgewalt und in der Einwirkungsmöglichkeit ihres Führers befinden müssen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Bewertung.
Von unangeleinten bei der Versammlung mitgeführten Hunden geht entgegen der Beschwerde ganzjährig eine konkrete Gefahr für (neue) Versammlungsteilnehmende und Dritte (Spaziergänger, Behördenmitarbeiter und Polizisten) aus. Die Anlein- und Einwirkungspflicht ist nicht nur auf die Schonzeit (Brut- und Setzzeit) zwischen 1. März und 15. Juli eines jeden Jahres (§ 28 LWaldG LSA) begrenzt. Bei dem vom Antragsgegner in der Begründung der Allgemeinverfügung beschriebenen Ereignis bei einem Vororttermin am 7. Juli 2021 handelt es sich entgegen der Darstellung der Antragsteller um keinen Einzelfall. Der Antragsgegner hat substantiiert dargelegt, dass auf dem Versammlungsgelände behördliche Vororttermine regelmäßig stattfänden und Mitarbeiter sowie polizeiliche Einsatzkräfte regelmäßig auf einen bzw. mehrere Hunde träfen, der/die bellend angelaufen käme(n), Personen teilweise anspränge(n) und sich zunehmend aggressiv verhielte(n), weil das Versammlungsgebiet mittlerweile als Revier angesehen werde. Soweit die Antragsteller ausführen, dass es gewöhnlichen Spaziergängern weiterhin erlaubt sei, außerhalb der Schonzeit auch bei größeren Menschenmengen Hunde im Wald unangeleint zu lassen, steht dies der Beschränkung nicht entgegen. Ein etwaiges Revierverhalten entsteht bei diesen – Spaziergänger begleitenden – Hunden, die sich nur gelegentlich für kurze Zeiträume im Wald aufhalten, in der Regel nicht. Gerade aber das sich entwickelnde und aufgrund eines etwaigen Daueraufenthalts im Camp zunehmende Revierverhalten der von den Versammlungsteilnehmenden mitgeführten Hunde führt dazu, dass sich im öffentlich zugänglichen Wald aufhältige Personen wie Spaziergänger, Behördenmitarbeiter, Polizisten und Rettungskräfte, aber auch neu hinzutretende Versammlungsteilnehmer mit Hunden konfrontiert sehen, die den Versammlungsort als ihr Revier bewachen und ggf. verteidigen. Dies wird schließlich auch durch die Beschwerde erkannt, die ausführt, dass sich der in der Begründung der Allgemeinverfügung erwähnte Hund bei dem Vorfall „völlig berechenbar verhalten“ und das „bedrohliche Eindringen unbekannter und ungekündigter Personen […] erkannt, eine mögliche Gefahr wahrgenommen und durch Bellen Alarm geschlagen“ habe. Durch das Revierverhalten, das an öffentlichen Orten – wie dem Vorliegenden – im Regelfall nicht erwartet werden muss, besteht für Personen, die von einem freilaufenden und unbeaufsichtigten Hund als fremd und eindringend wahrgenommen werden, die konkrete Gefahr verletzt zu werden.
Dass sich die Gefahr bisher nicht durch (Biss-)Verletzungen realisiert habe, steht der Beschränkung nicht entgegen. Vielmehr genügt es, dass erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit – hier der körperlichen Unversehrtheit von Menschen – mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Der zu attestierenden konkreten Gefahr kann in verhältnismäßiger Art und Weise dadurch begegnet werden, dass die Hunde einem dauerhaften Leinenzwang während der Teilnahme ihres Hundehalters/-führers an der Versammlung unterliegen. Nur so ist eine direkte und auch zuverlässige Einwirkungsmöglichkeit auf den Hund gegeben. Um für das jeweilige Tier die Auswirkungen des während der Versammlung bestehenden Leinenzwangs gering zu halten, bleibt es dem jeweiligen Hundehalter unbenommen, den Hund bei der Versammlung nicht mitzuführen und für eine anderweitige Unterbringung zu sorgen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei bemisst der Senat die sich aus dem Antrag für die einzelnen Antragsteller ergebende Bedeutung der Sache mangels anderweitiger Anhaltspunkte jeweils mit dem Auffangwert von 5.000,00 €. Für eine Halbierung des für die Hauptsache maßgeblichen Streitwerts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht keine Veranlassung, da die Entscheidung die Hauptsache vorwegnimmt. Der abweichende Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts war nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen abzuändern.
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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