Aktenzeichen L 1 R 781/17
Leitsatz
Verfahrensgang
S 19 R 514/16 2017-10-23 GeB SGAUGSBURG SG Augsburg
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 23. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 15.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2016 ist gegenüber dem verstorbenen Versicherten rechtmäßig ergangen. Die Klägerin als seine Rechtsnachfolgerin hat daher auch keinen Anspruch auf Neuberechnung der in der Zeit vom 01.07.2015 bis zum Tod des Versicherten im Dezember 2017 gezahlten Erwerbsminderungsrente ohne Anwendung des Versorgungsausgleichs.
1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Der angefochtene Bescheid vom 15.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2016 ist hinsichtlich seines Regelungsgehalts unabhängig von der mit Bescheid vom 09.01.2017 während des Klageverfahrens erfolgten Rentenbewilligung zu beurteilen, der hierzu keine Regelung getroffen hat. Die Voraussetzungen des § 96 SGG sind insoweit nicht erfüllt.
2. Die Klägerin, die mit dem verstorbenen Versicherten im Zeitpunkt seines Todes verheiratet und mit ihm in einem Haushalt gelebt hat, ist als Sonderrechtsnachfolgerin in seine Rechtsstellung im Klageverfahren eingetreten und befugt, die noch vom Versicherten eingeleitete Rentenanpassung geltend zu machen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 59 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I -).
3. Die Voraussetzungen für eine Anpassung bzw. Aufhebung des Versorgungsausgleichs sind nicht erfüllt.
Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf die Regelung in § 4 Abs. 2 VAHRG berufen, die bereits mit Wirkung zum 01.09.2009 aufgehoben worden ist. Sie findet vorliegend auch nach der Übergangsvorschrift des § 49 VersAusglG keine Anwendung. Zwar ist nach § 49 VersAusglG für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 01.09.2009 eingegangen ist, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden. Allerdings setzt diese Regelung schon nach ihrem Wortlaut voraus, dass der Antrag beim Versorgungsträger bis zum 01.09.2009 gestellt sein muss, wobei das Anpassungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen gewesen sein darf (Breuers in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 49 VersAusglG, Rn. 7f). Außerdem müssen die Voraussetzungen für eine Anpassung ebenfalls schon vor dem 01.09.2009 erfüllt gewesen sein. Auch an dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend, und zwar offensichtlich. Denn die geschiedene Ehefrau des Versicherten hat erst im Zeitraum vom 01.02.2011 bis zu ihrem Tod am 21.12.2015 Rente bezogen.
Für die von der Klägerin gewünschte Auslegung dahin, dass dabei auf den ursprünglichen beim Familiengericht im Zusammenhang Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs abgestellt werden müsse, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Abgesehen davon, dass schon nach dem Wortlaut auf den Antrag beim Versorgungsträger und nicht beim Familiengericht abzustellen ist, werden außerdem Verfahren auf erstmalige Durchführung des Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolgesache von Amts wegen eingeleitet (Dörr in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 48 VersAusglG, Rn. 7). Bezogen auf die Zeit bis 31.08.2009 beruhte dies auf der Regelung in § 1587 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.d.F. vom 02.01.2002. Danach war zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften ein Versorgungsausgleich durchzuführen, soweit für sie oder einen von ihnen in der Ehezeit Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderte Erwerbsfähigkeit begründet oder aufrechterhalten worden sind. Seit 01.09.2009 sind diese Regelungen im Wesentlichen im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) enthalten. Die von der Klägerin zitierte Kommentierung bei Dörr in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 48 VersAusglG, Rn. 5-6, bezieht sich entsprechend auch ausdrücklich nicht auf das Anpassungsverfahren, sondern die (erstmalige) Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die Regelungen in §§ 4 bis 10 VAHRG wären selbst dann nicht mehr anwendbar, wenn zwar vor dem 01.09.2009 ein Antrag auf Aussetzung des Versorgungsausgleichs beim Versorgungsträger gestellt worden wäre, über diesen aber zum 01.09.2009 bereits bestandskräftig entschieden worden wäre (Bundesverwaltungsgericht – BverwG, Beschluss vom 01.12.2016 – 2 B 41/15). Das BVerwG hat darin ausgeführt (Rn. 8 nach juris):
„Mit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes am 1. September 2009 trat das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich außer Kraft. Ab diesem Zeitpunkt entfaltete das Versorgungsausgleichsgesetz seine volle Wirkung, und zwar grundsätzlich für Rechtsverhältnisse, die bereits bestanden, und für solche, die erst danach entstanden. Abweichend von dieser Grundregel verlängert § 49 VersAusglG die Geltung des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich als Übergangsrecht ausnahmsweise für bestimmte Verfahren – namentlich für solche, in denen ein Antrag auf Aussetzung der Kürzung vor dem 1. September 2009 gestellt wurde – die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren (BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 – 2 C 48.13 – Buchholz 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 15 Rn. 16).“
Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei maßgeblich auf die Gesetzesbegründung zu den Übergangsbestimmungen hingewiesen (BT-Drs. 16/10144 S. 85, 87). Danach ist die Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 2 VersAusglG insbesondere von der grundsätzlichen Erwägung getragen, dass sowohl das neue materielle Recht als auch das neue Verfahrensrecht möglichst weitgehend und möglichst schnell zur Anwendung kommen sollen. Denn es ist zu vermeiden, dass die Praxis über einen langen Zeitraum zwei Rechtsordnungen nebeneinander anwenden muss. Nach § 49 VersAusglG ist das bis 2009 geltende Recht des VAHRG daher nur noch auf die Fälle anzuwenden, in denen der Antrag auf Anpassung des Versorgungsausgleichs noch vor dem 01.09.2009 beim damals zuständigen Versorgungsträger eingegangen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig beschieden worden war. Davon abweichende Entscheidungen der Instanzgerichte (vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 22.04.2013 – 3 ZB 12.4 sowie des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. November 2013 – 10 A 10662/13 -) hat das BVerwG ausdrücklich als durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2015 – 2 C 48.13 überholt angesehen.
Damit könnte die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Anpassung des Versorgungsausgleichs nur auf die Regelung in § 37 VersAusglG stützen, dessen Voraussetzungen aber nach übereinstimmender und zutreffender Beurteilung der Beklagten, des Sozialgerichts und auch der Klägerin nicht erfüllt sind, weil die ausgleichsberechtigte Person, die geschiedene Ehefrau des verstorbenen Versicherten, aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht länger als 36 Monate eine Rente bezogen hat (§ 37 Abs. 2 VersAusglG).
Andere Vorschriften, auf die der geltend gemachte Anspruch gestützt werden könnte, sind nicht ersichtlich. Die übrigen in den §§ 32 ff VersAuslG geregelten Anpassungsmöglichkeiten beziehen sich auf Entscheidungen über einen Versorgungsausgleich, die nach neuem Recht durchgeführt worden sind, was vorliegend nicht der Fall war. Darüber hinaus kann seit dem 01.09.2009 die Abänderung eines vor dem 31.08.2009 durchgeführten Versorgungsausgleichs nur noch nach § 51 VersAusglG erfolgen, wofür aber nicht die Beklagte, sondern das Familiengericht zuständig ist (§ 52 Abs. 1 VersAusglG i.V.m. § 226 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG (A. in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, Zulässigkeit einer Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs, Rn. 1 zu § 51 VersAusglG).
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.