Medizinrecht

Versorgungsmedizinische Grundsätze – Erwerbsminderung nach dem Beamtenversorgungsgesetz

Aktenzeichen  AN 11 K 15.01504

Datum:
25.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3
BBG § 126 Abs. 2
VwGO § 86 Abs. 2, § 98
ZPO § 412
VersMedV § 2

 

Leitsatz

1 Die “Versorgungsmedizinischen Grundsätze” (Anlage zu § 2 VersMedV) werden auf Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin erstellt und fortentwickelt. Die Verordnung regelt die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen und dient als Anhaltspunkt sowie antizipiertes Sachverständigengutachten auch für den Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit iSd BeamtVG, soweit sie damit im Einklang stehen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die “Versorgungsmedizinischen Grundsätze” verbieten im Rahmen der Gesamtbildung des Grads der Schädigungsfolgen zwar eine reine Addition der Einzelgrade, stellen jedoch ausdrücklich klar, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können. Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können sowohl voneinander unabhängig sein als auch sich überschneiden. Die konkrete Bewertung muss dabei stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Verbesserung der psychischen Folgen entspricht dem Regelverlauf einer posttraumatischen Belastungsstörung. So nehmen die Beschwerden grundsätzlich im zeitlichen Verlauf und unter Therapie an Intensität ab. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4 Über Art und Anzahl der einzuholenden Sachverständigengutachten entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
1. Der Klageantrag Nummer I. ist als Verpflichtungsklage zulässig, der Klageantrag Nummer II. als Anfechtungsklage. In beiden Fällen wurde das nach § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2015 wurde am 5. August 2015, der Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2015 am 6. August 2015 zugestellt. Mit Klageeingang am 7. September 2015 wurde die Klagefrist gewahrt, da der 5. bzw. 6. September 2015 auf ein Wochenende fielen und sich daher die Klagefrist bis zum 7. September 2015 verlängerte, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 193 BGB.
2. Die Klagen sind jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in Höhe von 50 v. H. Die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung eines Unfallausgleichs aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v. H. ist unbegründet, da dem Kläger ein Anspruch in dieser Höhe nicht zusteht und er durch die Ablehnung des Verwaltungsaktes daher nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO (a). Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. Juni 2015 ist ebenfalls unbegründet, da der Bescheid rechtmäßig ist und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (b).
a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhält ein Beamter, der infolge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25% gemindert ist, einen Unfallausgleich, solange dieser Zustand andauert. Dabei bestimmt sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben, § 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG.
Beim Kläger wurde mit Bescheid vom 13. Februar 2013 das Überfahren einer Suizidantin im Rahmen seiner Tätigkeit als Triebfahrzeugführer als Dienstunfall anerkannt. Es ist unstrittig, dass der Kläger durch diesen Dienstunfall in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 Prozent gemindert ist. Zwischen den Beteiligten ist jedoch streitig, in welcher Höhe der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Der Beklagte ist nach Einholung verschiedener Gutachten zur Auffassung gelangt, dass die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit 40 v. H. vom Ereignis des Dienstunfalls an bis Ende Juni 2015 beträgt. Der Kläger ist hingegen aufgrund der Aussagen des Gutachtens von Dr. med. … vom 17. Februar 2014, des Bescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales sowie Berichten seines Facharztes für psychotherapeutische Medizin, Dr. med. …, der Auffassung, dass die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit 50 v. H. beträgt. Das Gericht ist nach Prüfung der Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die Bemessung der Höhe des Unfallausgleichs an einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v. H. ab Eintritt des Dienstunfalls bis zum Erlass des Bescheides am 24. Juni 2015 rechtmäßig ist. Das Gericht legt hierbei die Feststellungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen als Orientierungsmaßstab zugrunde. Diese werden auf Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin erstellt und fortentwickelt, vgl. Einleitung der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Die Verordnung regelt die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen und dient als Anhaltspunkt sowie antizipiertes Sachverständigengutachten auch für den Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit sie damit im Einklang stehen (BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166; BayVGH, B. v. 22.10.2015 – 3 ZB 13.1258).
In dem Gutachten von Dr. med. …, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 17. Februar 2014 kommt dieser zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine mittelschwere posttraumatische Persönlichkeitsveränderung vorliegt, die aus Sicht des nervenärztlichen Fachgebietes eine MdE von 40% begründet (Bl. 73, 74 BA). Zudem erkennt er eine leichte kognitive Beeinträchtigung beim Kläger mit einer zusätzlichen MdE von 10% an, die er den 40% zuschlägt, so dass er zu einer Gesamt-MdE von 50% kommt. In Anbetracht dessen, dass nach Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 – versorgungsmedizinische Grundsätzen – in Teil A Ziff. 3 a festgehalten ist, dass bei Ermittlung des Gesamt-GdS durch alle Funktionsbeeinträchtigungen die einzelnen Werte nicht addiert werden dürfen, sondern die Auswirkungen der Einzelfunktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander für die Bestimmung der Gesamt-GdS maßgebend sind, erkannte der stellvertretende leitende Arzt der Dienststellen …, Dr. med. … …, dem Kläger nur eine MdE von 40 v . H. zu, ohne inhaltliche Bedenken gegen das Gutachten von Dr. med. … zu haben (Bl. 78 BA). Dieser erläuterte in einer Stellungnahme vom 2. Oktober 2014, dass er die vorliegende Gedächtnisstörung des Klägers als zusätzliches Risiko und daher als zusätzliche Beeinträchtigung auffasse, er jedoch der Argumentation, dass die diagnostizierte leichte kognitive Beeinträchtigung als Symptom der posttraumatischen Belastungsstörung aufzufassen sei, durchaus zugänglich ist. In diesem Fall würde er der Festlegung der MdE auf 40% nicht widersprechen (Bl. 17 f. BA). Auch aus der Stellungnahme des leitenden Arztes der Dienststelle … Dr. med. … geht hervor, dass dieser eine MdE von 40% für angemessen hält. Schließlich gelangt auch Frau Dr. med. … in ihrem ausführlichen Gutachten vom 30. Januar 2015 zu der Auffassung, dass beim Kläger ursprünglich eine MdE von 40% vorlag (Bl. 177 – 194 BA). Ihr Gutachten wurde dabei neben einer eigenen Untersuchung auf Grund der vorliegenden Aktenlage unter Berücksichtigung der fremden Stellungnahmen getroffen. Die Gutachten sind schlüssig und nachvollziehbar. Auch das Gutachten von Dr. med. … … vom 17. Februar 2014 ist seinem Inhalt nach nachvollziehbar. Der Schlussfolgerung hingegen, eine MdE von 50 v. H. anzunehmen, folgt das Gericht nicht. Dabei ist dem Gericht bewusst, dass Teil A Ziff. 3 a Anlage zu § 2 VersMedV im Rahmen der Gesamtbildung des Grads der Schädigungsfolgen eine reine Addition der Einzelgrade zwar verbietet, in Ziff. 3 d jedoch ausdrücklich klarstellt, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können. Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können sowohl voneinander unabhängig sein (Ziff. 3 d aa) als auch sich überschneiden (Ziff. 3 d cc). Die konkrete Bewertung muss dabei stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166; BayVGH, B.v. 22.10.2015 – 3 ZB 13.1258).
Aus den Gutachten, auch aus dem Gutachten von Dr. med. … …, lassen sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die kognitive Beeinträchtigung von derartiger Schwere ist, dass sie die MdE erhöht. So kommt auch letzteres Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine mittelschwere posttraumatische Belastungsstörung vorliegt. Eine MdE bzw. GdS von mind. 50 v. H. ist nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Teil B Nr. 3.7 Anlage zu § 2 VersMedV, jedoch erst bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten vorgesehen. Hierzu führt das besagte Gutachten jedoch nichts aus, so dass bei Zugrundelegung der in dem Gutachten festgestellten Symptome eine MdE von 40 v. H. nachvollziehbar ist, nicht jedoch eine darüber hinausgehende Erwerbsfähigkeitsminderung. Dieses Ergebnis entspricht auch dem in Teil A Ziff. 3 d ee Anlage zu § 2 VersMedV enthaltenen Grundsatz, dass zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch Herr Dr. med. … geht in seinem Gutachten von einer leichter kognitiven Beeinträchtigung aus. Ein Ausnahmefall ist weder dargelegt, noch ersichtlich.
An der Schlüssigkeit der Gutachten, die nach Überzeugung des Gerichts eine MdE von 40 v. H. begründen, ändert der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 12. August 2015 nichts. Für die Erstellung des Bescheides hat die Behörde den Kläger nicht nochmals untersuchen lassen. Vielmehr hat sie den Grad der Behinderung nur nach den dokumentierten medizinischen Befunden beurteilt. Aus den beigezogenen Behördenakten ergibt sich, dass dem Zentrum Bayern Familie und Soziales das Gutachten von Dr. med. … … vom 17. Februar 2014, der ärztliche Entlassungsbericht vom 20. August 2013, ein Bericht von Dr. med. … und von Dr. med. …, Facharzt für Allgemeinmedizin zugrunde lag. Dem Zentrum Bayern Familie und Soziales lagen zur Beurteilung hingegen nicht vor die zweite Stellungnahme von Dr. med. … vom 2. Oktober 2014, die Stellungnahmen von Dr. med. … vom 28. März 2014 und vom 28. Oktober 2014, ebensowenig wie das Zweitgutachten von Dr. med. …vom 22. Mai 2015, so dass bereits die weniger ausführlichen Befundgrundlagen das – weniger fundierte – Ergebnis des Zentrums Bayern Familie und Soziales begründen. Aufgrund der geringeren Fundiertheit ist es schon nicht geeignet, die MdE von 40 v. H. in Frage zu stellen. Auch die Befundberichte von Dr. med. … sind nicht geeignet, die obigen Gutachten in Frage zu stellen und eine MdE von 50 v. H. zu Grunde zu legen. Diese Befundberichte setzen sich nicht mit den von der Beklagten eingeholten Gutachten auseinander. Sie stellen nur eine andere These auf, ohne sich dabei mit den Ausführungen in den o.g. Gutachten detailliert auseinanderzusetzen oder objektiv überprüfbare Maßstäbe zu benennen, an denen die Diagnose und vor allem der Schweregrad der MdE festgemacht werden. Wie Dr. med. … in seinem Gutachten vom 26. September 2015 zu der Einschätzung gelangt, dass beim Kläger weiterhin eine MdE von 50 v. H. vorliege, ist nicht nachvollziehbar dargelegt; so findet beispielsweise schon keine vertiefte Auseinandersetzung mit den Beschwerden des Klägers statt.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag war bereits deswegen nicht stattzugeben, da es sich hierbei nicht um einen Beweisantrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO handelte. Ein solcher Beweisantrag ist nur ein Antrag, der zum Beweis bestimmter Tatsachen bestimmte Beweismittel benennt, §§ 98 VwGO, 403 ZPO. Die Frage, ob beim Kläger unfallbedingt seit dem Unfallereignis ein Grad der Erwerbsminderung von 50 vorliegt, stellt jedoch keine Tatsache, sondern eine rechtliche Bewertung dar. Mangels einer unter Beweis gestellten Beweistatsache ist der Antrag daher untauglich und war schon aus diesem Grunde abzulehnen. Der Beweisantrag war aber auch deswegen abzulehnen, da über Art und Anzahl der einzuholenden Sachverständigengutachten das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, § 98 VwGO, § 412 ZPO. Nachdem die bereits von der Beklagtenseite eingeholten Gutachten keine erkennbaren Mängel aufweisen oder sonstiger Anlass zu Zweifeln besteht (vgl. Darlegungen oben), kann sich das Gericht auf die bereits von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und deren Ausführungen stützen. Dabei ist zu beachten, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel darstellen, da sie vorliegend inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind. Die von der Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind damit grundsätzlich als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen, BVerwG, U.v. 15.4.1964 – VI C 45.61.
b) Der Bescheid vom 24. Juni 2015 ist ebenfalls rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist. Dem Kläger steht mit Ablauf des Monats Juni 2015 die Zahlung eines Unfallausgleichs nur noch aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30. v. H. zu.
Die Voraussetzungen für die Neufeststellung des Unfallausgleichs liegen vor. Nach § 35 Abs. 3 BeamtVG wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn eine Minderung oder Erhöhung des Grades der Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v. H. voraussichtlich länger als sechs Monate anhalten wird (BeamtVGVwV I. Allgemeine Verwaltungsvorschrift, Tz.35.3.1 Satz 4). Dies setzt voraus, dass sich der durch den Dienstunfall eingetretene Gesundheitszustand tatsächlich auch geändert hat, nicht lediglich dessen ärztliche Beurteilung, (BVerwG, B.v. 16.9.1980 – 6 B 44.80; BayVGH U.v. 3.8.2005 – 3 B 00.3426; BayVGH B.v. 7.1.2015 – 3 ZB 12.1391). Nach Ziff. 35.3.4 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz tritt die Minderung des Unfallausgleichs mit Ablauf des Monats ein, in dem der Änderungsbescheid zugestellt wird.
In ihrem Gutachten vom 22. Mai 2015 kommt die Gutachterin Dr. med. … zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den bisherigen Beurteilungen eine Änderung bei den Unfallfolgen eingetreten ist. Danach hat sich der psychische Befund des Klägers gebessert. Eine in deutlicher Rückbildung befindliche posttraumatische Belastungsstörung wurde diagnostiziert. Die von der Gutachterin erzielten Untersuchungsbefunde erlauben keine MdE von mehr als 30 v. H. Die von der Beklagten hierzu eingeholte Stellungnahme von Dr. med. … hält das Gutachten für plausibel und nachvollziehbar. Das Gericht folgt den überzeugenden und in sich schlüssigen Ausführungen des Gutachtens. Es ist nachvollziehbar und weist keine offen erkennbaren Mängel auf. Der Gutachterin lagen die bis dahin erhobenen Atteste und Gutachten vor, die sie ihrer Untersuchung auch zu Grunde gelegt hat. Aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Klägers hat die Gutachterin zudem einen umfassenden Untersuchungsbefund erstellt. Die Folgerungen beruhen auf eigenen medizinischen Erkenntnissen sowie auf Befunden, die nachvollziehbar im Gutachten angegeben sind. Weder die Arztberichte von Dr. med. … (dazu bereits oben unter 2. a) noch die Behauptungen des klägerischen Anwalts können das Gutachten durchgreifend in Frage stellen. So sind gerade auch die vom klägerischen Anwalt bemängelten Folgerungen nachvollziehbar. Es ist einsichtig, dass es gegen eine schwere posttraumatische Belastungsstörung spricht, wenn der Kläger in seiner Freizeit Krimis liest und sich dadurch freiwillig emotionalen Belastungen aussetzt anstatt die Konfrontation mit negativen Lebensereignissen zu vermeiden. Ebenso ist die Schlussfolgerung einleuchtend, dass ein Autofahrer keine relevante kognitive Störung hat, weil zum Autofahren ein gewisses Reaktionsvermögen unerlässlich ist, da andernfalls Unfälle die zwingende Folge wären. Darüber hinaus entspricht eine Verbesserung der psychischen Folgen auch dem Regelverlauf der posttraumatischen Belastungsstörung. So nehmen die Beschwerden grundsätzlich im zeitlichen Verlauf und unter Therapie an Intensität ab, vgl. Schneider/Nugel in NJW 2014, 2977 (2981). Auch hält Dr. med. … bereits in seinem (Erst-)Gutachten vom 17. Februar 2014 fest, dass posttraumatische Belastungsstörungen im Rahmen weiterer therapeutischer Bemühungen auch einen natürlicherweise günstigen Verlauf nehmen können. Ebenso hält Dr. med. … in ihrem Gutachten fest, dass psychoreaktive Erkrankungen in der Regel einen Decrescendoeffekt haben, also ein weiterer Rückgang der Symptomatik zu erwarten ist. Auch vor diesem Hintergrund ist das von Dr. med. …gefundene Ergebnis, dass im Vergleich zu den bisherigen Beurteilungen eine Änderung eingetreten ist und nur noch eine MdE von 30 v. H. vorliegt, nachvollziehbar und schlüssig. Auch hier erübrigt sich daher die Einholung eines weiteren Gutachtens. Die hierzu oben unter 2.a) gemachten Ausführungen sind übertragbar.
Da der Bescheid dem Kläger am 27. Juni 2015 zugestellt wurde, war die Minderung des Unfallausgleichs – wie vorliegend geschehen – mit Ablauf des Monats Juni 2015 anzusetzen.
Nach alledem sind die Klagen unbegründet und abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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