Medizinrecht

Verwertung eines MPU Gutachtens

Aktenzeichen  M 26 S 15.5609

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 11 Abs. 3 Nr. 1, § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Feststellungen aus einem medizinisch-psychologischen Gutachten stellen neue Tatsachen dar, denen eine selbstständige Bedeutung zukommt, die ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung verwertet werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis (Klassen 1, 1a, 1b, 3, 4 und 5 seit …10.1957).
Der Antragsgegner erhielt durch polizeiliche Mitteilung am … August 2014 Kenntnis von einem vom Antragsteller am … Mai 2014 verschuldeten Verkehrsunfall. Nach Vorfahrtsverstoß und Kollision mit einem anderen PKW setzte der Antragsteller zurück und stieß hierbei gegen einen weiteren PKW. Der polizeilichen Mitteilung zu Folge habe der Antragsteller am Unfallort einen verwirrten Eindruck gemacht.
Nach einer vom Antragsgegner veranlassten Vorsprache am … November 2014 wurde der Antragsteller um Vorlage haus-, ohren- und augenärztlicher Atteste gebeten. Dem HNO-ärztlichen Attest vom … November 2014 ist eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit mit Hörverlust von jeweils a…% zu entnehmen. Aus der zudem übermittelten Medikamentenverordnungsübersicht vom … Mai 2014 ergibt sich die Einnahme von A… … … und B… … … mg (jeweils jeden zweiten Tag) sowie einer halben Tablette C… … … … (täglich).
Mit Schreiben vom … März 2015 ordnete der Antragsgegner die Vorlage eines Gutachtens eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung dazu an, ob beim Antragsteller eine Erkrankung nach Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV (hochgradige Schwerhörigkeit) vorliege, die seine Fahreignung in Frage stelle. Außerdem solle geklärt werden, ob vor dem Hintergrund der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV) die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges gegeben sei, falls nein, ob eine Kompensation möglich sei.
Nach Vorlage eines internistischen Attests vom … Februar 2015, wonach beim Antragsteller die Diagnosen arterieller Hypertonus, Degeneratives LWS-Syndrom, Spondylolisthesis, Polineurophatie, Coxarthrose rechts und Gonarthrose rechts zu stellen seien, ergänzte der Antragsgegner die Gutachtensanordnung vom … März 2015 mit Schreiben vom … März 2015 dahingehend, dass zusätzlich zu untersuchen sei, ob bei dem Antragsteller Erkrankungen nach Nr. 4.2 (Hypertonie) und 6 (Krankheiten des Nervensystems, Polyneuropathie) der Anlage 4 zur FeV vorliegen, die die Fahreignung in Frage stellen.
Das Gutachten des A… … … (Untersuchungstag: …4.2015, Versandtag: …5.2015) kann zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller Erkrankungen nach Nr. 2, 4.2 und 6 der Anlage 4 zur FeV vorliegen. Der Antragsteller sei trotzdem in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchungen seien jährlich erforderlich. Vor dem Hintergrund der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln liege die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs nicht vor. Nach dem Ergebnis der im Rahmen der ärztlichen Begutachtung durchgeführten Überprüfung der Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs lasse sich beim Antragsteller zu den verkehrsrelevanten Fähigkeitsbereichen selektive und verteilte Aufmerksamkeit bzw. Konzentration und Orientierungsfähigkeit im Vergleich zur Norm kein normgerechtes Leistungsbild für die Gruppen 1 und 2 erkennen. Es könne unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller sich erstmals in seinem Leben an einem PC befunden habe, die Möglichkeit einer Fahrverhaltensbeobachtung eingeräumt werden, um zu überprüfen, ob der Antragsteller die festgestellten Leistungsdefizite durch fahrpraktische Fähigkeiten kompensieren könne.
Mit Schreiben vom … Juni 2015 ordnete der Antragsgegner die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens (Fahrverhaltensbeobachtung) nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 FeV an. Es sei der Frage nachzugehen, ob der Antragsteller trotz der bei der testpsychologischen Untersuchung festgestellten Leistungsmängel in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen (Überprüfung des Kompensationsvermögens in einer psychologischen Fahrverhaltensbeobachtung).
Nach dem leistungspsychologischen Gutachten der B… … (Untersuchungstag: …8.2015, Versandtag: …9.2015) können die für den Antragsteller aktenkundigen (testpsychologisch festgestellten) Leistungsmängel im Rahmen einer psychologischen Fahrverhaltensbeobachtung nicht kompensiert werden. Der Antragsteller sei nicht in der Lage ein Kraftfahrzeug der Führerscheinklassen 1 und 3 (alt) sicher zu führen. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass die Fahrverhaltensbeobachtung im Einzelnen geschilderte Auffälligkeiten sowie Fahrfehler gezeigt habe. Sie sei nach einem Vorfahrtsverstoß, der zum Fahrlehrereingriff (Notbremsung) zur Gefahrenabwehr geführt habe, vorzeitig abgebrochen worden. Es hätten sich dem Gutachter zufolge deutliche Hinweise auf Eignungs- und Befähigungsmängel ergeben.
Nach Anhörung entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom … September 2015 die Fahrerlaubnis der Klassen 1, 1a, 1b, 3, 4 und 5 (Nr. 1 des Bescheids), ordnete die Abgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche ab Zustellung an (Nr. 2) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht fristgemäß nachkomme, ein Zwangsgeld von a… EUR an (Nr. 3). Unter der Nr. 4 des Bescheids ordnete er die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an.
Zur Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der B… … die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausgeräumt sondern bestätigt worden seien. Der Entzug der Fahrerlaubnis sei die verhältnismäßige Maßnahme.
Mit Schriftsatz vom … September 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am … Oktober 2015, erhob der Antragsteller Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und überreichte neben weiteren Anlagen seinen Führerschein zur Hinterlegung beim Verwaltungsgericht. Er führte zur Klagebegründung aus, dass er anlässlich des Verkehrsunfalls Anfang Mai 2014 entgegen der Deutung der Polizei nicht verwirrt, sondern verärgert gewesen sei. Seitdem sei er Opfer eines Diskriminierungsverfahrens, das ihn bisher ca. a… EUR gekostet habe. Eine …Ärztin habe ihm sehr gute Gesundheit und die normale Fähigkeit bescheinigt, Auto zu fahren. Gegen die Behauptung, die Fahrprüfung sei abgebrochen worden, weil er einen gefährlichen Fahrfehler begangen habe, protestiere er. Die Fahrt erkenne er nicht an. Die Begründung des Entziehungsbescheids enthalte viele Unwahrheiten und Halbwahrheiten, die er auf dem anliegenden Bescheid dokumentiert habe. Der Antragsteller habe die Behörde wiederholt darauf hingewiesen, dass er seinen Führerschein gerne abgebe, sobald er auch nur die geringste Unsicherheit am Steuer bemerke. Er sei seit dem Bagatell-Unfall vorbildlich Auto gefahren, Anfang September sogar mehrere hundert Kilometer durch die Region und A….
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom … Oktober 2015 die Klageabweisung.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2015 ergänzte der Antragsteller seine Ausführungen zum Ablauf der Fahrbeobachtung. Mit Schriftsatz vom … Dezember 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am … Dezember 2015, beantragte der Antragsteller die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015,
den Antrag abzulehnen.
Der zwischenzeitlich Bevollmächtigte des Antragstellers wiederholte im Schriftsatz vom … Februar 2016 den Antrag auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und beantragte zudem,
dem Antragsteller den Führerschein bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Hauptsacheverfahren auszuhändigen.
Er wies darauf hin, dass sich aus der Ermittlungsakte keine Hinweise auf eine Verwirrtheit des Antragstellers ergäben. Vielmehr habe die Polizei in der Verkehrsunfallanzeige zur Verkehrstüchtigkeit festgestellt: „Keine Ausfallerscheinungen feststellbar“. Die Fahrunsicherheiten, die vom Sachverständigen moniert würden, seien nicht überzeugend. Der Antragsteller sei mit einem fremden Fahrzeug in A… gefahren. Probleme mit der Schaltung mögen daran gelegen haben, dass es sich nicht um das eigene Fahrzeug gehandelt habe.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom … Februar 2016 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 26 K 15.4348 sowie auf die Behördenakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag, der auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom … September 2015 enthaltenen Regelungen (zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins s. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der in Nr. 3 verfügten Zwangsgeldandrohung (s. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG) gerichtet ist (§ 88 VwGO analog), ist zulässig. Der Antragsteller hat seinen Führerschein noch nicht bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben, sondern „zu seiner Sicherung“ beim Gericht hinterlegt. Mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist daher ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, der auf die Herausgabe des Führerscheins durch die Fahrerlaubnisbehörde abzielt.
2. Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage war in Bezug auf die in Nr. 4 des Bescheids vom … September 2015 angeordnete sofortige Vollziehung hinsichtlich der Nr. 1 und 2 des Bescheids nicht wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 3 nicht anzuordnen.
2.1. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug ausreichend einzelfallbezogen im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO begründet (zu den Anforderungen Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Er hat konkret auf den Fall des Antragstellers bezogen ausführlich dargelegt, warum er auch schon während des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens davon ausgeht, das der zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehende Antragsteller eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen würde. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch die Fälle des Fahrerlaubnisentzugs wegen fehlender Fahreignung gehören, liegt es im Übrigen in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Kraftfahrer durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2011 – 11 CS 11.1271 – juris Rn. 6, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
2.2. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Grundlage dieser Entscheidung ist eine Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners, wobei insbesondere auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen sind (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.).
2.2.1. Hier überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da die Anfechtungsklage des Antragstellers nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (s. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die persönlichen Interessen des Antragstellers müssen deshalb hinter den Interessen der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückstehen.
Dem Antragsteller war die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen. Der Antragsteller erfüllt nicht die Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit. Er ist nach den Feststellungen im Gutachten der B… … aufgrund der Begutachtung vom … August 2015 nicht in der Lage, die ausweislich des Gutachtens des A… … … bei ihm bestehenden psychophysischen Leistungsmängel zu kompensieren. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses hatte der Antragsgegner deshalb von der Nichteignung des Antragstellers bezüglich sämtlicher Fahrerlaubnisklassen auszugehen. Ein Ermessen stand der Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich der Entziehung nicht zu.
Dem Antragsgegner wurden aufgrund der Aufklärungsmaßnahmen, die sich an die polizeiliche Mitteilung zum Unfall vom … Mai 2014 anschlossen, Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche Fahreignung des Antragstellers begründeten (s. Nrn. 2, 4.2 und 6 der Anlage 4 zur FeV). Die Behandlung des Antragstellers mit den Medikamenten B… und C…, die – wie der Antragsgegner in seiner Gutachtensanordnung vom … März 2015 auch ausführte – beide Schwindel verursachen können, veranlasste den Antragsgegner dazu, der Frage nachzugehen, inwieweit hierdurch die für das Führen von Kraftfahrzeugen erforderliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein könnte (s. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Der Antragsgegner machte daher zunächst von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 zur FeV erfüllt, anzuordnen (§ 11 Abs. 2 FeV). Im Rahmen der ärztlichen Begutachtung unterzog sich der Antragsteller einer Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit, die psychophysische Leistungsmängel ergab. Da dem Gutachten des A… … … zu Folge noch zu klären war, ob der Antragsteller festgestellte Leistungsdefizite kompensieren kann, ging der Antragsgegner dieser Frage nach, indem er entsprechend der Anregung im Gutachten eine psychologische Fahrverhaltensbeobachtung anordnete (s. BayVGH, B.v. 30.11.2015 – 11 ZB 15.1994, B.v. 15.6.2015 – 11 CS 15.969 – jeweils juris m. w. N.).
Die Frage der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnungen bedarf vorliegend keiner weiteren Vertiefung, weil die angeordneten Begutachtungen tatsächlich erfolgt sind und den eingeholten Gutachten selbstständige Bedeutung zukommt. Die gutachterlichen Feststellungen stellen neue Tatsachen dar, die auch im Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben, ohne weiteres verwertet werden können (vgl. BVerwG, B.v. vom 19.3.1996 – 11 B 14/96 – juris; BayVGH, B.v. 28.11.2014 – 11 CS 14.2267 – juris m. w. N.).
Die Fahrungeeignetheit des Antragstellers steht nach dem Ergebnis des Gutachtens der B… … fest.
Das Gutachten der B… … begegnet im vorliegenden Eilverfahren keinen inhaltlichen Bedenken. Die Fahrerlaubnisakte zum Antragsteller wurde im Vorfeld analysiert. Das Gutachten des A… … … und dessen Feststellungen wurden zu Recht und in angemessener Weise als Grundlage der Untersuchung herangezogen, dargestellt und bewertet. Die Feststellungen des Gutachtens der B… … sind insgesamt verständlich und nachvollziehbar und tragen die Annahme, dass beim Antragsteller eine ausreichende Kompensationsfähigkeit nicht vorliegt, sondern die testpsychologisch festgestellten Leistungsmängel, wie sie sich aus dem Gutachten des A… … … ergeben, als bestätigt angesehen werden müssen. Die Beurteilung des Sachverständigen ist anhand der konkret geschilderten Auffälligkeiten und Fahrfehler schlüssig dargelegt. Die Fahrzeugbedienung (Dosierung des Gases, Schaltvorgänge) durch den Antragsteller wird als generell defizitär beschrieben. Dokumentiert wurde, dass dreimal die Hilfestellung bzw. der Eingriff des Fahrlehrers nötig war, davon einmal zum Anlassen des Fahrzeugs nach vorherigem „Abwürgen“ des Motors und einmal zur Spurkorrektur, um nach dem Rechtsabbiegen ein Touchieren eines am rechten Fahrbahnrand ordnungsgemäß abgestellten Personenwagens zu verhindern. Die Missachtung der Vorfahrt des Gegenverkehrs beim Linksabbiegen führte schließlich zur Notbremsung durch den Fahrlehrer und „aus Gründen des erheblichen Gefährdungspotentials“ zum Abbruch der Fahrprobe.
Das Vorbringen von Antragstellerseite führt – soweit es mit den vorstehenden Ausführungen nicht ohnehin schon gewürdigt wurde – zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Verlauf der Fahrprobe in dem Gutachten unzutreffend wiedergegeben worden wäre oder der Gutachter den Antragsteller voreingenommen beurteilt hätte. Hierfür finden sich weder anhand des Gutachtens der B… … noch nach sonstiger Aktenlage Hinweise, auch nicht für eine entsprechende Motivation des Gutachters. Der Antragsteller hatte sich ausweislich des Gutachtens im Rahmen einer 90-minütigen Fahrstunde vorbereitet und sich auch noch einmal unmittelbar vor der Beobachtungsfahrt 7 Minuten lang mit dem Fahrzeug vertraut gemacht. Es besteht kein Anhalt dafür, dass die im Gutachten benannten Unsicherheiten und Fahrfehler ausschlaggebend auf die prüfungsähnliche Situation bzw. das unbekannte Fahrzeug zurückgeführt werden könnten. Den diesbezüglichen Einwänden ist jedenfalls im Eilverfahren nicht näher nachzugehen.
Da die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch beim Sofortvollzug der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein innerhalb der genannten Frist abzuliefern (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV). Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 3, zu der der Antragsteller keine expliziten Einwände erhebt und die nach der summarischen Prüfung durch das Gericht nicht zu beanstanden ist.
2.2.2. Im Übrigen hätten die persönlichen Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis im vorliegenden Fall hinter den Interessen der Allgemeinheit – hier insbesondere an der Sicherheit des Straßenverkehrs – auch dann zurückzutreten, wenn man den Ausgang des Hauptsacheverfahrens in Bezug auf die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der Einwendungen des Antragstellers als offen ansehen würde. Es entspricht der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4, Abs. 7 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 FeV). Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zur Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert; dieses Risiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 3.7.2015 – 11 CS 15.1030 – juris).
Aufgrund der Schutzpflicht der öffentlichen Gewalt für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit könnte es demzufolge in Anbetracht der fahreignungsrelevanten Feststellungen in den Gutachten des A… … … … und der B… … trotz der mit dem Sofortvollzug verbundenen Nachteile in Bezug auf die Mobilität des Antragstellers nicht verantwortet werden, ihn zum gegenwärtigen Sachstand am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Nr. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.5).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben