Medizinrecht

Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bei Heilmittelwerbung

Aktenzeichen  17 HK O 16926/15

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2016, 688
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG UWG § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2
HWG HWG § 3

 

Leitsatz

1 Wenn auch krankhaft übergewichtige Personen mit einer Werbung für ein Schlankheitsprodukt angesprochen werden, ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG anwendbar. (red. LS Dirk Büch)
2 Wenn in der Werbung auf Gesundheit Bezug genommen wird, geltend besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit.  (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I.
Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem persönlich haftenden Gesellschafter, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine sogenannte „… Stoffwechseltherapie“ zu werben:
1. „kein(e) Energieverbrauch/Punkte zählen“.
2. „In einem persönlichen Beratungsgespräch können wir Ihnen sagen, ob auch Sie in 5 Wochen bis zu 12 Kilo abnehmen können“
und/oder
„Mit der … Stoffwechseltherapie können auch Sie in 5 Wochen bis zu 12 kg Ihres Körpergewichts verlieren“,
jeweils sofern dies geschieht, wie in der Anlage K 1 wiedergegeben.
II.
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger € 178,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2015 zu zahlen.
III.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 9.000,-, in Ziffer II und III zusammen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

A. Die zulässige Klage erweist sich insgesamt als begründet:
I.
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind begründet nach den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 a UWG i. V. m. § 3 HWG:
1. Auf die von der Beklagtenpartei entsprechend Anlage K 1 getätigten Werbungen sind grundsätzlich die Grundsätze des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) anzuwenden.
Bei der Werbung der Beklagtenpartei für die „… Stoffwechseltherapie“ entsprechend Anlage K 1 handelt es sich um eine typische Schlankheitswerbung. Diese Werbung richtet sich auch an Personen, die erheblich übergewichtig sind. Dies ergibt sich bereits aus dem auf Seite 1 von Anlage K 1 befindlichen Lichtbild, in dem eine Waage, die bei 125 kg steht, gezeigt wird, damit wird den angesprochenen Verkehrskreisen zum Ausdruck gebracht, dass sich die angebotene Therapie jedenfalls auch an übergewichtige Personen wendet. Im Übrigen wird in der Werbung entsprechend Anlage K 1 darauf hingewiesen, dass Übergewicht nicht nur ein kosmetisches Problem ist, dass Übergewicht die Gesundheit gefährdet und Übergewicht das Entstehen von vielen Krankheiten fördert. Gleichzeitig wird den angesprochenen Verkehrskreisen zum Ausdruck gebracht, dass, wenn sie die … Stoffwechseltherapie anwenden, es dazu nicht kommt und die Benutzer ihrem Körper etwas Gutes tun und dem Teufelskreis entfliehen können.
Damit richtet sich die angegriffene Werbung erkennbar nicht nur an Personen, denen es um ein besseres äußeres Erscheinungsbild geht, sondern es werden gezielt übergewichtige Personen angesprochen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist dieses Gesetz anwendbar, wenn für andere Mittel, Verfahren oder Behandlungen geworben wird, soweit sich die Werbeaussagen auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bezieht. Im vorliegenden Falle werden gerade auch krankhaft übergewichtige Menschen angesprochen, weshalb die angesprochene Therapie ein Verfahren zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bzw. krankhaften Beschwerden bei Menschen darstellt.
Damit ist auf die Werbung der Beklagten das HWG anwendbar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2010, Az. 4 U 148/10, zitiert nach Juris).
2. Wenn in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen wird, gelten besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen. Dies ist gerechtfertigt durch die hohe Bedeutung des Rechtsgutes Gesundheit und die hohe Werbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen. Mit solchen Aussagen darf nur geworben werden, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage dartun kann und zwar durch entsprechende Studienergebnisse, die nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet worden sein müssen, wobei im Regelfalle erforderlich ist, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, Rdn. 4.181, 4.183 a zu § 5).
Im vorliegenden Falle hätte somit die beklagte Partei, die für den Nachweis der Richtigkeit der von ihr gemachten Wirkungsaussagen darlegungs- und beweispflichtig ist, darlegen und beweisen müssen, dass die entsprechenden Wirkungen tatsächlich eintreten.
Ein solcher Nachweis ist seitens der Beklagtenpartei allerdings nicht geführt.
3. Die von der Klagepartei angegriffenen Werbeaussagen erweisen sich im einzelnen als unzulässig i. S. v. § 3 HWG:
a. Die Aussage
„kein(e) Energieverbrauch/Punkte zählen“
ist unzulässig. Damit wird bei einem nicht unerheblichen Anteil der angesprochenen Verkehrskreise der unzutreffende Eindruck erweckt, dass mit der Stoffwechselanalyse mit dem e-Scan, der ja nach Werbeaussage am Anfang der Therapie steht, der Weg zu umfänglicher Gewichtsreduktion eröffnet werde, wobei keinerlei wissenschaftlicher Nachweis dergestalt vorliegt, dass die beschriebene Stoffwechseltherapie diesen Erfolg habe.
Im Übrigen wird bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die Gewichtsreduktion nicht auf einem Energieverbrauch beruhe. Dies ist allerdings – unstreitig – unzutreffend, weil grundsätzlich ohne Energieverbrauch Körperfett nicht abgebaut werden kann. Der Abbau von Körperfett setzt voraus, dass mehr Energie verbrannt als zugeführt wird. Dies macht nach Auffassung der Kammer aber zwangsläufig notwendig, die Energiezufuhr zu kontrollieren. Ohne entsprechende Kontrolle ist ein Abnehmen nicht möglich, wobei die Beklagten selbst ausführen, dass die Einhaltung eines Ernährungsplanes erforderlich ist. Damit geht es letztendlich um nichts anderes, als das, was jeder andere Gewichtsreduktionsplan ebenfalls verlangt, nämlich eine nachhaltige Reduktion der Kalorienzufuhr und damit also eine kontrollierte Ernährung betreffend die Kalorienzufuhr.
Damit steht fest, dass nicht zutreffend ist, dass kein Energieverbrauch maßgeblich ist, so dass die gemachte Aussage auch irreführend i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG ist, weil irreführende Angaben über wesentliche Merkmale der angebotenen Therapie gemacht werden.
b. Die getätigte Aussage
„in einem persönlichen Beratungsgespräch können wir Ihnen sagen, ob auch Sie in 5 Wochen bis zu 12 kg abnehmen können“
ist ebenfalls unzulässig, da irreführend. Diese Aussage ist im Zusammenhang zu sehen mit der gesamten Werbung der Beklagtenpartei für die … Stoffwechseltherapie entsprechend Anlage K 1 und nicht losgelöst dahin, dass möglicherweise die Möglichkeit besteht, einen Dritten dahingehend zu beraten, wie er bis zu 12 kg abnehmen kann. Streitgegenständlich ist diese Aussage im Zusammenhang mit der beworbenen Stoffwechseltherapie. Die gemachte Aussage ist bereits deshalb irreführend und unzulässig, weil ein Verstoß gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG vorliegt, weil ein wissenschaftlich gesicherter Nachweis dahingehend, dass die beworbene Stoffwechseltherapie überhaupt zu diesen Erfolgen führt, nicht vorliegt und daher die Aussage, die in der angegriffenen Werbung enthalten ist, dass man mit dieser Stoffwechseltherapie bis zu 12 kg abnehmen könne, per se irreführend ist, weil der beworbenen Therapie eine Wirksamkeit bzw. Wirkungen beigelegt wird, die sie nicht hat.
Darüber hinaus verstehen die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, die Aussage dahingehend, dass gerade durch diese Therapie die entsprechende Gewichtsreduktion herbeigeführt werde, was aber nicht der Fall ist, weil eine Gewichtsreduktion allenfalls durch Verminderung der Kalorienzufuhr erfolgt und nicht durch die beworbene Therapie. Es werden der beworbenen Therapie Wirkungen zugesprochen, die sie nicht hat, so dass auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG vorliegt.
c. Die angegriffene Aussage
„Mit der … Stoffwechseltherapie können auch Sie in 5 Wochen bis zu 12 kg Ihres Körpergewichts verlieren“
ist ebenfalls aus den oben genannten Gründen irreführend, weil der beworbenen Stoffwechseltherapie eine Wirkung beigelegt wird, für die ein wissenschaftlicher Nachweis nicht vorhanden ist, so dass insoweit ebenfalls ein Verstoß gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG vorliegt, darüber hinaus eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG über die tatsächlichen Merkmale der beworbenen Therapie.
Im Übrigen wird diese Aussage von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass jeder der Angesprochenen tatsächlich die Möglichkeit hat, in der genannten Zeit die angegebene Zahl von Kilogramm zu reduzieren, die Verkehrskreise verstehen die Aussage somit im Sinne einer Erfolgsgarantie, wobei allerdings die Beklagte eine solche grundsätzlich nicht geben kann, so dass auch ein Verstoß gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 a HWG vorliegt.
Damit erweisen sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche insgesamt als begründet.
II.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist ebenfalls begründet.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die seitens der Klagepartei gegenüber den Beklagten ausgesprochene Abmahnung begründet i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, so dass die Klagepartei hinsichtlich der Abmahnung den Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen kann. Diese belaufen sich unbestritten auf € 178,50.
Die geltend gemachten Verzugszinsen sind begründet nach den §§ 288, 291 BGB.
III.
Der Beklagte zu 2) ist unstreitig geschäftsführender Gesellschafter der Beklagten zu 1), damit als Störer hinsichtlich der wettbewerbswidrigen Handlungen selbst verantwortlich, so dass die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch diesem gegenüber begründet sind.
Hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten haftet der Beklagte zu 2) ebenfalls, da auch dieser abgemahnt wurde.
Damit war der Klage vollumfänglich stattzugeben.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
C. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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