Medizinrecht

Widerruf der Approbation als Ärztin

Aktenzeichen  21 B 16.2065

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132574
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1
BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1, § 8 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1 Ein Arzt ist zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit ist dabei mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit und das Verhältnismäßigkeitsgebot an hohe Voraussetzungen geknüpft. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Zweck des Widerrufs der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit dient dem Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die Ärzteschaft. Für die Beurteilung der Würdigkeit der ärztlichen Berufsausübung kommt es nicht nur auf das Verhalten des Betroffenen bei der Behandlung seiner Patienten als Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit an, sondern auf jedes Verhalten, das das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stören kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit als Voraussetzung für den Widerruf der Approbation kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens an, wobei es einer auf die Person des Betroffenen bezogenen (in die Zukunft gerichteten) Gefahrenprognose nicht bedarf. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 K 15.1137 2016-04-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. April 2016 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) des Beklagten hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 28. April 2015 ausgesprochene Widerruf der ärztlichen Approbation der Klägerin ist rechtmäßig und verletzt diese nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens war die Approbation gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO zwingend zu widerrufen, weil nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist. Die Klägerin hat sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur (weiteren) Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
1. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Arzt zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit ist dabei mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot an hohe Voraussetzungen geknüpft. Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit können nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos. Der Betroffene muss ein schwerwiegendes Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149/02 – juris Rn. 4).
Davon ausgehend ist festzustellen, dass die Klägerin ein Verhalten gezeigt hat, aus dem sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs als Arzt ergibt. Zu dieser Wertung gelangt der Senat aufgrund der ihm obliegenden eigenständigen Prüfung des vorliegenden Aktenmaterials und hier insbesondere der Feststellungen in dem gegen die Klägerin ergangenen Strafurteil.
1.1 Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts P… vom 20. Oktober 2014 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin sich eines Betrugs in 22 Fällen schuldig gemacht hat. In den Zeiträumen vom 14. August 2007 bis 31. Dezember 2008 und vom 24. Mai 2011 bis 3. Oktober 2011 erklärte sie gegenüber der … Private Krankenversicherungs AG in 22 Fällen, die im angefochtenen Bescheid im Einzelnen angeführt sind, jeweils unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht zu arbeiten und sich am Wohnort aufzuhalten. Hierdurch veranlasste sie die Versicherungsgesellschaft für die Zeiträume der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit 255,64 Euro je Tag an sie auszuzahlen. Entgegen ihrer jeweiligen Erklärung hielt sich die Klägerin in den genannten Zeiträumen insgesamt 107 Tage außerhalb ihres Wohnorts auf, ging 118 Tage ihrer Tätigkeit als selbständige Ärztin in ihrer Praxis in P… nach und arbeitete 30 Tage als Schiffsärztin. Die Klägerin hatte deshalb für diese Tage keinen Anspruch auf das ausgezahlte Krankentagegeld. Sie wusste das und beabsichtigte, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Klägerin wollte sich durch ihr Verhalten eine nicht nur vorübergehende wiederholte Einnahmequelle von erheblichem Gewicht verschaffen. Der … Private Krankenversicherungs AG entstand durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden von insgesamt 65.188,20 Euro.
1.2 Der Senat ist zwar an diese Feststellungen nicht gesetzlich gebunden. Allerdings dürfen die in rechtskräftigen Strafurteilen enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung von Approbationswiderrufen gemacht werden. Etwas anderes gilt dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen bestehen, wovon insbesondere dann auszugehen ist, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 StPO vorliegen oder wenn sich die offensichtliche Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen aufdrängt. Dazu bedarf es der Darlegung substantiierter nachprüfbarer Umstände, die die Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung ernstlich in Zweifel ziehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2014 – 3 B 68.13 – juris; B.v. 6.3.2003 – 3 B 10.03 – juris). Solche Umstände ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
Der Klägerbevollmächtigte meint, der subjektive Tatbestand des Betrugs sei nicht erfüllt; die Klägerin habe nicht bewusst fehlerhaft gehandelt. Die Versicherungsbedingungen für die Ersatzleistungen bei Arbeitsunfähigkeit der … Private Krankenversicherungs AG seien ungewöhnlich strikt. Danach habe während der Arbeitsunfähigkeit keinerlei Arbeitstätigkeit ausgeführt werden dürfen, nicht einmal ein kurzer Arbeitsversuch. Zudem habe, was ungewöhnlich und bei psychischer Erkrankung kontraproduktiv sei, eine Aufenthaltspflicht am Wohnort bestanden. All das sei der Klägerin nicht bewusst gewesen. Zudem habe die Klägerin die schriftlichen Versicherungsbedingungen erst im Nachhinein erhalten. Sie sei so während ihrer Erkrankung bei Beantragung der jeweiligen Leistung nicht in der Lage gewesen, ihr nach den Versicherungsbedingungen fehlerhaftes Verhalten zu erkennen. Sie habe die Leistungsanträge vielmehr jeweils in bester Überzeugung der Anspruchsberechtigung gestellt.
Daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der zum Vorsatz getroffenen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils. Es gibt keinen konkreten Anhalt für eine Unkenntnis der Klägerin darüber, dass sie das jeweils beantragte Krankentagegeld nur dann beanspruchen konnte, wenn sie während der Arbeitsunfähigkeit keiner Arbeit nachging und sich an ihrem Wohnort aufhielt. Hat sie doch jeweils vor der Auszahlung des Krankentagegelds gegenüber der geschädigten Versicherungsgesellschaft ausdrücklich erklärt, dass sie während der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeite und sich am Wohnort aufhalte. Gegen das nunmehrige Vorbringen spricht zudem, dass die Feststellungen des Strafgerichts auch auf der geständigen Einlassung der Klägerin beruhen und dieses Geständnis von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt wurde. Das nunmehrige Bestreiten eines Tatvorsatzes ist im Übrigen, ohne dass es noch darauf ankäme, nicht mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass die Klägerin die von ihr in den Zeiten der Berufsunfähigkeit erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber den Patienten abgerechnet hat. Denn das widersprach ersichtlich dem Zweck einer Krankentagegeldversicherung, bei vollständiger Berufsunfähigkeit das aus einer Berufstätigkeit zu erzielenden Einkommen ganz oder teilweise zu ersetzen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die einschlägigen Versicherungsbedingungen der … Private Krankenversicherungs AG ungewöhnlich streng waren. Sie entsprachen vielmehr den Versicherungsbedingungen anderer Versicherer.
1.3 Die von der Klägerin verübte Straftat des Betrugs in 22 Fällen führt bei Würdigung aller Umstände dazu, dass sie nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar nötige Ansehen und Vertrauen besitzt.
Zwar betreffen diese Straftaten nicht das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Allerdings ist für die Beurteilung der Würdigkeit der ärztlichen Berufsausübung nicht nur das Verhalten des Betroffenen bei der Behandlung seiner Patienten, also der Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, maßgebend. Der wesentliche Zweck der Regelung über den Widerruf der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit, der den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit legitimiert, besteht darin, das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzteschaft sicherzustellen. Im Interesse des wichtigen Gemeinschaftsgutes der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12/95 – juris Rn. 19) sollen Patienten die Gewissheit haben, dass sie sich ohne Vorbehalt einem Arzt voll und ganz anvertrauen können. Sie sollen nicht durch ein irgend geartetes Misstrauen davon abgehalten werden, rechtzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn der Arzt keinen Anlass bietet, an seiner Heilkunst zu zweifeln (vgl. OVG NRW, U.v. 25.5.1993 – 5 A 2679/91 – juris). Denn auch die Verwirklichung erheblicher Straftaten, die keinen Zusammenhang mit einer als solcher nicht beanstandbar ausgeübten ärztlichen Tätigkeit haben, sind geeignet, das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu stören und damit zur Unwürdigkeit zu führen (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149.02 – juris; B.v. 27.1.2011 – 3 B 63.10 –NJW 2011, 1830; BayVGH, U.v. 29.1.2002 – 21 B 98.1583 – juris m.w.N.). Dem entspricht es, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO bereits vor einer erstmaligen Erteilung der ärztlichen Approbation und damit vor der Ausübung des ärztlichen Berufs zu prüfen ist, ob die insoweit erforderliche Würde besteht (vgl. Eichelberger in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 BÄO Rn 12). Die Allgemeinheit erwartet sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten wesentlichen Schaden zufügt, weil das dem Bild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe (vgl. OVG NRW, U.v. 25.5.1993 – 5 A 2679/91 – juris).
Die strafrechtlich geahndeten Betrugstaten der Klägerin haben in Hinblick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens erhebliches Gewicht, wie sich auch daran zeigt, dass das Amtsgericht P… von einem besonders schweren Fall des Betrugs im Sinn des § 263 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB (gewerbsmäßige Begehung des Betrugs) ausgegangen ist und eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahre und zehn Monaten festgesetzt hat. Sie belegen, dass die Klägerin um des eigenen Vorteils willen bereit ist, sich über die finanziellen Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen, wie die inmitten stehenden Geldbeträge zeigen, einen erheblichen Schaden zuzufügen. Ein Arzt, der ein solches Verhalten an den Tag legt, verliert bei objektiver Würdigung das notwendige Vertrauen in die vorrangig dem Wohl der Patienten orientierte Berufsausübung. Er bringt dadurch zum Ausdruck, dass er sein gesamtes Verhalten primär an seinen eigenen finanziellen Interessen orientiert. Das rechtfertigt auch unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Annahme der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Ein Gewinnstreben um jeden Preis, das die Taten der Klägerin offenbaren, steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes, der (so ausdrücklich § 2 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns v. 9.1.2012) seinen Beruf gewissenhaft auszuüben hat und sein ärztliches Handeln am Wohl des Patienten auszurichten hat.
Der Annahme der Berufsunwürdigkeit steht nicht entgegen, dass seit der Beendigung der letzten Betrugstat der Klägerin bis zum maßgebenden Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ungefähr dreieinhalb Jahre vergangen sind. Der abgeurteilte (schwere) Betrug ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin das bereits vom 14. August 2007 bis 31. Dezember 2008 über einen erheblichen Zeitraum gezeigte betrügerische Verhalten in der Zeit vom 24. Mai 2007 bis zum 3. Oktober 2007 erneut an den Tag gelegt hat. Angesichts eines solchermaßen verfestigten gravierenden Fehlverhaltens verbietet sich die Annahme, dass sich die Sachlage bereits im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung „zum Guten geändert hat“ (vgl. dazu BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 3 B 36.12 – juris). Eine andere Bewertung ist auch nicht dadurch veranlasst, dass die Klägerin nach Lage der Dinge seit Beendigung der letzten Betrugstat bis zum Approbationswiderruf ein auch im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit beanstandungsfreies Verhalten gezeigt hat, im Strafverfahren geständig war und den zur Begleichung des der … Private Krankenversicherungs AG entstandenen Schadens erforderlichen Geldbetrag schon im Zuge des Strafverfahrens auf ein Anderkonto ihres Strafverteidigers überwiesen hat. Einem solchen Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden Verfahrens gezeigt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.1993 – 21 ZB 92.226 – juris; NdsOVG, B.v. 23.7.2014 – 8 LA 142/13 – juris). Vor diesem Hintergrund muss nicht mehr eigens der Umstand bewertet werden, dass die Klägerin nunmehr der Auffassung ist, sie habe bei Vorlage der Leistungsanträge nicht bewusst fehlerhaft gehandelt, was auf eine nach wie vor fehlende Einsicht in die Strafbarkeit ihrer Verfehlungen hindeuten könnte.
Das Fehlverhalten der Klägerin ist auch nicht etwa deshalb milder zu beurteilen, weil der langwierige Verlauf ihrer damaligen Erkrankung, wie sie vorträgt, mit der konkreten Gefahr einer nie wieder vollständigen Genesung zu einer starken, auch psychischen Beeinträchtigung geführt habe. Die Klägerin mag darin subjektiv eine Entschuldigung für ihre Taten sehen, ohne dass sich dadurch etwas wesentlich an dem durch die Taten offenbar gewordenen Charaktermangel ändern würde.
Die Klägerin wendet sinngemäß ein, die Berufsunwürdigkeit als Folge eines ärztlichen Fehlverhaltens setze ein etwa durch Berichterstattung in der Öffentlichkeit zerstörtes Vertrauen der Bevölkerung in den betroffenen Arzt voraus. Das greift nicht durch. Der Widerruf wegen Berufsunwürdigkeit stellt nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes – wie im Fall der Klägerin – objektiv betrachtet als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149/02 – juris Rn. 4). Dementsprechend ist es auch ohne Bedeutung, ob die Klägerin, wie sie vorträgt, nach wie vor das Vertrauen ihrer Patienten besitzt.
1.4 Unzutreffend ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, für den Fall des Widerrufs der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit sei es erforderlich, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Prognose gerechtfertigt sei, von dem betroffenen Arzt gehe eine Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut aus.
Für die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit als Voraussetzung für den Widerruf der Approbation kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens an, wobei es einer auf die Person des Betroffenen bezogenen (in die Zukunft gerichteten) Gefahrenprognose nicht bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2014 – 3 B 68.13 – juris Rn. 12). Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. August 2007 (1 BvR 1098/07) veranlasst keine andere Beurteilung. Er lässt schon nicht erkennen, aus welchen Gründen verfassungsrechtlich auch im Rahmen der Prüfung der ärztlichen Berufsunwürdigkeit eine Zukunftsprognose erforderlich sein soll. Zutreffend ist allerdings der Ansatz des Verwaltungsgerichts, wonach eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs nur vorliegt, wenn, was hier der Fall ist, ohne den Widerruf der Approbation das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Ärzteschaft gestört und deshalb das wichtige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung gefährdet wäre.
1.5 Liegt – wie hier – im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Berufsunwürdigkeit vor, ist die Approbation zwingend zu widerrufen. Die Feststellung der Unwürdigkeit verlangt, wie gezeigt, mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten, bei dessen Würdigung alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen sind. Sind die Voraussetzungen der Berufsunwürdigkeit erfüllt, ist der mit dem Widerruf der Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des Betroffenen wie etwa Alter und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit bedarf (BVerwG, B.v. 16.2.2016 – 3 B 68/14 – juris Rn. 9). Im Übrigen trägt das Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusätzlich durch die Möglichkeit Rechnung, nach Abschluss des Widerrufsverfahrens einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen und gegebenenfalls zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.1998 – 3 B 95.97 – juris Rn. 11).
1.6 Für die Entscheidung des Senats kommt es nach allem nicht mehr darauf an, dass das Fehlverhalten der Klägerin zumindest insoweit einen Bezug zu ihrer ärztlichen Tätigkeit hat, als sie Krankentagegeld auch für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bezogen hat, in denen sie als Ärztin in ihrer Praxis und als Schiffsärztin tätig war.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben