Medizinrecht

Widerruf der Approbation als Arzt

Aktenzeichen  B 10 S 18.968

Datum:
11.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45363
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BÄO § 3 Abs. 1. S. 1 Nr. 2,  § 5 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mittels dessen die ärztliche Approbation des Antragstellers unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen wurde.
Der Antragsteller übte den ärztlichen Beruf bis zu seiner Inhaftierung zuletzt als Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie im Klinikum B. aus. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet, es wurde die Untersuchungshaft angeordnet. Mit Bescheid der damals zuständigen Regierung von Oberfranken vom 08.10.2014 wurde das Ruhen der Approbation angeordnet und die Anordnung für sofort vollziehbar erklärt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsbehelf eingelegt.
Mit seit 19.03.2018 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts …, welches aufgrund der Hauptverhandlungen vom 07.04.2015 – 17.10.2016 erlassen wurde (Az: …), wurde der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Ihm wurde für die Dauer von 5 Jahren die Ausübung des Arztberufes verboten. Es wurde für Recht erkannt, dass der Antragsteller schuldig ist:
– der schweren Vergewaltigung in 6 Fällen jeweils mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 4 Fällen mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses,
– der schweren sexuellen Nötigung in 5 Fällen jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen,
– des schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen in 4 Fällen, jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 3 Fällen mit vorsätzlicher Körperverletzung,
– der gefährlichen Körperverletzung in einem Fall,
– der vorsätzlichen Körperverletzung in einem Fall und
– der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in einem Fall.
Im Übrigen wurde der Antragsteller freigesprochen.
Mit Schreiben vom 15.02.2017 teilte die Regierung von Unterfranken den damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass bekannt geworden sei, dass der Antragsteller am 17.10.2016 verurteilt worden sei. Der Antragsteller sei aufgrund dieser strafgerichtlichen Entscheidung für unwürdig und unzuverlässig anzusehen, den ärztlichen Beruf auszuüben. Es sei beabsichtigt, die Approbation zu widerrufen und die Approbationsurkunde einzuziehen. Ein Abdruck des Schreibens ging an den Antragsteller persönlich. Mit Schreiben vom 15.03.2017 an die damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers erklärte die Regierung von Unterfranken, dass das Widerrufsverfahren bis zur endgültigen Entscheidung im Strafverfahren zurückgestellt werde. Mit weiterem Schreiben vom 09.07.2018 führte die Regierung von Unterfranken aus, dass das Urteil nunmehr rechtskräftig sei und beabsichtigt werde, die Approbation des Antragstellers wegen beruflicher Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zu widerrufen. Es wurde auf die Möglichkeit einer Verzichtserklärung hingewiesen. Dem Antragsteller wurde eine Kopie des Schreibens übersandt. Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom 28.07.2018 dahingehend, dass er seit seiner Inhaftierung an der Berufsausübung als Arzt gehindert sei. Die Approbationsurkunde halte er nicht in Händen. Gegen die Titulierung mit „Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit“ verwahre er sich. Er habe stets die Würde seiner Patienten respektiert und keinerlei Kontakte aufgebaut. Die medizinischen Befundbilder habe er auf Passwortgeschützten Rechnern sicher verwahrt. Einen Teil davon habe er in mehr als 60 Vorträgen anonymisiert verwendet. Ein Missbrauch mit den Bildern habe ausschließlich in den Reihen der Ermittlungs- und Justizbehörden stattgefunden. Die durchgeführten Ultraschalluntersuchungen seien europaweit als „Goldstandard“ anerkannt und seien nur aufgrund der nichteidlichen Falschaussage eines Sachverständigen als strafwürdig bewertet worden.
Mit Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 10.08.2018 wurde die Approbation des Antragstellers als Arzt widerrufen (Nr. 2 des Bescheids). Der Antragsteller wurde verpflichtet, die Approbationsurkunde sowie sämtliche in seinem Besitz befindlichen beglaubigten Kopien bis zum 11.09.2018 zu übergeben bzw. zu übersenden (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nummer 2 und Nummer 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nr.4). Es wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR bezüglich der Nichtbefolgung der Nr. 3 angedroht (Nr.5).
Zur Begründung wird ausgeführt, der Widerruf der Approbation beruhe auf § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO. Die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO sei weggefallen. Im Ordnungsrecht könnten die in einer rechtskräftigen strafrechtlichen Entscheidung enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden. Dies gelte auch im Zusammenhang mit dem Widerruf der ärztlichen Approbation. Nur wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprächen, insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorlägen oder wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt besser als das Strafgericht aufklären könnten, läge ein solcher Ausnahmefall vor. Der Antragsteller beanstande lediglich die Bewertung seiner Handlungen als strafwürdig und bezichtige die Sachverständigen der Falschaussage. Es handele sich bei den von dem Antragsteller nachträglich geltend gemachten Umständen um für das Strafverfahren bedeutsame Gesichtspunkte, denen in diesem Verfahren wegen Widerrufs der Approbation keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen könne. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die dem seit 19.03.2018 rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts … vom 17.10.2016 zugrunde lägen, stehe fest, dass die zur Last gelegten Straftaten jedenfalls in einem das verhängte Strafmaß und den Schuldspruch tragenden Umfang tatsächlich vom Antragsteller begangen worden seien. Der Antragsteller sei zur Ausübung des ärztlichen Berufs als unwürdig anzusehen. Er habe bis zu seiner Inhaftierung im August 2014 Taten aus sexueller Motivation an 13 seiner Patientinnen verübt und diese geschädigt. Die maßgeblichen Straftatbestände schützten die geschlechtliche Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten vor negativen Folgen derartiger Kontakte im Arzt-Patienten-Verhältnis. Sie dienten dem Schutz höchstpersönlicher Lebensbereiche und auch der Daten, die dem Arzt im Rahmen des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses offenbart worden seien. Sie dienten dem Schutz der Gesundheit und der Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit. Das ärztliche Berufsrecht gebiete die Respektierung der Würde einer Patientin bzw. eines Patienten und verbiete generell und uneingeschränkt die Aufnahme sexueller Kontakte. § 174 c StGB sanktioniere Verstöße gegen das berufsrechtliche Abstinenzgebot. Das ärztliche Berufsverbot und die strafrechtlichen Sanktionen dienten zugleich dem Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit in die beruflich und persönlich korrekte Wahrnehmung der ärztlichen Behandlungspflichten. Darüber hinaus komme durch die begangenen Delikte eine Missachtung der körperlichen und seelischen Integrität der Mitmenschen zum Ausdruck, die mit dem ärztlichen Auftrag, die Gesundheit der Patienten zu erhalten und wiederherzustellen, in keiner Weise vereinbar sei und damit das Ansehen des Berufsstandes in der Bevölkerung erheblich schädige. Es liege hier in der Gesamtbetrachtung ein schwerwiegendes Fehlverhalten vor, das die weitere Berufsausübung des Antragstellers untragbar erscheinen lasse. Auf das Merkmal der Unzuverlässigkeit komme es nicht mehr an. Der Antragsteller sei jedoch zugleich unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Das bisherige Fehlverhalten, dessen Häufigkeit und das Beharren auf dessen Richtigkeit biete für die Erwartung, der Antragsteller würde seine Berufspflichten als Arzt in Zukunft ordnungsgemäß erfüllen, keine Grundlage. Die hinsichtlich der Zuverlässigkeit anzustellende Zukunftsprognose falle daher zu Ungunsten des Antragstellers aus. Der Widerruf sei auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG rechtmäßig. Er verletze auch nicht das in Art. 103 Abs. 3 GG enthaltene Verbot der Doppelbestrafung. Heilberufsangehörige müssten bei schwerwiegenden Verstößen mit einem Widerruf rechnen. Die strafrechtlichen Folgen eines entsprechenden Fehlverhaltens und die approbationsrechtlichen Folgen stünden unabhängig voneinander nebeneinander. Es bestünde hier ein sogenannter „berufsrechtliche Überhang“. Der Widerruf der Approbation erfolge in erster Linie unter Gesichtspunkten der Unwürdigkeit in Form der Untragbarkeit eines Arztes für den gesamten Berufsstand. Das Strafgericht habe jedoch das Berufsverbot ausgesprochen, um rechtswidrige Taten des Antragstellers in der Zukunft zu verhindern. Die Regierung von Unterfranken sehe jedoch bei dem Widerruf der Approbation den Schwerpunkt in der Unwürdigkeit des Antragstellers. Die Einziehung der Approbationsurkunde habe ihre Rechtsgrundlage in Art. 52 BayVwVfG. Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Es liege ein selbstständiger Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und – wahl vor. Überwiegende öffentliche Belange rechtfertigten es, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers gegen die Grundverfügung einstweilig zurückzustellen, um unabsehbare Maßnahmen im Interesse des Allgemeinwohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Diese Gründe stünden in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs und schlössen ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens aus. Trotz gerichtlich angeordnetem Berufsverbots und der Inhaftierung und der derzeit noch bestehenden Ruhensanordnung würde der Antragsteller noch der Ärzteschaft angehören und dürfe sich weiterhin „Arzt“ nennen. Ein Gefährdungsrisiko, welchem eine Prognose erneuter gravierender Verfehlungen zugrunde liege und dass sich aus den in der Person des Arztes liegenden Charaktereigenschaften oder seinen Lebensumständen ergebe, sei nicht erforderlich. Dieses Risiko ergebe sich bereits daraus, wenn es einem unwürdigen Arzt ermöglicht werde, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Widerruf seiner Approbation weiter dem Berufsstand angehören zu dürfen. Der Antragsteller sei nicht bereit, auf seine Approbation zu verzichten und wolle damit weiterhin der Berufsgruppe der Ärzte angehören. In Fällen der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Approbation wegen Unwürdigkeit sei die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung in der Regel zu bejahen. Mit der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung habe die Bewertung der Unwürdigkeit eine neue Qualität erlangt. Die Vermutung der Unschuld stünde damit nicht mehr entgegen. Der Sofortvollzug sei zum Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft, damit im Interesse der ärztlichen Versorgung insgesamt, also einem wichtigen Gemeinschaftsgut, geboten. Gerade wenn wegen der aus von der Regierung nicht zu beeinflussenden Gründen bis März 2018 zu beachtenden Unschuldsvermutung, von deren Wegfall die Regierung im Juli 2018 Kenntnis erlangt habe, die Feststellung der Unwürdigkeit erst Jahre nach Begehung der zugrunde liegenden Straftaten möglich sei, sei eine rasche Wiederherstellung des Vertrauens in die Ärzteschaft durch Aussprechen der gebotenen Konsequenzen mit sofortiger Wirkung vonnöten. Der Verteidigung der oben genannten Schutzgüter müsse der Vorrang eingeräumt werden. Die sofortige Vollziehung sei notwendig, um zu gewährleisten, dass der Antragsteller nicht bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung weiterhin, obwohl unwürdig, der Ärzteschaft angehöre. Auch bei Betrachtung der persönlichen oder finanziellen Verhältnisse sei die sofortige Vollziehung verhältnismäßig. Mit dem Verlust der Approbation seien aufgrund der Inhaftierung derzeit keine Einkommensverluste verbunden, weshalb der Widerruf auch deshalb nicht unverhältnismäßig sei.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 16.08.2018 ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 12.09.2018, welches am 17.09.2018 bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth einging, erhob der Antragsteller Klage und beantragte gleichzeitig,
 die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 26.09.2018,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Mit Schreiben vom 29.11.2018 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers zwei englischsprachige Artikel vor:
– Phlebology: Transvaginal duplex ultrasonography appears to be the gold standard investigation for the haemodynamic evaluation of pelvic venous reflux in the ovarian and internal iliac veins in woman
– Vascular: Diagnosing of pelvic vein incompetence using minimally invasive ultrasound techniques.
Die Artikel aus den Fachzeitschriften habe der Antragsteller erst nach Verkündung des Strafurteils erhalten. Diese belegten, dass die vom Antragsteller an seinen Patientinnen durchgeführten Untersuchungsverfahren als „Gold – Standard“ – Untersuchungsverfahren in der medizinischen Fachwelt angesehen seien.
Der Antragsgegner nahm mit Schreiben vom 14.12.2018 Stellung und führt aus, eine Aufarbeitung des Strafverfahrens im Verwaltungsstreitverfahren sei nicht geboten. Die Vorlage englischsprachiger Artikel aus medizinischen Fachzeitschriften könnte dem Antragsteller nicht zugutegehalten werden. Weder die Behörde noch das Gericht könnten die Richtigkeit der Inhalte dieser Artikel bewerten oder feststellen, ob die Handlungen des Antragstellers vergleichbar seien. Maßgeblich sei vielmehr die Bewertung der Handlungen des Antragstellers durch das Strafgericht. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen lägen nicht vor und Wiederaufnahmegründe seien nicht ersichtlich. Selbst wenn man der Argumentation folgen würde, dass nicht die Befriedigung der sexuellen Lust das Motiv der Handlungen gewesen sei, sondern das behauptete optimale Verfahren, bliebe eine von ihm durchgeführte Untersuchung gegen den Willen oder ohne den ausdrücklich erklärten Willen der Patientinnen gefährliche Körperverletzung sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in einer Vielzahl von Fällen. Es verbliebe bei den Tatbestands – und Schuldfeststellungen, mit denen ihm schwere Vergewaltigung oder eine strafbare Handlung nach § 174 c StGB vorgeworfen werde. Die vorgenommenen Handlungen seien dann nach wie vor als unwürdiges Verhalten anzusehen. Diese Handlungen seien aber auch als beruflich unzuverlässiges Verhalten zu bewerten, da der Antragsteller seine eigenen Vorstellungen über die im Strafgesetz und sonstigen Gesetzen zum Ausdruck kommende Autorität der Rechtsgemeinschaft stelle. Selbst jedoch die Anerkennung seines Motivs hätte den Widerruf der Approbation zur Folge. Nachdem sich der Widerruf der Approbation wesentlich auf die Unwürdigkeit stütze, liege ein „berufsrechtlicher Überhang“ vor. Der Antragsteller halte sein Verhalten weiterhin für richtig, dieses Verhalten sei dem Antragsteller auch nach Ablauf des Berufsverbots immanent. Nach gängiger Verwaltungspraxis erforderten Sexualdelikte in dem vom Antragsteller begangenen Ausmaß den Widerruf der Approbation. Die Wiedererteilung der Approbation komme nur in Betracht, wenn gutachterlich abgeklärt sei, dass eine Wiederholung solcher Taten ausgeschlossen sei und keine Gefahr für Patientinnen und Patienten bestünde. Der bloße Ablauf eines Berufsverbotes biete keine Grundlage für eine solche behördliche Maßnahme. Der Antragsgegner sei ohne Ermessenspielraum verpflichtet gewesen, die Approbation zu widerrufen. Die Eilbedürftigkeit bestehe, da der Antragsteller ansonsten bis zum rechtskräftigen Ausgang des Verwaltungsverfahren dem ärztlichen Berufsstand angehören dürfte und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit nachhaltig erschüttert würde, da dessen Verhalten für den Fortbestand der Approbation bis dahin folgenlos bliebe.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers führt mit Schreiben vom 15.01.2019 im Wesentlichen aus, die bestellten Gerichtsgutachter im Strafverfahren seien zur sachlich wie fachlich falschen Erkenntnis gelangt, dass es für die vom Antragsteller durchgeführten Untersuchungen, Behandlungen, Eingriffe und Operationen keine fachliche Grundlage gebe. Die fachlichen Feststellungen der Gutachter seien schlichtweg falsch. Die Behandlungsmethoden des Antragstellers seien inzwischen international anerkannt und genügten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Gutachter hätten auf nicht aktuelle Leitlinien zurückgegriffen. Der Antragsteller wäre bei richtiger Begutachtung freizusprechen gewesen. Die Gutachter seien mehrfach im Rahmen des Strafverfahrens auf den „Goldstandard“ und dessen wissenschaftlicher Berechtigung hingewiesen worden. Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse seien bereits im Jahr 2014 im Internet veröffentlich gewesen. Der Antragsteller habe im Strafverfahren versucht, die Feststellungen zu entkräften. Beweisanträge seien ungehört geblieben. Sowohl die Revision zum BGH als auch die nachfolgende Verfassungsbeschwerde seien ohne Erfolg geblieben. Ein Widerruf der Approbation sei schon wegen der Inhaftierung des Antragstellers nicht notwendig. Die vom Antragsteller durchgeführten Untersuchungen seien medizinisch indiziert gewesen. Das als verfahrensrelevant erachtete Bildmaterial sei gespeichert worden, weil die durchgeführte Operationsmethode derart hochkomplexer Beckenvenenthrombosen ein Alleinstellungsmerkmal des Antragstellers gewesen sei. Ein Teil der Bilder sei anonymisiert auf Vorträgen und Weiterbildungsveranstaltungen verwendet worden. Bei sachgerechter Beurteilung des Sachverhalts käme es zu keiner Bejahung einer Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit. Der Antragsteller habe nicht an 13 Patientinnen Straftaten verübt und diese geschädigt. Dem Antragsteller sei es um möglichst schonende Untersuchungs- und Behandlungsverfahren gegangen. Das neuartige Untersuchungsverfahren zur Beurteilung der Beckenvene sei Jahre später von einer englischen Arbeitsgruppe als „Goldstandardverfahren“ veröffentlicht worden. Die gefertigten Bilder seien nicht aus dem Verantwortungsbereich des Antragstellers gekommen. Auf zwei persönliche Stellungnahmen des Antragstellers werde verwiesen (Sacherklärung I und II). Die betroffenen – operierten – Patientinnen hätten auch in die Neben- und Folgeeingriffe eingewilligt. Die Untersuchungsschritte und die Ultraschalluntersuchungen seien erklärt worden. Eine transvaginale Duplexsonographie sei bei vier Patientinnen zur Beurteilung des Flusses im Bereich der inneren Beckenvene durchgeführt worden. Weil dieses Verfahren neu gewesen sei, sei eine Fotodokumentation erfolgt. Der Gutachter im Strafverfahren habe zunächst bestätigt, dass das Vorgehen des Antragstellers in der Literatur bestätigt werde, dies dann auf Nachfrage jedoch wieder negiert. In den beiden Fällen, in denen Mitarbeiter untersucht worden seien, sei dies nach vorheriger Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung erfolgt. Dem Antragsteller eine andere als medizinische Indikation zu unterstellen sei reine Spekulation. Bei der Gabe von Kontrastmitteln seien die Patientinnen über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt worden. Die Motivation des Antragstellers sei es gewesen, Diagnostik und Therapie weiterzuentwickeln. Der Antragsteller sei bis 2014 bundesweit der Einzige gewesen, der „Mini-Crossektomie-Schnitte“ erfolgreich durchgeführt habe. Sämtliche Patientinnen seien bestmöglich behandelt worden. Aus Bildern, die Untersuchungsergebnisse zeigten, seien falsche Schlüsse gezogen worden. Es habe auch keinerlei objektiven Nachweis einer Midazolam-Gabe gegeben. Der Antragsteller sei weder als unwürdig noch als unzuverlässig anzusehen. Sein Verhalten sei gar nicht zu sanktionieren. Der Anordnung des Sofortvollzuges bedürfe es ohnehin nicht. Die Behörde bzw. das Gericht müssten eigenständig eine Überprüfung dahingehend vornehmen, ob das dem Kläger zum Vorwurf gemachte Verhalten tatsächlich stattgefunden habe. Das Strafurteil dürfe nicht unreflektiert übernommen werden. Ein einfaches Bestreiten seitens des Antragsgegners genüge nicht im Hinblick auf den detailreichen Tatsachenvortrag des Antragstellers. Auf die vorgelegten Anlagen K 3 – K10 wird verwiesen (Bl. 113 – 308 der Gerichtsakte).
Die Approbationsurkunde des Antragstellers im Original und eine beglaubigte Fotokopie wurden der Regierung von Unterfranken mit Schreiben vom 10.09.2018 vom damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers übersandt.
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Klageverfahrens (Az. B 10 K 18.969) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Kammer hat insbesondere keine Bedenken gegen das Rechtsschutzinteresse für diesen Antrag, obwohl sich der Antragsteller in Strafhaft befindet und daher derzeit nicht außerhalb der Vollzugsanstalt als Arzt tätig sein kann. Es ist nämlich nicht absehbar, ob und wann der Antragsteller vorzeitig aus der Strafhaft entlassen wird, so dass sich die Frage, ob er zur Berufsausübung als Arzt bemächtigt ist, stellen kann, noch bevor das Klageverfahren abgeschlossen ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt kraft Gesetzes bei den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO aufgeführten Maßnahmen und nach Nr. 4 der Bestimmung, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Das besondere Vollziehungsinteresse ist in diesem Falle schriftlich zu begründen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
a. Die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung, Nr. 4 des Bescheids, genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Norm hat der Antragsgegner bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die besonderen Gründe darzulegen, weshalb die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs – so wie sie in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den Normalfall vorgesehen ist – ausnahmsweise nicht hingenommen werden kann. Der Antragsgegner hat dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genüge getan, er hat mehr als formelartig, nämlich konkret auf den Einzelfall bezogen, begründet, wieso die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten war.
b. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, wieder herstellen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der erlassene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da dann an dessen sofortiger Vollziehung ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist und ein besonderes Vollziehungsinteresse hinzutritt. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab.
Nach Auffassung des Gerichts ist im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid, mit dem die Approbation des Antragstellers widerrufen wurde, rechtmäßig ist. Es besteht darüber hinaus ein besonderes Vollziehungsinteresse.
(1) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO besagt, dass die Approbation nur Personen erteilt werden kann, die sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich ihre Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Die Approbation ist mithin bereits dann zwingend zu widerrufen, wenn einer der beiden genannten Tatbestände (Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit) erfüllt ist. Vorliegend ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller zur Ausübung seines Berufs unwürdig ist, so dass es auf die – im Widerrufsbescheid ebenfalls bejahte – Frage, ob der Antragsteller darüber hinaus auch unzuverlässig ist, hier nicht ankommt.
„Unwürdigkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der weder einen Beurteilungsspielraum noch Ermessen eröffnet. Bei seiner Auslegung ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Widerruf der Approbation um einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufswahlfreiheit handelt, der mit Rücksicht auf das Übermaßverbot nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist (vgl. BVerfG, B. v. 08.09. 2017 – 1 BvR 1657/17 -, juris Rn. 8; BVerwG, B. v. 27.10.2010 – 3 B 61/10 -, juris Rn. 4).
Unwürdigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liegt demnach dann vor, wenn der oder die Betreffende auf Grund eines schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, welche für die Berufsausübung unabdingbar notwendig sind. Es muss sich um eine gravierende Verfehlung handeln, die bei Würdigung aller Umstände die weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheinen lässt, insbesondere weil sie geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, wenn das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos bliebe. Auf den eher zufälligen Umstand, ob und in welchem Umfang das jeweilige Fehlverhalten tatsächlich öffentlich bekannt geworden ist, kommt es dabei allerdings nicht an (vgl. BVerwG, B. v. 28.01. 2003 – 3 B 149/02 -, juris Rn. 4 und B. v. 06.03.2003 – 3 B 10/03 -, juris Rn. 3). Ebenso wenig bedarf es einer Prognose hinsichtlich des zukünftigen beruflichen Verhaltens des oder der Betreffenden nach dem maßgeblichen Zeitpunkt.
Sind die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation nach § 5 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erfüllt, bedarf es keiner weiteren Prüfung der Verhältnismäßigkeit mehr. Diese ergibt sich vielmehr aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung (vgl. BVerwG, B. v. 27.10.2010 – 3 B 61/10 – juris).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 18.08.2011 – 3 B 6/11 -, juris Rn. 9 und B. v. 27.10.2010 – BVerwG 3 B 61/10 -, juris Rn. 8, jeweils m. w. Nachw.) kommt es für die Beurteilung der Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung an, denn der Widerruf der Approbation ist ein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezogener rechtsgestaltender Verwaltungsakt. Er bildet eine Zäsur, durch welche die Berücksichtigung danach eintretender positiver oder negativer Umstände einem etwaigen auf Wiedererteilung der Approbation gerichteten zukünftigen Verfahren zugewiesen ist. Dies gilt auch für den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht.
(2) Nach diesen Maßstäben dürfte der Antragsgegner hier zu Recht von der Unwürdigkeit des Antragstellers ausgegangen sein.
Der Antragsteller ist rechtskräftig vom Landgericht … wegen
– der schweren Vergewaltigung in 6 Fällen jeweils mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 4 Fällen mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses,
– der schweren sexuellen Nötigung in 5 Fällen jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen,
– des schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen in 4 Fällen, jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 3 Fällen mit vorsätzlicher Körperverletzung,
– der gefährlichen Körperverletzung in einem Fall,
– der vorsätzlichen Körperverletzung in einem Fall und
– der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt worden.
Dem Antragsteller wurde u.a. zur Last gelegt zwischen den Jahren 2008 bis 2014 zehn Patientinnen und zwei Mitarbeiterinnen des Klinikums im Rahmen von Untersuchungen sediert zu haben, sexuell motiviert sexuelle Handlungen (Spreizen der Schamlippen, Einführen einer vaginalen Ultraschallsonde, Einführen von sogenannten Buttplugs und Einführen eines Fingers in Scheide und Anus) an den betroffenen Frauen vorgenommen zu haben und dies auf Fotos und Videos festgehalten zu haben. Die Kammer des Landgerichts hat in einer umfangreichen Beweisaufnahme, im Rahmen von 71 Verhandlungstagen, eine Vielzahl von Zeugen angehört, mehrere Sachverständige zu verschiedenen medizinischen (gefäßchirurgischen, toxikologischen, anästhesiologischen, gynäkologischen, rechtsmedizinischen, psychiatrischen und pharmakologischen) Fragen angehört. Es wurde das Bild- und Videomaterial in Augenschein genommen und Krankenunterlagen gesichtet und verlesen. Die Kammer kam auf Grundlage der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass der Antragsteller – bis auf zwei Fälle – die Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums bewusst mit dem Sedativum Midazolam betäubte, um in der Folge sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen. Der Antragsteller erkannte den objektiven Sexualbezug, handelte durchgehend mit sexueller Motivation und gab seinen Handlungen den Anschein einer ordnungsgemäßen medizinischen Untersuchung. In einem Fall nutzte er eine bereits bestehende präoperativ erforderliche Sedierung für die genannten Zwecke aus.
Ein Abdruck des insgesamt aus 636 Seiten bestehenden Urteils der 2. Strafkammer des Landgerichts … befindet sich in der Behördenakte.
Auf dieses rechtskräftige Strafurteil konnte sich der Antragsgegner im Rahmen seiner Entscheidung über den Widerruf der Approbation berufen.
Die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen dürfen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, ohne diese auf ihre vom Betroffenen bestrittene Richtigkeit selbst überprüfen zu müssen (vgl. BVerwG, B.v 6. 03 2003 – 3 B 10/03 -; U. v. 26.09. 2002 – 3 C 37/01 – juris). Im Approbationswiderrufsverfahren besteht für die Verwaltungsgerichte damit grundsätzlich keine Veranlassung, die tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil erneut zu überprüfen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen (vgl. BVerwG, B. v. 6.03.2003 – 3 B 10/03 -; U. v. 26.09.2002 – 3 C 37/01 – juris), insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorliegen oder wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt nunmehr besser als das Strafgericht aufklären können (VG München, U. v. 16.10. 2007 – M 16 K. 06 4847 – juris). Es bedarf demzufolge insoweit der Darlegung substantiierter nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, B. v. 18.08.2011 – 3 B 6/11 -; ferner BayVGH, U. v. 8.11. 2011 – 21 B 10.1543 -, juris).
Gemessen an vorstehenden Ausführungen ist auszuführen, dass hier offensichtlich weder die Behörde noch das Verwaltungsgericht eine bessere Sachaufklärung betreiben können als dies das Landgericht … in diesem komplexen Strafverfahren getan hat. Der Antragsteller beabsichtigt, das durchgeführte Strafverfahren nochmals „aufzurollen“ und bestreitet die fachlichen Feststellungen der Gutachter. Er führt aus, seine Behandlungsmethoden seien medizinisch veranlasst gewesen und er wäre bei richtiger Begutachtung freigesprochen worden. Seine Ausführungen hinsichtlich der Anerkennung seiner „Behandlungsmethoden“ und seiner Motivation waren jedoch tragend bereits Gegenstand des Strafverfahrens. Nur ausschnittsweise ist darauf zu verweisen, dass das Strafgericht überzeugend festgestellt hat, dass nicht nur die vaginale Endosonographie sondern auch das Spreizen der Schamlippen und des Anus sowie das vaginale und anale Einführen von Buttplugs konkret nicht medizinisch indiziert waren (vgl. zu den einzelnen Patientinnen Bl. 44 – 111 des Strafgerichtsurteils). Weiter wurde festgestellt, dass der Antragsteller den Patientinnen bzw. Mitarbeiterinnen des Klinikums (mit Ausnahme einer) das Hypnotikum Midazolam injizierte und ohne Einwilligung Fotoaufnahmen und teilweise Videoaufnahmen fertigte. Soweit der Antragsteller zwei englischsprachige Artikel vorlegen lässt, aus denen sich ergeben soll, seine Behandlungsmethoden seien „Gold-Standard“ – Untersuchungsverfahren gewesen, ist auszuführen, dass zwar möglicherweise nicht die konkreten Artikel, jedenfalls aber der Vortrag an sich – nach eigenen Angaben des Bevollmächtigten des Antragstellers – bereits im Verfahren vor der Strafkammer Gegenstand gewesen war. Eine Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen kann durch die Behauptung, diese Artikel würden die Behandlungsmethoden des Antragstellers als medizinisch veranlasst belegen, nicht dargetan werden, da diese schon nicht die jeweils konkret durchgeführten und sanktionierten Behandlungen an den Patientinnen durch den Antragsteller aufzeigen. Dem Strafurteil ist zudem zu entnehmen, dass die medizinischen Gutachter eine transvaginale Ultraschalluntersuchung grundsätzlich zur Darstellung der (maßgeblichen) Venen sowie des Blutflusses als geeignet und auch nachvollziehbar gehalten haben (vgl. Seite 179-181 des Strafurteils). Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Verurteilung des Antragstellers nicht nur die vaginale Untersuchung mittels Ultraschall (die er nach den Feststellungen des Strafgerichts nicht an allen Patientinnen durchführte) zu Grunde lag. Es wurde vielmehr auch festgestellt, dass das Spreizen der Schamlippen und des Anus, das vaginale und anale Einführen von Buttplugs und das Einführen eines Fingers in Scheide und Anus konkret nicht medizinisch veranlasst waren.
Der Antragsteller vermag mit seinem Bestreiten der Taten nicht durchzudringen. Vielmehr versucht er offensichtlich eine Art der Wiederaufnahme seines Strafverfahrens im Rahmen des hiesigen Verwaltungsverfahrens. Richtigkeitszweifel an dem Urteil des Landgerichts … begründen die Ausführungen des Antragstellers oder seines Bevollmächtigten nicht.
Ausgehend von dem strafgerichtlich festgestellten Sachverhalt und der Bewertung dessen als schwere Vergewaltigung in 6 Fällen jeweils mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 4 Fällen mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, als schwere sexuelle Nötigung in 5 Fällen jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, als schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen in 4 Fällen, jeweils mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, davon in 3 Fällen mit vorsätzlicher Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung in einem Fall ist der Antragsteller zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig.
Die Patientinnen und zwei Mitarbeiterinnen des Klinikums sind Opfer sexuell motivierter Übergriffe unter Ausnutzung der Behandlungssituation geworden. Solche Vorgänge sind – ohne Zweifel – in höchstem Maße geeignet, das für die Heilbehandlung unerlässliche Vertrauen in den betreffenden Arzt sowie in die Ärzteschaft generell nachhaltig zu erschüttern und das Opfer daran zu hindern, sich zukünftig rechtzeitig, unbefangen und vertrauensvoll in ärztliche Behandlung zu begeben. Die Achtung der körperlichen Integrität, der sexuellen Selbstbestimmung und der persönlichen Ehre der Patientinnen und Patienten zählt zu den wesentlichen Berufspflichten eines Arztes. Von diesen muss folglich erwartet werden, dass sie bei der Berufsausübung ihre sexuellen Impulse unter Kontrolle haben und Behandlungssituationen nicht zu sexuell motivierten Handlungen ausnutzen (OVG NRW, U.v. 30.01.1997 – 13 A 2587/94 – juris).
Der Antragsteller verfügt somit nach summarischer Bewertung nicht mehr über das für die Berufsausübung unabdingbare Ansehen und Vertrauen. Bei der Allgemeinheit und bei den Betroffenen dürfte es zudem auf Unverständnis stoßen, wenn solche schwerwiegenden Pflichtverletzungen im Kernbereich ärztlicher Tätigkeit ohne Auswirkungen auf die weitere Berechtigung des Antragstellers zur Berufsausübung als Arzt bleiben würden.
Der Antragsgegner durfte auch trotz des verhängten Berufsverbots durch das Landgericht … die streitige Anordnung erlassen. Die Frage eines berufsrechtlichen Überhangs oder eines entsprechenden Vertrauensschutzes kann sich bei dem Betroffenen nur stellen, soweit die Maßnahmen des Strafgerichts und der Verwaltungsbehörde den gleichen Zweck verfolgen (vgl. z.B. BayVGH, B.v.16.10.2012 – 21 AS 12.618 – juris). Das Landgericht … hat im Rahmen des verhängten Berufsverbots gemäß § 70 StGB ausgeführt, dass bei dem Antragsteller bei einer weiteren Berufsausübung die Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer erheblicher Taten gegeben sei (vgl. Bl. 634 des Strafurteils). Der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit geht über diese zeitlich auf die Tätigkeit als Arzt beschränkte Gefahr verhütende strafgerichtliche Maßnahme ersichtlich hinaus. Der Antragsgegner beabsichtigt im Schwerpunkt, die Unwürdigkeit des Antragstellers zu ahnden. Die unterschiedliche Zielsetzung zeigt den berufsrechtlichen Überhang auf.
(3) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte zu Recht.
Die Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung der Klage durch Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Approbation stellt einen selbstständigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar. Ein derartiges präventives Berufsverbot ist nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Eine offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Maßnahme reicht jedoch nicht aus (BVerfG, B. v. 08.04.2010 – 1 BvR 2709/09 – juris). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unabsehbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Es ist zu berücksichtigen, dass der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit seiner Natur nach auf sofortigen Vollzug hin angelegt sein muss, wenn er den ihm zugedachten Zweck erfüllen soll. Der Antragsgegner hat hier tragend auf eine Unwürdigkeit des Antragstellers abgestellt. Anders als bei Fällen des Widerrufs der Approbation wegen Unzuverlässigkeit, wo es auf die Prognose ankommt, ob der Betroffene in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird, wird beim Tatbestand der Berufsunwürdigkeit das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes um des Vertrauens willen geschützt, das die Öffentlichkeit den Angehörigen des Arztberufes entgegenbringen soll. Dieses Schutzgut wird bereits dann geschädigt, wenn die Öffentlichkeit damit rechnen müsste, dass ein Arzt die Heilkunde weiter ausüben dürfte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in verwerflicher Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat. Das festgestellte Fehlverhalten des Antragstellers ist hier derart schwerwiegend, dass eine rasche Wiederherstellung des Vertrauens in die Ärzteschaft durch Aussprechen der gebotenen Konsequenzen mit sofortiger Wirkung notwendig erscheint. Durch das bundesweit mediale Interesse an dem Strafverfahren wurde der Fall der Öffentlichkeit auch bekannt. Der Antragsgegner führt in seinem Bescheid zutreffend aus, dass der Verteidigung des oben genannten Schutzgutes Vorrang eingeräumt werden müsse, vor dem Interesse, mit behördlichen Eingriffsmaßnahmen so lange verschont zu bleiben, bis eine unanfechtbare Entscheidung vorliegt. Zu beachten ist hierbei, dass der Antragsteller aufgrund seiner Inhaftierung unmittelbar faktisch daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben und ihm insoweit auch keine Einkommensverluste drohen. Der Umstand, dass der Antragsteller derzeit in Strafhaft sitzt, führt nicht dazu, dass eine sofortige Vollziehung als nicht notwendig angesehen werden müsste. Zum einen kann weder die Behörde noch das Gericht beurteilen, ob damit zu rechnen ist, dass der Antragsteller vorzeitig aus der Strafhaft entlassen wird. Zum anderen rechtfertigen die – auch der Öffentlichkeit bekannt gewordenen – schwerwiegenden Verfehlungen des Antragstellers, die im Zusammenhang mit der Behandlung von Patientinnen, also im Arzt – Patienten – Verhältnis, stattgefunden haben, die rasche Wiederherstellung des Vertrauens in die Ärzteschaft.
Dem Interesse des Antragstellers weiter der Ärzteschaft anzugehören bzw. seinen Beruf nach (einer gegebenenfalls auch vorzeitigen Entlassung aus) der Strafhaft ausüben zu dürfen, steht zudem die Gefahr für die körperliche Integrität, sexuelle Selbstbestimmung und persönliche Ehre von Patientinnen, die sich seiner Behandlung anvertrauen, und – damit unmittelbar zusammenhängend – auch das besonders wichtige Gemeinschaftsgut der Volksgesundheit gegenüber, die letztlich als gewichtiger als die Interessen des Antragstellers zu bewerten sind. Der Antragsteller bestreitet weiter seine Taten und beharrt auf der Richtigkeit seiner Handlungen, so dass auch weiterhin über die verhängte strafgerichtliche Maßregel hinaus berufsspezifische Pflichtverletzungen zu befürchten wären.
Nach alledem erscheint die Anordnung des Sofortvollzugs als erforderlich und angemessen und der Antrag ist insgesamt abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG – in Verbindung mit Nr. 16.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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