Miet- und Wohnungseigentumsrecht

5 S 7978/20

Aktenzeichen  5 S 7978/20

Datum:
28.4.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11027
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig, insbesondere ist die Berufung fristgerecht eingereicht (Zustellung des Urteils an die Prozessbevollmächtigen der Klageseite: 02.11.2020; Eingang der klägerischen Berufung: 30.11.2020, vgl. Bl. 63) und begründet (Eingang: 21.12.2020, vgl. Bl. 81) worden. Die Klägerin ist durch die Klageabweisung über 1.336,64 Euro beschwert, so dass die nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Erwachsenheitssumme erreicht ist. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kommt es dabei nicht auf den Streitwert der Hauptsache, sondern die formelle Beschwer an, also inwieweit das Amtsgericht dem Klageantrag nicht entsprochen hat.
2. Die Kammer weist die Parteien darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht, da sich die Beklagte bei der Mandatierung jeweils in Verzug befand (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) und die Rechtsanwaltskosten als Verzugsschadens geltend machen können (§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 249 BGB).
a) Der Klageseite stand, wie das Amtsgericht zu Recht entschieden hat, nach Stornierung der Flüge jeweils aus abgetretenen Recht ein Anspruch auf Erstattung der nicht angefallenen Flugnebenkosten, insbesondere der Steuern, Gebühren, Zuschlägen und Sonderleistungen für den jeweiligen Flug zu (§§ 812 Abs. 1 S.2, 398 BGB). Dieser Anspruch war fällig, sobald die Nichtdurchführung des Fluges feststand, vorliegend also mit der Stornierung der Buchungen (§ 271 Abs. 1 BGB).
b) Die Schreiben der Klägerin enthielten jeweils die nach § 286 Abs. 1 S. 1 zur Inverzugsetzung erforderliche Mahnung, nämlich die an die Beklagte gerichtete Aufforderung, die aufgrund der Stornierung nicht mehr anfallenden Flugnebenkosten an sie zurückzuzahlen. Die Zusammenfassung von Stornierung und Mahnung in einem Dokument hindert den Verzugseintritt nicht, auch wenn dies der Wortlaut der Vorschrift („nach“) nahelegt. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die die Fälligkeit auslösende Handlung mit der Mahnung verbunden werden kann (BGH, Urteil v. 21.02.2017, Az. XI ZR 467/15, Rn. 24 – beckonline).
c) Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind Rechtsverfolgungskosten, die grundsätzlich als Verzugsschaden zu ersetzen sind, da die Klägerin davon ausgehen durfte, dass sie zur Durchsetzung der Erstattungsansprüche erforderlich waren. Die Berufung ist jedoch nicht gänzlich ohne Erfolgsaussichten, soweit sie einen Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit der Klägerin mangels Bündelung der außergerichtlichen Mandate rügt. Dies gründet auf folgenden:
(1) Zum Zeitpunkt der Beauftragung befand sich die Beklagte nicht nur in Verzug, sondern es waren darüber hinaus auch die in den jeweiligen Stornierungsschreiben gesetzten Zahlungsfristen abgelaufen.
(2) Die Rechtsverfolgungskosten erstrecken sich grundsätzlich auch auf die durch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes entstandenen Kosten, wenn die Beauftragung zur Wahrnehmung und Durchsetzung der Rechte des Geschädigten erforderlich und zweckmäßig ist. Bei der Beurteilung ist auf die Sicht des Geschädigten abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2015, Rn. 8 – beckonline). Ist die Zahlungspflicht und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so ist es grundsätzlich nicht erforderlich für die erste Geltendmachung einen Rechtsanwalt hinzuzuiehen (vgl. BGH, Urteil v. 08.11.1994, Az. VI ZR 3/94). Vorliegend war dies jedoch nicht so. Zwar war der beklagten Fluggesellschaft aufgrund ihres Geschäftsfeldes mit der Stornierung sofort klar, dass die Flugnebenkosten zurückzuzahlen sind. Gleichwohl hat sie die Rückzahlung innerhalb der Zahlungsfristen unterlassen und auch in sonstiger Weise nicht zu erkennen gegeben, dass sie die Ansprüche anerkennt oder sich um die Regulierung bemüht. Unter diesen Umständen war aus exante Sicht der Klägerin die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig, denn sie musste trotz ihrer Spezialisierung als Rechtsdienstleister auch nicht davon ausgehen, dass dies von vornherein aussichtslos war (vgl. BGH, Urteil v. 12.09.2017, Az. X ZR 102/16, Rn. 34 – beckonline)
(3) Die beanspruchten Rechtsanwaltskosten sind grundsätzlich als Verzugsschaden zu ersetzen:
(aa) Soweit die Beklagte erstmals in der Berufung darauf verweist, dass die von der Klägerin beanspruchten Rechtsanwaltsgebühren mangels Vorliegen einer Rechnung wegen § 10 RVG nicht fällig und überhöht wären (soweit dies über die Rüge der einzelnen, statt einer gebündelten Geltendmachung hinausgeht) sowie sie behauptet, die Klägerin sei zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt, handelt es sich jeweils um neuen Vortrag. Dieser unterliegt dem Prüfungsumfang des Berufungsgerichts nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO jedoch nur dann, wenn dieser aus den in § 531 Abs. 2 S.1 ZPO aufgeführten Gründen zuzulassen ist, denn das amtsgerichtliche Urteil enthält keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen. Aus der derzeitigen Aktenlage sind Zulassungsgründe jedoch nicht ersichtlich und werden auch nicht vorgetragen.
(bb) Soweit die Beklagte einen Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungsobliegenheit rügt, weil die mit der Klage gebündelt erhobenen Ansprüche vorgerichtlich einzeln erhoben worden seien, ist die Berufung jedoch nicht von vornherein aussichtslos:
Das Gesetz animiert in § 254 S.2 BGB den Geschädigten dazu, im Rahmen des von einem vernünftigen und sorgfältigen Menschen zu Erwartende dazu beizutragen, dass der Schaden nicht unnötig groß wird. Dazu zählt insbesondere auch bei der Schadensbeseitigung unnötige Kosten zu vermeiden (vgl. Oetker, in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 254, Rn. 76). Die von der Berufung gerügte unterlassene Bündelung der außergerichtlichen Geltendmachung der einzelnen Schadensersatzansprüche stellt jedoch keine Obliegenheitsverletzung dar, soweit die Zahlungsfristen – in der Klage auf Seite 2 unrichtig als „Datum Verzugseintritt“ bezeichnet – zu unterschiedlichen Zeiten abgelaufen sind. Es ist der Geschädigten unabhängig vom Umfang deren Geschäftstätigkeit nicht zuzumuten, mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen solange zuzuwarten, bis sich eine größere Anzahl angesammelt hat. Vielmehr hat der Geschädigte ein Recht darauf, seinen Schaden so schnell wie möglich geltend zu machen.
Soweit die Zahlungsfristen jedoch am gleichen Tag abgelaufen sind, scheint die außergerichtliche Geltendmachung in verschiedenen Mandaten jedoch unnötig, so dass der Schadensanspruch insoweit zu kürzen wäre.
2. Der Beklagtenseite wird im Hinblick auf die nur eingeschränkten Erfolgsaussichten ihrer Verteidigung aufgegeben zu prüfen, ob eine Anerkennung der klägerischen Ansprüche wirtschaftlich nicht sinnvoller wäre, als die Berufung weiterhin durchzuführen. Nachdem lediglich die Zahlungsfrist der Forderungen Nr. 3 und 4, sowie Nr. 5,6 und 7 sowie 8, 9 und 11 am selben Tag abliefen, scheinen die mit der Degression der Anwaltsgebühren einhergehenden Ersparnisse hinter den Kosten der weiteren Durchführung der Berufung deutlich zurückzubleiben.
3. Der Rechtsstreit wird dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, § 526 Abs. 1 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben