Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anfechtungsklage, Haftpflichtversicherung, Nutzung, Standsicherheit, Verkehrssicherheit, Sonderumlage, Gutachten, Nichtigkeit, Stimmrecht, Brandschutz, Feststellung, Gemeinschaftsordnung, Hausverwaltung, Feuerwehr, im eigenen Namen, eigene Kosten, nicht ausreichend

Aktenzeichen  31 C 4282/16 WEG

Datum:
24.5.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163953
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 48.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich in Haupt- und Hilfsantrag als unbegründet.
A.
Der Hauptantrag ist zulässig aber unbegründet.
I.
Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist zulässig.
1. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend bereits aus dem Umstand, dass der Klägerin die Erhebung einer entsprechenden Klage im Beschluss des Landgerichts München I im einstweiligen Verfügungsverfahren, Aktenzeichen 36 T 18693/16 zur Auflage gemacht worden ist. Das besondere Feststellungsinteresse – wie auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis – würden aber auch dann nicht entfallen, wenn tatsächlich alle im verfahrensgegenständlichen Beschluss geforderten Auflagen von der Klägerin erfüllt worden wären. Unabhängig von der Tatsache, dass auch nach Klägervortrag jedenfalls der im Beschluss geforderte Brandschutznachweis eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Brandschutz, sowie eines Prüfsachverständigen bzw. der Feuerwehr nicht vorliegt, würde die Auflagenerfüllung allein nicht zu einer unmittelbaren Wiedereröffnung des Hotelparkhauses und damit zum Wegfall des Feststellungsinteresses und des Rechtsschutzbedürfnisses führen. Vielmehr würde es hierfür noch einer entsprechenden Umsetzung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. den Verwalter bedürfen, welche auch von Beklagtenseite nicht behauptet wird.
2. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 43 Nr. 4 WEG. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 2 c) GVG.
II.
Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei kann die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft vorliegend aus §§ 10 Abs. 6 Satz 3 1. Halbsatz, 21 Abs. 3 WEG abgeleitet werden. Bei dem angegriffenen Beschluss handelt es sich um eine Regelung, mit welcher einer möglichen Gefährdung der Nutzer des Hotelparkhauses, die sich aus der Nichteinhaltung von Brandschutzvorgaben ergeben kann, begegnet werden soll. Der Umstand, dass eine solche Gefährdungslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung auch tatsächlich existent war, ergibt sich bereits aus den von der Klagepartei selbst vorgelegten Dokumenten, insbesondere aus dem Schreiben der Stadt A. vom 19.10.2016 (Anlage 3), sowie dem Gutachten des von der Klägerin beauftragten Ingenieurbüros … (Anlage 8), wobei die erste Stellungnahme des Gutachters unstreitig bereits zur Zeit der Beschlussfassung vorlag. Wie sich aus den vorgenannten Unterlagen ergibt, war der unzureichende Brandschutz zumindest auch auf eine Unterschreitung der erforderlichen Betondeckung an tragenden und aussteifenden Bauteilen, welche gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sind, zurückzuführen. Die sich hieraus ergebende Verkehrssicherungspflicht oblag damit sämtlichen Grundstückseigentümern, wobei die mit der Erfüllung dieser Pflicht zusammenhängenden Maßnahmen eine geborene Wahrnehmungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft darstellen. (Vergleiche Bärmann WEG 13. Auflage § 10 RdNr. 259). Dem steht auch nicht entgegen, dass infolge der Schließung des Hotelparkhauses auch die Nutzung der im Sondereigentum der Klägerin stehenden Stellplätze unmöglich geworden ist, da dies zwar eine zwangsläufige Folge des Beschlusses, nicht aber sein eigentliches Ziel darstellt. (vgl. Landgericht München I Urteil vom 22.02.2017 1 S 10106/16 WEG)
B.
Die Klage ist auch hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig aber unbegründet.
I.
Zur Zulässigkeit der Klage kann auf die Ausführungen zu A.I. Bezug genommen werden.
II.
Der Beschluss ist in formell-und materiell rechtmäßiger Weise ergangen, so dass eine Ungültigkeitserklärung gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nicht in Betracht kommt.
1. Die Klage wurde innerhalb der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz WEG eingereicht. Die Zustellung ist demnächst i.S.d. § 167 ZPO erfolgt.
2. Der Beschluss ist nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil die Stimmen der Mehrheitseigentümer entgegen IV Absatz 7 der Gemeinschaftsordnung gewertet worden wären. Die vorgenannte Bestimmung billigt den jeweiligen Eigentümern der TE 1 und 2 lediglich dann keine Stimmrechte zu, soweit ausschließlich Angelegenheiten der jeweils anderen TE betroffen sind. Vorliegend sind zwar ausschließlich die im Sondereigentum der Klägerin stehenden Stellplätze von der Nutzungsuntersagung betroffen, der Beschluss beruht jedoch dem Grunde nach – wie aufgezeigt – auf einer vom Gemeinschaftseigentum ausgehenden Gefährdungslage und einer damit zusammenhängenden Verkehrssicherungspflicht aller Grundstückseigentümer, so dass von einer ausschließlichen Angelegenheit der TE 1 keine Rede sein kann.
3. Ein Verstoß gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG kann ebenfalls nicht erkannt werden.
Nachdem sich das Hotelparkhaus, wie unter A.II. dargelegt, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hinsichtlich der Brandschutzvorgaben in einem unzureichenden Zustand befunden hat, war die Gemeinschaft der Eigentümer nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Verkehrssicherungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Die nach dem Beschlusswortlaut bis zum Nachweis der Brandschutzertüchtigung, befristete Nutzungsuntersagung stellt in jedem Fall eine geeignete Sicherungssmaßnahme dar. Die Klagepartei wird auch nicht dadurch in unzulässiger Weise benachteilig, als ihr die Durchführung und die Kostentragung der zur Wiedereröffnung notwendigen Maßnahmen auferlegt werden. Wie sich aus den Ausführungen des als Anlage B 3 vorgelegten Berufungsurteils des Landgerichts München I im Parallelverfahren 30 C 4520/14 WEG bzw. 1 S 10106/16 WEG, welchen sich das Gericht vollumfänglich anschließt, ergibt, ist das Parkhaus zu mehr als zur Hälfte zerstört, so dass eine Wiedererrichtung gemäß §§ 22 Abs. 4, 21 Abs. 4 WEG nicht von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt werden kann. Die zur weiteren Nutzbarkeit ihres Sondereigentums erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen im Gemeinschaftseigentum hätten also auch ohne den angegriffenen Beschluss ausschließlich von der Klägerin selbst getragen werden müssen. Es mag sein, dass die Klägerin durch die faktische Schließung des Hotelparkhauses wirtschaftliche Einbußen zu befürchten hat. Diesem Umstand wurde jedoch zur Überzeugung des Gerichts dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass den Eigentümern der betroffenen Stellplatzeinheiten – hier also der Klägerin – im Beschlusstext die Möglichkeit eröffnet wird, durch die Beibringung entsprechender Unbedenklichkeitsnachweise eine Wiederherstellung der Nutzung – gegebenenfalls auch mit Hilfe von Zwischenlösungen oder Notmaßnahmen – möglich zu machen. Die im Schriftsatz vom 04.04.2017 (Blatt 69/80 der Akte) erstmals erhobene Behauptung der Klägerin, vor der Beschlussfassung die Aufstellung von Brandwachen angeboten zu haben, konnte hierbei gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 Zweiter Halbsatz WEG nicht mehr berücksichtigt werden.
Der weiteren Behauptung der Klagepartei, wonach die Mehrheitseigentümer den Beschluss aus zweckfremden, schikanösen Erwägungen heraus initiiert hätten, kann vor dem Hintergrund einer durchaus denkbaren zivil-oder gar strafrechtlichen Haftung der verantwortlichen Personen bei bewusster Mißachtung von – jedenfalls nach dem Scheiben der Stadt A.vom 19.10.2016 (Anlage 3)- dokumentierten Brandschutzdefiziten nicht gefolgt werden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert war entsprechend der vom Kläger veranschlagten einjährigen Miete für die im Hotelparkhaus vorhandenen Stellplätze gemäß § 49a Abs. 1 GKG auf 48.000 € festzusetzen.


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