Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anforderungen an die Bestimmtheit der Genehmigung einer Klimaanlage

Aktenzeichen  30 C 6928/16 WEG

Datum:
15.3.2017
Fundstelle:
ZMR – 2018, 278
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 4, § 22, § 49 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Beschluss über die Genehmigung einer Klimaanlage ist unbestimmt, wenn er weder die technischen Daten, noch den Gerätetyp oder den Montageort näher festlegt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 06.09.2016 zu TOP 11 – Erlaubnis zum Einbau einer Klimaanlage im Dachgeschoss – gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Beschluss ist für ungültig zu erklären, da er zu unbestimmt ist.
1. Nichtigkeit liegt hier nicht vor. Verstöße gegen den Grundsatz, dass Beschlüsse einen vollziehbaren Inhalt haben müssen, können zur Nichtigkeit oder aber auch nur zur Anfechtbarkeit führen. Fehlt einem Eigentümerbeschluss die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche Bestimmtheit, so führt dieser Mangel dann zur Nichtigkeit, wenn die Unbestimmtheit auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht („Perplexität“), die auch durch Auslegung nicht behoben werden kann. Lässt der Beschluss jedoch noch eine durchführbare Regelung erkennen, so führt der Mangel allenfalls zur Anfechtbarkeit (Münchener Kommentar zum BGB/Engelhardt, WEG, 6. Auflage 2013, § 23 Rn 32). Vorliegend ist eine inhaltliche Widersprüchlichkeit oder das Fehlen jeglichen vollziehbaren Inhalts nicht feststellbar.
2. Der angefochtene Beschluss ist zu unbestimmt und daher anfechtbar. Die fehlende Bestimmtheit wurde von der Klagepartei – wenn auch nur im Kern – bereits mit der fristgerecht eingereichten Klagebegründung dargelegt bzw. vorgebracht.
Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Eigentümerbeschlüsse sind daher „aus sich heraus“ auszulegen. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Der Text eines Eigentümerbeschlusses kann sich zur Konkretisierung der getroffenen Regelung sogar auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf (BGH, Urteil vom 08.04.2016, V ZR 104/15, ZWE 2016, 325 (326)).
Maßgeblich für die Frage, ob ein Beschluss hinreichend bestimmt ist, ist in erster Linie der Wortlaut der Beschlüsse in der Niederschrift. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses (Begleitumstände) können nur dann zur Auslegung herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, z.B. weil sie in der Niederschrift ihren Niederschlag gefunden haben. Demgegenüber haben nicht ersichtliche Begleitumstände, insbesondere Erörterungen bei der Beschlussfassung, bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben (OLG Düsseldorf Beschluss vom 21.11.2008 – 3 Wx 5/08, BeckRS 2010, 22912, beck-online).
Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob die Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, weil etwa die Eigentümer eine bauliche Maßnahme eines Wohnungseigentümers genehmigt haben, ohne sich zuvor einen auf Tatsachen gegründeten groben Überblick darüber zu verschaffen, inwieweit dem Gemeinschaftseigentum infolge der Baumaßnahme eine optische, statische oder technische Beeinträchtigung drohen kann („Blankettzustimmung“). Vielmehr ist allein der Beschlusstext bzw. – inhalt auf seine hinreichende Bestimmtheit zu überprüfen gewesen.
Der angefochtene Beschluss lässt – was die Klägerin zu Recht rügt – weder den Gerätetyp und daraus folgend dessen technische Daten ersehen noch ist der Montageort und die -weise näher festgelegt. Dass der Gerätetyp mit Ausnahme der Beschreibung „Split-Klimaanlage“ nicht näher festgelegt wurde, ist insofern schädlich, als damit überhaupt nicht festgelegt wurde, welche Geräuschentwicklung das Gerät haben wird. Der Beklagte gab zwar an, er sei davon ausgegangen, dass es eben ein für Wohngebiete geeignetes Gerät sein müsse. Hier ist aber gleichwohl mit erheblichen Unterschieden bei den Geräten zu rechnen. Es ist dem Leser des Protokolls unmöglich festzustellen, welchen technischen Daten, insbesondere Herstellerangaben zu Geräuschemissionen, die Eigentümer nun ihre Zustimmung erteilt haben. Dies ist aber bei einer Klimaanlage ein für die Entscheidung sicherlich erhebliches Kriterium. Anders als bei Beschlüssen über das „ob“ von baulichen Veränderungen – auch die Anbringung bzw. der Anbau eines Klimagerätes an der Außenwand des Gebäudes stellt eine bauliche Veränderung dar im Sinne des § 22 WEG (Beck’scher Online-Kommentar BGB/Hügel, § 22 WEG, Rn 4 a.E.) -, bei denen die konkrete Ausführung eventuell noch nicht sofort feststehen muss, ist hier doch ersichtlich, dass es sich um einen abschließenden Beschluss handeln sollte. Dieser hätte das Gerät näher bezeichnen müssen.
Auch die Angabe „auf dem Dach auf der Vorderseite des Hauses“ ist nicht hinreichend bestimmt, da sowohl die Anbringung rechts wie auch links vom Baderker in Betracht kommt. Dies wiederum hätte – wie die mündliche Verhandlung ergab – erhebliche Auswirkungen auf die Beeinträchtigung der Klägerin. Denn das links unterhalb des Baderkers gelegene Zimmer ist ihr Schlafzimmer, das andere ein Büro. Während das Gerät in der Nähe des Schlafzimmers sicherlich größere Beeinträchtigung darstellen würde, wäre dies bei einem Büroraum eventuell weniger gravierend. Selbst die erläuternden Angaben vor dem Beschlussantrag im Protokoll enthalten keine genaue Angabe, wo genau der „neue Standort“ liegen soll. Hinzukommt, dass auch die Art der Montage im Beschluss nicht festgelegt wurde. Auch die in den vorangestellten Informationen enthaltene Angabe, es entstehe keine Beschädigung am Gemeinschaftseigentum, lässt die Unbestimmtheit in diesem Punkt nicht hinreichend entfallen. Nicht ausreichend war, wenn – was im Detail nicht weiter aufgeklärt werden musste – weitere Informationen zu Montageweise und – ort Gegenstand der mündlichen Erörterung in der Eigentümerversammlung gewesen sein sollten.
Nach alledem war der Beschluss für ungültig zu erklären.
II.
Die Kostenregelung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Das Gericht hat davon abgesehen, gemäß § 49 Abs. 2 WEG dem Verwalter die Kosten aufzuerlegen, da aus Sicht des Gerichts die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Es fehlt an einem entsprechend groben Verschulden daran, dass ein zu unbestimmter Beschluss gefasst wurde. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Eigentümer – wie er in der mündlichen Verhandlung einräumte – selbst davon absah, nähere technische Details der Split-Klimaanlage in die Versammlung einzubringen. Außerdem wünschte er selbst keine Festlegung auf einen bestimmten Gerätetyp, da er sich sonst in seiner Entscheidungsfreiheit für den Fall, dass der Austausch des Gerätes einmal notwendig würde, eingeschränkt fürchtete.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert bemisst sich anhand § 49a GKG. Hier hat das Gericht die geschätzten Kosten des Einbaus der Klimaanlage (2.000,00 €) zugrunde gelegt und hiervon das hälftige Gesamtinteresse, somit 1.000,00 € angesetzt.


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