Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Angemessenheit einer iRd, Wohnungsfürsorge angebotenen Staatsbedienstetenwohnung, Wohnungsmangel (verneint)

Aktenzeichen  B 5 K 18.195

Datum:
9.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55234
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayTGV § 2 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 27.06.2017 und der Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Trennungsgeld über den 01.07.2017 hinaus (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Ist – wie hier – Umzugskostenvergütung zugesagt, besteht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BayTGV ein Anspruch auf Trennungsgeld, wenn der Berechtigte seit dem Tag des Wirksamwerdens der Zusage uneingeschränkt umzugswillig ist und solange er wegen Wohnungsmangels am neuen Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets nicht umziehen kann. Wohnungsmangel in diesem Sinne endet an dem Tag, an dem eine angemessene und zumutbare Wohnung bezogen werden kann.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BayTGV ist eine Wohnung angemessen, die der Dienststellung und den familiären Bedürfnissen des Berechtigten entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Wohnung angemessen, wenn ihr Bezug dem Beamten unter Berücksichtigung seiner berechtigten persönlichen Verhältnisse zugemutet werden kann (vgl. u.a. U.v. 15.9.1966 – VIII C 215.63; v. 6.4.1967 – IIC 24.67; B.v. 30.11.1971 – II B 28.71; U.v. 4.8.1977 – VI A 2.73 – BVerwGE 54, 248 – juris Rn. 17). Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht weiterhin ausgesprochen, dass eine Wohnung nicht angemessen ist, wenn sie nicht auch „familiengerecht“ ist. Familiengerecht ist eine Wohnung dann, wenn sie nach ihrer Größe und Lage, nach Ausmaß und Zuschnitt der Räume den Anforderungen entspricht, die erfüllt sein müssen, um einer Familie ein Heim zu bieten, das eine gesunde Entwicklung der Familie und eine Entfaltung des Familienlebens gewährleistet (vgl. BVerwG, U.v. 8.7.1965 – VII C 30.63).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BayTGV ist im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit einer Wohnung neben den familiären Bedürfnissen auch die Dienststellung des Berechtigten zu berücksichtigen. Insoweit dürfte eine Orientierung des Begriffs „Dienststellung“, der nicht näher definiert ist, am Einkommen des Berechtigten zweckmäßig sein (vgl. Uttlinger/Saller, Umzugskostenrecht in Bayern, § 2 BayTGV, Rn. 22). Welches Wohnraumbedürfnis des Beamten anzuerkennen ist, kann grundsätzlich nur nach dem allgemein üblichen Lebenszuschnitt der Gruppe von Bediensteten beurteilt werden, der er angehört. Darüber hinausgehende individuelle Wünsche und Bedürfnisse müssen, sofern sie nicht zwingend sind, unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.1967 – 2 C 24.67; U.v. 23.9.1983 – 6 A 2/80 – juris Rn. 13).
In Bezug auf die Bewohnbarkeit einer Wohnung und der Zumutbarkeit der Wohnungsnutzung dürften keine strengeren Anforderungen an die Wohnung zu stellen sein, als dies auch im Rahmen der Wohnungsfürsorge für die übrigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter baulichen, gesundheitlichen und hygienischen Aspekten der Fall ist. Nach der Richtlinie für die Vergabe von Wohnungen im Rahmen der staatlichen Wohnungsfürsorge (Bayerische Wohnungsvergaberichtlinie – BayWoVR) vom 27.10.2004, Ziffer 10 sind zur Beurteilung der Angemessenheit der Wohnung als Kriterien insbesondere Lage, Ausstattung, Raumzahl und Miethöhe heranzuziehen. Hinsichtlich ihrer Lage ist eine Wohnung angemessen, wenn sie sich am neuen Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets befindet. Hinsichtlich ihrer Ausstattung ist eine Wohnung angemessen, wenn sie normalen Ansprüchen genügt und geeignet ist, dem Beschäftigten und den zu seinem Haushalt gehörenden Personen ein Heim zu bieten. Die Wohnung muss eine am üblichen Lebenszuschnitt ausgerichtete Haushaltsführung ermöglichen sowie die Aufstellung der für einen durchschnittlichen Wohnkomfort unentbehrlichen Möbelstücke gestatten. Für Ehegatten ist regelmäßig eine Zweizimmerwohnung (Wohn- und Schlafzimmer, Küche, Bad, Toilette) angemessen. Gegebenenfalls kann nach Berücksichtigung der Umstände Einzelfalls oder der regionalen Wohnsituation eine abweichende Entscheidung getroffen werden. Bei entsprechender Verfügbarkeit ist grundsätzlich auch eine 3-Zimmerwohnung möglich.
Die Bayerische Wohnungsvergaberichtlinie hat zwar keinen normativen Charakter und ist daher für die Verwaltungsgerichte nicht bindend. Sie enthält aber einen sachgerechten Maßstab für die Bemessung der berechtigten Wohnraumbedürfnisse der Bediensteten und steht auch mit dem Zweck der trennungsgeldrechtlichen Vorschriften in Einklang. Wie das Bundesverwaltungsgericht mehrfach dargelegt hat, ist das Umzugskostenrecht ein Normenkomplex, der Gegenstand und Umfang der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Zusammenhang mit der Tragung der Kosten des Wohnungswechsels eines Beamten konkretisiert. Es sieht einen billigen Ausgleich der Kosten des Wohnungswechsels eines Beamten vor, wobei die Kriterien der Fürsorgepflicht und der Billigkeit zugleich eine Begrenzungsfunktion haben, die darin liegt, dass ein Ausgleich der entstandenen Belastung grundsätzlich nur dann und insoweit geboten ist, als die Mehraufwendungen auf eine Maßnahme des Dienstherrn oder eine seinem Bereich zuzurechnende Maßnahme zurückgehen. Aufwendungen, deren Entstehung durch Umstände bedingt ist, die dem persönlichen Bereich des Beamten zuzurechnen sind, hat der Dienstherr hingegen nicht auszugleichen, ihre Übernahme kann von dem Beamten „billigerweise“ nicht erwartet werden (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1983 – 6 A 2.80; U.v. 17.12.1980 – 6 C 94.80; U.v. 13.12.1978 – 6 C 13.78; U.v. 23.2.1983 – 6 A 1.82).
Gemessen an diesen Grundsätzen war die dem Kläger seitens der Wohnungsfürsorgestelle unter dem 22.05.2017 angebotene 3-Zimmerwohnung angemessen i.S.d.
§ 2 Abs. 1 Satz 3 BayTGV. Die Wohnung ist lediglich 1,3 km von der Dienststelle des Klägers entfernt und damit hinsichtlich ihrer Lage ohne Weiteres angemessen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Wohnung lediglich ca. 300 m Luftlinie von einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge entfernt befindet und in einem Wohnhaus, welches ebenfalls in der P. Straße gelegen ist, Wohnungsprostitution betrieben wird. Denn auch ein hier wohl in Rede stehendes tatsächliches oder faktisches Mischgebiet i.S.v. § 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dient neben der Unterbringung von Gewerbebetrieben gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen. Eine Wohnung, die den für Wohnräume einschließlich der zu ihnen gehörenden Nebenräume geltenden baurechtlichen Bestimmungen genügt und die nicht aus anderen gegenüber jedermann zu beachtenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zum Bewohnen durch Menschen ungeeignet ist, muss in aller Regel auch als geeignet angesehen werden, um einen Beamten und dessen Familie darin unterzubringen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Störungen eines in der Nachbarschaft ansässigen Gewerbebetriebs im Raum stehen, die ihrerseits gegen Rechtsvorschriften verstoßen und ihrer Eigenart nach tatsächlich schwer oder gar nicht zu unterbinden sind und die die Eignung der in dem Gebiet liegenden und diesen Auswirkungen ausgesetzten Wohnungen zum Bewohnen in einem solchen Maß herabsetzen, dass es für einen Wohnungssuchenden unzumutbar ist, eine solche Wohnung zu beziehen (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.1982 – 6 C 133.80 – ZBR 1982, 280). Derartiges ist vorliegend jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Umstand, dass die in Rede stehende Wohnung in einem nicht sehr attraktiven Stadtteil gelegen ist, berechtigt nicht zu deren Ablehnung.
Weiterhin kann der Kläger gegen die Angemessenheit der ihm angebotenen
3-Zimmerwohnung nicht mit Erfolg einwenden, dass er zuvor gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Haus bewohnt habe und der Grundriss der in Rede stehenden Wohnung die Unterbringung seines Mobiliars nicht in vollem Umfang zulasse. Eine der Familiengröße entsprechende Wohnung ist nach den obigen Ausführungen in der Regel gegeben, wenn sie für jede vor und nach dem Umzug zum Haushalt des Berechtigten gehörende berücksichtigungsfähige Person mindestens ein Zimmer enthält. Dies ist jedoch bei der hier in Rede stehenden 3-Zimmerwohnung mit knapp 76 qm hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau der Fall. Einen Anspruch darauf, dass die neue Wohnung der bisherigen in allen Kriterien entspricht, hat der Beamte nicht. Der Bezug einer nach ihrer Gesamtgröße angemessenen Wohnung kann im Einzelfall lediglich dann unzumutbar sein, wenn es dem Berechtigten wegen ihres atypischen besonders ungünstigen Zuschnitts schlechthin unmöglich ist, für eine angemessene Lebensführung unentbehrliche Möbelstücke darin aufzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2003 – 3 B 97.145). Letzteres wurde von Klägerseite jedoch nicht substantiiert dargelegt. Der Umstand, dass die angebotene Wohnung nicht so große Räume hat wie die bisherige und deshalb das vorhandene Umzugsgut in der neuen Wohnung nicht vollständig untergebracht werden kann, führt nicht zur Unangemessenheit der angebotenen Staatsbedienstetenwohnung. Soweit der Kläger erstmals im Verhandlungstermin äußerte, dass er aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen auf ein 2-m großes Bett angewiesen sei und dieses in der angebotenen Wohnung nicht in zumutbarer Weise hätte untergebracht werden können, führen auch diese Ausführungen nicht zur Unangemessenheit des in Rede stehenden Wohnungsangebots. Zum einen wurde schon nicht substantiiert dargelegt, dass ein Bett der vorgeblich benötigten Größe in der angebotenen Wohnung nicht hätte untergebracht werden können. Ungünstige Stellmöglichkeiten sind zudem entsprechend der o.g. Grundsätze im Allgemeinen zumutbar. Zum anderen mag zwar ein berechtigter Bedarf des Beamten im Einzelfall zur Unangemessenheit einer Wohnung führen (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.1967 – II C 24.67 – ZBR 1967, 268). So kann eine Wohnung einem Berechtigten beispielsweise dann nicht zugemutet werden, wenn er schwerstbehindert und an den Rollstuhl gebunden ist und die angebotene Etagenwohnung nicht mit einem rollstuhlgerechten Fahrstuhl ausgestattet ist und deren Zu- und Abgang nicht rollstuhlgerecht gebaut ist. Hier wurde jedoch ein entsprechender medizinischer Bedarf des Klägers bereits nicht hinreichend dargelegt. Nach eigenen Angaben verfügt er über keine entsprechende schriftliche ärztliche Verordnung.
Der Kläger kann weiterhin nicht verlangen, dass ihm im Rahmen der Wohnungsfürsorge wieder eine Wohnung mit Balkon, Terrasse oder Garten zugeteilt wird. Nicht jeder Umstand, der es verständlich erscheinen lässt, dass der Berechtigte eine ihm angebotene Wohnung ablehnt, macht den Bezug dieser Wohnung unzumutbar (vgl. Meyer/Fricke/Baez u.a., Reisekosten im öffentlichen Dienst, § 2, Ziffer 4, Rn. 92 m.w.N.). Auch die Tatsache, dass der Kläger in seiner bisherigen Wohnung Haustiere halten konnte und dies in der neuen Wohnung ggf. nicht mehr möglich ist, bedingt nicht deren Unangemessenheit im trennungsgeldrechtlichen Sinne (vgl. Uttlinger/Saller, Umzugskostenrecht in Bayern, § 2 BayTGV, Rn. 24).
Ferner dürfen auch überhöhte gesellschaftliche Ansprüche an Größe und Ausstattung der Wohnung oder an die Schönheit ihrer Umgebung nicht zur Verzögerung des Umzugs führen. Zudem berechtigt die dienstliche Stellung des Berechtigten nicht, eine angemessene Wohnung abzulehnen, weil z. B. die anderen Wohnungen des Hauses nicht ebenfalls von Angehörigen des höheren Dienstes bzw. der 4. Qualifikationsebene oder von gleichgestellten Mietern bewohnt werden. Denn die Repräsentation des Dienstherrn ist keine Angelegenheit des persönlichen Bereichs des Beamten (vgl. vgl. BVerwG, U.v. 6.4.1967 – 2 C 24.67).
Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger berechtigterweise in einem von der Beklagten hervorgerufenen oder unterhaltenen Irrtum über die Angemessenheit der angebotenen Staatsbedienstetenwohnung befunden hat. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Beklagten im Zusammenhang mit der Trennungsgeldgewährung ist nicht ersichtlich. Der Kläger wurde bereits vor Stellung seines Trennungsgeldantrages am 14.06.2017 ausführlich per E-Mail seitens des Landesamtes für Finanzen über die Voraussetzungen der Trennungsgeldgewährung informiert. Insbesondere aber das Schreiben der Wohnungsfürsorgestelle vom 22.05.2017 (Bl. 32 der VA) weist den Kläger ausdrücklich darauf hin, dass die ihm angebotene 3-Zimmerwohnung angemessen im trennungsgeldrechtlichen Sinne ist. Dort heißt es: „Nach den Bayerischen Wohnungsvergaberichtlinien ist aufgrund Ihres Familienstandes grundsätzlich eine 3-Zimmerwohnung als angemessen anzusehen.“ Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass und weshalb sich der Kläger in einem Irrtum über die Anforderungen an eine angemessene Wohnung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 BayTGV befunden haben sollte. Soweit der Klägerbevollmächtigte insoweit auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.11.1988 – Az. 6 C 68/86 verweist, sind die Umstände des vorliegenden Falles in Anbetracht jedenfalls des Hinweises der Wohnungsfürsorgestelle im Schreiben vom 22.05.2017 nicht mit denen des vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Falles vergleichbar. Im Übrigen dürfte auch in Rechnung zu stellen sein, dass sich die Informationsmöglichkeiten der Beamten – insbesondere auch mit Blick auf die Internetpräsenz des Landesamtes für Finanzen – seit dem Jahr 1988 nachhaltig verbessert haben und daher inzwischen strengere Maßstäbe an einen berechtigten Irrtum des Beamten anzulegen sein dürften.
Da folglich die dem Kläger unter dem 22.05.2017 seitens der Wohnungsfürsorgestelle angebotene Wohnung angemessen und zumutbar war, endete der Wohnungsmangel an dem Tag, an dem die in Rede stehende Wohnung hätte bezogen werden können, also am 01.07.2017. Da der Kläger den Bezug dieser Wohnung ablehnte, ohne dass Umzugshinderungsgründe i.S.d. § 2 Abs. 2 BayTGV vorlagen, besteht seit dem 01.07.2017 nach § 9 Abs. 1 BayTGV kein Anspruch auf Trennungsgeld mehr.
Mithin erweisen sich die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten als rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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