Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anspruch auf Zustimmung der Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages in einem Insolvenzverfahren

Aktenzeichen  8 O 14977/18

Datum:
10.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51576
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZVG § 10
WEG § 8
InsO § 80 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
ZPO § 130 a Abs. 4
GKG § 45 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, der Auszahlung des bei dem Amtsgericht Freising unter dem Aktenzeichen 42 HL 4/18 hinterlegten Geldbetrages von 87.302,31 Euro an den Kläger zuzustimmen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 87.302,31 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Gelbetrages in Höhe von 87.302,31 € zu. Die zulässige Widerklage ist dagegen unbegründet.
A.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erklärung der Zustimmung zur Freigabe gegen die Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Im Streit über die Auszahlung hinterlegten Geldes steht dem wirklichen Rechtsinhaber ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, da dieser auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt hat. Wer der tatsächliche Rechtsinhaber ist, entscheidet sich ausschließlich nach dem maßgeblichen materiellen Recht (BGH, Urteil vom 05. November 2010 – V ZR 32/10 -, Rn. 4, juris, Urteil vom 08. Dezember 2010 – XII ZR 86/09 -, Rn. 11, juris).
Die Beklagten haben die Position unter Buchstabe E des Teilungsplans ohne Rechtsgrund in sonstiger Weise erlangt. Dies geschah auch auf Kosten des Klägers, da dieser nach materiellem Recht der Forderungsinhaber ist.
I. Die Beklagten habe die Rechtspostion im Teilungsplan ohne Rechtsgrund erlangt.
Auf die von den Beklagten ausgeführten Bedenken gegenüber der Eigentümerstellung der Insolvenzschuldnerin bzw. der rechtlichen Existenz der Wohnung kommt es an dieser Stelle nicht an, da ein Recht zum Behalten damit jedenfalls nicht begründet werden kann. Dieser konnte sich allein aus dem Bestehen der mittels eingetragener Vormerkung gesicherten Forderung ergeben. Mit rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts München I wurden die Beklagten verurteilt, die Bewilligung zur Löschung der Auflassungsvormerkung zu erteilen. Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich zwar nicht auf das Erlöschen des mittels der Vormerkung gesicherten Anspruchs. Zwischen den Parteien ist es jedoch unstreitig, dass die Beklagten wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sind. Ein Anspruch der Beklagten auf Eigentumsumschreibung besteht damit nicht mehr. Weitere mit der Vormerkung gesicherte Forderungen der Beklagten sind bereits nicht behauptet.
Auch aus der damit erloschenen, aber noch im Grundbuch eingetragenen Vormerkung folgt kein Recht der Beklagten auf den erzielten Übererlös. Soweit sich die Beklagten auf die formale Position im Grundbuch stützen und auf das Urteil des BGH vom 26.11.1999, V ZR 432/98, verweisen, dringen sie hiermit nicht durch. Maßgeblich ist die materielle Rechtslage. Die erloschene Vormerkung kann hier keinen Anspruch auf den Übererlös begründen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem zitierten Urteil. Dieses betrifft die Konstellation, in der eine erloschene, aber nicht gelöschte Vormerkung durch Begründung einer inhaltsgleichen zu sichernden Forderung wieder werthaltig wird. Ein solcher inhaltsgleicher Übereignungsanspruch der Beklagten ist jedoch nicht ersichtlich, insbesondere folgt er auch nicht aus der von den Beklagten behaupteten fehlenden Eigentümerstellung der Insolvenzschuldnerin.
II. Die Beklagten haben ihre Position auch auf Kosten des Klägers erlangt. Diesem steht der in der Zwangsversteigerung erzielte Übererlös als Surrogat des Eigentums zu. An die Stelle des Eigentums trat für die frühere Eigentümerin der Anspruch auf den Versteigerungserlös (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984 – IX ZR 111/82 -, Rn. 26, juris). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO an die Stelle der Schuldnerin getreten.
Der Kläger hatte Eigentum an der Wohnung Nr. 3 inne. Die von den Beklagten erhobenen Bedenken gegen die Eigentümerstellung des Insolvenzschuldners und die Verkehrsfähigkeit der Wohnung können nicht überzeugen.
Die Beklagten stützten ihren Anspruch im Wesentlichen auf die fehlende Eigentümerstellung des Insolvenzschuldners bzw. die fehlende rechtliche Existenz der Wohnung Nr. 3. Die rechtlichen Erwägungen der Beklagten schlagen jedoch nicht durch.
1. Selbst wenn man die rechtlichen Schlussfolgerungen der Beklagten als wahr unterstellen würde, würde dem Kläger der Übererlös zustehen. Denn auch in diesem Fall wäre die Insolvenzschuldnerin jedenfalls Eigentümerin an dem Miteigentumsanteil geworden.
In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass in Fällen, in denen kein Sondereigentum entstehen konnte – etwa wegen nicht hinreichend bestimmter Abgrenzung zum Gemeinschaftseigentum – ein Erwerber per Gesetz isolierte, d.h. nicht mit Sondereigentum verbundene Miteigentumsanteile erwirbt (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2003 – V ZR 447/01, NJW 2004, 1798). Dies überzeugt angesichts der bei fehlerhafter Aufteilung sonst drohenden Gesamtnichtigkeit einer Aufteilung. Diesen Miteigentumsanteil hat der Kläger infolge des Zuschlags jedenfalls verloren. In welcher Form dieser Eigentumsverlust eingetreten ist, ob also daneben auch Sondereigentum bestand, ist daneben nicht erheblich. Ebenso wenig relevant ist für den Bereicherungsanspruch, in welcher Form der Erwerber Eigentum infolge des Zuschlags erhalten hat. Auch auf evtl. bestehende Rechtsmängel des Eigentums kommt es nicht an.
2. Die Insolvenzschuldnerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten aber auch Eigentümerin der Wohnung Nr. 3 geworden. Den Beklagten ist zwar Recht zu geben, dass die Übertragung eines Sondernutzunsgrechts nicht ausreicht, um nachträglich Sondereigentum zu begründen. Denn zu der nachträglichen Einräumung von Sondereigentum ist die Einigung aller Wohnungseigentümer in der für die Auflassung vorgeschriebenen Form erforderlich sowie die Eintragung im Grundbuch. Daran ändert auch das Bestehen eines Sondernutzungsrechts eines Wohnungseigentümers an den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Räumen, die zum Sondereigentum werden sollen, nichts (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10.08.2000 – 2Z BR 41/00 -, Rn. 12, juris).
Die damit aufgestellten Voraussetzungen sind vorliegend dennoch erfüllt. Aus den notariellen Urkunden (Anlage B3 und B 4) geht hervor, dass die Einheit Nr. 2 in zwei Wohnungen aufgeteilt werden soll. Hierzu wurde in der notariellen Urkunde vom 13.03.2012 auch Sondereigentum an Wohnung Nr. 3 begründet. Der Miteigentümer hat beide notarielle Urkunden genehmigt. Die Beklagten haben selbst vorgetragen, dass der Miteigentümer Huber eine Genehmigung erteilt hat. Damit ist jedenfalls eine konkludente Einigung aller Wohnungseigentümer bzgl. des in der Urkunde vom 13.03.2012 gebildeten Sondereigentums in notarieller Form erfolgt. Das Sondereigentum wurde schließlich auch im Grundbuch eingetragen
B.
Gemäß obigen Ausführungen steht den Beklagten kein Anspruch auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Geldbetrages zu, da dieser Betrag dem Kläger als Insolvenzverwalter gebührt. Die Widerklage war daher abzuweisen.
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
D.
Der Streitwert von Klage und Widerklage waren nicht zu addieren, da es sich um identische Gegenstände handelt, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG. Die Zuerkennung des einen Anspruchs schließt vorliegend den anderen Anspruch aus.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Mietrecht: Was tun bei Heizungsausfällen?

Gerade in den kälteren Monaten ist eine funktionierende Heizung für die Wohnqualität von Mietern unerlässlich. Ein plötzlicher Heizungsausfall kann nicht nur unangenehm sein, sondern auch rechtliche Fragen aufwerfen. Hier sind einige wichtige Informationen, was Mieter beachten sollen.
Mehr lesen