Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anspruch vorgemerkter Wohnungssuchenden auf Benennung von Wohnungsangeboten

Aktenzeichen  M 12 E 16.1708

Datum:
4.5.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

Vor der Ausübung des Benennungsrechts für die Vergabe einer Sozialwohnung gegenüber dem verfügungsberechtigten Wohnungsinhaber trifft die Sozialbehörde eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und den Grad der sozialen Dringlichkeit gegenüber dem Wohnungssuchenden durch Aufnahme in eine Vormerkkartei (Vormerkbescheid).  (redaktioneller Leitsatz)
Diese Einstufung verpflichtet die Behörde zur Erteilung von Wohnungsangeboten im Rahmen der vorhandenen Kapazität. Ein mit der einstweiligen Anordnung durchsetzbarer Anspruch auf ein Wohnungsangebot besteht nur dann, wenn eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und keine anderen Bewerber vorgehen.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die am … geborene Antragstellerin beantragte am 9. Oktober 2015 die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung. Sie gab an, dass ihr Untermietverhältnis zum 30. September 2015 gekündigt worden sei.
Die Antragstellerin wohnt seither in der Wohnung eines Bekannten in der … Str. … in München. Nach Bestätigung des Wohnungsinhabers könne die Antragstellerin dort unbefristet und mietfrei wohnen, bis sie eine eigene Unterkunft findet.
Mit Bescheid vom 10. November 2015 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurde ein Wohnraum mit einer Fläche ab 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit 145 Punkten (96 Grundpunkte, 10 Vorrangpunkte, 39 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe I festgesetzt. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Der Antragstellerin wurden seither zwei Wohnungsvorschläge unterbreitet. Bzgl. der Benennung vom 11. Januar 2016 für eine Wohnung in der … Str. … erfolgte weder von der Antragstellerin noch von der Vermieterin eine Rückmeldung. Der Wohnungsvorschlag vom 5. April 2016 für eine Wohnung in der …-str. … wurde von der Antragstellerin ohne Angabe von Gründen abgelehnt.
Am …. April 2016 hat die Antragstellerin zur Niederschrift des Gerichts beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, ihr entsprechend der vorgenommenen Vormerkung kurzfristig weitere Wohnungsvorschläge zukommen zu lassen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sie trotz der hohen Punktzahl lediglich zwei Wohnungsvorschläge erhalten habe, die nicht zur Vermittlung einer Wohnung geführt hätten. Aufgrund ihrer Wohnsituation benötige sie dringend eine eigene Wohnung, um die Gastfreundschaft ihres Freundes nicht über Gebühr belasten zu müssen. Zudem stünden wegen ihrer Augen ärztliche Behandlungen und evtl. Operationen an. Die Rekonvaleszenz wolle sie nicht in einer nicht vertrauten Umgebung durchführen müssen.
Mit Schreiben vom 29. April 2016 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen und ihr seien trotz des akuten Mangels an geförderten Wohnungen zwei Wohnungsangebote unterbreitet worden. Weitere Benennungen seien nicht ausgeschlossen, allerdings könne nicht vorhergesagt werden, wann mit einer neuerlichen Benennung zu rechnen sei, zumal eine Vielzahl von Bewerbern mit einer hohen Dringlichkeit auf Wohnungsbenennungen warten würde. Es erschließe sich nicht, warum die Antragstellerin einerseits Wohnungsvorschläge ablehne, andererseits sie ihren Eilantrag damit begründe, dringend eine eigene Wohnung zu benötigen. Bei der Wohnung in der …-straße habe es sich um eine Wohnung mit zwei Wohnräumen und knapp 40 qm Wohnfläche gehandelt. Die Ablehnung sei ohne Begründung erfolgt. Auch wenn das Rückstufungsverfahren derzeit ausgesetzt sei, müsse die angebliche Dringlichkeit zumindest in Zweifel gezogen werden. Jedenfalls habe die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, kurzfristig weitere Benennungen zu erhalten, um sich aus verschiedenen Angeboten eine passende Wohnung auszuwählen. Vielmehr müsse sie warten, bis sie in der Vormerkdatei an der Reihe sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf kurzfristige Unterbreitung weiterer Wohnungsvorschläge.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom 10. November 2015 ergangen. Er ist auch bestandskräftig geworden.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber der Antragstellerin vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Zum einen hat die Antragstellerin bereits zwei Wohnungsvorschläge erhalten. Dies zeigt, dass die Antragstellerin entsprechend ihrer Dringlichkeit in Wohnungsvorschläge aufgenommen wird. Zum anderen hat die Antragsgegnerin im Verfahren dargelegt, die Antragstellerin auch in Zukunft ihrer Dringlichkeit entsprechend zu berücksichtigen. Die Verpflichtung der Behörde, die Antragstellerin für eine Wohnung zu benennen, würde den anderen Wohnungssuchenden, deren Anliegen noch dringlicher einzuordnen ist, unter Umständen einen erheblichen Nachteil zufügen. Der Mangel an öffentlich geförderten Wohnungen und die Vielzahl vorgemerkter Bewerber ist gerichtsbekannt.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gem. § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.


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