Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auslegung einer alten Gemeinschaftsordnung; kein Ersterwerb nach Aufteilung von Sondereigentum

Aktenzeichen  36 S 10312/17 WEG

Datum:
19.4.2018
Fundstelle:
ZMR – 2018, 797
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Da wegen der Teilrechtsfähigkeit der WEG für eine Prozessstandschaft des Verwalters bei einer Wohngeldklage kein Raum mehr ist, sind die Regelungen einer vor dem 1. Juli 2007 begründeten Gemeinschaftsordnung ergänzend dahingehend auszulegen, dass diese eine Vertretung des Verbandes durch den Verwalter bei Wohngeldklagen ermöglichen sollen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die nachträgliche Aufteilung und Veräußerung von Sondereigentum nach vollständiger Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft stellt keinen Ersterwerb dar; für die Verpflichtung zur Zahlung von Wohngeld kommt es daher insoweit nur auf die Grundbuchlage zum Fälligkeitszeitpunkt an. (Rn. 5 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

481 C 3768/17 2017-06-09 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 09.06.2017, Az. 481 C 3768/17 WEG, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagtenpartei gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, wobei das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht voraussetzt, dass die Aussichtslosigkeit quasi auf der Hand liegt, sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Überprüfung sein. Weiterhin kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu – die grundlegenden Maßstäbe sind in einer Reihe von Entscheidungen durch den Bundesgerichtshof geklärt -; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Das Amtsgericht hat sich sehr sorgfältig mit der Rechtslage befasst und der Klage mit zutreffenden Erwägungen stattgegeben. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Einwand der Beklagten, wonach die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation unzulässig sei, nicht greift. Klägerin ist hier die WEG als Verband, welcher durch den Verwalter vertreten wird. Nun ist richtig, dass die Gemeinschaftsordnung den Verwalter nur dazu berechtigt, die von den Wohnungseigentümern zu entrichtenden Beträge gegenüber säumigen Wohnungseigentümern namens der übrigen Wohnungseigentümer oder in eigenem Namen für Rechnung der übrigen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen. Der Verwaltervertrag sieht lediglich die 2 Alternative (Prozessstandschaft) vor. Beide Regelungswerke wurden jedoch vor Inkrafttreten der WEG-Novelle und damit vor der gesetzlichen Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit des Verbandes verfasst. Der Bundesgerichtshof hat zur neuen Rechtslage entschieden, dass das für eine Prozessstandschaft notwendige Eigeninteresse an der Durchsetzung der Rechte der Wohnungseigentümer nicht mehr aus der dem Verwalter durch das Wohnungseigentumsgesetz zugewiesenen Rechts- und Pflichtenstellung hergeleitet werden kann, nachdem das Gesetz die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigen Verband anerkannt hat (BGH, ZWE 2011, 177). Nachdem nunmehr für eine Prozessstandschaft des Verwalters kein Raum mehr ist, die Gemeinschaftsordnung indes darüber hinaus ausdrücklich eine Vertretung der übrigen Eigentümer ermöglicht, sind diese Regelungen, wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt, ergänzend dahingehend auszulegen, dass diese eine Vertretung des Verbandes bei Wohngeldklagen ermöglichen sollen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts nebst Belegzitaten wird Bezug genommen. Nach der neuen Gesetzeslage ergibt sich eine Regelungslücke, die nach dem hypothetischen Parteiwillen nunmehr mittels Annahme einer Vertretungsbefugnis für den Verband zu schließen ist. Ansonsten liefe die Regelung, die ersichtlich entsprechende Klagebefugnisse des Verwalters bei Wohngeldklagen schaffen will, gänzlich leer. Im übrigen kann ein Verwalter, auch wenn er ausdrücklich nur zur Prozessstandschaft ermächtigt wäre, ebenfalls als Bevollmächtigter auftreten, da die weitergehende Geltendmachung im eigenen Namen die Befugnis zum Handeln in fremdem Namen umfasst (Riecke/Schmid, WEG, 4. Auflage, § 27, Rdnr. 69). Die Vollmacht gilt für sämtliche Instanzen (Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage, § 27, Rdnr. 27) und umfasst auch die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Soweit beklagtenseits die Vollmachtsrüge erhoben wurde, wurde mit Schriftsatz vom 12.3.2018 (Bl. 70 d.A.) ein Original der Vollmacht vorgelegt.
2. Die streitgegenständlichen Ansprüche auf Wohngeldvorauszahlungen folgen aus § 28 Abs. 2 WEG i.V.m. dem bestandskräftigen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 3.5.2016 zu TOP 4.1.
2.1. Grundsatz ist, dass Schuldner der Wohngeldvorschüsse bzw. von Fehlbeträgen aus der Jahresabrechnung derjenige ist, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch eingetragen ist. Die Haftung nach § 16 Abs. 2 WEG setzt die Zugehörigkeit zu der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit grundsätzlich die Eigentümerstellung des Inanspruchgenommenen voraus (BGH, NJW 1994, 3352, 3353). Demgemäß ist der noch nicht ins Grundbuch eingetragene Erwerber, der – wie hier – seine Wohnung bereits nutzt, also faktisch in die Wohnungseigentümergemeinschaft eingegliedert ist, nicht verpflichtet, Beiträge gemäß § 16 Abs. 2 WEG zu leisten (BGHZ 87, 138; BGHZ 106, 113, 119; BGHZ 107, 285, 288). Eingetragener Eigentümer und damit Kostenschuldner ist hier grundsätzlich also die Beklagte.
2.2. Eine Ausnahme wird jedoch für den Fall der werdenden WEG anerkannt, worauf sich die Beklagte in beiden Instanzen beruft. Danach ist in der Entstehungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten, sobald der vom Aufteiler erwerbende Käufer (sog. Ersterwerb) eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzt und infolge des vertraglich vereinbarten Übergangs der Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran hat, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Anlage vorzeitig auszuüben. Dies ist anzunehmen, wenn ein wirksamer Erwerbsvertrag abgeschlossen wurde, für den Käufer eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist (BGH. BGHZ 177, 53 ff; BGH, NJW 2012, 2650 ff.; BGH, NJW 2015, 2877 ff.; BGH, NJW-RR 2016, 461 ff., LG Hamburg, ZWE 2016, 38 ff.; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Auflage, § 10, Rdnr. 8 bis 10). Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann der werdende Eigentümer einerseits die Mitwirkungsrechte ausüben; andererseits hat er – und nur er – gemäß § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten zu tragen. Sollte der Fall hier nach den Grundsätzen der werdenden WEG zu behandeln sein, wäre also in der Tat die Beklagte nicht passivlegitimiert, nachdem die Erwerber unstreitig eine derart gesicherte Erwerbsposition innehaben.
2.3. Indes hat der Bundesgerichtshof bei der Veräußerung von Wohnungen aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft heraus die vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes stets abgelehnt (sog. Zweiterwerb, BGH, a.a.O.) und damit der Ansicht, die mit der faktischen Eingliederung in die Eigentümergemeinschaft und mit wirtschaftlichen Interessen argumentiert hat, in diesem Fall eine Absage erteilt. Die Funktion des Grundbuchs, zuverlässig Auskunft über den Inhaber des Wohnungseigentumsrechts zu geben, könne nicht eingeschränkt und auch der Grundsatz nicht aufgegeben werden, dass der Erwerb der Wohnung untrennbar mit der Eintragung im Grundbuch verbunden ist. Die Rechtssicherheit erfordere es, das Stimmrecht – und damit auch die damit korrespondierende Kostenbelastung – an formale Kriterien zu knüpfen, mit der Konsequenz, dass der eingetragene Wohnungseigentümer unabhängig von den tatsächlichen Besitzverhaltnissen weiterhin verpflichtet bleibt, gemäß § 16 Abs. 2 WEG die Lasten und Kosten zu tragen (BGHZ 106, 113 ff.). Sollte es sich hier also um einen Zweiterwerb handeln, wäre die Beklagte nach wie vor passivlegitimiert.
2.4. Es gilt daher, beide Fälle voneinander abzugrenzen. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 5.6.2008, Az.: V ZB 85/07, NJW 2008, 2639 ff., hatte der Bundesgerichtshof bereits angedeutet, dass einiges dafür sprechen könnte, für einen gewissen Zeitraum auch solche Ersterwerber wie Wohnungseigentümer zu behandeln, die eine grundbuchrechtlich gesicherte Erwerbsposition und den Besitz an der Wohnung erst nach der Eintragung des ersten Erwerbers erlangen. Er hat damit angekündigt, der bislang herrschenden Meinung voraussichtlich nicht zu folgen, sondern für einen noch näher zu bestimmenden Übergangszeitraum nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft jeden Erwerber, der seine Wohnung vom Aufteiler erwirbt, wie einen werdenden Wohnungseigentümer zu behandeln. Mit Urteil vom 11.5.2012, Az.: V ZR 196/11, NJW 2012, 2650 ff. hat der BGH diese Rechtsprechung dahingehend fortgeführt, dass ein Erwerber von Wohnungseigentum, der den Erwerbsvertrag vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft abschließt und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eintragen wird, auch dann als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, wenn er den Besitz an der Wohnung erst nach dem Entstehen der WEG erlangt. In Betracht käme dies, wenn der Erwerbsvertrag als erster Bestandteil einer gesicherten Erwerbsposition erst geraume Zeit nach dem Entstehen der Wohnungseigentürnergemeinschaft geschlossen wird. Definitiv entschieden werden musste dies nicht, da im konkreten Fall der Erwerbsvertrag noch vor Entstehen der Eigentümergemeinschaft abgeschlossen wurde. In dieser Entscheidung führt der Bundesgerichtshof jedoch gleichzeitig aus, dass der Senat eine zeitliche Begrenzung für die Anwendung der Grundsätze der werdenden WEG auf die Ersterwerber – lediglich – im Hinblick darauf erwogen hat, dass der teilende Eigentümer nach einer längeren Vorratshaltung einem Eigenerwerber gleichzustellen sein könnte. Der BGH verweist in diesem Zusammenhang auf einen Aufsatz von Wenzel, NZM 2008, 625 ff., in dem Erst- und Zweiterwerb gegeneinander abgegrenzt werden, insbesondere auch die vom Bundesgerichtshof bereits angedachte zeitliche Begrenzung thematisiert wird und der Verfasser in diesem Zusammenhang zu folgendem Schluss kommt: „Können bei Vertragsschluss werkvertragliche Gewährleistungsrechte wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums nach dem Gesetz verjährt sein oder veräußert ein Ersterwerber sein Eigentum, handelt es sich um einen Zweiterwerb, bei dem der Erwerber erst mit seiner Eintragung in das Grundbuch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten wird“ (Wenzel, a.a.O., S. 628).
2.5. Nach diesen Grundsätzen gilt es die vorliegende, durchaus speziell gelagerte Konstellation, zu beurteilen. Auf der einen Seite stellen sich hier, worauf die Beklagte im Grundsatz zu Recht hinweist, Gewährleistungsfragen, wie sie beim Ersterwerb auftreten und gegebenenfalls zu einer Verzögerung der Eigentumsumschreibung führen. Auf der anderen Seite – und dies halt die Kammer für entscheidend -, ist hier keine Veräußerung durch den teilenden Eigentümer gegeben, so dass schon begrifflich kein Ersterwerb vorliegen kann, sondern vielmehr ein Fall des Zweit- bzw. hier sogar des Dritt- oder Vierterwerbs. Genau darauf stellt auch Wenzel in dem zitierten Aufsatz ab, wenn er die Veräußerung durch den Ersterwerber als Zweiterwerb qualifiziert. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 5.6.2008 angedeutet hatte, dass Ersterwerber (schon dies ist hier nicht gegeben) für einen gewissen Zeitraum wie Wohnungseigentümer zu behandeln sind, die eine gesicherte Erwerbsposition erst nach der Eintragung des ersten Erwerbers erlangen, kann hier bei einem verstrichenen Zeitraum von mehr als 20 Jahren nicht mehr von einem angemessenen bzw. Übergangszeitraum gesprochen werden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist seit Jahrzehnten rechtlich und tatsächlich in Vollzug gesetzt. Es handelt sich nicht um einen Erwerb in der Gründungsphase, mögen auch einzelne Einheiten erst später geschaffen worden sein. Der bestehende Verband existiert seit Jahrzehnten. Eine daneben bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft in Gestalt der Erwerber der neu geschaffenen Einheiten 93 bis 99 gibt es nicht und kann es dogmatisch auch nicht geben.
Schon formal liegt damit kein Fall des Ersterwerbs vor. Auch greifen die Argumente, die letztlich zur Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft geführt haben, hier nicht ein.
Der BGH hatte die vorverlagerte Anwendung der WEG-rechtlichen Vorschriften auf die werdende Wohnungseigentümergemelnschaft u.a. mit dem Demokratisierungsinteresse der Erwerber begründet. Zwischen Verkauf und Übergabe der Wohnungen einerseits und Eintragung des ersten Miteigentümers andererseits könnten Jahre liegen. Dies gelte insbesondere für den Kauf vom Bauträger, wenn der Erwerber Gewährleistungsrechte geltend macht und unter Berufung auf diese einen Teil des Kaufpreises zurückhält. Die Wohnanlage müsse schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, was sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben könne, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln erfolgen sollte, deren Geltung die Beteiligen ohnehin anstreben (BGH, a.a.O.). Dieser Gedanke greift jedoch nicht, wenn, wie hier, die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits besteht, d.h. bereits demokratisiert ist und es gerade nicht mehr darum geht, „die Alleinherrschaft des teilenden Eigentümers zu brechen“ (so auch Dr. Reichert, ZWE 2017, 142, 126). Dass die Wohnungseigentumsanwärter der unterteilten Einheit ebenfalls ein Interesse an Ausübung von Mitspracherechten haben, ist letztlich jedem Verkauf immanent und reicht alleine nicht aus, um diese als werdende Wohnungseigentümer zu qualifizieren. Es handelt sich in einem solchen Fall nicht, wie es Wenzel formuliert, um ein schon vor Eigentumsumschreibung schützenswertes kollektives Gleichberechtigungs- und Mitverwaltungsinteresse, sondern um ein rein persönliches bzw. individuelles.
In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung die Veräußerung der Wohnung durch einen werdenden Wohnungseigentümer dem Zweiterwerb gleichgestellt und den Erwerber, dessen Eintragung sich ebenfalls bei Ausübung von Gewährleistungsrechten verzögern kann und der ebenfalls ein Interesse an Teilhabe an der Verwaltung besitzt, gerade nicht als werdenden Wohnungseigentümer qualifiziert (BGH, Urteil vom 24.7.2015, Az.: V ZR 275/14, NJW 2015, 2877 ff.). Der BGH hatte insoweit ausgeführt, dass sich der Zedent vertraglich absichern könne, indem er einen Schuldbeitritt des Zessionars im Wege eines echten Vertrags zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft vereinbart. Eine wegen möglicher Abwicklung von Gewährleistungsrechten fortbestehende Haftung im Außenverhältnis sei zwar problematisch, könne sich aber auch bei einem Zweiterwerb ergeben und sei daher nicht geeignet, die bestehenden Bedenken gegen einen Übergang der Rechtsposition zu überwinden (BGH, a.a.O.). Es sei dem Zedenten und dem Zessionar wie bei einem Zweiterwerb ohne weiteres möglich, die Ausübung der Stimmrechte und die Tragung von Kosten und Lasten im Innenverhältnis vertraglich zu regeln. Schon dies spreche dafür, die Veräußerung wie einen Zweiterwerb zu behandeln, zumal der Einzelrechtsnachfolger eines werdenden Wohnungseigentümers andernfalls eine stärkere Rechtsstellung erlangen würde als der eines eingetragenen Eigentümers. Auch diese Entscheidung zeigt, dass die Grundsätze des Ersterwerbs als Ausnahme zur Regel eng gefasst werden und es auf die wirtschaftliche Interessenlage und die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse, mit denen die Beklagte entscheidend argumentiert, nicht ankommt.
2.7. Den Argumenten der Beklagtenpartei vermag die Kammer auch im übrigen nicht beizutreten. Die Beklagte will die Veräußerung der unterteilten Einheiten nach den Grundsätzen des Ersterwerbs behandeln und hält die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts für rechtsfehlerhaft. Es liege ein klassischer Bauträgervertrag vor und es sei nicht sachgerecht, sie als Bauträger als Miteigentümer zu behandeln. Nachdem die Unterteilung und der Ausbau des Dachgeschosses bereits in der Teilungserklärung angelegt seien, handele es sich um eine zeitlich versetzte Maßnahme des ursprünglichen Aufteilers. Diese Argumentation lässt jedoch den tatsächlichen zeitlichen Ablauf, sowie die Funktion des Grundbuchs, welches die Beklagte als eingetragene Miteigentümerin ausweist, unberücksichtigt. Es liegt eben gerade kein Erwerb vom Aufteiler in der Gründungsphase vor – und nur für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers im Gegensatz zum reinen Wohnungseigentumsanwärter entwickelt -, sondern der Erwerb von einem eingetragenen Eigentümer aus einer vollständig in Vollzug gesetzten WEG, 20 Jahre nach Aufteilung. Der Erwerb kann auch nicht als mittelbarer Erwerb vom teilenden Eigentümer qualifiziert werden, nachdem eine Kette von selbständigen Übertragungsvorgängen gegeben ist. Veräußert – wie hier – nicht der teilende Eigentümer, sondern ein Ersterwerber das Eigentum, kann es sich nur um einen Zweiterwerb handeln, bei dem der Erwerber erst mit seiner Eintragung ins Grundbuch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten wird. Dabei ist der Verweis der Beklagten darauf, dass die Erwerber die Wohnungen allesamt bezogen haben, bewohnen würden und Betriebskosten verbrauchen würden und ihnen damit die Rechtsstellung als werdender Eigentümer nicht versagt werden könne, durchaus ein pragmatischer Ansatz; die Rechtsprechung stellt darauf jedoch – beim Zweiterwerb – gerade nicht ab, sondern hält die Eintragung im Grundbuch für entscheidend. So hatte der Bundesgerichtshof bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 24.3.1983, Az.: VII ZB 28/82 ausgeführt, dass ein Wegfall der Haftung des im Grundbuch noch eingetragenen Eigentümers dem tatsächlichen Nutzungsübergang sowie der Begründung und dem Verlust eines „faktischen“ Eigentums eine zu weitgehende rechtliche Bedeutung beimessen und die Funktion des Grundbuchs mindern würde. Die Rechtssicherheit erfordere, dass der eingetragene Wohnungseigentümer auch nach Überlassung der Nutzung an den Erwerber kostentragungspflichtig bleibe. Dieser Gedanke gilt auch hier. Dabei mag sein, dass das streitgegenständliche Sondereigentum bis zur Bezugsfertigkeit der zusätzlichen Wohnungen von Wohngeldzahlungsverpflichtungen befreit war, dieser Befreiungstatbestand ist jedoch nach Herstellung der Wohnungen weggefallen Nach 20 Jahren handelt es sich auch nicht etwa um eine zeitliche versetzte Maßnahme des ursprünglichen Aufteilers im Rahmen einer – gegebenenfalls etwas verlängerten – Gründungsphase. Es handelt sich vielmehr um eine Bestandsimmobilie. Die Beklagte ist bezüglich der Einheit 92 eingetragener Viert- und bezüglich der neu geschaffenen Einheiten Nr. 93 bis 99 eingetragener Dritteigentümer und ist damit Kostenschuldner. Die von den Beklagten gerügte Dualität ist im übrigen durch die zitierten Entscheidungen des BGH angelegt, wenn danach nur Erwerber, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums (der aber sicher nicht unbegrenzt dauern kann), eine gesicherte Erwerbsposition erlangen, als Ersterwerber qualifiziert werden können. Dabei mag es durchaus zu Interessenkonflikten zwischen der Beklagten und den Neuerwerbern kommen; solche sind allerdings auch beim Zweiterwerb nicht zwingend ausgeschlossen. Soweit beklagtenseits weiter eingewendet wird, dass es auf diese Weise auch nicht zu einer vernünftigen Abnahmeregelung unter Einbeziehung der Alteigentümer kommen würde, ist darauf hinzuweisen, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ohnehin einer Vergemeinschaftung nicht zugänglich ist (vgl. BGH, IBR 2016, 399). Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.3.2018 ein weiteres Urteil des BGH vom 8.12.2017, Az: V ZR 82/17 zitiert hat, betrifft dies einen Fall des Ersterwerbs vom Aufteiler – was hier gerade nicht vorliegt – und ist damit nicht einschlägig.
2.8. Es verbleibt damit bei dem Grundsatz, wonach derjenige gemäß § 16 Abs. 2 WEG Kostenschuldner ist, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch eingetragen ist, und es auf die faktische Nutzung nicht ankommt. Soweit der Bundesgerichtshof als einzige Ausnahme von dieser Regel den Ersterwerb vom teilenden Eigentümer in der Gründungsphase der Gemeinschaft ansieht, liegt diese Ausnahme hier nicht vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12 Abs. 2 des Kaufvertrages, wie er in Anlage B 1 exemplarisch vorgelegt wurde. Danach übernimmt der Käufer im Verhältnis zum Verkaufer ab Besitzübergang alle Rechte einschließlich des Stimmrechts sowie alle sich aus der Stellung als Wohnungseigentümer ergebenden Pflichten gegenüber der Eigentümergemeinschaft. Diese Bestimmung wirkt, wie explizit formuliert und vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt, nur inter partes. Es wäre der Beklagten unbenommen gewesen, wie ausgeführt, im Kaufvertrag Bestimmungen zu treffen, die entsprechende Außenwirkung entfalten, wenn sie dafür ein praktisches Bedürfnis sieht (vgl. zu den entsprechenden Regelungsmöglichkeiten BGHZ 107, 285 ff.).
2.9 Die Beklagte hat durch die Aufteilung auch keine größere Entscheidungsmacht. Nach der Teilungserklärung gilt hier das Objektprinzip. In einem solchen Fall führt die Unterteilung der Wohnungseigentumseinheit auch im Fall einer Veräußerung gerade nicht zu einer Stimmrechtsvermehrung, sondern lässt die bisherige Anzahl der Stimmrechte unberührt. Es wird lediglich das zuvor auf die unterteilte Einheit entfallende Stimmrecht entsprechend der Zahl der neu entstandenen Einheiten nach Bruchteilen aufgespalten und diesen zugewiesen (BGH, NJW 2004, 3413 ff.).
2.10. Auch die Verurteilung zu künftigen Leistungen begegnet keinen Bedenken. Dies ist keine Frage der Existenz von materiellrechtlichen Vorfälligkeitsregelungen, sondern ergibt sich aus den prozessualen Vorschriften der §§ 259 ff. ZPO. Im übrigen ist für die Bewertung der Zulässigkeit der Klage auf künftige Leistungen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Rahmen des Vorgehens gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der diesem gleichgestellte Zeitpunkt maßgebend. Danach war hier nunmehr insgesamt Fälligkeit eingetreten und es kommt auf die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO nicht an. Einer Antragsänderung bedurfte es nicht, wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt (BGH, NZM 2005, 582, 583; BAG, NJW 2015, 1773 ff.).
Eigenständige Ausführungen zum Zinsausspruch enthält die Berufungsbegründung nicht.
II.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Hinweises. Zur Kostenbegrenzung wird angeregt, die Rücknahme der Berufung zu überdenken.


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