Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ausschluss des Widerrufsrechts beim Online-Kauf von Konzertkarten vom Wiederverkäufer

Aktenzeichen  30 C 1345/20

Datum:
13.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49300
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9

 

Leitsatz

1. Unter den Begriff der Freizeitbetätigungen nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 BGB fallen Online-Bestellung von Konzertkarten für ein an einem bestimmten Termin stattfindenden Konzert. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 BGB gilt nicht nur für den Veranstalter, sondern auch für den Tickethändler, selbst dann, wenn diese als Wiederverkäufer auf die kurzfristige Marktentwicklung spekuliert.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Arbeiten in einem systemrelevanten Beruf gewährt für sich genommen kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 64,77 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 70, 20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.07.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 64,77 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Würzburg nach §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1 GVG sachlich und nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 64, 77 € gemäß § 433 Abs. 2 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig am 31.08.2019 ein Kaufvertrag über eine Eintrittskarte für ein Alice Cooper Konzert am 18.09.2019 in Stuttgart zu einem Kaufpreis von 64, 77 € zustande gekommen. Aus dem Beklagtenvortrag ergibt sich nicht, dass diese klägerische Behauptung bestritten werden soll, gerade die Ausführungen, dass am 05.09.2019 der Kauf widerrufen worden sei, spricht dafür, dass der Abschluss eines Kaufvertrags unstreitig gestellt worden ist.
Rein ergänzend ist auszuführen, dass selbst wenn man in den Ausführungen der Beklagte, wonach sie am 31.08.2019 beabsichtigt habe eine Eintrittskarte zu erwerben, ein wirksames Bestreiten sehen würde, hat der Kläger durch Vorlage der Kaufbestätigung von e-Bay (vgl. Anlage K 1, Bl. 24 d.A.) nachgewiesen, dass ein Kaufvertragsschluss zustande gekommen ist.
Der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises ist auch nicht durch den erklärten Widerruf der Beklagten erloschen.
Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass bei Fernabsatzverträgen im Sinne von § 312 c BGB dem Verbraucher in der Regel ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB zusteht. Allerdings besteht ein solches im vorliegenden Fall, mangels anderweitiger Vereinbarung, gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 1 Nr. 9 BGB ausgeschlossen.
Nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BGB ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen bei Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.
Unter den Begriff der Freizeitbetätigungen fallen beispielsweise die, im vorliegenden Fall vorgenommene, Online-Bestellung von Konzertkarten (vgl. Härting, Internetrecht, 6. Auflage 2017, Fernabsatzrecht, Rn. 1316, Jauernig/Stadler, 17. Aufl. 2018, BGB § 312, Rn. 10,).
Hierbei ist es nicht entscheidungserheblich, dass es sich bei dem Kläger nicht selbst um den Veranstalter handelt, da die Vorschrift auch für den Tickethändler gilt, da bei diesem ebenso ein Bedürfnis besteht ein Widerrufsrecht auszuschließen, wenn es sich um eine Eintrittskarte für eine termingebundene Veranstaltung handelt (vgl. Härting, Internetrecht, 6. Auflage 2017, Fernabsatzrecht, Rn. 1317, AG München, Urteil vom 02. Dezember 2005 – 182 C 26144/05). Eine Begrenzung des Ausschlusses des Widerrufsrechts auf den Veranstalter selbst (angenommen von AG Wernigerode, Urteil vom 22. Februar 2007 – 10 C 659/06) ist nicht sachgerecht, da der Sinn und Zweck der Vorschrift, ausweislich der Gesetzesbegründung ist, dass der Unternehmer Kapazitäten bereitstellt, die er bei einem Widerruf möglicher Weise nicht mehr anderweitig nutzen kann (vgl. BT-Drucks. 17/12637, Bl. 57). Sofern die Beklagte einwendet, dass der Wiederverkäufer auf kurzfristige Marktentwicklungen spekuliert um damit Gewinne zu erzielen ist dies zutreffend, allerdings trägt der Verkäufer die Gefahr das Ticket bei einem Widerruf nicht mehr anderweitig nutzen zu können unabhängig davon, ob er selbst Veranstalter oder „nur“ Händler ist. Dies ist nicht mit dem Risiko des Händlers gleichzusetzen, dass er die angekauften Tickets möglicherweise nur zu einem geringeren Preis als dem Ankaufspreis oder gar nicht verkaufen kann. Die Einräumung eines Widerrufsrechts würde auch bei dem Händler zu unzumutbaren Nachteilen führen.
Folglich konnte die Beklagte den geschlossenen Kaufvertrag mangels Widerrufsrechts nicht widerrufen.
Der Anspruch ist auch nicht aufgrund anderer Gründe erloschen. Das Arbeiten in einem systemrelevanten Beruf gewährt für sich genommen, unabhängig davon, dass das Konzert bereits im Jahr 2019 und somit vor der Corona Pandemie stattgefunden hat, kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht.
Auch der von der Beklagten getätigte Vortrag, wonach der Kläger sich mit der Auflösung des Vertrages einverstanden erklärt hat, konnte diese nicht beweisen. Die vorgelegten Unterlagen der Beklagten sprechen gerade dafür, dass der Kläger sich damit nicht einverstanden erklärt hat. So wird in der vorgelegten E-Mail vom 10.09.2019 (vgl. Bl. 19 d.A.) gerade ausgeführt, dass der Kläger die Transaktion aufgrund des nicht erfolgten Zahlungseingangs abgebrochen und die Beklagte gemeldet hat. Dies spricht gerade gegen eine, im Einverständnis beider Parteien erfolgte, Vertragsauflösung.
Auch die nicht erfolgte Versendung des Tickets stellt kein Indiz hierfür dar, da die Beklagte unstreitig aufgrund § 6 der e-Bay-AGB zur Vorleistung verpflichtet war.
Sofern man den Verweis der Beklagten auf den bisherigen Nichterhalt des Tickets als Einrede gemäß § 320 BGB verstehen sollte ist auszuführen, dass aufgrund der vorgenannten Vorleistungspflicht gemäß § 6 der maßgeblichen AGB kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten besteht. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der vorgelegten AGB gemäß §§ 307 ff. BGB bestehen nicht.
Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70, 20 €.
Diese errechnen sich aus dem Gegenstandswert in Höhe von 64, 77 €.
Daraus ergeben sich vorgerichtliche Kosten von insgesamt 70, 20 €.
Diese berechnen sich wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr 58, 50 €
+ Pauschale für Post und Tel. 11, 70 €
Summe 70, 20 €
Der Anspruch auf Prozesszinsen aus 70, 20 € folgt aus § 290 ZPO. Die Klage wurde am 30.07.2020 zugestellt. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB können ab dem Folgetag Zinsen verlangt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Es bestand kein Anlass die Berufung zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (vgl. § 511 II Nr. 2, IV ZPO).


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