Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschlussanfechtungsverfahren: Berücksichtigung einer angeblichen Ehrverletzung in der Wohnungseigentümerversammlung bei Bemessung der Rechtsmittelbeschwer

Aktenzeichen  V ZR 45/20

Datum:
1.10.2020
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:011020BVZR45.20.0
Normen:
§ 544 Abs 2 Nr 1 ZPO
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Itzehoe, 10. Januar 2020, Az: 11 S 87/17vorgehend AG Oldenburg (Holstein), 4. Dezember 2017, Az: 16 C 39/17nachgehend BGH, 24. Februar 2021, Az: V ZR 45/20, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 10. Januar 2020 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 23.578,95 €.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und die Beklagten bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 30. April 2017 wurden Beschlüsse über die Genehmigung der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 (TOP 3.1 betreffend die Gesamtgemeinschaft und TOP 3.4 betreffend die Untergemeinschaft Haus B) und 2016 (TOP 4.1 betreffend die Gesamtgemeinschaft und TOP 4.4 betreffend die Untergemeinschaft Haus B) gefasst. Weiter wurde die Entlastung der Hausverwalterin für das Geschäftsjahr 2016 (TOP 6) und die Genehmigung des Wirtschaftsplans für das Jahr 2017 (TOP 7.1 betreffend die Gesamtgemeinschaft und TOP 7.4 betreffend die Untergemeinschaft Haus B) beschlossen. Zudem wurde ein Antrag der Klägerin auf Beseitigung der an bestimmten Stellplätzen angebrachten Markierungen abgelehnt (TOP 8.1).
2
Die Klägerin verlangt die Beschlüsse für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären, und die Beklagten zu verpflichten, die Markierung auf den Stellplätzen insoweit zu entfernen, als sie eine Zuordnung zu einem bestimmten Sondereigentum enthalten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die mit der Revision ihre Klageanträge weiterverfolgen will.
II.
3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
4
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstandes in dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten und erhöht oder ermäßigt sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Streitwerts auch eine Reihe von anderen Kriterien Berücksichtigung findet; infolgedessen entspricht der gemäß § 49a GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Februar 2017 – V ZR 188/16, NZM 2017, 530 Rn. 3 mwN). Der Wert der Beschwer ist von dem Beschwerdeführer darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2015 – V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rn. 5 mwN).
5
2. Daran gemessen liegt die Beschwer der Klägerin unter der Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dabei kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin in Bezug auf die Anfechtung der zu TOP 6, 7.1, 7.4 und 8.1 gefassten Beschlüsse sowie dem Verpflichtungsantrag ausgegangen ist. Selbst wenn dies nicht der Fall ist und bezüglich dieser Streitgegenstände nicht lediglich das Kosteninteresse maßgeblich wäre, betrüge die Beschwer der Klägerin allenfalls 5.570,73 €. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
6
a) Ist – wie hier – die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung oder des Wirtschaftsplans abgewiesen worden, bestimmt sich die Beschwer bei einer einschränkungslosen Anfechtung des Beschlusses nach dem Anteil des Anfechtungsklägers an dem Gesamtergebnis der Abrechnung oder des Wirtschaftsplans, und zwar auch dann, wenn dieser formale Fehler der Abrechnung bemängelt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Februar 2017 – V ZR 188/16, NZM 2017, 530 Rn. 4 mwN; vgl. zum Wirtschaftsplan Senat, Beschluss vom 18. September 2014 – V ZR 290/13, NZM 2014, 912 Rn. 10). Der auf die Klägerin auf die Jahresabrechnung 2015 (Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 3.1 und 3.4) entfallende Anteil beträgt ausweislich der vorliegenden Abrechnungen 1.292,51 € (464,52 € für die Wohnung W 1.05 und 827,99 € für die Wohnung Nr. 68/W 1.06). Für 2016 beträgt der Anteil der Klägerin 1.439,62 € (672,71 € für die Wohnung W 1.05 und 766,91 € für die Wohnung W 1.06). Der auf den Wirtschaftsplan für 2017 entfallende Anteil der Klägerin beträgt 1.238,60 € (583,49 € für die Wohnung W 1.05 und 655,11 € für die Wohnung W 1.06), woraus sich ein Gesamtbetrag dieser Anfechtungsgegenstände von 3.970,73 € errechnet.
7
b) Bei der Ermittlung der Beschwer für die erfolglose Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters tritt der Wert, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter hat, regelmäßig zu dem Wert etwaiger Ersatzansprüche gegen diesen hinzu. Dessen Wert ist, wenn besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlen, regelmäßig mit 1.000 € anzusetzen (Senat, Beschluss vom 17. März 2016 – V ZB 166/13, ZWE 2016, 287 Rn. 10). Da die Klägerin besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert weder konkret dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, beträgt die Beschwer hinsichtlich der abgewiesenen Anfechtungsklage des zu TOP 6 gefassten Beschlusses 1.000 €.
8
c) In Bezug auf die Anfechtung des Negativbeschlusses zu TOP 8.1 (Entfernung der Stellplatzmarkierungen) und dem abgewiesenen Antrag, die Beklagten zu verpflichten, die Markierungen zu beseitigen, ist eine wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände anzunehmen. Das Berufungsgericht ist mangels anderer Anhaltspunkte von einem Einzelinteresse der Klägerin in Höhe von 600 € ausgegangen. Dass dieser Betrag höher anzusetzen wäre, wird in der Nichtzulassungsbeschwerde weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
9
d) Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass bei der Ermittlung des Wertes der Beschwer ein ideelles Interesse an der Aufhebung des Urteils zu berücksichtigen sei, weil ihrem in der Eigentümerversammlung anwesenden Gesellschafter in einer in äußerstem Maß ehrverletzenden Weise das Recht zum Verlesen der Begründung seiner Anträge verwehrt worden sei, geht dies fehl. Bei den behaupteten Ehrverletzungen handelt es sich um mittelbare Nachteile, die ebenso wie die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen von angefochtenen Beschlüsse (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – V ZR 63/18, Grundeigentum 2019, 315 Rn. 4; Beschluss vom 6. November 2014 – V ZR 11/14, Grundeigentum 2015, 252 Rn. 4 jeweils mwN) bei der Ermittlung der Beschwer außer Betracht bleiben (vgl. auch Senat, Beschluss vom 2. Juli 2020 – V ZB 137/19, NJW-RR 2020, 1004 Rn. 8). Ansprüche, die der Beseitigung der von der Klägerin behaupteten Verletzungen der Persönlichkeitsrechte ihres Gesellschafters dienen, sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
III.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG.
Stresemann     
      
Brückner     
      
Weinland
      
Kazele     
      
Hamdorf     
      


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