Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Betretungsrecht nach dem Zweckentfremdungsgesetz

Aktenzeichen  M 9 S 19.1004

Datum:
11.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11951
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayZwEWG Art. 3 Abs. 1
BayVwVfG Art. 41 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Die Betretungsanordnung nach Art. 3 Abs. 3 BayZwEWG stellt keine Durchsuchung, sondern einen sonstigen Eingriff im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG dar, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Betretungsrecht nach dem Zweckentfremdungsgesetz setzt das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine zweckfremde Nutzung voraus, aus denen die Erforderlichkeit der Überwachung der Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots – durch Nachschau – hergeleitet werden kann. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller greifen eine Betretungsanordnung an.
Bescheidobjekt sind Räumlichkeiten – Erdgeschoss und ein Zimmer im Dachgeschoss – eines Einfamilienhaus im W.-Weg 12 (vgl. zu den Bauplänen Bl. P1 ff. d. Behördenakts – i. F.: BA -). Das Objekt steht insgesamt im Miteigentum des Antragstellers zu 2. (Bl. 8 d. BA). Der Antragsteller zu 1. war, wie dem Gericht – und in der Folge der Antragsgegnerin – mit Schriftsätzen vom 14. bzw. 18. Mai 2019 im Verfahren M 9 S 19.2343 mitgeteilt wurde, bis zum 31. Januar 2019 Mieter des Objekts (Bl. 40, 67 d. BA, Bl. 48ff., 56ff. d. Gerichtsakts M 9 S 19.2343). Beide Antragsteller werden im zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren von der im Rubrum genannten Kanzlei vertreten (Bl. 22 f., 109ff. d. BA).
Nachdem eine anonyme Anzeige bei der Antragsgegnerin eingegangen war, die einen Verdacht auf zweckfremde Nutzung des oben genannten Objekts äußerte und nach umfangreichen Ermittlungen und Schriftverkehr v. a. mit dem Antragsteller zu 2. bzw. mit der Bevollmächtigten wurde die Antragstellerseite unter dem 17. Oktober 2018 zum Erlass der beabsichtigten Maßnahme angehört (Bl. 116f. d. BA).
Der Antragsteller zu 2. hatte zwischenzeitlich bereits Klage erhoben (M 9 K 18.5199). Er begehrt im Hauptsacheverfahren den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids und die Herausgabe der Daten des Anzeigeerstatters (Klageschrift vom 18. Oktober 2018). Das obige Anhörungsschreiben vom 17. Oktober 2018 wurde von der Klägerseite im Hauptsacheverfahren vorgelegt. Es wurde darauf verwiesen, dass die Klärung, ob die Antragsgegnerin aufgrund von ZwEWG und ZeS zwingend ein Betretungsrecht ableiten könne, von grundsätzlicher Bedeutung sei; der Antragsteller zu 2. habe alle erforderlichen Unterlagen zur Beurteilung, ob eine zweckfremde Nutzung stattfinde, vorgelegt.
Weitere Anträge wurden im Hauptsacheverfahren nicht gestellt.
Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller zu 1. mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. Februar 2019, Gz. S-III-W/BS 112, zugestellt gegen Postzustellungsurkunde am 22. Februar 2019 (Bl. 144f. d. BA), auf, den Beauftragten des Amtes für Wohnen und Migration zur Durchführung einer Besichtigung Zutritt zu der Wohneinheit zu gewähren (Ziff. I), setzte für Dienstag, den 12. März 2019, 10:00 Uhr, einen Besichtigungstermin fest (Ziff. II), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziff. I und II an (Ziff. III) und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- EUR an für den Fall, dass den Verpflichtungen aus Ziff. I und II nicht nachgekommen werde (Ziff. IV). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO (auf § 117 Abs. 3 VwGO kann auch im Rahmen von Eilbeschlüssen zurückgegriffen werden, Eyermann, VwGO, Stand: 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 2).
Die Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 1. März 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag, unter Beigabe eines umfangreichen Anlagenkonvoluts Eilantrag gestellt. Sie beantragt namens und im Auftrag beider Antragsteller,
für den Bescheid vom 19. Februar 2019 in allen Ziffern die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die „streitgegenständliche Wohnung“ habe dem regulären Wohnungsmarkt zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden, sie werde vielmehr durchgängig von den Eigentümern selbst genutzt. Sie eigne sich nicht zur generellen Vermietung auf dem Wohnungsmarkt. Dies folge daraus, dass sich der Eigentümer auf eine Einliegerwohnung im Obergeschoss beschränke, die über keinen eigenen Zugang verfüge, sondern nur über die Treppe der restlichen Wohnung zugänglich sei. Die gewählte Form der Vermietung sei somit die einzig mögliche, da bspw. eine Familie die Durchgangssituation nicht akzeptiere. Die logische Konsequenz daraus wäre die Nutzung auch der streitgegenständlichen Räume durch den Eigentümer mit der Folge, dass diese dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Die Vermietung erfolge an eine Firma, welche die Räumlichkeiten ihren Monteuren unentgeltlich während der Dauer ihres Arbeitsaufenthaltes zur Verfügung stellt; es liege keine gewerbliche Vermietung vor. Die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen habe die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 13. Juni, 9. August und 11. September 2018 zum Az. M 9 K 18.5199 erhalten. Es gebe angesichts dessen keine rechtliche Grundlage für das Betreten der Wohnung, da es an Anzeichen für eine zweckfremde Nutzung fehle. Ein Betreten wäre zudem nur auf Basis richterlicher Anordnung zulässig, Art. 13 Abs. 2 GG. Die Betretungsanordnung sei unverhältnismäßig. Auf das Vorbringen im Übrigen wird Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Auf das Vorbringen wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten in allen Verfahren (M 9 K 18.5199, M 9 S 19.1004 und M 9 S 19.2343) sowie der vorgelegten Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Er ist bereits unzulässig.
Dies folgt für den Antragsteller zu 2. daraus, dass er nicht Inhaltsadressat des Bescheids ist, wie unzweideutig aus Tenor und Begründung des Bescheids vom 19. Februar 2019 hervorgeht. Dort heißt es:
Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin G.,
die Landeshauptstadt München – Sozialreferat (…) – erlässt gegenüber ihrer Mandantin, der Firma M. (Anm.: = Antragsteller zu 1.), folgenden Bescheid:
Zugestellt wurde an die Kanzlei der Bevollmächtigten, die auch im Adressfeld genannt ist. Diese ist Bekanntgabeadressatin, Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG (BeckOK VwVfG, Stand: 43. Ed. 1.4.2019, § 41 Rn. 41). Inhaltsadressat – oder enger: materieller Adressat – dagegen ist nur der Antragsteller zu 1., da nur er durch die hoheitliche Regelung unmittelbar verpflichtet werden soll (vgl. Mann u.a., VwVfG, Stand: 1. Aufl. 2014, § 41 Rn. 35ff.; Stelkens u.a., VwVfG, Stand: 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 29). Der Antragsteller zu 2. dagegen wird durch den Bescheid nicht belastet, es fehlt an der Klage- und damit auch an der Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO (analog). Dementsprechend dürfte, worauf ergänzend hingewiesen wird, auch eine Drittbetroffenheit, Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BayVwVfG, des Eigentümer-Vermieters bei einer Betretungsanordnung nicht vorliegen, wenn der Eigentümer/Vermieter den Wohnraum selbst nicht innehat, denn dann ist er nicht Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG (BVerfG, B.v. 9.7.2009 – 2 BvR 1119/05 u.a. – NVwZ 2009, 1281; Maunz/Dürig, GG, Stand: 86. EL Januar 2019, Art. 13 Rn. 12).
Für den Antragsteller zu 1. folgt die Unzulässigkeit daraus, dass kein adäquater Hauptsacherechtsbehelf eingelegt wurde, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass in der Hauptsache bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren eine Anfechtungsklage erhoben wird, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann, vgl. auch § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO; dies ist ein Gebot der Logik (Eyermann, VwGO, Stand: 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 81). Auch die Bevollmächtigte erkennt dies an sich, verweist sie doch im Eilantrag, S. 2, darauf, dass der Eilantrag auch vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig sei. In der Hauptsache aber wurde nur eine Verpflichtungsklage erhoben, wie unzweifelhaft bereits aus der Überschrift des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2018 („Verpflichtungsklage“) und auch aus den Anträgen hervorgeht. Das adäquate Mittel zur Flankierung einer Verpflichtungsklage aber ist ein Antrag nach § 123 VwGO.
Hinsichtlich der Bestandteile der Betretungsanordnung wird auf Folgendes hingewiesen (vgl. auch VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris): Durch Verstreichen des Termins (12. März) ist hinsichtlich Ziff. I des Bescheids keine Erledigung eingetreten, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG, unabhängig davon, ob die Räumlichkeiten betreten wurden oder nicht. Das Besichtigungsrecht in Ziff. I des Bescheids wurde nämlich nicht allein für den in der folgenden Ziff. II genannten Termin angeordnet, sondern ohne Zeitbestimmung. Die Terminbestimmung in Ziff. II ist (nur) als Fristsetzung im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG anzusehen (sog. Vollstreckungs- oder Erfüllungsfrist), verbunden mit der Zwangsgeldandrohung in Ziff. III des Bescheids (BayVGH, B.v. 9.11.2010 – 12 CS 10.2508 – juris Rn. 50; B.v. 5.9.1990 – 25 CS 90.1465 – NVwZ 1991, 688; VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris; a. A. BayVGH, B.v. 23.1.2006 – 4 CS 05.3041 – juris). Sie legt die „gehörige Zeit“ im Sinne von Art. 31 Abs. 1 VwZVG fest und sorgt dafür, dass das Zwangsgeld fällig werden kann, stellt aber keinen integrierenden Bestandteil der Anordnung in Ziff. I – einer Duldungsanordnung (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.1990 – 25 CS 90.1465 – NVwZ 1991, 688, 690) – dar. Hierfür spricht bereits der Charakter der Frist als Befolgungsfrist, nicht als Verpflichtungsentstehungsfrist. Auch dem Gehalt der Verfügung ist zu entnehmen, dass die Frist lediglich der Herstellung eines Rahmens für die konkrete Terminabstimmung sowie als Grundlage für die Zwangsmittelandrohung dienen sollte (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 22.7.2010 – 11 L 805/10 – juris Rn. 8).
Dass sich der konkrete Termin, Ziff. II, durch Zeitablauf erledigt hat, ist für das Betretungsrecht an sich unbedeutend, da es sich um keinen eigenständigen Verwaltungsakt handelt.
Unabhängig davon werden im Sinne des Rechtsfriedens – der Antragsteller zu 2. wünscht einen gerichtlichen Beschluss, bevor er Zutritt gewährt (vgl. auch die Bescheidgründe, S. 3) – und im Hinblick darauf, dass die „interne“ Nutzung des Objekts bzw. die Aufteilung im Objekt fraglich ist, folgende inhaltliche Hinweise gegeben:
Der Antrag ist auch unbegründet.
Im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn es im Wege einer eigenen, originären Ermessensentscheidung zum Ergebnis kommt, dass das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Nichtvollzug des Verwaltungsakts das öffentliche Interesse an seiner sofortigen Vollziehung überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung hat sich dabei maßgeblich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu orientieren, § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog, die das Gericht summarisch überprüft.
Hier überwiegt nach diesen Maßstäben das behördliche Vollzugsinteresse, da die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die Anordnungen in Ziff. I und in Ziff. II des Bescheids – i. F. zusammengefasst: Betretungsanordnung – sind nach summarischer Prüfung ebenso rechtmäßig (1.) wie die Zwangsgeldandrohung in Ziff. IV des Bescheids (2.), § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Betretungsanordnung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die kraft Gesetzes sofort vollziehbare – vgl. Art. 3 Abs. 3 des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864, BayRS 2330-11-B), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182) – Betretungsanordnung ist Art. 3 Abs. 1 Satz 1, 2 ZwEWG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 der Satzung der Antragsgegnerin über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 5. Dezember 2017, bekanntgemacht am 11. Dezember 2017 (MüABl. S. 494).
Danach haben die dinglich Verfügungsberechtigten, Besitzer, Verwalter und Vermittler den von der Gemeinde beauftragten Personen zu ermöglichen, zu angemessener Tageszeit Grundstücke, Gebäude, Wohnungen und Wohnräume zu betreten, wenn dies erforderlich ist, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überwachen.
Nachdem die sofortige Vollziehung von Ziff. I und II nach der Gesetzesnovelle nicht mehr separat angeordnet werden muss, ist Ziff. III des hiesigen Bescheids überobligatorisch und offensichtlich einem Versehen geschuldet, das die Anordnung in der Sache aber nicht rechtswidrig macht.
b) Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsgrundlage nicht verfassungskonform sein könnte, bestehen nicht.
Nach Art. 13 Abs. 2 GG dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. Nach Art. 13 Abs. 7 GG dürfen Eingriffe und Beschränkungen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Ein Durchsuchen als ziel- und zweckgerichtetes Suchen staatlicher Amtsträger in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (dazu BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36/06 – NJW 2006, 2504; ebenfalls bei VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris; B.v. 11.4.2016 – M 9 S 16.1595 – unveröffentlicht; BeckOK Grundgesetz, Stand: 40. Ed. 15.2.2019, Art. 13 Rn. 12), ist im Fall der Wahrnehmung eines Betretungs- bzw. Besichtigungsrechts nicht gegeben. Letzteres stellt vielmehr – und auch das nur dann, wenn eine Wohnung im engeren Sinne betroffen ist – lediglich einen sonstigen Eingriff im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG dar (BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36/06 – a. a. O.; Maunz/Dürig, GG, Stand: 85. EL November 2018, Art. 13 Rn. 24). Die von Art. 13 Abs. 7 GG formulierten Voraussetzungen sind erfüllt: Das Betretungsrecht ist in einem förmlichen Gesetz, dem ZwEWG, geregelt. Gesetzeszweck ist die Bekämpfung der Raumnot, Art. 1 Satz 1 ZwEWG, und damit die Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ein Richtervorbehalt musste nicht normiert werden. Schließlich ist auch dem Zitiergebot, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 106 Abs. 3, 98 Satz 2 BV, mit Art. 5 ZwEWG Genüge getan.
c) Tatbestandlich setzt das Betretungsrecht, Art. 3 Abs. 1 Satz 1, 2 ZwEWG, § 12 Abs. 1 Satz 1 ZeS, unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 13 Abs. 7 GG das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine zweckfremde Nutzung voraus, aus denen die Erforderlichkeit der Überwachung der Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots – durch Nachschau – hergeleitet werden kann (vgl. nur BayVGH, B.v. 9.11.2010 – 12 CS 10.2508 – juris; VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris; B.v. 11.4.2016 – M 9 S 16.1595 – unveröffentlicht; B.v. 26.09.2013 – M 8 S 13.4280 – juris; auch VG München, U.v. 12.12.2018 – M 9 K 18.4553 – juris; zum Betretungsrecht der Baufaufsichtsbehörden: BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 1 ZB 14.1937 – juris; B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris). Die Regelung ist gleichzeitig Ausdruck und fachgesetzliche Festschreibung einer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit, Art. 26 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG (zum Betretungsrecht Stelkens u. a., VwVfG, Stand: 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 57), und rechtfertigt sich daraus, dass die Frage, wie eine Wohnung genutzt wird, ausschließlich die Sphäre des Verfügungsberechtigten betrifft. Eingriffe in und Beschränkungen des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung – hier: Besichtigung – sind dabei bereits dann zulässig, wenn sie dem Zweck dienen, einen Zustand – hier: zu Recht vermutete zweckfremde Nutzung – nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde (statt aller BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36/06 – NJW 2006, 2504 m. w. N.).
Vorliegend ist das Betretungsrecht nach Aktenlage und nach dem Vortrag der Beteiligten eröffnet.
Anlass des zweckentfremdungsrechtlichen Verfahrens war eine anonyme Anzeige, wonach das Objekt durch drei bis sieben Schlafgäste bzw. Arbeitskräfte genutzt werde. Es handele sich nicht immer um dieselben Arbeiter. Es erfolge wohl in unterschiedlichen zeitlichen Abständen immer wieder ein Austausch (zum Ganzen Bl. 1 d. BA). Diese Behauptungen wurden durch den Vortrag der Antragstellerseite mindestens teilweise bestätigt. Demnach seien die Räumlichkeiten tatsächlich an Monteure vergeben, die dort für die Dauer ihres Arbeitsaufenthalts im Raum München und Südbayern wohnten. Diese hätten das Objekt aber nicht selbst angemietet, sondern erhielten die Räumlichkeiten unentgeltlich vom Antragsteller zu 1. zur Verfügung gestellt. Diese Nutzung als Monteursunterkunft (Bl. 51 d. BA) sei zulässig. Nach dem dazu vorgelegten Mietvertrag vom 17. Mai 2017 (Bl. 38ff., 65ff. d. BA) war der Mieter (= Antragsteller zu 1.) berechtigt, die Räume an maximal vier eigene Mitarbeiter zu überlassen. Es wurde eine Dauer von mindestens 24 Monaten angestrebt, wobei eine „mindestens zu vereinbarende Mietdauer“ von 12 Monaten vereinbart wurde. Darüber hinaus wurde aber u. a. eine Abstufung des Mietzinses je nach Dauer des Mietverhältnisses vereinbart, auch für den Fall, dass das Mietverhältnis vor Ablauf der Mindestdauer ende („… erhöht sich der monatliche Mietzins für jeden nicht vollständig erreichten 6-Monats-Zeitraum“). Das Mietverhältnis begann am 1. Juni 2017. Es endete zum 31. Januar 2019 aufgrund Kündigungserklärung vom 24. Januar 2019.
Nach am 10. April 2018, am 21. Juni 2018 und am 13. September 2018 eingeholten Einwohnermeldeauskünften waren im Objekt neben dem Antragsteller zu 2. drei weitere Personen gemeldet (Bl. 16, 81, 112 d. BA).
Die von Antragstellerseite vorgelegte „Dokumentation EFH mit Einliegerwohnung“ (Bl. 54ff. d. BA) weist ebenfalls auf flexible Anmietungsmöglichkeiten hin. Zudem wird das Schlafzimmer im Dachgeschoss („Eltern“) in den beigegebenen Grundrissplänen gegenüber dem angrenzenden Flur, der die sog. Einliegerwohnung erschließt, als geschlossen dargestellt, wohingegen die genehmigten Baupläne dort eine weitere Tür ausweisen (Bl. P3 d. BA und Bl. 61 d. BA).
Allein diese Gesichtspunkte reichen ohne weiteres aus, um vom Betretungsrecht Gebrauch zu machen, da konkrete Anhaltspunkte für eine zweckfremde Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten und eventuell sogar des gesamten Objekts bestehen, Art. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 ZeS. Die vom Gesetz vorgesehene 50%-Schwelle wird – dies dürfte unstreitig sein – ohne Weiteres überschritten, da die vom Eigentümer-Vermieter angeblich genutzte Einliegerwohnung nur bis zu 25 m² umfasst, je nachdem, ob der Flur hinzuzuzählen ist oder nicht. Wie die weitere Nutzung im Objekt konkret vonstattengeht, ist – auch auf Basis der vorgelegten Unterlagen – unklar.
Die Antragsgegnerin unternahm erhebliche Anstrengungen, um von der Antragstellerseite belastbare Informationen über die Nutzung zu erhalten bzw., um einen gemeinsamen Besichtigungstermin zustande zu bringen. Auf die Anschreiben vom 18. April 2018 (Bl. 19 d. BA), vom 28. Juni 2018 (Bl. 83 d. BA), vom 3. September 2018 (Bl. 108 d. BA) und vom 17. Oktober 2018 (Bl. 117 d. BA) wird verwiesen. Die Antragstellerseite trat dem entgegen, ohne weitere Sachaufklärung zu ermöglichen. Insbesondere die mit Schreiben vom 13. Juni 2018 (Bl. 27ff., 54ff. und 68ff. d. BA) vorgelegten Fotografien bringen keinen Erkenntnisgewinn, da sie keine Zuordnung zum Objekt zulassen, insbesondere nicht von einem Amtswalter aufgenommen wurden, da sie kein Datum aufweisen und da sie die Zusammenhänge gerade in Bezug auf die „Gemeinschaftsflächen“ (Flur usw.) nicht aufzeigen, vgl. auch sogleich. Überspitzt gesagt ist auch nach diesen Aufnahmen nicht auszuschließen, dass jedes der genannten Zimmer mittlerweile mit 2 Stockbetten ausgestattet ist.
Die angeordnete Zulassung der Wohnungsbesichtigung durch die Bediensteten der Antragsgegnerin ist auch geeignet, notwendig und verhältnismäßig im engeren Sinne, um die Einhaltung der zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften zu überwachen.
Die Besichtigung ist geeignet und notwendig, um weitere Aufklärung dahingehend zu betreiben, ob – und wenn, in welchen Bereichen – eine unzulässige gewerbliche Nutzung und/oder Fremdenbeherbergung stattfindet. Dies gilt generell für den „Eindruck vor Ort“. Bspw. wird aufzuklären sein, ob eine Mitbenutzung der sog. Einliegerwohnung im Dachgeschoss stattfinden kann oder bspw. durch Schlösser – zum Flur bzw. an der Tür vom Flur zum Treppenhaus – verhindert wird. Fraglich ist weiter bspw., ob Umbauten tatsächlich stattgefunden haben, die einen Durchgang vom mitvermieteten Schlafzimmer („Eltern“) in den Dachgeschossflur verhindern. Ebenso wenig geben die Unterlagen Aufschluss darüber, wie der Keller genutzt wird, der laut Mietvertrag mitbenutzt werden darf, vgl. Bl. 67 d. BA. Auch die Ausstattung und Möblierung des Erdgeschosses und des mitvermieteten Zimmers im Dachgeschoss ist durch Amtswalter zu dokumentieren. Gerade in einem angeblich „fließend“ genutzten Objekt wie diesem ist ein Ortstermin unabdingbar, auch unter dem Eindruck, dass wohl abweichend von Bauvorlagen gebaut wurde.
All dies ist auch ohne ein Durchsuchen im Sinne eines gezielten „Aufspürens“ verborgener Dinge feststellbar (dazu BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36/06 – NJW 2006, 2504; VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris). Auch ist nur so zu verifizieren, ob die vorgelegten Fotos tatsächlich in dem Anwesen aufgenommen wurden. Bei einer solchen Ortseinsicht könnten im Übrigen auch der Antragstellerseite günstige Umstände festgestellt werden, bspw., dass eine räumliche Trennung tatsächlich herbeigeführt wurde, soweit dies möglich ist.
Die Anordnung war darüber hinaus auch erforderlich, da mehrfache Terminfestsetzungen fruchtlos geblieben sind. Eine Besichtigung des Anwesens von außen lässt keine gleichwertige Beurteilung des Nutzungsumfanges zu. Es handelt sich um das mildeste Mittel, das im vorliegenden Fall angewandt werden konnte; auf eine Einsicht durch die Fenster muss sich die Behörde regelmäßig nicht verweisen lassen (BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 1 ZB 14.1937 – juris; B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris zum baurechtlichen Betretungsrecht; VG München, U.v. 3.4.2019 – M 9 K 19.1398 – juris zum Zweckentfremdungsrecht). Der Antragsgegnerin müssen allein angesichts der ihr aufgegebenen Amtsermittlungspflicht, Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, – als Pendant – alle Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält – und nach Obigem: für erforderlich halten darf – zur Verfügung stehen; die Antragsgegnerin kann damit insbesondere auch Augenscheine einnehmen, Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayVwVfG.
Bei alledem ist auch im Blick zu behalten, dass die Betretungsanordnung zunächst nur weitere Ermittlungen im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Zweckentfremdungsrecht ermöglichen soll und keinen übermäßigen Eingriff darstellt. Die Erkenntnisse würden im Folgenden aus- und in Zusammenschau mit etwaigen weiteren Erkenntnismitteln bewertet. In Betracht kommen dabei bspw. Unterlagen des ehemaligen Mieters zur tatsächlichen Nutzung des Objekts, Belegungspläne, Nachweise über hier durchgeführte Projekte und dabei eingesetzte Arbeiter. Generell müsste auch entschieden werden, wie mit der flexibilisierten Nutzungsmöglichkeit – siehe Mietvertrag – umzugehen ist, nachdem dieses Nutzungskonzept nach Kenntnis des Gerichts wohl fortgesetzt werden soll (vgl. den neuen, allerdings in Teilen geschwärzten Mietvertrag vom 15. Februar 2019 und das Schreiben des Antragstellers zu 2. an die Antragsgegnerin vom 3. Juni 2019). Die der streitgegenständlichen Anordnung zugrunde liegende Vermietung zeigt, dass die vorgeblich angestrebten langfristigen Nutzungszeiten bereits mit dem jeweiligen „Weitervermittler“ – d. h. mit dem Mieter, der die Räumlichkeiten seinen Arbeitnehmern zur Verfügung stellt – nicht ohne weiteres erreicht werden können, sondern dass die Mietdauer projektbezogen ist. Dies gilt umso mehr für die Endnutzer, d. h. die Arbeiter, die unter Umständen nur wenige Tage im Objekt verbringen; Letzteres ist nach der Gestaltung der Nutzungsverhältnisse gerade nicht ausgeschlossen. Dass der Tatbestand der Zweckentfremdung erfüllt ist, muss gegenwärtig noch nicht feststehen. Die Behörde sah dementsprechend bewusst von massiveren Eingriffen wie einer Nutzungsuntersagung ab und versuchte stattdessen, sich eine (noch) fundierte(re) Tatsachengrundlage zu verschaffen, was korrekt ist und eigentlich völlig im Sinne der Antragstellerseite sein sollte. Auch eine Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist damit zu bejahen.
Nur ergänzend wird deshalb darauf hingewiesen, dass von vorn herein irrelevant ist, ob die Räumlichkeiten oder das Objekt im Ganzen dem „allgemeinen“ Wohnungsmarkt zur Verfügung stünden, wenn eine etwaige zweckfremde Nutzung aufgegeben würde. Entscheidend ist, dass eine Dauerwohnnutzung rechtlich zulässig wäre: Wohnraumverlust „für die Allgemeinheit“ ist keine Voraussetzung für die Anwendung des Zweckentfremdungsrechts (vgl. nur VG München, U.v. 17.1.2018 – M 9 K 17.4119 – juris; VG Berlin, U.v. 9.8.2016 – 6 K 112.16 – juris Rn. 35; Discher, ZfIR 2017, 469).
d) Der Antragsteller zu 1. war als Nutzer des Erdgeschosses und des mitvermieteten Zimmers im Dachgeschoss auch korrekter Adressat der Verfügung, Art. 3 Abs. 1 Satz 1, 2 ZwEWG, § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 ZeS. Dass die sog. Einliegerwohnung im Dachgeschoss vorgeblich weiter durch den Antragsteller zu 2. genutzt wurde (und wird), nötigte nicht dazu, diesen als weiteren Adressaten zu führen. Vielmehr ist das Vorgehen der Antragsgegnerin nachvollziehbar, versuchte sie so doch, die Belastungen möglichst gering zu halten und konnte sie sich zunächst auch mit der Einsicht in die genannten Räumlichkeiten begnügen, weil bereits diese Einsicht weitere Erkenntnisse bringen dürfte. Zudem erfolgt der Zugang zur Einliegerwohnung nach den vorgelegten Unterlagen und nach dem Vortrag der Beteiligten durch die von der Betretungsanordnung betroffenen Räumlichkeiten und nicht andersherum. Weiter bleibt eine entsprechende Anordnung gegenüber dem Antragsteller zu 2. möglich. Dass der Antragsteller zu 1. zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nach Erklärung der Bevollmächtigten bereits nicht mehr Mieter des Objekts gewesen sein soll – das Mietverhältnis sei Ende Januar 2019 beendet worden -, ist irrelevant, da dies dem Gericht und der Antragsgegnerin erstmals mit Schriftsatz vom 14. Mai bzw. 18. Mai 2019 zur Kenntnis gebracht wurde. Zuvor wurde stets die fortdauernde Vermietung an den Antragsteller zu 1. behauptet, bspw. mit Schriftsatz vom 1. März 2019.
2. Die kraft Gesetzes sofort vollziehbare – Art. 21a Satz 1 VwZVG – Zwangsgeldandrohung, Ziff. IV des Bescheids, ist bei summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig. Sie hält den durch Art. 29, 31, 36 VwZVG gesetzten Rahmen ein und erscheint auch der Höhe nach nicht unangemessen. Dass „den Verpflichtungen“ aus Ziff. I und II kumulativ nachzukommen ist, versteht sich von selbst und bleibt ebenfalls unbeanstandet.
Die Kostenentscheidung, Ziff. II des Beschlusses, beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung, Ziff. III des Beschlusses, auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31.Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.


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