Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erfassung wohnungsfremden Stroms durch Zähler der Mietwohnung ist Mietmangel

Aktenzeichen  5 C 2370/17

Datum:
26.2.2018
Fundstelle:
WuM – 2018, 711
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 536

 

Leitsatz

1. Ist der Stromkreislauf der gemieteten Wohnung so geschaltet, dasss neben dem Verbrauch des Mieters auch der Allgemeinstrom über den Zähler der Mietwohnung erfasst wird, liegt ein Zustand der Mietsache vor, der nachteilig von dem vertraglich vereinbarten abweicht.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der vertragliche Zustand umfasst nicht nur ausdrücklich benannte Eigenschaften, sondern im Wege der Vertragsauslegung auch den Zustand, über den sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters die Parteien mit dem Abschluss des Vertrags geeinigt haben. Regelmäßig kann als Normalfall erwartet werden, dass die Mietsache so beschaffen ist, dass nicht fremder Strom über den zur Wohnung gehörenden Zahler mitbezahlt wird. Entsprechend wären in der schriftlichen Fassung des Mietvertrags oder in sonstigen Umständen bei Vertragsschluss deutliche Anhaltspunkte zu erwarten, wenn dies dennoch der Fall ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Stromkreislauf, der derzeit den Stromverbrauch der Mietwohnung der Klägerin, … und der … insgesamt erfasst, in separate Stromkreisläufe zu trennen und mit separaten Stromzählern auszustatten.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.300,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.105,55 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Trennung der Stromkreisläufe.
1. Die Klägerin hat aus dem Mietvertrag nach § 535 BGB Anspruch auf Überlassung der Wohnung im mangelfreien Zustand. Bei der bisherigen Beschaffenheit des Stromkreislaufs der gemieteten Wohnung, bei dem der Allgemeinstrom über den Zähler der Klägerin erfasst wird, handelt es sich um einen Mietmangel im Sinne der §§ 535, 536 BGB. Ein solcher liegt vor, wenn der Zustand der Mietsache für den Mieter nachteilig von dem vertraglich vereinbarten Zustand abweicht (Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl. 2018, § 536 Rn. 16). Der vertragliche Zustand umfasst nicht nur ausdrücklich benannte Eigenschaften, sondern im Wege der Vertragsauslegung auch den Zustand, über den sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters die Parteien mit dem Abschluss des Vertrags geeinigt haben. Regelmäßig kann als Normalfall erwartet werden, dass die Mietsache so beschaffen ist, dass nicht fremder Strom über den zur Wohnung gehörenden Zahler mitbezahlt wird. Entsprechend wären in der schriftlichen Fassung des Mietvertrags oder in sonstigen Umständen bei Vertragsschluss deutliche Anhaltspunkte zu erwarten, wenn dies dennoch der Fall ist. Andernfalls handelt es sich bei einem Stromkreislauf, über den auch wohnungsfremder Strom erfasst wird, um einen Mietmangel (AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 21.10.2003, 220 C 456/02, AG Erding, Urteil vom 30.03.3017, 3 C 3386/16). Im vorliegenden Fall spricht nichts für eine Abrede, wonach der Stromkreislauf auch Allgemeinstrom umfasst. Letztlich hat dies auch die Beklagte nicht nachvollziehbar behauptet.
2. Das Vorhandensein des Zwischenzählers oder anderer Möglichkeiten, den Stromverbrauch zu schätzen ist zur Herstellung eines vertragsgemäßen Zustands nicht geeignet. Es erscheint zwar grundsätzlich denkbar, über Schätzungen, Ablesungen oder etwa die Vorleistung des Vermieters hinsichtlich der gesamten Stromkosten einen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach den Gesamtumständen keinen Anlass hat, in eine interessengerechte Abrechnung zu vertrauen. Dies ergibt sich aus dem bisherigen Umgang mit dem Mietmangel. Insbesondere wurde ihr zunächst 2014 die Erfassung nicht mitgeteilt und ihr somit die Bezahlung des Allgemeinstroms auferlegt, wobei es der Klägerin oblag durch Klage und Beweiserhebung ihre Rechte gegen den Widerstand der Beklagten durchzusetzen. Eine Erfassung über den Zwischenzähler erfolgte wiederum nur zögerlich. Es erfolgte stattdessen zunächst eine Erstattung auf der Grundlage einer Schätzung, wobei die Parteien darüber stritten, ob diese zutreffend war. Auf eine zutreffende Erfassung und Abrechnung über den Zwischenzähler kann die Klägerin daher nicht vertrauen. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nunmehr die Klägerin auf andere Art und Weise als die Trennung der Stromkreisläufe von den Kosten des Allgemeinstroms entlasten wird, gibt es nicht. Schriftsätzlich wies die Beklagte auch eine Beteiligung an den Abschlagszahlungen von sich. Letztlich tritt nach wie vor die Klägerin mit von ihr nicht zu beherrschenden Abschlagszahlungen in Vorleistung, wobei die Durchsetzung des Ausgleichs mit erheblichem Aufwand und Risiken verbunden sein kann. Vor diesem Hintergrund ist auch mit Rücksicht auf die gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien der Anschluss nicht als wirtschaftlich unzumutbar ausgeschlossen. Die Beklagte hat hier bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Kosten erheblich höhere Kosten als 1.000,00 € verursachen würde, da ein neuer Zählerschrank installiert werden müsste. Dies erscheint jedoch nach den Gesamtumständen gerechtfertigt. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine auf Dauer erforderliche und nutzbare Investition handelt, die insbesondere angesichts der monatlichen Mietzahlungen und des erheblichen Aufwands für eine sonstige Erfassung auch nicht völlig unwirtschaftlich erscheint. Soweit die Beklagtenseite mit Schreiben vom 16.02.2018, mit Anlage eingegangen am 19.02.2018 unter Beweisantritt die Kosten auf 2.000,00-3.000,00 € bezifferte, so ist dies von der Klägerseite bestritten und als verspäteter Vortrag zurückzuweisen. Die Gewährung einer Stellungnahmefrist war nicht veranlasst, die Frage der Wirtschaftlichkeit war in den Schriftsätzen der Parteien mehrfach aufgeworfen worden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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