Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erfolgreiche Beschwerde des Hinterlegungsgläubigers mangels schlüssigen Vortrags zum Annahmeverzug

Aktenzeichen  70 4 HL 287/19

Datum:
4.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12360
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 294, § 295, § 296, § 372 S. 1

 

Leitsatz

Auf die Beschwerde des Hinterlegungsgläubigers ist der Hinterlegungsbescheid aufzuheben, wenn der Hinterleger keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich der Annahmeverzug des Gläubigers ergibt.  (Rn. 20 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des möglichen Empfängers … vom 15.10.2019 wird der Bescheid des Amtsgerichts Nürnberg vom 04.10.2019 über die Annahme einer Geldsumme in Höhe von 191.437,39 € zur Hinterlegung samt Änderungsbescheid vom 05.11.2019 aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde des möglichen Empfängers … vom 25.10.2019 wird der Bescheid des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.10.2019 über die Annahme einer Geldsumme in Höhe von 648,06 € zur Hinterlegung samt Änderungsbescheid vom 05.11.2019 aufgehoben.
3. Es wird die Herausgabe der hinterlegten Geldbeträge in Höhe von 191.437,39 € und 684,06 € an die Hinterlegerin angeordnet.

Gründe

I.
Mit Antrag vom 01.10.2019, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am 04.10.2019, beantragte die Hinterlegerin beim Amtsgericht Nürnberg die Hinterlegung eines Geldbetrags in Höhe von 191.437,39 € zugunsten des Empfangsberechtigten ….
Mit Antrag vom 22.10.2019, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am 23.10.2019, beantragte die Hinterlegerin beim Amtsgericht Nürnberg die Hinterlegung eines Geldbetrags in Höhe von 648,06 € zugunsten des Empfangsberechtigten ….
Zur Begründung führte die Hinterlegerin aus, dass der Empfänger sich seit spätestens 15.08.2019 im Gläubigerannahmeverzug befinde. Er sei mit Schreiben von Rechtsanwalt … vom 01.08.2019 aufgefordert worden, seine Forderung konkret der Höhe nach darzulegen, damit Zug um Zug gegen die Zahlung erforderliche Löschungsbewilligungen erteilt und ein Schuldanerkenntnis herausgegeben werden könnten. Insofern sei Fristsetzung bis 15.08.2019 erfolgt und mit E-Mail vom 16.08.2019 sei nochmals die Möglichkeit gegeben worden, aufgrund einer einvernehmlichen Festlegung der Forderung Zug um Zug die Löschung etc. zu veranlassen. Bereits in dieser E-Mail sei auf die Möglichkeit einer Hinterlegung hingewiesen worden.
Aus den von ihr zur Begründung des Hinterlegungsantrags vorgelegten Unterlagen ergibt sich inhaltlich Folgendes:
Mit Schreiben vom 01.08.2019 (Bl. 2, 3 d.A.) erklärte Rechtsanwalt … dem möglichen Empfänger …, dass Klärungsbedarf hinsichtlich der Kündigung des Darlehensvertrags und der Berechnung des von … mit Schreiben vom 20.12.2018 bezifferten Rückzahlungsbetrags bestehe und dass zudem die der Forderung zugrundeliegende Forderungsaufstellung einer Überarbeitung bedürfe.
Ferner stellte Rechtsanwalt … dem möglichen Empfänger … im Falle der von ihm angesprochenen Korrekturen ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht einen Verzugsbeginn zum 01.12.2018 für die Berechnung der Darlehensschulden in Aussicht, wobei er die von dem möglichen Empfänger … berechnete Höhe des Verzugszinses monierte.
Auf den weiteren Vortrag der Hinterlegerin in dem Hinterlegungsantrag vom 01.10.2019 (Bl. 5, 6 d.A.) und die vorgelegten Anlagen (Bl. 2, 3, 17-15 d.A.) wird Bezug genommen.
Hinsichtlich des Hinterlegungsantrags vom 22.10.2019 bezog sich die Hinterlegerin auf den dem Hinterlegungsantrag vom 01.10.2019 zugrunde liegenden Sachverhalt mit der Ergänzung, dass diese Hinterlegung den Zinsbetrag für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum Eingang des Hinterlegungsbetrags bei der Landesjustizkasse Bamberg gemäß Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 08.10.2019 betreffe.
Mit Bescheid vom 04.10.2019 wurde die Annahme der Geldsumme in Höhe von 191.437,39 € zur Hinterlegung angeordnet. Die Hinterlegung wurde mit Einzahlung des Geldbetrags am 11.10.2019 vollzogen (Bl. 36 d.A.).
Mit Bescheid vom 25.10.2019 wurde die Annahme der weiteren Geldsumme von 648,06 € zur Hinterlegung angeordnet. Die Hinterlegung dieser Geldsumme wurde durch Einzahlung des Geldbetrags am 04.11.2019 vollzogen (Bl. 38 d.A.).
Am 05.11.2019 erfolgte ein Änderungsbescheid des Amtsgerichts Nürnberg hinsichtlich der Annahmebescheide vom 08.10.2019 und 25.10.2019, durch den die Berichtigung eines Schreibfehlers bzgl. einer in den genannten Bescheiden aufgeführten Urkunderollennummer erfolgte (Bl. 46, 47 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 15.10.2019, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am 18.10.2019, hat der mögliche Empfänger … gegen die Annahmeordnung des Amtsgericht Nürnberg vom 08.10.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 23 d.A.). Mit Schriftsatz vom 25.10.2019, eingegangen am selben Tag per Fax, hat der Empfangsberechtigte … gegen die weitere Annahmeanordnung vom 22.10.2019 ebenfalls Beschwerde eingelegt (Bl. 41 d.A.).
Zur Begründung führte er aus, dass die Hinterlegung aufgrund des § 372 S. 1 BGB nur dann statthaft sei, wenn der Gläubiger im Annahmeverzug ist, Annahmeverzug jedoch nicht vorläge. Aus dem Hinterlegungsantrag ergebe sich kein tatsächliches Angebot. Vielmehr habe der Bevollmächtigte der Hinterlegerin einen Klärungsbedarf hinsichtlich der Kündigung des Darlehensvertrags und der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs, der von … bereits am 01.08.2019 beziffert worden sei, formuliert. Auch die Abwickelung der Rückzahlung bzw. der Löschung der Grundschuld sei von dem Bevollmächtigten der Hinterlegerin als klärungsbedürftig dargestellt worden. Auch sei die Höhe der Verzugszinsen streitig gestellt worden.
Im Ergebnis bestünden also unterschiedliche Auffassungen über die Forderungshöhe und die Hinterlegerin habe versucht, dem möglichen Empfänger ihre Auffassung zu diktieren.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des möglichen Empfängers vom 13.11.2019 (Bl. 54-57 d.A.) Bezug genommen.
Der zuständige Rechtspfleger hat der Beschwerde mit Bescheid vom 19.11.2019 nicht abgeholfen und die Akten der Unterzeichnerin zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. (Bl. 60-63 d.A.)
II.
1. Die Beschwerde, deren Entscheidung der Unterzeichnerin durch die Verwaltungsgeschäftsverteilung des Amtsgerichts Nürnberg seitens des Herrn Präsidenten des Amtsgerichts Nürnberg übertragen wurde, ist zulässig.
2. Zwar wurde die Beschwerde vom 15.10.2019 gegen die Annahmeanordnung des Amtsgericht Nürnberg 08.10.2019 und die Beschwerde vom 25.10.2019 gegen die Annahmeanordnung des Amtsgericht Nürnberg vom 25.10.2019 gerichtet, beides Daten, an denen kein Bescheid des Amtsgericht Nürnberg erging.
Aus der Chronologie der Akte und der Beschwerdebegründung des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers ergibt sich jedoch unzweifelhaft, dass sich die Beschwerde vom 15.10.2019 gegen den Bescheid des Amtsgericht Nürnberg vom 04.10.2019 und die Beschwerde 25.10.2019 gegen den Bescheid des Amtsgericht Nürnberg vom 25.10.2019 richtet. Die beiden Beschwerden werden deshalb entsprechend ausgelegt.
3. Die Beschwerden sind auch begründet.
Das Bayerische Hinterlegungsgesetz gilt für alle Hinterlegungsfälle des materiellen Hinterlegungsrechts, für die eine Justizhinterlegung vorgesehen ist. Eine solches Hinterlegungsrecht liegt hier nicht vor, insbesondere wurden die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs des Empfängers gem. § 293 ff. BGB nicht schlüssig vorgetragen, weshalb auch die Voraussetzungen einer Hinterlegung nach § 372 BGB fehlen.
Nach dem Vortrag der Hinterlegerin in Verbindung mit den von ihr vorgelegten Anlagen besteht Uneinigkeit zwischen der Hinterlegerin und dem möglichen Empfänger … über die Höhe einer Zahlungsverpflichtung der Hinterlegerin als Testamentsvollstreckerin aus dem Nachlass der Erblasserin … zugunsten … Insbesondere ist die Testamentsvollstreckerin der Meinung, dass dem möglichen Empfänger … ein erheblich geringerer Forderungsbetrag zusteht als von diesem geltend gemacht.
Es wurden von der Hinterlegerin weder Tatsachen vorgetragen, die zu einer Entbehrlichkeit des Angebots nach § 296 BGB führen, noch Voraussetzungen, bei denen ein wörtliches Angebots gemäß § 295 BGB genügt. Demgemäß wäre die Hinterlegung wegen Annahmeverzugs nur gerechtfertigt, wenn die Hinterlegerin den hinterlegten Geldbetrag dem möglichen Empfänger … gem. § 294 BGB tatsächlich so angeboten hätte, wie er zu bewirken ist, und zwar im Sinne des Beginns der Leistung. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag der Hinterlegerin und es ergibt sich diesbezüglich auch nichts aus den von ihr vorgelegten Anlagen.
Damit sind die Hinterlegungsbescheide vom 04.10.2019 und vom 25.10.2019 samt dem sich hierauf beziehenden Änderungsbescheid vom 05.11.2019 aufzuheben und ist die Rückzahlung der hinterlegten Geldsummen in Höhe von 191437,39 € und in Höhe von 648,06 € an die Hinterlegerin anzuordnen.


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