Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Befristung des Mietvertrages

Aktenzeichen  7 C 695/17

Datum:
15.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36672
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Starnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 557a Abs. 3, § 564c, § 575 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ist die vereinbarte erneute Befristung des Mietvertrages um 10 Jahre infolge einer Gesetzesänderung unwirksam, ist die entstandene ausfüllungsbedürftige Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass anstelle der unwirksamen Befristung für deren Dauer ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Haben die Mietvertragsparteien eine Staffelmietvereinbarung getroffen, kann das ordentliche Kündigungsrecht des Mieters nur für 4 Jahre ausgeschlossen werden. Dies führt aber nicht dazu, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht nur für 4 Jahre tritt. Zwar wollen Vertragsparteien häufig zeitlich gleich lang an einen Vertrag gebunden sein, zwingend ist dies aber nicht. Die ergänzende Vertragsauslegung kann zu dem Ergebnis führen, dass ein beiderseitiger Kündigungsverzicht nur für 4 Jahre nicht vorliegt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) werden samtverbindlich verurteilt, die Liegenschaft …, Gebäude und Grundstück, samt allen Bestandteilen am 31.12.2019 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagten zu 1) bis zu 4) zur gesamten Hand 3.736,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.03.2018 zu bezahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 4) aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 92.300,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 87.136,12 € festgesetzt (§§ 41 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 GKG).

Gründe

Die Klage erwies sich im Hauptantrag als unbegründet, im Hilfsantrag dagegen als zulässig und begründet.
Die zulässige Widerklage ist begründet.
I.
Die zulässige Klage ist im Hauptantrag unbegründet, im Hilfsantrag aber zulässig und begründet.
1. Die Klage ist im Hauptantrag – gerichtet auf Räumung zum 30.04.2018 – zulässig, aber unbegründet.
a) Der Hauptantrag ist zulässig.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2017 einen neuen Klageantrag, gerichtet auf Räumung – nunmehr – zum 30.04.2018 und gestützt auf die weitere Kündigungserklärung vom 02.08.2017, gestellt hat, liegt eine Klageänderung vor, die das Gericht für sachdienlich erachtet (§ 263 ZPO). Die Sachdienlichkeit ist objektiv im Hinblick auf die Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen. Eine Klageänderung ist als sachdienlich zuzulassen, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet (BGH, Urteil vom 30.11.1999, Az. VI ZR 219/98). Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat am 02.08.2017 eine weitere Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, weil die Befürchtung im Raum stand, er habe die zuvor erklärte Kündigung vom 18.09.2016 nicht unterschrieben, was sich in der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2017 als richtig erwies. Die Klageänderung war daher zulässig, § 263 ZPO.
Die geänderte Klage ist auch an sich zulässig, insbesondere liegt die gem. § 259 ZPO erforderliche Besorgnis der Leistungsverweigerung vor. Die Beklagten haben (auch) in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2018 die Klageabweisung beantragt. Auch ist die Widerspruchsfrist gem. § 574 b Abs. 2 Satz 1 BGB am 28.02.2018 abgelaufen.
b) Der Hauptantrag erwies sich jedoch als unbegründet. Denn die Kündigung des Klägers vom 02.08.2017 hat das Mietverhältnis nicht zum 30.04.2018 zu beenden vermocht:
Unstreitig hat der Kläger im Jahr 2014 das verfahrensgegenständliche Grundstück vom … erworben und ist im Grundbuch als dessen Eigentümer eingetragen. Dies bestreiten die Beklagten nicht, wenn sie vortragen lassen, der Kaufvertrag sei möglicherweise wegen Verstoßes gegen Stiftungsrecht nichtig. Der Kläger ist daher gem. § 566 BGB in die Rechte und Pflichten des vormaligen Eigentümers eingetreten.
Nach Ansicht des Gerichts kann der Kläger das Mietverhältnis mit dem Erstbeklagten aber vor Ablauf des 31.12.2019 nicht ordentlich kündigen. Bei Abschluss des „2. Nachtrags zum Mietvertrag“ vom 15.12./22.12.2008 war – bereits seit 01.09.2001 – § 575 BGB in Kraft, wonach ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit nur bei Vorliegen bestimmter Befristungsgründe wirksam eingegangen werden kann. Die Vorschrift des § 575 BGB findet nach Auffassung des Gerichts auf den 2. Nachtrag zum Mietvertrag auch Anwendung. Denn der … hat mit dem Erstbeklagten insgesamt drei Mietverträge über das verfahrensgegenständliche Anwesen, jeweils befristet auf 10 Jahre, abgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Beklagtenvertreters handelt es sich nicht um einen Mietvertrag vom 06.11./06.12.1989, der anschließend zweimal um weitere 10 Jahre verlängert wurde und der dann gem. Artikel 229 § 3 Abs. 3 EGBGB, § 564 c BGB a.F. bis zum 31.12.2019 wirksam befristet war. Diese Auslegung ist schon deshalb geboten, weil andernfalls der von Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB bezweckte Vertrauensschutz, welcher bis zum 31.12.2009 bestand, zeitlich überdehnt und § 575 BGB n.F. umgangen würde. Nach Inkrafttreten der neuen Regelung verbot sich eine Verlängerung der ursprünglichen Befristung. Der Annahme mehrerer Mietverträge steht auch der Wortlaut der Vereinbarungen nicht entgegen (§§ 133, 157 BGB). Im ersten Mietvertrag vom 06.11./06.12.1089 heißt es: „Das Mietverhältnis beginnt am 1. Januar 1990 und wird bis 31. Dezember 1999 abgeschlossen“. Im Dezember 1998, also ca. ein Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses, wurde – auf einem neuen Vertragsexemplar – ein „Nachtrag zu dem Mietvertrag“ geschlossen, wonach sich das Mietverhältnis über den 31. Dezember 1999 hinaus um weitere 10 Jahre verlängert. Die Vertragsparteien legten eine neue Staffelmiete fest. Ebenso verhielt es sich mit dem „2. Nachtrag zu dem Mietvertrag“ vom Dezember 2008.
Die in § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Befristungsgründe liegen unstreitig nicht vor, so dass die Befristung unwirksam ist. Gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Allerdings ist durch die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung des Mietvertrages eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke entstanden, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen ist, dass anstelle der unwirksamen Befristung für deren Dauer ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2013, Az. VIII ZR 388/12; bestätigt durch BGH, Urteil vom 11.12.2013, Az. VIII ZR 235/12):
Die Parteien haben mit der Befristung des Vertrages eine beiderseitige langfristige Bindung bezweckt. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2018 angegeben, die erste Befristung sei auf Wunsch des Erstbeklagten aufgenommen worden, der sich durch eine feste Vertragslaufzeit eine lange Mietzeit habe sichern wollen. Mit diesem Wunsch des Erstbeklagten nach einer beiderseitigen Bindung für die Dauer von 10 Jahren hat sich der … durch die Aufnahme der Befristung in den Mietvertrag einverstanden erklärt. Er hat damit ebenfalls eine langfristige Bindung beider Seiten gewollt. Gleiches gilt für die zwei weiteren Vertragsschlüsse für jeweils 10 Jahre. Die Parteien wollten, dass der Mietvertrag – mit Ausnahme der vereinbarten Sonderkündigungsrechte – während der festen Vertragslaufzeit von keiner der Parteien ordentlich gekündigt werden kann.
Durch die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung ist im vertraglichen Regelungsgefüge eine Lücke eingetreten, weil die bezweckte langfristige Bindung beider Parteien entfallen ist. Das dispositive Recht, nachdem das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt (§ 575 Abs. 1 Satz 2 BGB) und somit innerhalb der Fristen des § 573 c BGB ordentlich gekündigt werden kann, wird dem Willen der Parteien nicht gerecht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine derartige planwidrige Regelungslücke unter Berücksichtigung dessen zu schließen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre (BGH, Urteil vom 12.07.1989, Az. VIII ZR 297/88, Urteil vom 14.03.2012, Az. VIII ZR 113/11). Das von den Parteien beabsichtigte Ziel einer langfristigen Bindung an den Mietvertrag wird dadurch erreicht, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit – also zum Ablauf des 31.12.2019 – möglich ist.
Allerdings kann bei einer Staffelmietvereinbarung das ordentliche Kündigungsrecht des Mieters nur für 4 Jahre ausgeschlossen werden, § 557 a Abs. 3 Satz 1 BGB. Dies führt aber nicht dazu, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht nur für 4 Jahre, also bis zum 31.12.2012, tritt. Zwar wollen Vertragsparteien häufig zeitlich gleich lang an einen Vertrag gebunden sein, zwingend ist dies aber nicht. Gründe dafür, dass der … keinesfalls länger an den Mietvertrag hätte gebunden sein wollen als der Erstbeklagte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch wurde im 2. Nachtrag zum Mietvertrag kein Sonderkündigungsrecht für den Vermieter vereinbart, wie dies im 1. Nachtrag unter § 1 geschehen ist. Der … wollte daher jedenfalls bis zum 31.12.2019 an den Mietvertrag gebunden sein. Im übrigen dient auch die Vorschrift des § 557 a Abs. 3 BGB dem Mieterschutz (§ 557 a Abs. 4 BGB). Auch aus diesem Grunde gelangt man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu dem Ergebnis, dass ein beiderseitiger Kündigungsverzicht nur für 4 Jahre vorliegt.
Im Ergebnis tritt an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht, und zwar für den … für die Dauer der unwirksamen Befristung (also bis 31.12.2019) und für den Erstbeklagten für die zulässige Dauer von 4 Jahren ab Vertragsschluss (also bis 31.12.2012).
Die vom Kläger während der Dauer dieses Kündigungsausschlusses ausgesprochene Kündigung vom 02.08.2017 zum 30.04.2018 ist daher unwirksam. Die Klage war mithin im Hauptantrag abzuweisen.
2. Im Hilfsantrag erwies sich die Klage dagegen als zulässig und begründet.
a) Der Hilfsantrag – gerichtet auf Räumung zum 31.12.2019 – ist zulässig.
Die Klage ist (auch) im Hilfsantrag auf künftige Räumung gerichtet. Allerdings hat der Erstbeklagte der Kündigung vom 19.10.2017 zum 31.12.2019 bislang nicht widersprochen und die Widerspruchsfrist gemäß § 574 b Abs. 2 BGB endet erst am 31.10.2019. Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters stellt der Ablauf der Widerspruchsfrist aber keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage auf künftige Räumung dar. Eine Klage auf künftige Räumung ist vielmehr unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO auch vor Ablauf der Widerspruchsfrist zulässig (vgl. OLG Karlsruhe, RE vom 10.06.1983, NJW 1984, 2953 m.w.N. und unter Ausführung, dass der Gesetzgeber bei Klagen auf künftige Leistung wegen Besorgnis der Nichterfüllung – anders als in § 257 ZPO – bewußt keine Ausnahme für Klagen auf Räumung von Wohnraum gemacht hat). Gemäß § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Nach Auffassung des Gerichts ist die Besorgnis des Klägers, die Beklagten würden das Anwesen nicht zum 31.12.2019 räumen, gerechtfertigt (§ 286 ZPO):
Zwar wird für die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO von Rechtsprechung und Literatur gefordert, dass der Mieter durch ernsthaftes Bestreiten des Kündigungsgrundes eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er nicht bereit ist, fristgerecht zu räumen (so auch OLG Karlsruhe, a.a.O.; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 546 Rdnr. 128; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 259 Rdnr. 3; Münchner Kommentar ZPO, 5. Aufl., § 259 Rdnr. 11; Musielak, ZPO, 14. Aufl., § 259 Rdnr. 5). Eben dies hat der Erstbeklagte nicht getan, Dies allerdings nach Ansicht des Gerichts aus prozesstaktischen Gründen, um eine Klageabweisung als unzulässig zu erreichen. Das gesamte Vorbringen und Verhalten der Beklagten im Räumungsrechtstreit legt vielmehr die Vermutung nahe, dass die Beklagten einer Räumungsverpflichtung zum 31.12.2019 nicht nachkommen werden:
Die Beklagten haben der ersten, unwirksamen Kündigung vom 18.09.2016 mit der Begründung widersprochen, es sei eine 10-jährige Dauer gültig vereinbart worden (Anlage K3). Auch in diesem Rechtsstreit argumentierten die Beklagten zunächst so, hilfsweise mit einem vereinbarten Kündigungsausschluss bis 31.12.2019. Die Beklagten erweckten dadurch den Eindruck, nur eine Beendigung vor diesem Zeitpunkt abwenden zu wollen. Nachdem der Kläger dann, gestützt auf die Kündigung vom 19.10.2017, Räumung zum 31.12.2019 verlangt und beantragt hat, haben die Beklagten eine Einigung über eine Räumung zu diesem Zeitpunkt abgelehnt. Bereits in der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2017 hat das Gericht den Parteien eine Räumung zum 31.12.2019 bei voller Kostenlast des Klägers vorgeschlagen. Der Kläger hat diesen Vergleichsvorschlag angenommen, der Beklagtenvertreter nicht. Gleiches gilt für den gleichlautenden Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 10.11.2017 (Bl. 72/73 d.A.). Auch mit dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2018, wonach der Kläger auch die Widerklageforderung zu übernehmen hatte, war der Kläger einverstanden. Der Beklagtenvertreter lehnte ihn dagegen mit der Begründung ab, die Verbitterung auf Seiten des Erstbeklagten sei groß und dieser benötige noch Zeit, um zu entscheiden, ob er das Anwesen zum Ende 2019 räumt.
Die vom Erstbeklagten vorgebrachten Gründe, warum er Zeit für diese Entscheidung brauche – nämlich für die Überprüfung, ob der Kaufvertrag zwischen dem … und dem Kläger wegen Verstoß gegen Stiftungsrecht nichtig ist – bestätigen nur die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO des Klägers. Durch ihr Vorbringen auch zu einem vermuteten kollusiven Zusammenwirken des … mit dem Kläger vermitteln die Beklagten den Eindruck, sich „mit allen Mitteln“ einer Räumung widersetzen zu wollen. Darüber hinaus ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine nicht zu rechtfertigende Härte in Sinne von § 574 Abs. 1 BGB zu begründen. Eine solche Härte liegt nur dann vor, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter unzumutbar ist. Gründe hierfür sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
Weiterhin sollte der Mietvertrag nach dem Willen der Parteien bis 31.12.2019 befristet, also ohne eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt beendet sein. Dieses Ziel haben die Parteien wegen der Gesetzesänderung nicht erreicht. Der Erstbeklagte musste daher davon ausgehen, dass der Mietvertrag am 31.12.2019 automatisch endet. Insoweit ist unbeachtlich, dass er sich eine (weitere) Verlängerung bzw. einen weiteren Mietvertrag oder auch den Kauf des Anwesens erhoffte. Denn einen Anspruch hierauf hatte er jedenfalls nicht.
Das Gericht verkennt nicht, dass zwischen der letzten mündlichen Verhandlung und dem 31.12.2019 ein Zeitraum von 22 Monaten liegt. Unter den gegebenen Umständen ist es aber nicht gerechtfertigt, den Kläger erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist auf Räumung klagen zu lassen. Denn in dem kurzen Zeitraum zwischen dem Ablauf der Widerspruchsfrist (31.10.2019) und dem Ende der Kündigungsfrist (31.12.2019) ist die rechtskräftige Entscheidung eines Räumungsrechtsstreits nicht zu erreichen. Das schutzwürdige und durch § 259 ZPO anerkannte Interesse des Vermieters an der Durchsetzung einer fristgerechten Räumung überwiegt daher das Interesse des Mieters, dessen Widerspruchsrecht unabhängig von einem rechtskräftigen Räumungsurteil bis zum Fristablauf nach § 574 b Abs. 2 BGB bestehen bleibt und gegebenenfalls im Wege einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Auch ist es dem Erstbeklagten unbenommen, das Mietverhältnis vor Ablauf des 31.12.2019 zu kündigen (siehe oben), der Räumungstitel ist dann gegenstandslos.
Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, dass die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO auch dann vorliegt, wenn der Mieter vor Ablauf der Widerspruchsfrist zu seiner Räumungsbereitschaft gänzlich schweigt, weil dies einen Verstoß gegen § 241 Abs. 2 BGB darstelle (vgl. Nachweise bei Musielak, a.a.O.). Dies erscheint im vorliegenden Fall, in dem seit Juni 2017 ein Räumungsrechtsstreit geführt wird, durchaus vertretbar.
Schließlich verlangt § 259 ZPO nur, dass die Besorgnis des Vermieters gerechtfertigt ist. Nicht erforderlich ist, dass das Gericht davon überzeugt ist, der Mieter werde nicht rechtzeitig räumen.
Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Klage auf Räumung zum 31.12.2019 gemäß § 259 ZPO zulässig ist.
b) Die Klage ist im Hilfsantrag auch begründet. Der Kläger hat gegen den Erstbeklagten gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB einen Herausgabeanspruch. Denn die Kündigung vom 19.10.2017 ist gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam und hat das Mietverhältnis zum 31.12.2019 beendet:
Der Erstbeklagte hat den Eigenbedarf des Klägers nicht bestritten. Dies, obgleich das Gericht darauf hingewiesen hat, dass die Klage auf zukünftige Räumung trotz Laufs der Widerspruchsfrist zulässig sein könnte (Beschluss vom 10.11.2017, Bl. 72/73 d.A.).
Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch hat der Erstbeklagte nicht substantiiert vorgetragen. Unerheblich ist insbesondere, ob der Kläger 6 Jahre vor Ausspruch der ersten Eigenbedarfskündigung und 4 Jahre vor Erwerb des Anwesens in ein geerbtes Haus in … hätte einziehen können.
Gemäß §§ 985, 546 Abs. 2 BGB kann der Kläger auch von den Beklagten zu 2) und zu 3) die Räumung und Herausgabe verlangen, weil diese das Anwesen unstreitig nutzen.
Über den Hilfsantrag, gerichtet auf Feststellung, war nicht mehr zu entscheiden, weil die Klage im Hilfsantrag auf Räumung zum 31.12.2019 begründet ist.
II.
Die zulässige Widerklage erwies sich als begründet.
Die Beklagten haben gegen den Kläger aus § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Beklagtenvertreters, die ihnen in unstreitiger Höhe von 3.736,12 EUR durch die unwirksame Kündigung des Klägers vom 18.09.2016 entstanden sind.
Unstreitig hat der Kläger versäumt, diese (erste) Eigenbedarfskündigung vom 18.09.2016 zu unterschreiben. Die Kündigung ist daher unwirksam (§§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB). Obgleich dies in erster Linie ein Verschulden des Klägers gegen sich selbst ist, welches ihm zum Nachteil gereicht, dürfte darin zugleich ein Verstoß gegen Pflichten auf dem Mietvertrag im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zu sehen sein. Der Ausspruch einer wegen fehlender materieller Gründe unwirksamen Kündigung wird als Verletzung vertraglicher Pflichten (Leistungstreuepflicht) angesehen, die zu einer Schadensersatzpflicht führt (BGH, Urteil vom 11.01.1094, Az. VIII ZR 255/82). Gleiches dürfte gelten, wenn die Kündigung mangels Schriftform unwirksam ist. Denn schon die Androhung einer unberechtigten Kündigung stellt eine Pflichtverletzung dar (Palandt, a.a.O., § 280 Rdnr. 26; Schmidt-Futterer, a.a.O., § 573 Rdnr. 79 f.).
Darüber hinaus ist die Kündigung vom 18.09.2016 auch aus materiellen Gründen unwirksam, weil der Kläger das Mietverhältnis erst zum 31.12.2019 kündigen kann (s.o., I. 1.). Soweit der Kläger dies verkannt hat, liegt ein vermeidbarer Rechtsirrtum vor, der eine fahrlässige Pflichtverletzung nicht ausschließt (Schmidt-Futterer, a.a.O., § 573 Rdnr. 79 m.w.N.). Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, vor Ausspruch der Kündigung Rechtsrat eingeholt zu haben (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Der Beklagtenvertreter ist auf die Kündigung vom 18.09.2016 hin auch vorgerichtlich anwaltlich tätig geworden (Anlage K3).
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 und 91 a ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.


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