Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumlichkeiten

Aktenzeichen  32 W 1939/17

Datum:
12.12.2017
Fundstelle:
ZfIR – 2018, 281
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 940, § 940a Abs. 2
BGB § 546 Abs. 2, § 985, § 1004

 

Leitsatz

Bei einem Antrag nach § 940 ZPO auf Räumung von gewerblich genutzten Räumen ist in der Regel ein Verfügungsgrund gegeben, wenn die in § 940a Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegen, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Dritte auf Räumung von Wohnraum ermöglichen. (Rn. 24)

Verfahrensgang

15 O 14061/17 2017-10-25 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts M. vom 25.10.2017, Az. 15 O 14061/17, abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird geboten, die folgenden Wohnungen und Gewerbeeinheiten in der L.-Str zu räumen und an die Antragstellerin herauszugeben:
1. die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 1 bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 1. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
2. die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 3 bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 4. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
3. die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 9 bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 2. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett,
1.Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
4.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 10 bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 3. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
5.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 11 bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 3. Obergeschoss rechts gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
6.Die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 15 als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 1. Obergeschoss rechts gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine und Fernseher;
7.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 16 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 2. Obergeschoss rechts gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimavorinstallation;
8.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 17 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 2. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimavorinstallation;
9.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 18 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 3. Obergeschoss rechts gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmer, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch,
4.Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
10.Die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 19 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Vordergebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 3. Obergeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
11.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 20 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im Erdgeschoss links gelegene Wohnung bestehend aus 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 3 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Esstisch, 4 Stühlen, Doppelbett, 2 Einzelbetten und drei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine und Fernseher;
12.den im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Teileigentums-Nr. 20 erfassten, im Untergeschoss des Rückgebäudes des vorbezeichneten Anwesens gelegenen Kellerraum;
13.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 21 und als Gewerbeeinheit bezeichneten, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im Erdgeschoß rechts gelegenen Büroräume einschließlich des Kellerraums;
14.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 22 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 1. Obergeschoss links gelegene Einheit, bestehend aus zwei Wohnungen mit je 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
15.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 23 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 1. Obergeschoss rechts gelegene Einheit, bei stehend aus 2 Wohnungen mit je 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
16.die im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Nr. 24 und als Gewerbeeinheit bezeichnete, im Rückgebäude des vorbezeichneten Anwesens, dort im 2. Obergeschoss rechts gelegene Einheit, bestehend aus 2
10.Wohnungen mit je 1 Küche, 1 Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern, nebst Möblierung Einbauküche, Couch, Couchtisch, Doppelbett, Einzelbett und zwei Schränken sowie den technischen Geräten Waschmaschine, Fernseher und Klimagerät;
17.den im Aufteilungsplan der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Teileigentums-Nr. 28 erfassten, im Mittelgebäude des vorbezeichneten Anwesens gelegenen Parkplatz im Mehrfachparker.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin verlangt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumlichkeiten.
Mit dem Gewerbemietvertrag vom 23.04./28.04.2014 vermietete die Antragstellerin in dem nach WEG geteilten Anwesen L.-Str. in M 6 Wohneinheiten, 11 Gewerbeeinheiten und einen Stellplatz an die A. UG (A. UG). Als Mietzweck wurde die Nutzung als Objekt zur gewerblichen Weitervermietung als möblierter Wohnraum und möbliertes Büro sowie Restaurantnutzung vereinbart. Das Mietverhältnis wurde auf 10 Jahre fest geschlossen. Die Übergabe des Mietobjektes erfolgte am 01.05.2014. Die Hauptmieterin nutzte die Einheiten zur Vermietung an Medizintouristen.
Mit Schreiben vom 16.10.2014, vom 27.11.2014, vom 19.12.2014 und weiteren Schreiben sowie schriftsätzlich im anschließenden Räumungsverfahren kündigte die Antragstellerin der Mieterin fristlos.
Das Landgericht M. hat mit Urteil vom 29.09.2016 die Mieterin zur Räumung und Herausgabe der an sie vermieteten Einheiten verurteilt, Az. 5 O 23897/14.
In dem Berufungsverfahren vor dem Senat erteilte der Senat mit Ladungsverfügung vom 30.30.2017 einen Hinweis. In der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2017 wies der Senat die Mieterin darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben werde. Der Senat hat mit Urteil vom 20.07.2017, Az. 32 U 4337/16, die Berufung der Mieterin zurückgewiesen.
Die Vollstreckung aus den Titeln wurde am 15.09.2017 eingestellt, da bei einem Vollstreckungsversuch an diesem Tag die Antragsgegnerin in den Mieträumlichkeiten vorgefunden wurde. Die Antragsgegnerin hatte dem mit der Besitzeinweisung beauftragten Gerichtsvollzieher den als AST 8 vorgelegten Gewerbemietvertrag vom 01.07.2017 zwischen der Mieterin und ihr vorgelegt.
Die Präambel des Untermietvertrages lautet: „Der Vermieter ist gemäß seines Mietvertrags vom 23.04/28.04.2014 mit der Fa. S. GmbH zur Vermietung berechtigt. Der Mieter hat den vorgenannten Mietvertrag zum Zwecke der Prüfung eingesehen. Der Vermieter hat den Mieter über die zurzeit bestehenden Rechtstreitigkeiten mit der Fa. S. GmbH unter Vorlage der Verfahrensakten informiert.“
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27.09.2017 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt, mit der diese zur Räumung und Herausgabe der Mieteinheiten verpflichtet werden soll. Der Antrag ist der Antragsgegnerin am 13.10.2017 zugestellt worden.
Das Landgericht M. hat mit Beschluss vom 25.10.2017, Az. 15 O 14061/17, den Antrag zurückgewiesen. Es fehle an einem Verfügungsgrund, denn es seien weder eine Existenzgefährdung der Antragstellerin noch eine Gefährdung der Sachsubstanz vorgetragen. § 940a ZPO sei weder direkt noch analog anwendbar. Auch könne nicht die Wertung der Vorschrift übertragen werden, weil dies einer Analogie gleichkäme. Es fehle aber an einer Regelungslücke. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten im Hinblick auf §§ 288, 27 StGB seien nicht vorgetragen.
Gegen den am 03.11.2017 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.11.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin, unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts die Antragsgegnerin zu verpflichten, die im Tenor genannten Wohnungen und Gewerbeeinheiten zu räumen und an die Antragstellerin herauszugeben.
Ferner beantragt die Antragstellerin, die Antragsgegnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes zur Unterlassung zu verpflichten, die im Tenor genannten Wohnungen und Gewerbeeinheiten an Dritte zu überlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen. Das Landgericht hat der Beschwerde in dem Beschluss vom 28.11.2017 nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO bestimmten Notfrist von 2 Wochen bei Gericht eingelegt.
Die Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die Antragstellerin hat Anspruch auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung, soweit sie Räumung und Herausgabe der in Ziffer II. des Antrags bezeichneten Einheiten verlangt. Sie hat insoweit sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Verpflichtung zur Unterlassung der weiteren Untervermietung wendet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin auf Herausgabe der von dieser mit Mietvertrag vom 01.07.2017 von der Hauptmieterin angemieteten Mietobjekte ist begründet. Ein Verfügungsanspruch liegt vor, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Tenor genannten Einheiten hat. Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Eine besondere Dringlichkeit für den Erlass der begehrten Leistungsverfügung liegt bei den glaubhaft gemachten Umständen aufgrund der gesetzlichen Wertung des § 940a Abs. 2 ZPO und einer Abwägung der beiderseitigen Interessen vor.
a) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Tenor genannten Einheiten hat.
Zweck der einstweiligen Verfügung ist die vorübergehende Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses bis zur Entscheidung in der Hauptsache (vgl. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 38. Aufl., § 940 Rn. 1). Die einstweilige Verfügung gemäß § 940 unterliegt den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 935. Wie jede einstweilige Verfügung setzt die Befriedigungsverfügung einen Verfügungsanspruch voraus (Thümmel in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 9). Der Antragsteller hat den zu sichernden gegenwärtigen oder zukünftigen prozessualen Anspruch schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (MüKoZPO/Drescher, 5. Aufl., § 940 Rn. Rn. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 3).
Auch bei der für den Erlass einer Leistungsverfügung geforderten Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6) liegt ein Verfügungsanspruch vor. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Antrag genannten Sondereigentumseinheiten. Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 546 Abs. 2 BGB und auf § 985 BGB.
Die Antragstellerin hat den Mietvertrag mit der Hauptmieterin, der A. UG, mit dem Schreiben vom 16.10.2014 wirksam gekündigt. Dies hat die Antragstellerin durch Vorlage des Endurteils des Senates vom 20.07.2017, Az. 32 U 4337/16, glaubhaft gemacht. Sie kann gemäß § 546 Abs. 2 BGB die Mietsache auch von einem Dritten zurückfordern, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache dem Dritten überlassen hat. Der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB richtet sich gerade auch gegen den Untermieter.
Daneben kann die Antragstellerin ihre Ansprüche auch auf die §§ 985, 1004 BGB stützen. Die Antragstellerin ist unstreitig Eigentümerin der Einheiten. Die Antragsgegnerin kann gestützt auf ihren Untermietvertrag vom 01.07.2017 die Herausgabe nicht nach § 986 Abs. 1 BGB verweigern, da die A. UG, von der die Antragsgegnerin ihr Recht zum Besitz ableitet, gegenüber der Antragstellerin nicht mehr zum Besitz berechtigt ist.
b) Die Antragstellerin hat auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist im Sinne des § 940 ZPO notwendig. Die einstweilige Verfügung erscheint nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt nötig. Es liegen aber andere Gründe im Sinne von § 940 ZPO vor.
aa) Bei einer Leistungsverfügung, die zu einer (teilweisen) Befriedigung des Gläubigers führt, sind an den Verfügungsgrund grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (Thümmel in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 10). Die erforderliche besondere Dringlichkeit liegt in der Regel nur vor, wenn der Nichterlass der einstweiligen Verfügung den Gläubiger in eine Notlage brächte oder wenn die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren jedenfalls praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6). Der Antragsteller muss auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen sein, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen oder sogar irreparablen Schaden zu erleiden (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 38. Aufl., § 940 Rn. 6).
bb) Darüber hinaus ist auch bei einem Antrag nach § 940 ZPO auf Räumung von gewerblich genutzten Räumen in der Regel ein Verfügungsgrund gegeben, wenn die in § 940a Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegen, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Dritte auf Räumung von Wohnraum ermöglichen. Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen ist diese gesetzliche Wertung von besonderem Gewicht. Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung auch der im Gesetz zum Ausdruck kommende Vorrang des Vollstreckungsinteresses sowie die Wertung des Gesetzes in § 543 Abs. 1 BGB, nach der in bestimmten Fällen das Festhalten an dem Mietverhältnis für den Vermieter unzumutbar ist.
(1) Zutreffend ist die Auffassung des Landgerichts, dass § 940a ZPO keine direkte oder analoge Anwendung auf einen auf die Herausgabe gewerblich genutzter Räume gerichteten Antrag findet (Fleindl ZMR 2014, 938; OLG Celle NJW 2015, 711; KG NJW 2013, 3588). Eine direkte Anwendung scheidet sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift, die nur die Räumung von Wohnraum betrifft, als auch aus historischen und systematischen Gründen aus.
Der Gesetzgeber hatte mit § 18 des Mieterschutzgesetzes vom 01.06.1923 bestimmt, dass die Herausgabe eines Mietraums nicht im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet werden darf. Die Vorschrift galt sowohl für Wohnraum als auch für gewerblich genutzte Räume. Mit der Änderung des Begriffes Mietraum in § 18 MSchG in den Begriff des Wohnraums in § 940a ZPO, der mit dem 2. Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 14.07.1964 in die ZPO eingefügt wurde und § 18 MSchG ersetzt hat, sollte der Anwendungsbereich der Schutzvorschrift erweitert und Abgrenzungsschwierigkeiten verringert werden (BT-Drs. 4/806 S. 13). Jedenfalls mit der Neuregelung nur für Wohnraum in § 940a ZPO galten für gewerbliche Mietverhältnisse wieder die allgemeinen Regeln. Und nach allgemeinen Regeln konnte und kann eine Leistungsverfügung auch auf die Herausgabe von Sachen (Thümmel in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 17; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8 „Herausgabe“) und damit auch auf die Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen gerichtet sein.
Die Räumung von Wohnraum war seit dem 01.08.1964 zunächst nur in Fällen der verbotenen Eigenmacht und seit 01.01.2002 auch bei konkreter Gefahr für Leib oder Leben möglich. Weitere Ausnahmen von dem Verbot der Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung wurden 2013 für die Fälle der dem Vermieter zunächst nicht bekannten Überlassung des Wohnraums an Dritte in § 940a Abs. 2 ZPO und der Nichtbefolgung der Sicherungsanordnung in § 940a Abs. 3 ZPO geschaffen (vgl. BT-Drs. 17/10485 S. 34). Wie die in § 940a Abs. 1 ZPO enthaltenen Ausnahmen für Fälle der verbotenen Eigenmacht oder konkreter Gefahr für Leib oder Leben enthalten die Abs. 2 und 3 des § 940a ZPO jeweils einen besonders typisierten Verfügungsgrund (MüKoZPO/Drescher, 5. Aufl., § 940a Rn. 11, 22; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 940a ZPO Rn. 20, 33). Auch nach der Gesetzesbegründung betreffen die Regelungen in § 940a Abs. 2 und 3 ZPO nur die Räumung von Wohnraum.
Für eine analoge Anwendung des § 940a Abs. 2 fehlt es an einer Regelungslücke. Das Verbot der Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung in § 940a ZPO stellt eine Einschränkung des § 940 ZPO dar, von dem in den Abs. 1 bis 3 wieder Ausnahmen gemacht werden. Da die Räumung von gewerblich genutzten Räumen im Wege einstweiliger Verfügung schon nicht vom Gesetz ausgeschlossen wird, bedarf es keiner Ausnahmeregelung. § 940a Abs. 2 ZPO kann deswegen als Regelung einer Ausnahme von einer Einschränkung auf eine Herausgabeverfügung nach § 940 ZPO auch nicht analog angewandt werden (MüKoZPO/Drescher, 5. Aufl., § 940a Rn. 9; OLG München, Urt. v. 10.4.2014 – 23 U 773/14, NZM 2015, 167).
(2) Die in § 940a Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung ist bei der Prüfung des Vorliegens anderer Gründe im Sinne von § 940 ZPO zu berücksichtigen.
§ 940 ZPO nennt als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Diese Voraussetzungen gelten nicht nur, wenn Gegenstand der einstweiligen Verfügung die vorläufige Regelung eines einstweiligen Zustandes ist, sondern auch dann, wenn mit der einstweiligen Verfügung die (vorläufige) Befriedigung des Gläubigers angestrebt wird. Der Gesetzeswortlaut ist ausdrücklich offen für andere, in § 940 ZPO nicht bezeichnete Gründe. Bei der Beantwortung der Frage, aus welchen anderen Gründen eine Regelungs- oder Leistungsverfügung erlassen werden kann, sind die gesetzgeberischen Wertungen zu berücksichtigen. Deshalb kommen als andere Gründe grundsätzlich nur solche in Betracht, die wertungsmäßig den in § 940 ZPO ausdrücklich genannten Gründen gleichzusetzen sind.
Bei der Berücksichtigung gesetzgeberischer Wertung ist aber nicht auf den § 940 ZPO allein abzustellen. Vielmehr kann nach der Überzeugung des Senates eine solche Wertung auch dem § 940a ZPO entnommen werden. Dafür sprechen auch systematische Gründe. Eine Herausgabeverfügung ist nach § 940 ZPO möglich. § 940a Abs. 1 ZPO macht davon eine Ausnahme für Wohnraum. Die Abs. 1 bis 3 des § 940a ZPO enthalten Ausnahmen von der Ausnahme, bei deren Vorliegen eine Herausgabeverfügung wieder möglich ist. Als Ausnahme von dem den Mieterschutz bezweckenden Verbot der Räumungsverfügung sind die darin enthaltenen typisierten Verfügungsgründe eng gefasst. Wenn die (Unter-) Ausnahme greift, gelten aber nicht nur die allgemeinen Regeln, nach denen eine Räumungsverfügung möglich ist. Zugleich liegt schon ein typisierter Verfügungsgrund vor, der eine weitere Prüfung des Vorliegens eines Verfügungsgrundes nach allgemeinen Regeln überflüssig macht. Es wird also nicht nur die Möglichkeit des Erlasses einer Räumungsverfügung nach allgemeinen Regeln eröffnet, sondern es werden zugleich die Voraussetzungen für den Erlass geändert und erleichtert.
Diese Wertung des Gesetzgebers, dass in den in § 940a Abs. 1 bis 3 ZPO genannten Fällen die Räumung von Wohnraum ausnahmsweise ermöglicht und zugleich gegenüber § 940 ZPO erleichtert wird, ist für die Beurteilung, welche anderen Gründe im Sinne von § 940 ZPO in Betracht kommen, wesentlich. Wenn der Gesetzgeber schon die Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung, die grundsätzlich ausgeschlossen ist, in diesen Fällen erleichtert zulässt, können diese typisierten Verfügungsgründe erst recht andere Gründe im Sinne von § 940 ZPO darstellen, wenn die Räumung von gewerblich genutzten Räumen durch einstweilige Verfügung verlangt wird, die grundsätzlich gesetzlich zulässig ist (Fleindl ZMR 2014, 938; LG Krefeld ZMR 2016, 448; LG Hamburg NJW 2013, 3666; Klüver ZMR 2015, 10).
Aus der Gesetzeshistorie folgen keine Argumente, die gegen diese Wertung sprechen (Fleindl ZMR 2014, 938). Weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung wird auf die Räumung von gewerblich genutzten Räumen im Wege einstweiliger Verfügung Bezug genommen. Erst Recht findet sich kein Anhaltspunkt für einen Willen des Gesetzgebers, dass in den in § 940a Abs. 1 bis 3 ZPO genannten Ausnahmefällen eine Räumung von Geschäftsräumen ausgeschlossen sein soll. Der Gesetzgeber hat die Anregungen, entsprechende Regelungen mit typisierten Verfügungsgründen auch für die Räumung von Geschäftsräumen zu schaffen, nicht aufgenommen. Das kann daran liegen, dass der Gesetzgeber eine besondere Regelung aus systematischen Gründen nicht für erforderlich hielt oder dass er die Klärung der Rechtsfrage der Rechtsprechung überlassen wollte. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Nichtaufnahme der Anregungen im Gesetzgebungsverfahren den Schluss auf einen Willen des Gesetzgebers zulässt, die Anwendung der erleichterten Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO sollte in der Weise auf die Räumung von Wohnraum beschränkt sein, dass eine Anwendung auf Räumung von Geschäftsräumen ausgeschlossen ist (so aber OLG Celle NZM 2015, 166).
(3) Bei der Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten überwiegt das Interesse der Antragstellerin. Eine Abwägung ist erforderlich, denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO ist ein Verfügungsgrund für eine Leistungsverfügung nur in der Regel, aber nicht zwingend gegeben (LG Krefeld ZMR 2016, 448).
Auf der Seite der Antragstellerin ist vornehmlich zu berücksichtigen, dass sie einen (vorläufig) vollstreckbaren Titel auf Räumung und Herausgabe der von ihr als Eigentümerin vermieteten Einheiten gegen ihre Mieterin erlangt hat. Eine Erweiterung der Klage auf die Antragsgegnerin war ihr nicht möglich, da sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von der Untervermietung keine Kenntnis erlangt hatte. Sie hatte damit keine einfachere Möglichkeit zu ihrem Rechtsschutzziel zu gelangen. Die besondere Dringlichkeit folgt aus der gesetzlichen Wertung, die der Vollstreckung aus einem Titel schon per se eine Dringlichkeit und einen Vorrang vor anderen Interessen zuweist. Denn die Einstellung der Zwangsvollstreckung stellt nach der gesetzlichen Systematik die Ausnahme dar. Für eine besondere Dringlichkeit spricht auch die Wertung des § 543 BGB. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Hauptmietverhältnisses durch Vorlage des Endurteils des Senates vom 20.07.2017 glaubhaft gemacht. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der fristlosen Kündigung nur für den Fall eröffnet, dass das Festhalten der kündigenden Vertragspartei an dem Mietvertrag bis zur ordentlichen Beendigung unzumutbar ist. Genau dieser Fall könnte aber eintreten, wenn der Vermieter nicht aus einem auf Grundlage einer außerordentlichen Kündigung erstrittenen Räumungsurteils vollstrecken könnte, weil der Mieter, ohne dies rechtzeitig dem Vermieter mitzuteilen, das Mietobjekt an Dritte untervermietet und der Vermieter einen weiteren Titel in einem Hauptsacheverfahren erstreiten muss.
Auf Seiten der Antragsgegnerin ist zu berücksichtigen, dass sich der vollstreckbare Titel nicht gegen sie richtet und sie im Verhältnis zu der Hauptmieterin zum Besitz berechtigt ist. Es ist nicht auszuschließen, auch wenn dies bislang nicht dargelegt und glaubhaft gemacht wurde, dass sie die Einheiten für den Betrieb eines Geschäftes benötigt.
Die Interessen der Antragsgegnerin stehen hinter den Interessen der Antragstellerin zurück. Zum Zeitpunkt der Anmietung durch die Antragsgegnerin lag nicht nur bereits ein Urteil auf Räumung durch das Landgericht vor, sondern auch Hinweise des Senates, aus denen sich ergab, dass die Berufung der Hauptmieterin keinen Erfolg haben werde. Sie musste also bereits zum Zeitpunkt der Anmietung und Besitzübergabe damit rechnen, dass sie nach § 546 Abs. 2 BGB der Antragstellerin zur Herausgabe verpflichtet sein würde. Sie musste auch damit rechnen, dass die Antragstellerin aus einem vollstreckbaren Urteil versuchen würde, zu vollstrecken, denn die Antragstellerin hatte bereits die nach dem Endurteil vom 30.06.2016 geforderte Sicherheitsleistung erbracht. Dies ergab sich aus der der Antragsgegnerin laut Präambel ihres Untermietvertrages bekannten Verfahrensakte.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, der Antragsgegnerin zu untersagen, die Einheiten an Dritte zu überlassen ist im vorliegenden Fall unbegründet.
Der mit den Anträgen zu III und IV. verfolgte Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB setzt eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr voraus. Allein aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin Untermieterin ist, ergibt sich keine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der Überlassung der Räume an Dritte. Ob ein solcher Unterlassungsanspruch gegen die Hauptmieterin besteht, ist hier nicht zu prüfen. Eventuelle „Effektivitätsgesichtspunkte“ rechtfertigen nicht den Erlass einer einstweiligen Verfügung (OLG München, Urteil vom 10. April 2014 – 23 U 773/14 -, Rn. 14, NZM 2015, 167).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben