Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ersatz des Kündigungsfolgeschadens

Aktenzeichen  7 S 1713/16

Datum:
8.11.2016
Fundstelle:
LSK – 2016, 122089
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 314 Abs. 3, § 543 Abs. 1, § 546 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Es stellt einen erheblichen Pflichtverstoß des Vermieters dar, bei einem Legionellen-Befall oberhalb des technischen Maßnahmewertes von 100 KBE/100 ml den Mieter über den Umfang des Legionellen-Befalls im Unklaren zu lassen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wartet der Mieter mehr als 9 Wochen nach Bekanntwerden des außerordentlichen Kündigungsgrundes mit der Kündigung ab, so ist ihm das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr unzumutbar im Sinne von § 543 Abs. 1 S. 2 BGB.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 C 146/15 2016-02-04 Urt AGHERSBRUCK AG Hersbruck

Tenor

1. Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 04.02.2016, Az. 11 C 146/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 2.908,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.02.2015 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Im Übrigen werden beide Berufungen zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 42,5%, die Beklagten als Gesamtschuldner 57,5%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.235,36 € festgesetzt.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Hersbruck verurteilte die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.923,85 € nebst Zinsen. Des Weiteren verurteilte es die Kläger unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von Schadensersatz und Mietrückstand unter Abzug unstreitiger Guthaben in Höhe von 449,32 € nebst Zinsen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.
Gegen das am 09.02.2016 an beide Parteivertreter zugestellte Urteil legten die Kläger mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2016, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tage, Berufung ein, die mit Schriftsatz vom 06.05.2016, eingegangen am 09.05.2016, innerhalb verlängerter Frist begründet wurde.
Auch die Beklagten legten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2016, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tage, Berufung ein, die sie mit Schriftsatz vom 28.04.2016, eingegangen per Fax am selben Tage, innerhalb verlängerter Frist begründeten.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Kläger wird auf die Schriftsätze vom 06.05. und 27.06.2016 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
1.Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hersbruck vom 04.02.2016, Az. 11 C 146/15, werden die Beklagten verurteilt, an die Kläger über die Entscheidung des Amtsgerichts Hersbruck hinaus noch weitere 2.056,14 € (also insgesamt 5.979,99 €) zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.02.2015 zu bezahlen.
2.Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagten beantragen,
1.Das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck wird aufgehoben. Die. Klage wird abgewiesen.
2.Auf die Widerklage der Beklagten werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt über die Entscheidung des AG Hersbruck hinaus noch weitere 806,05 € (insgesamt also 1.255,37 €) nebst 5%-Punkte über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung der Widerklage zu bezahlen.
Beide Parteien beantragen jeweils:
Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten nimmt die Kammer auf die Schriftsätze vom 08.03., 14.03. und 28.04.2016 Bezug.
II.
Die zulässige Berufung der Kläger hat nur insoweit Erfolg, wie sie sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage der Beklagten hin richtet.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat ebenfalls nur teilweise Erfolg und führt zu einer Reduzierung ihrer Schadensersatzpflicht gegenüber den Klägern.
1. a. Die Kläger haben dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, da sie das Mietverhältnis wirksam ordentlich zum 31.10.2014 gekündigt und Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens haben. Auf die insoweit sehr ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts wird vollumfänglich Bezug genommen.
Weder kann die Berufung der Kläger damit durchdringen, die erklärte außerordentliche Kündigung sei bereits wirksam. Noch können die Beklagten mit ihrem Berufungsvorbringen überzeugen, es liege gar keine Nebenpflichtverletzung vor, die eine Kündigung rechtfertigen würde.
Auch nach Auffassung der Kammer liegt eine massiver Pflichtverstoß der Beklagten darin, dass sie die Kläger trotz mehrfacher Aufforderung über den Umfang des Legionellen-Befalls im Anwesen im Unklaren ließen. Dies obwohl nicht nur eine Wohnung ganz massiv befallen war, sondern durchaus auch in vielen anderen Wohnungen in dem Gesamtkomplex Werte erheblich oberhalb des technischen Maßnahmewertes von 100 KBE/100 ml festgestellt worden waren, bei dessen Überschreitung nach Aussage des Zeugen … ebenfalls bereits die Anordnung einer Gefährdungsanalyse veranlasst werden muss und nach den Leitlinien zur Trinkwasserverordnung Nr. 2.7.5. eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist. Die Beklagten hätten auch – anders als die Kläger – gegenüber der Hausverwaltung die Herausgabe der Ergebnisse der Gefährdungsanalyse durchsetzen können; bei datenschutzrechtlichen Bedenken hätten die Ergebnisse dann unter Schwärzung der Namen und/oder Wohnungsnummern an die Kläger weitergeleitet werden können. Ein zusätzliches berechtigtes Interesse benötigten die Kläger nicht; vielmehr genügt es, dass sie als Mieter mit einem so belasteten Gesamtsystem in Kontakt kommen – jedem Mieter ist es in einer solchen Situation unbenommen, nach Erhalt der Informationen über etwaige eigene Schutzmaßnahmen, die über die behördlichen Empfehlungen hinausgehen, nachzudenken.
Hingegen war den Klägern ein Zuwarten bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin zumutbar. Sie haben nach fruchtlosem Ablauf beider von ihnen gesetzten Fristen zunächst am 12.05.2014 (Anlage K 13) und dann unter Ausspruch einer Abmahnung und Androhung einer fristlosen Kündigung am 08.06.2014 (Anlage K 15) noch weitere 9 Wochen zugewartet, bevor sie am 04.08.2014 die außerordentliche Kündigung aussprachen. Zwar ist ihnen ein gewisser Überlegungszeitraum zuzubilligen, auch zur Inanspruchnahme anwaltlichen Rates. § 314 Abs. 3 BGB ist nach BGH, Urt. v. 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15, auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß § 543 BGB nicht anwendbar. Allerdings ist eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung bei der Frage der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum nächsten ordentlichen Kündigungszeitpunkt zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist unter Berücksichtigung dessen, dass im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich die erforderlichen Maßnahmen seitens der Wohnungseigentümer veranlasst worden waren, um eine Gesundheitsgefahr auszuschließen, die hier in Anspruch genommene Überlegungsfrist von 9 Wochen nach Ablauf der bereits selbst gesetzten Fristen auch unter Berücksichtigung dessen, dass die ordentliche Kündigungsfrist der Mieter lediglich 3 Monate beträgt, eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht zu bejahen. Um Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche vorzubeugen, hätte auch die außerordentliche Kündigung auch unter freiwilliger Zubilligung einer Auslauffrist erfolgen können (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 542 BGB, Rn. 21 (2)).
b. Hinsichtlich der Höhe des Ersatzanspruchs der Kläger, insbesondere zu den Kosten des Umzugs (34,11 €, 59,95 €, 19,90 €, 1.338,79 €, 297,50 €, 460,00 €), wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen.
Zu kürzen waren allerdings die geltend gemachten Maklerkosten (1.713,60 €), da diese den Klägern bereits am 26.07.2014, also vor Ausspruch der Kündigung, in Rechnung gestellt worden waren und auch bereits bezahlt wurden. Bei dem gebotenen Vergleich der Vermögenslage vor und nach der Kündigung fehlt es daher an einem kausalen Schaden.
Hinzu kommen aber die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 697,82 €, da die Kläger angesichts der schwierigen Rechtsfragen zum Thema Kündigung schon aufgrund des fruchtlosen Ablaufs der selbst gesetzten Fristen anwaltliche Hilfe und Beratung in Anspruch nehmen durften, auch wenn im Ergebnis dann der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung genügt hätte.
Weitere Ansprüche stehen den Klägern nicht zu. Hinsichtlich der geltend gemachten Arbeitsstunden handelt es sich überwiegend um nicht ersatzfähigen Zeitaufwand. Die vom Erstgericht vorgenommene Schätzung der auf den eigentlichen Umzug entfallenden – ersatzfähigen – Arbeitstunden wie auch die festgesetzte Stundensatzhöhe ist nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Rechnung der Fa. … über 237,76 € fehlte es erstinstanzlich an jeglichem Sachvortrag. Soweit die Kläger in der Berufungserwiderung nunmehr erstmals vorbringen, es handele sich um die Kosten einer neuen Küchenarbeitsplatte, ist dies nicht nur verspätet, sondern rechtfertigt auch aus rechtlichen Gründen jedenfalls keinen Ersatzanspruch. Den Kosten der Neuanschaffung steht nämlich bei dem gebotenen Vermögensvergleich ein entsprechender bleibender Wert im Vermögen gegenüber. Die Ausführungen des Erstgerichts zur Fälligkeit des Nebenkostenguthabens von 104,56 € aus der Abrechnung vom 15.05.2014 greift die Berufung nicht an.
2. Nachdem die außerordentliche Kündigung nicht wirksam war, ist folgerichtig die Widerklage der Beklagten in Höhe von 1.140,00 € Mietrückstand für September und Oktober 2014 auch begründet.
Allerdings steht den Beklagten kein Anspruch auf Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der außerordentlichen Kündigung der Kläger zu. Zwar kann die Ausübung eines nicht bestehenden Gestaltungsrechts eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen (mit der Folge des § 280 Abs. 1 BGB). Allerdings haben die Kläger diese Pflichtverletzung vorliegend nicht zu vertreten, da ihr Rechtsstandpunkt, insbesondere nachdem ein Kündigungsgrund vorlag und die außerordentliche Kündigung lediglich aufgrund fehlender Unzumutbarkeit nicht durchgriff, nicht von vorneherein unplausibel war (vgl. zu den Voraussetzungen der Ersatzpflicht BGH, Urt. v. 16.01.2009, Az. V ZR 133/08). Es gehörte daher im Ergebnis zum allgemeinen Lebensrisiko der Beklagten, mit einem unberechtigten Anspruch konfrontiert zu werden.
Auch ein Schadensersatzanspruch steht den Beklagten nicht zu. Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zur Verjährung wird Bezug genommen. Rückerhalt i.S.v. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus, dass der Mieter keine Einwirkungsmöglichkeit mehr auf die Mietsache hat und der Vermieter die Möglichkeit hat, diese zu untersuchen. Diese Voraussetzungen sind auch beim einseitigen Zurücklassen der Schlüssel jedenfalls gegeben. Ob hierdurch gleichzeitig eine Rückgabe der Mietsache i.S.v. § 546 BGB stattfand, kann an dieser Stelle offen bleiben.
Unter Verrechnung der Kaution, deren Höhe von 1.321,21 € unstreitig feststeht, ist daher kein Widerklageanspruch der Beklagten mehr gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Kläger obsiegen mit ihrer Klageforderung in Höhe von 2.908,07 € und unterliegen insoweit mit 3.071,92 €. Des Weiteren obsiegen die Kläger hinsichtlich der Widerklage insgesamt (1.255,37 €), so dass sich die im Tenor ersichtliche Quote ergibt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.


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