Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ersatzzwangshaft

Aktenzeichen  M 9 E 19.6342

Datum:
28.1.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 947
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 37 Abs. 1 S. 2, S. 3
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 123, § 154
RDGEG § 3, §  5

 

Leitsatz

1. Ein Anordnungsgrund fehlt regelmäßig, wenn eine Geldleistung gefordert wird, da regelmäßig ohne weitere Verfahrensschritte von staatlichen und kommunalen Stellen zu Unrecht geforderte Geldleistungen zurückgezahlt werden und nicht die Gefahr besteht, dass diese uneinbringlich sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Nachweis der Beendigung der Zweckentfremdung ist nicht maßgeblich, dass der neue Nutzer alle vorhandenen Wohnungsschlüssel hat, sondern dass der neue Nutzer seine Besitzberechtigung durch einen Mietvertrag von einem Berechtigten ableitet. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO gegen die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,– EUR mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2019.
Mit Grundbescheid vom 6. Dezember 2016 wurde der Antragstellerin aufgegeben, die Nutzung der Wohnung Nr. 28, .str. 22 A zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziff. 1) und den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung dieser Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 2). Unter Ziff. 3 wurde für den Fall, dass der Anordnung unter Ziff. 1 nicht binnen 3 Monaten Folge geleistet wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,– EUR angedroht. Für den Fall, dass der Anordnung unter Ziff. 2 nicht binnen von 4 Monaten Folge geleistet wird, wurde ein Zwangsgeld ebenfalls in Höhe von 1.000,– EUR angedroht (Ziff. 4).
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. August 2019 (M 9 K 16.5910), bestätigt durch Ablehnung der Zulassung der Berufung mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2019 (12 ZB 19.1996) wurde die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen. Dem Urteil lag zugrunde, dass die Klägerin nichts unternommen habe, um ein weiteres Tätigwerden ihres früheren Mieters Mohammad R. zu unterbinden und die tatsächliche Rückgabe der Wohnung zu erwirken. Zwar habe die Insolvenzverwalterin am 22. Mai 2018 für Mohammad R. die Wohnung gekündigt. Mittlerweile habe jedoch die “. & . GmbH”, vertreten durch diesen ehemaligen Mieter Mohammad R., die verfahrensgegenständliche Wohnung wieder vermietet und zwar ausweislich der Ortsermittlungen an Medizintouristen. Von einer Erledigung oder Erfüllung der Verpflichtung könne angesichts dieser undurchsichtigen Verhältnisse nicht ausgegangen werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Entscheidungen Bezug genommen.
Mit Schreiben und Bescheid vom 5. November 2019 wurde unter Ziff. I das im Bescheid vom 6. Dezember 2016 für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung für Fremdenverkehrszwecke angedrohte Zwangsgeld für fällig erklärt und unter Ziff. II ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.000,– EUR unter Fristsetzung von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides angedroht.
Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Schreiben und Bescheid vom 17. Dezember 2019 wurde unter Ziff. I das im Bescheid vom 5. November 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000,– EUR für fällig erklärt und unter Ziff. II ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 4.000,– EUR angedroht. Die im Bescheid vom 5. November 2019, gegen den kein Rechtsmittel eingelegt wurde, gesetzte Frist von 4 Wochen ab Zustellung sei abgelaufen und die zweckfremde Nutzung weiterhin nicht beendet worden. Die Antragstellerin habe lediglich am 13. Dezember 2019 per E-Mail mitgeteilt, dass sie unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2019 (12 ZB 19.1996, Rn. 6), durch den Bevollmächtigten im Namen und im Auftrag der Antragstellerin erklärt werde, dass das Handeln der “. & . GmbH” nachträglich genehmigt werde. Nach wie vor sei wegen der undurchsichtigen Besitzlage und der Beteiligung von Herrn Mohammad R. davon auszugehen, dass die “. & . GmbH” keine Berechtigung zum Besitz der Wohnräume habe, da nach wie vor keine Mietverträge vorlägen. Wegen der undurchsichtigen Besitzlage und der Beteiligung des früheren Mieters, Herrn Mohammad R., am Vertragsschluss könne nicht der faktische Weiterbetrieb des Nutzungskonzeptes der Vermietung an Medizintouristen ausgeschlossen werden. Die “. & . GmbH” habe wohl keine Berechtigung zum Besitz der Wohnräume, da der Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und zwischen Herrn Mohammad R. durch die Insolvenzverwalterin gekündigt worden sei. Deshalb könne die “. & . GmbH” keinen wirksamen Untermietvertrag von Herrn Mohammad R. erlangt haben. Die nachträgliche Genehmigung des Handelns der “. & . GmbH” durch die Antragstellerin am 13. Dezember 2019 ändere nichts an dieser undurchsichtigen Besitzlage und Beteiligung.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2019 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin gemäß § 123 VwGO:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 2.000,– EUR einstweilen nicht zu vollstrecken.
Die Antragstellerin sehe sich willkürlichen Vollstreckungshandlungen der Antragsgegnerin ausgesetzt. Aus Rn. 6 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2019 ergäbe sich unmissverständlich, dass die dauerhafte Beendigung der zweckfremden Nutzung der Wohnung entweder durch die Vorlage eines Mietvertrages zwischen die Antragstellerin und dem neuen Untermieter oder durch die nachträgliche Genehmigung des Handelns der “. & . GmbH” nachgewiesen werden könne. Insoweit sei der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der Kammer, die Antragstellerin sei auch Handlungsstörerin, nicht gefolgt. Die Antragstellerin habe die ihr durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eröffnete Möglichkeit der zweiten Variante in Anspruch genommen und mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 die geforderte Erklärung abgegeben. Die Vollstreckung sei nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG somit zu beenden, da damit die dauerhafte Beendigung der Zweckentfremdung nachgewiesen worden sei. Auch die Antragsgegnerin habe in Aussicht gestellt, die Angelegenheit für erledigt zu erklären, wenn die Antragstellerin erkläre, dass sie die Übergabe und der drei Schlüssel an den neuen Untermieter als “eine Rückgabe der Wohnung an sich selbst” ansehe, und erkläre, dass sie einen unbefristeten Mietvertrag mit diesem anstrebe. Dies begründe einen verbindlichen Vertrauenstatbestand. Ein Anordnungsgrund läge vor, da es unzumutbar sei, das Zwangsgeld erst einmal zu zahlen, um es dann nach Art. 39 BayVwZVG zurückzufordern, wenn die Hauptsache Erfolg habe, da die Fälligstellung eindeutig rechtswidrig sei.
Die Antragsgegnerin beantragte,
Antragsablehnung.
Ausweislich des Urteils des Verwaltungsgerichts und des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dauere die Zweckentfremdung der Wohnung weiterhin an und es sei keine Erledigung eingetreten. Die undurchsichtige Besitzlage unter Beteiligung des früheren Mieters Herrn Mohammed R. dauere fort und der Weiterbetrieb des Nutzungskonzeptes von Herrn Mohammed R. könne nicht ausgeschlossen werden. Eine vollständige Rückgabe der Wohnung an die Eigentümerin unter Ausschluss von Herrn Mohammed R. sei nicht erfolgt. Dieser habe weiterhin die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit unter Einschaltung der “. & . GmbH”. Es sei unbegreiflich, warum kein eigener Mietvertrag mit der Antragstellerin abgeschlossen werde, obwohl der aktuelle Mieter ausweislich der Akten (Bl. 426 BA) dazu bereit wäre. Die Erklärung des Bevollmächtigten vom 13. Dezember 2019, dass der Abschluss eines unbefristeten Mietvertrages mit dem aktuellen Nutzer angestrebt werde, ersetze keinen Mietvertrag. Aufgrund der Vorgeschichte sei offensichtlich, dass die Antragstellerin mit ihrer Erklärung, das Handeln der “. & . GmbH” werde nachträglich genehmigt, keine Rückgabe der Wohnung durch Herrn Mohammed R. anstrebe; dieser habe für die “. & . GmbH” gehandelt, ohne zum Besitz berechtigt zu sein.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die Akten in den Verfahren M 9 K 16.5910 und M 9 S 16.5912 Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Ein Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer vorläufigen Anordnung setzt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung und eines Anordnungsanspruchs, d.h. eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Regelung voraus (§ 123 VwGO). Vorliegend hat die Antragstellerin weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht, fehlt regelmäßig, wenn eine Geldleistung gefordert wird. Dies beruht darauf, dass regelmäßig ohne weitere Verfahrensschritte von staatlichen und kommunalen Stellen zu Unrecht geforderte Geldleistungen zurückgezahlt werden und nicht die Gefahr besteht, dass diese uneinbringlich sind. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin unerheblich, ob ein Anordnungsanspruch besteht, da ein solcher möglicher Anspruch nicht zwangsläufig oder regelmäßig zum Vorliegen der Voraussetzung der Gefahr eines schweren Nachteils und damit zur Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung führt. Eine besondere Härte oder sonstige Umstände, aufgrund derer es der Antragstellerin nicht möglich wäre, die 2.000,– EUR zu bezahlen, sind nicht erkennbar und wurden nicht geltend gemacht. Im Übrigen wäre es ihr im Falle einer finanziellen Notlage zumutbar, zunächst einen Antrag auf Ratenzahlung oder Stundung zu stellen.
Ungeachtet dessen wurde kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der klaren und unzweideutigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 28. August 2019 (M 9 K 16.5910), die durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Ablehnung der Zulassung der Berufung vom 20. November 2019 (12 ZB 19.1996) bestätigt wurde, liegt keine Beendigung der Zweckentfremdung durch die Vermietung der verfahrensgegenständlichen Wohnung durch die “. & . GmbH”, vertreten durch Herrn Mohammed R., vor, da dies insgesamt zu undurchsichtig ist. Aufgrund der verworrenen unveränderten Besitzlage unter Beteiligung des früheren Mieters Mohammed R. kann nach wie vor ein faktischer Weiterbetrieb des Nutzungskonzepts nicht dauerhaft ausgeschlossen werden. Eindeutig sind die Entscheidungen auch insoweit, dass die Störerauswahl durch die Antragsgegnerin rechtmäßig war und diese neben dem Handlungsstörer (Mohammed R.) zu Recht als Zustandsstörerin in Anspruch genommen wurde. Die von dem Bevollmächtigten angeführte Rn. 6 der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt, dass nach der Vorgeschichte die Antragsgegnerin zu Recht gegen die Antragstellerin vorgeht, da es erkennbar fernliegt, dass Herr Mohammed R. die tatsächliche Gewalt über die verfahrensgegenständliche Wohnung gegen den Willen der Antragstellerin ausübt. Diese Sachlage besteht unverändert fort und liegt der hier verfahrensgegenständlichen Fälligerklärung des Zwangsgeldes von 2.000,– EUR mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 zugrunde.
Die Erklärung des Bevollmächtigten vom 13. Dezember 2019 führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Erklärung beinhaltet, dass die Übergabe der Wohnung und der drei Schlüssel an den neuen Nutzer als Rückgabe der Wohnung an die Antragstellerin gesehen werde, ist dies ausweislich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unzureichend. Dies gilt auch für die Erklärung, dass ein Mietvertrag mit dem neuen Nutzer angestrebt werde, der Mietvertrag wurde nach wie vor nicht abgeschlossen. Soweit erklärt wurde, dass die Antragstellerin davon ausgehe, dass Herr Mohammed R. keine Zutrittsmöglichkeit zur Wohnung mehr habe, da er bei Abschluss des Mietvertrages mit der Antragstellerin ebenfalls nur drei Schlüssel erhalten habe, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Maßgeblich ist nicht, dass der neue Nutzer alle vorhandenen Wohnungsschlüssel hat, sondern dass der neue Nutzer seine Besitzberechtigung durch einen Mietvertrag mit einem Nichtberechtigten, nämlich der “. & . GmbH”, vertreten durch den ehemaligen Mieter Herrn Mohammed R. ableitet. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten betrachtet die Kammer die Tatsache dieser Erklärung als Bestätigung dafür, dass die Antragstellerin weiterhin daran festhält, dass der frühere Mieter durch Einschaltung der “. & . GmbH” die Wohnung mit unverändertem Nutzungskonzept zu Zwecken der Fremdenbeherbergung, Medizintouristen, nutzt und die Antragstellerin damit einverstanden ist.
Da § 123 VwGO die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs voraussetzt, ist auch aus diesem Grunde die von dem Bevollmächtigten der Antragstellerin abgegebene Erklärung unzureichend. Die Absichtserklärungen und die Vermutung, dass etwas geschehen ist, genügen nicht zur Glaubhaftmachung der Erfüllung der Verpflichtung, die Nutzung für Fremdenverkehrszwecke zu beenden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolg des § 154 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts auf 1.000,– EUR beruht auf Ziff. 1.7.1 i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs.

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