Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Finanzierungsbeschluss bei Vorschussleistungen des Bauträgers bezüglich Mängeln

Aktenzeichen  485 C 21746/18 WEG

Datum:
3.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46185
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 6 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Eigentümer haben ein weites Ermessen, wie sie eine beschlossene Baumaßnahme finanzieren.(Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Finanzierung einer Baumaßnahme können die Eigentümer auch auf einen vom Bauträger für Mängelgewährleistungsansprüche gezahlten Kostenvorschuss zurückgreifen, denn auch dieser gehört zum Verwaltungsvermögen. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 66.336,07 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Streitgegenständlich sind vorliegend (nur) der zu TOP 2e gefasste Finanzierungsbeschluss sowie die entsprechenden Zustimmungsbeschlüsse der Untergemeinschaften. Dass und wie die Maßnahme durchgeführt wird, wurde nicht mit den streitgegenständlichen Beschlüssen, sondern mit dem zu TOP 2 a gefassten Beschluss entschieden. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten und ist damit bestandskräftig. Es ist daher vorliegend nicht zu prüfen, ob die beschlossene Maßnahme als solche, etwa hinsichtlich des Zeitpunktes und des Umfangs, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Vorliegend geht es vielmehr ausschließlich um die Frage, ob die beschlossene Finanzierung aus den fristgerecht vom Kläger vorgetragenen Gründen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht oder nicht. Die Einwände des Klägers, dass wegen der bestehenden Schallschutzmängel „wohl“ sämtliche Wände ausgetauscht werden müssten und es „durchaus auch in Betracht komme“, dass aus wirtschaftlichen Gründen ein Neubau der Wohngebäude die allein tragfähige Lösung zur Beseitigung sämtlicher Mängel werde, betreffen nicht die Finanzierung der Maßnahme, sondern den Beschluss der Maßnahme als solche, der aber in TOP 2a erfolgte und nicht angefochten wurde.
Der streitgegenständliche Finanzierungsbeschluss (und die weiter angefochtenen Annex-Beschlüsse) widerspricht jedenfalls nicht aus den insoweit fristgerecht vorgetragenen Gründen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Jede bauliche Maßnahme bedarf einer Finanzierungsentscheidung. Insoweit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, auf bereits vorhandenes Vermögen („freie“ liquide Mittel, IHR) zuzugreifen oder, falls Verwaltungsvermögen nicht in ausreichendem Umfang vorhanden ist oder aus anderen Gründen der Zugriff auf dieses unterbleibt, noch zu beschaffendes Verwaltungsvermögen (Sonderumlage, Kreditaufnahme) einzusetzen. Dies entscheiden die Eigentümer – wie hier – als Ausfluss ihres Selbstorganisationsrechts grundsätzlich selbst durch Beschluss, ihnen steht insoweit ein Ermessen zu (vgl. Schultzky, ZWE 2017, 251). Auch der von der RS – Wohnbau gezahlte Vorschuss für die Behebung der Schallschutzmängel gehört zum Verwaltungsvermögen.
Durch die der Gemeinschaft verliehene Befugnis, den Vorschussanspruch – wie hier erfolgt – als gesetzliche Prozessstandschafterin geltend machen zu können, ändert sich an der Inhaberschaft des Anspruchs selbst zwar nichts. Inhaber der Nacherfüllungsansprüche und damit auch des Vorschussanspruchs sind die einzelnen Erwerber. Aus dem Zweck der in § 10 Abs. 6 S. 3 WEG enthaltenen Ermächtigung leitet sich aber die Berechtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft ab, Zahlung an sich statt an die Forderungsinhaber verlangen zu können. Die Empfangszuständigkeit der Gemeinschaft begründet sich insbesondere für den Kostenvorschuss und den Aufwendungsersatz mit der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht (§ 21 Abs. 1, 2 Nr. 5 WEG), zumal diese Ansprüche auch den Erwerbern selbst nur in Mitgläubigerschaft zustehen und auch deshalb auch von ihnen Zahlung an die Gemeinschaft zu fordern wären. Bei einem Kostenvorschuss ergibt sich die Empfangszuständigkeit der Gemeinschaft zusätzlich daraus, dass der Vorschuss ohnehin für eine (abzurechnende) Selbstvornahme, also eine gemeinschaftliche Maßnahme verwendet werden muss (Pause in Koeble, Münchener Prozessformularbuch Privates Bau- und Architektenrecht, 1. Klage auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung, Rz. 8). Auch die Mittel, die die Gemeinschaft auf Grund der ihr zustehenden Ausübungsbefugnis bei der Verfolgung individueller Ansprüche einnimmt, gehören aber zum Verwaltungsvermögen. Die Ansicht, dass hierfür ein „zweites Verwaltungsvermögen“ angesammelt werden müsste, das mit dem Verwaltungsvermögen nicht vermengt werden darf, ist mit § 10 S. 2 WEG, wonach auch die Ausübungsbefugnis zum Verwaltungsvermögen gehört, nicht vereinbar (vgl. Bärmann/Suilmann, § 10 WEG Rz. 287; Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, § 10 Rz. 111; Greiner, NZM 2013, 481/484). Das überwiesene Geld wird mit seinem Eingang auf dem Gemeinschaftskonto Verbandsvermögen; das ist zwangsläufige Folge des Einziehungsrechts (vgl. Greiner, a.a.O.).
Es ist vom weiten Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer gedeckt, einen entsprechenden Betrag des Verwaltungsvermögens aus den Konten 340066966 und 540066966 zur Finanzierung der unter TOP 2a beschlossenen Balkonsanierung zu entnehmen. Die vom Kläger insoweit vorgetragenen Bedenken verfangen nicht. Der Kläger moniert insoweit zunächst eine „Zweckentfremdung“ des als Vorschuss zur Beseitigung der Schallschutzmängel eingezahlten Betrages. Dies überzeugt nicht. Die Eigentümer haben vorliegend bereits keinen Beschluss über die Bildung einer entsprechenden „zweckgebundenen Sonderrücklage“ im Verwaltungsvermögen gefasst. Eine entsprechende Zweckbindung besteht also nach hiesiger Auffassung nicht unter den Eigentümern, sondern (allein) im (Außen-) Verhältnis der Gemeinschaft zur Bauträgerin, und auch nur insoweit, als im Rahmen der Abrechnung, die grundsätzlich erst erfolgt, wenn die Mangelbeseitigung abgeschlossen ist, der Besteller den Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen oder der Besteller die Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen lässt (vgl. MüKo /Busche, § 637 BGB Rz. 23), ein dem Vorschuss entsprechender Betrag als Rechnungsposten einzustellen ist und eine Abrechnung nur mit Maßnahmen erfolgen kann, die der Beseitigung des entsprechenden Baumangels dienten, also insoweit „zweckgebunden“ erfolgten.
Es erschließt sich nicht, wieso eine „ordnungsgemäße Abrechnung“ über den für die Behebung der Schallschutzmängel gezahlten Kostenvorschuss bei der hier beschlossenen Finanzierung nicht mehr möglich sein sollte. Gezahlt wurde ein (Vorschuss-) Betrag, der zahlenmäßig feststeht. Im Rahmen der Abrechnung stellt der gezahlte Vorschussbetrag einen Rechnungsposten dar, der auch bei dem hier geplanten Vorgehen eindeutig bezifferbar ist. Auch der Einwand, dass „nicht sichergestellt sei“, dass ein erneutes Verfahren gegen die RS Wohnbau bzgl. etwaiger Sanierungskosten der Balkone durchgeführt werden könne, verfängt nicht. Es ist nicht ersichtlich, wieso gerade die bloße Möglichkeit des etwaigen Scheiterns eines entsprechenden zukünftigen Verfahrens dazu führen sollte, dass die Verwendung von Verwaltungsvermögen, das als Vorschuss für die Behebung der Schallschutzmängel eingezahlt wurde, für die Behebung der Mängel an den Balkonen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen sollte. Auch der Kläger trägt hierfür keine Gründe vor. Darüber hinaus wurde rechtskräftig festgestellt, dass die R. u.a. verpflichtet ist, jeden weiteren finanziellen Aufwand und/oder Schaden zu erstatten, der für die Beseitigung der Serienmängel an den Balkonen/Dachterrassen (kein fachgerechte Abdichtung) entsteht. Soweit der Kläger innerhalb nachgelassener Frist nach der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2019 im Schriftsatz vom 05.06.2019 vorträgt, dass die in dem Sanierungskonzept der H. P.C. Gmbh „behaupteten“ Baumängel „augenscheinlich“ nicht Bestandteil der von der R… geleisteten Kostenvorschüsse seien und in den Raum stellt, dass „gänzlich ungeklärt“ sei, ob diese Baumängel vom Bauträger zu vertreten seien, sodass letztlich der von der R. geleistete Vorschuss zur Behebung der Schallmängel ohne rechtskräftige Entscheidung für einen gänzlich anderen Zweck verwendet werde, handelt es sich um Einwände, die hinreichend konkret erst nach Ablauf der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhoben worden und damit nicht zu berücksichtigen sind. Ein Kläger, der Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung anficht, ist gehalten, innerhalb der Begründungsfrist die Gründe vorzutragen, auf die er die Anfechtung stützt, ein Nachschieben von neuen Gründen ist ausgeschlossen. Dabei muss sich der Lebenssachverhalt, aus dem sich die Anfechtungsgründe ergeben sollen, zumindest in seinem wesentlichen Kern aus den innerhalb der Frist eingegangenen Schriftsätzen selbst ergeben (vgl. BGH, NJW 2009, 999 ff). Hinsichtlich des streitgegenständlichen Beschlusses erfolgten in der Anfechtungsbegründungsschrift vom 18.12.2018 Ausführungen unter Ziffer II. Dass, wie nunmehr vorgetragen, der zu TOP 2a) gefasste Maßnahmenbeschluss angeblich über die Beseitigung der vom LG München I zugunsten der WEG zuerkannten Mängel hinausgeht, wird dort nicht, auch nicht im wesentlichen Kern, erwähnt. Zwar wird auch dort der begriff der „Zweckentfremdung“ verwendet, jedoch darauf gestützt, dass der für die Beseitigung von Schallschutzmängeln geleistete Vorschuss für die Sanierung der Balkone verwendet werden soll. Weiter wurde nur allgemein und unsubstantiiert „ins Blaue hinein“ spekuliert, dass „nicht abschließend geklärt sei, inwieweit (nicht: „ob“) die Sanierung der Balkone im nunmehr gebotenen Umfang tatsächlich zu Lasten der R. GmbH gehe. Abgesehen davon ist der nunmehr (nach Ablauf der materiell – rechtlichen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1, S. 2 WEG) erfolgte Vortrag auch nicht nachvollziehbar. Wieso es „augenscheinlich“ sein sollte, dass die im Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen (Verbesserung der Entwässerungssituation durch Verlegen von Flachrinnen, neue Abdichtung im Gefälle in Form einer Flüssigkunststoffabdichtung) und Mängel (nicht funktionsfähige Verbundabdichtung der Balkone und Dachterrassen, Undichtigkeiten im Bodenaufbau mit daraus resultierenden Feuchteschäden an Balkon und Dachterrassen) nicht „Bestandteil“ der geleisteten Kostenvorschüsse sein sollte, erschließt sich nicht; die Mängelbeschreibung im Urteil des LG München I vom 11.08.2015 benennt vielmehr zahlreiche Feuchtigkeitsschäden an den Balkonen und Dachterrassen sowie Undichtigkeiten im Bereich der Fugen. Abgesehen davon wäre auch insoweit zu berücksichtigen, dass, wie ausgeführt, unter den Wohnungseigentümern eine entsprechende „Zweckbindung“ nicht gegeben ist, sondern eine solche nur gegenüber dem Bauträger und auch nur insoweit besteht, als Maßnahmen, die nicht zweckgebunden erfolgen, nicht in die Abrechnung eingestellt werden dürfen. Letztlich kann dies wegen der Nichteinhaltung der materiell – rechtlichen Ausschlussfrist aber an dieser Stelle dahinstehen.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwertfestsetzung erfolgte nach den Grundsätzen des § 49a GKG. Das Gesamtinteresse ist mit den Gesamtkosten der zu finanzierenden Maßnahme i.H.v. € 132.672,14 anzusetzen. Der Betrag des hälftigen Gesamtinteresses ist geringer als der Wert des fünffachen klägerischen Interesses und daher als Streitwert anzusetzen.


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