Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Grundgebührenberechnung für Wasserversorgung bei Wohnnutzung

Aktenzeichen  Au 8 K 19.1691

Datum:
22.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28746
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGS/WAS § 10 Abs. 3
BayKAG Art. 8 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1. Grundgebühren werden für die Inanspruchnahme der bloßen Lieferungs-, Abnahme- und Betriebsbereitschaft der öffentlichen Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung von allen Eigentümern erhoben. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung ist jedoch, dass die Wohnung ihrer Beschaffenheit nach zum Eigengebrauch oder zur Vermietung als Wohnung genutzt werden darf. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Bescheide des Beklagten vom 19. Januar 2017, vom 8. Januar 2018 und vom 14. Januar 2019 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2019 werden insoweit aufgehoben, als darin Grundgebühren für eine Wohneinheit festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet, soweit sie sich gegen Festsetzung einer Grundgebühr für die Wohnnutzung hins. „Entwässerung“ und hins. „Wasserversorgung“ für die Abrechnungszeiträume 2016, 2017 und 2018 richtet. Insoweit sind die Bescheide des Beklagten vom 19. Januar 2017, vom 8. Januar 2018 und vom 14. Januar 2019 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2019 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Bescheid vom 22. Januar 2015 eine Grundgebühr für die Wohnnutzung für den Abrechnungszeitraum 2014 festsetzt, ist dieser rechtmäßig, so dass die Klage insoweit unbegründet ist.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die angegriffenen Bescheide, soweit darin jeweils eine Grundgebühr für die Wohnnutzung hins. „Entwässerung“ festgesetzt worden ist, nicht bestandskräftig geworden. Der Kläger hat auch insoweit fristgerecht gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO Klage erhoben. Das Klagebegehren im Klageschriftsatz vom 8. Oktober 2019 bezieht sich entgegen der Auffassung des Beklagten auf die Festsetzung einer Grundgebühr sowohl für die „Wasserversorgung“ als auch für die „Entwässerung“. Zwar verwendet der Kläger in seinem Klageschriftsatz ausdrücklich nur den Begriff „Wassergebühren“. In der Begründung beziffert er jedoch ausdrücklich die Höhe seiner geltend gemachten Ansprüche, die sich in der Summe jeweils aus der Grundgebühr Wasserversorgung und der Grundgebühr Entwässerung zusammensetzen. Er nimmt des Weiteren auf die Widerspruchsbescheide Bezug, in denen aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung in den jeweiligen Widersprüchen ebenfalls beide Bereiche geprüft wurden. Inhaltlich geht er neben der Erwähnung des Wasseranschlusses auch auf das Vorhandensein von Toiletten, in denen Abwasser abgeleitet wird, ein. So ergibt auch im Hinblick auf das vorausgegangene Widerspruchsverfahren die Auslegung gem. § 88 VwGO, dass sich der Kläger, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, jeweils gegen beide Grundgebühren wenden will.
2. Die Klage ist jedoch nur hinsichtlich der Festsetzung einer Grundgebühr für die Jahre 2016, 2017 und 2018 begründet. Hinsichtlich der Festsetzung einer Grundgebühr für das Jahr 2014 ist die Klage dagegen unbegründet.
Nach § 9 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung (BGS/WAS) vom 21. Oktober 2010 erhebt die Gemeinde für die Benutzung der Wasserversorgungseinrichtung Grundgebühren (§ 10) und Verbrauchsgebühren (§ 11). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung wird die Grundgebühr für Grundstücke, die zu Wohnzwecken und zum Zwecke der gewerblichen Beherbergung genutzt werden, nach der Zahl und der Größe der Wohneinheiten am 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres berechnet. Die gleiche Regelung wurde hinsichtlich der Benutzung der Entwässerungseinrichtung in § 9 und § 10 der Betrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 21. Oktober 2010 getroffen.
Das streitgegenständliche Grundstück wurde im Zuge der Baumaßnahme „…“ mit einem „…“ bebaut und wurde bzw. wird u.a. gewerblich als Lagerraum bzw. Büro genutzt. Bis März 2014 wurde es unstrittig teilweise auch tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden wurden jeweils neben den beiden Grundgebühren für Entwässerung und Wasserversorgung für zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke auch jeweils zwei Grundgebühren für gewerblich genutzte Grundstücke festgesetzt.
a) Die Festsetzung der beiden Grundgebühren für eine Wohneinheit für den Abrechnungszeitraum 2014 war rechtmäßig. Zum maßgeblichen in der Satzung festgelegten Stichtag am 1. Januar 2014 wurde die Wohnung 1, links, des streitgegenständlichen Anwesens unstrittig von der Schwester des Klägers tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt. Dies ergibt sich bereits aus dem von der Schwester des Klägers ausgefüllten Antrag vom 25. August 2011 (Bl. 1, 2 der Akte des Beklagten). Sie wohnte dort bis zu ihrem Ableben im März 2014. Wegen der tatsächlichen Wohnnutzung spielt es für die Festsetzung im Kalenderjahr 2014 keine Rolle, ob diese Wohnnutzung baurechtlich zulässig gewesen war. Da es sich nach § 10 Abs. 3 BGS/WAS bzw. BGS/EWS um eine Jahresgebühr handelt, kam entgegen der Auffassung des Klägers keine teilweise Reduzierung der Gebührenhöhe in Betracht.
b) Für die Kalenderjahre 2016, 2017 und 2018 wurden die Grundgebühren für eine Wohneinheit jedoch zu Unrecht festgesetzt.
Mit der Grundgebühr nach Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG sollen die Vorhaltekosten, als die „stehenden“, „invariablen“, „fixen“, „verbrauchsunabhängigen“ Kosten abgedeckt werden. Sie werden für die Inanspruchnahme der bloßen Lieferungs-, Abnahme- und Betriebsbereitschaft der öffentlichen Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung von allen Eigentümern erhoben, deren Grundstücke an die Einrichtung angeschlossen sind (Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht Stand Oktober 2019, Teil IVb, Frage 33, Nr. 2). Die Grundgebühr wird somit unabhängig von der tatsächlichen Nutzung dafür erhoben, dass die gebührenpflichtigen Leistungen jederzeit in Anspruch genommen werden können („Lieferbereitschaft“). Es ist deshalb zutreffend, dass der Leerstand eines Hauses die Grundgebührenpflicht allein nicht entfallen lässt, weil die gebührenpflichtigen Leistungen grundsätzlich jederzeit wieder in Anspruch genommen werden können. Dies ist auch dann der Fall, wenn Wohnhäuser vorübergehend (aus beliebigem Grund) nicht genutzt werden (Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IVb, Frage 33, Nr. 8.1). Die Eigentümer haben mit Aufnahme der Wohnnutzung gegenüber dem Beklagten sofort wieder den Anspruch, dass dieser ihnen die benötigte Menge an Trinkwasser liefert und das Abwasser abnimmt (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 14.4.2008 – 4 L 181/07 – juris). Die Entscheidung für oder gegen die tatsächliche Inanspruchnahme bei einem nur vorübergehenden Leerstand liegt allein in der Sphäre des Gebührenpflichtigen (VG Frankfurt (Oder), U.v. 15.9.2008 – 5 K 397/04 – juris Rn. 31).
Voraussetzung ist jedoch, dass die Wohnung ihrer Beschaffenheit nach zum Eigengebrauch oder zur Vermietung als Wohnung genutzt werden darf, da (nur) unter diesen Umständen der Gebührenpflichtige objektiv die Wohnnutzung jederzeit wiederaufnehmen und damit sofort den Anspruch auf die Bereitstellung der Wasserversorgung und die Abwasserabnahme wieder erwerben kann, so dass die Betriebsbereitschaft vorgehalten werden muss (vgl. SächsOVG, U.v. 20.5.2019 – 5 A 100/16 – juris Rn. 36; U.v. 8.7.2019 – 5 A 101/16 – juris Rn. 5).
Aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme des zuständigen Landratsamts, Bauaufsicht, vom 11. Februar 2020 (Bl. 61 der Gerichtsakte) ergibt sich, dass das Gebäude als „…“ genehmigt worden war. Eine Wohnnutzung war hier jedoch nie genehmigt worden. Das Anwesen befindet sich im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 2 BauGB handelt es sich jedoch um ein faktisches Gewerbegebiet i.S.d. § 8 BauNVO. Im Flächennutzungsplan wird diese Fläche auch als Fläche für Gewerbe dargestellt. Eine Wohnnutzung kann somit nur ausnahmsweise für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber/- leiter analog § 8 Abs. 3 BauNVO zugelassen werden.
Daraus ergibt sich, dass im streitgegenständlichen Zeitraum das Anwesen in baurechtlicher Hinsicht nicht zu Wohnzwecken genutzt werden durfte. Ob in Zukunft ausnahmsweise eine Genehmigung in Betracht kommt, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle. Unter diesen Umständen lag es somit nicht allein in der Sphäre des Klägers, die Wohnnutzung wiederaufzunehmen. Eine Wohnnutzung wäre nach der Stellungnahme des Landratsamtes legal nur zulässig, wenn diese ausnahmsweise zugelassen werden würde. Diese Konstellation ist mit dem Fall vergleichbar, der der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019 (5 A 101/16 – juris Rn. 56) zugrunde lag. Das Oberverwaltungsgericht kam darin zu dem Ergebnis, dass eine Grundgebühr für Wohnnutzung nicht erhoben werden durfte, weil nach der Bewertung der bauordnungsrechtlichen Situation eine Wohnnutzung dort bauordnungsrechtlich unzulässig wäre.
Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass es nicht auf den Umstand der bauordnungsrechtlichen Legalität ankomme, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Die vom Beklagten zitierte Kommentarstelle in Wuttig/Timet (Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IVa Frage 26, Nr. 3.6.5). führt zum Thema „Schwarzbau“ folgendes aus: „Soweit es sich bei einem nachträglichen Dachgeschossausbau um einen sog. „Schwarzbau“ handelt, ist zu differenzieren: Eine Geschossflächenmehrung stellt keinen beitragsrelevanten Vorteil dar, wenn sie von Anfang an nicht nutzbar ist, weil sie einer unverzüglichen und sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung unterworfen wurde. Wird der Bauherr jedoch zur nachträglichen Vorlage eines Bauantrags aufgefordert oder der Schwarzbau über einen längeren Zeitraum hin geduldet, so ist wohl davon auszugehen, dass die Beitragspflicht entstanden ist. Ist die Beitragspflicht aber entstanden, dann ändert selbst eine Beseitigung der beitragspflichtigen Geschossfläche nachträglich nichts mehr am Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrags.“
Die zitierte Kommentarstelle ist auf dem vorliegenden Fall nicht, auch nicht vergleichbar, anwendbar. Die Ausführungen behandeln Fragen zu dem Bereich „Beiträge“ (Teil IVa) und nicht zu dem hier strittigen Bereich „Gebühren“. Zutreffend ist insoweit, dass bei einem geduldeten Schwarzbau die Beitragspflicht für die erstmalige Herstellung der leitungsgebundenen Einrichtungen entstehen und nachträglich nicht mehr entfallen kann. Dies hängt mit den Besonderheiten des Beitragsrechts als einmalige Leistung zusammen. Im Gebührenrecht dagegen kommt es auf die jeweilige (Nutzungs-)Situation an. Die maßgeblichen Umstände können sich insoweit im Laufe der Zeit für den jeweiligen Abrechnungszeitraum ändern. Es gibt im Gebührenrecht keinen Grundsatz der Einmaligkeit der Leistung. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde von der Wohnnutzung der Schwester des Klägers Kenntnis hatte und dies geduldet hat bzw. dulden würde.
Es liegen des Weiteren keine Hinweise dafür vor, dass die Wohnung in den streitgegenständlichen Jahren tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt worden ist. Insoweit kann es dahinstehen, ob die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der Firma R. vom 7. Oktober 2019 (Bl. 14 der Gerichtsakte), wonach diese das Anwesen seit dem 1. April 2014 als Lagerraum genutzt hätte, den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Auch der Beklagte hat jedenfalls keine Nachweise dafür vorgelegt, dass eine tatsächliche Wohnnutzung erfolgt ist. Dies deckt sich mit den vorgelegten Lichtbildern einer Ortseinsicht des Beklagten vom 12. Mai 2020, worauf das Objekt mit geschlossenen Jalousien zu sehen ist und einen ungenutzten Eindruck macht (Bl. 76 ff der Gerichtsakte). Auch Daten aus dem Einwohnermeldeamt liegen offensichtlich nicht vor.
Ebenfalls spielt es keine Rolle, ob die relevanten Anschlüsse vom Kläger tatsächlich zurückgebaut worden sind. Denn auch für eine gewerbliche Nutzung ist grundsätzlich die Inanspruchnahme der Entwässerungs- und der Wasserversorgungseinrichtung denkbar. Deshalb ist dafür auch eine Grundgebühr für gewerbliche Nutzung vorgesehen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 BGS/WAS bzw. BGS/EWS).
3. Die Kostenaufteilung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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