Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Anforderungen an ausreichende Kostensenkungsbemühungen

Aktenzeichen  L 16 AS 858/16

Datum:
7.11.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30680
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch auf Anerkennung von unangemessenen Kosten der Unterkunft als Bedarf über den Regelzeitraum von sechs Monaten besteht nicht, wenn Kostensenkungsbemühungen nahezu fehlen.
2. Nachgewiesene Kostensenkungsbemühungen im Umfang von elf Bewerbungen auf angebotene Mietwohnungen in sieben Monaten von denen nur vier Wohnungen den Angemessenheitskriterien des beklagten Jobcenters entsprachen, stellen keine ausreichenden Bemühungen zur Senkung unangemessener Unterkunftskosten dar. Sowohl die Häufigkeit der nachgewiesenen Bewerbungen auf freie Wohnungen als auch die Auswahl der oft nicht angemessenen Wohnungen sind nicht ausreichend. (Rn. 44)
3. Wegen der nahezu fehlenden Kostensenkungsbemühungen der Kläger ist der Beklagte auch nicht in der Darlegungspflicht, dass es tatsächlich angemessenen Wohnraum gab. (Rn. 44)

Verfahrensgang

S 7 AS 595/15 2016-11-07 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. November 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nicht nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, weil der Wert der Beschwer erreicht ist. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Unterkunftskosten (940 € monatlich) und den anerkannten Kosten (639 € im November und Dezember 2015, 677,52 € im Januar 2016) beträgt 864,48 €.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben in der Zeit von November 2015 bis Januar 2016 keinen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung, als der Beklagte ihnen mit Bescheid vom 08.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.09.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.11.2015 und 11.11.2016 bewilligt hat. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 09.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.09.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.11.2015 und 11.11.2016. Die Änderungsbescheide wurden Gegenstand des Klage- bzw. des Berufungsverfahrens (§ 96 SGG). Die Kläger begehren ausschließlich höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate November 2015 bis Januar 2016; sie haben den Streitgegenstand in zulässiger Weise begrenzt (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 32ff).
Die Kläger, die dem Grunde nach Leistungsberechtigte sind (§ 7 i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II), haben keinen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Die Kosten für die Wohnung der Kläger sind nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab (Vergleichsraum) für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist (Referenzmiete), indem eine Datenerhebung und Datenauswertung durch den kommunalen Träger bzw. das Jobcenter erfolgt. Ziel der Ermittlungen des Jobcenters (§ 20 SGB X) muss sein, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können (sog. abstrakte Angemessenheitsprüfung). In einem vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob für den Leistungsberechtigten eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung verfügbar und zugänglich ist (sog. konkrete Angemessenheitsprüfung).
Der Beklagte ist im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und eine gegebenenfalls unterbliebene Datenerhebung oder – aufbereitung nachzuholen (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.2013, Az. B 4 AS 87/12 R, Rn. 20ff, und vom 16.06.2015, Az. B 4 AS 44/14 R, Rn. 19). Hilfsweise kann auf die Miethöchstgrenzen aus der Tabelle zu § 12 WoGG (§ 8 WoGG aF) als Maßstab der Angemessenheit der Unterkunftskosten abgestellt werden, wenn ein konkret-individueller Maßstab nicht gebildet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R, Rn. 23).
Nach dem Mietvertrag bzw. der Mietbescheinigung des Vermieters beträgt die Wohnfläche der streitbefangenen Wohnung 130 qm. Diese Größe ist für einen Vierpersonenhaushalt nicht angemessen. Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich nach den Werten, die die Länder aufgrund § 10 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) festgelegt haben (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 84). Die abstrakt angemessene Größe für einen Vierpersonenhaushalt beträgt in Bayern bis zu 90 qm (vgl. § 10 WoFG in Verbindung mit Nr. 5.8 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über die Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts vom 12.09.2007, AllMBl. S. 514). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe um 40 qm.
Der Beklagte hat die Mietobergrenze (MOG) für den von ihm festgelegten Vergleichsraum, seinen gesamten Zuständigkeitsbereich, nicht auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts ermittelt. Der Ermittlung der angemessenen Miete muss ein Konzept zugrunde liegen, das schlüssig und hinreichend nachvollziehbar ist. Mindestvoraussetzung für die Schlüssigkeit, d.h. Nachvollziehbarkeit und Folgerichtigkeit des Konzepts ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 22.09.2009 (Az. B 4 AS 18/09 R, Rn. 19), dass die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
– die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine „Ghettobildung“),
– es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (z.B. welche Art von Wohnungen, ggf. Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- oder Nettokaltmiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße),
– Angaben über den Beobachtungszeitraum,
– Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
– Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
– Validität der Datenerhebung,
– Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
– Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die Ermittlung der abstrakt angemessenen KdU ist vorliegend nicht deshalb entbehrlich, weil das Sozialgericht ausgeführt hat, dass zwischen den Beteiligten unbestritten sei, dass der Beklagte im streitigen Zeitraum kein schlüssiges Konzept gehabt habe und der Beklagte ein (nicht angenommenes) Anerkenntnis für den Monat Januar 2016 dahingehend abgegeben hat, dass Unterkunftskosten in Höhe der um einen Sicherheitszuschlag erhöhten Höchstbeträge nach dem WoGG gezahlt werden würden. Es kann nämlich nach der Rechtsprechung des BSG nicht dahingestellt bleiben, ob ein Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten nach einem schlüssigen Konzept vorliegt (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 4/13 R). Erst wenn Feststellungen zu den abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht mehr möglich sind, darf ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle erfolgen. Wegen der dann nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle zurückzugreifen und ein „Sicherheitszuschlag“ von 10 v.H. einzubeziehen (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; im Anschluss an Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R). Dieses Vorgehen mit dem Ausschluss eines unmittelbaren Rückgriffs auf die Werte der Wohngeldtabelle berücksichtigt die in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II festgelegte Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, die tatsächlich angemessenen Kosten zu übernehmen und dient der Sicherstellung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf bedarfsdeckende Leistungen im Bereich des Wohnens.
Bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum liegt kein schlüssiges Konzept vor. Es fehlt bereits an einer validen und repräsentativen Datengrundlage. Der Beklagte fasste zunächst Angebote des Wohnungsmarktes aus Internet und Presse sowie Mietverträge der Kunden der Sozialhilfeverwaltung und des Beklagten in einer Datenbank zusammen. Daraus versuchte er für die Vergleichsräume eine Durchschnittsmiete zu bilden. Dies entspricht nicht der Rechtsprechung des BSG, weil die nur punktuell erhobenen Daten nicht ausreichend repräsentativ sind und kaum geeignet, den Wohnungsmarkt abzubilden. Zudem wurden scheinbar Neuvermietungen und Bestandsmieten gemischt. Auch bleibt völlig unklar, nach welchen Kriterien Vergleichsräume gebildet wurden. Die Bildung einer Durchschnittsmiete je Vergleichsraum ungeachtet der Wohnungsgröße begegnet ebenfalls Bedenken.
Der Beklagte hat erklärt, es sei ihm nicht möglich, weiteres Datenmaterial für den streitigen Zeitraum zu beschaffen, um das Konzept nachzubessern bzw. dieses schlüssig zu machen. Zwar ist der Grundsicherungsträger, wenn er ohne eine hinreichende Datengrundlage entscheidet, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S. 1 2. HS SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und – aufbereitung nachzuholen. Es kann von ihm erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die personellen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt (BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 33/08 R, Rn. 22). In gleicher Weise muss im Rahmen der Darlegung eines Erkenntnisausfalls von dem vorrangig zuständigen Jobcenter im Einzelnen begründet werden, dass und warum ein schlüssiges Konzept nicht mehr entwickelt werden kann (BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 61/12 R, Rn. 22 ff). Es gibt über die vom Beklagten nicht ausreichend gesammelten Daten hinaus keine repräsentativen Erkenntnismöglichkeiten wie Mietspiegel oder ähnliche Aufzeichnungen, die die erforderlichen Differenzierungen enthalten würden. Im Nachhinein ist es auch nicht mehr möglich, ausreichende Daten für das Jahr 2015/16 zu erhalten.
Der Senat greift zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft auf § 12 WoGG zurück, weil ihm weitere Ermittlungen – insbesondere zur Datengrundlage – zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nicht möglich sind. Für die Wohnortgemeinde der Kläger A-Stadt (Landkreis Landshut – Mietstufe 1) ergibt sich bis 31.12.2015 ein Höchstbetrag für einen Vierpersonenhaushalt nach § 12 WoGG (idF v 24.09.2008 und 09.12.2010) iVm Anlage 1 zu § 1 Abs. 3 WoGV idF v 15.12.2008 von 490 € zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% ein Betrag in Höhe von 539 €. Für die Zeit ab 01.01.2016 ergibt sich ein Höchstbetrag nach § 12 WoGG (idF v 02.10.2015 mWv 01.01.2016) iVm Anlage 1 zu § 1 Abs. 3 (BGBl. I 2015, 1619 – 1662, gültig ab 01.01.2016) in Höhe von 525 € zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% ein Betrag in Höhe von 577,50 €. Dieser Betrag beinhaltet auch die kalten Betriebskosten, die im Fall der Kläger 120 € monatlich betrugen (vgl. hierzu § 9 Abs. 1 WoGG). Hinzu kommen die Heizkosten in Höhe von 100 € monatlich. Daraus ergibt sich ein Gesamtanspruch an monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 639 € für November und Dezember 2015 und in Höhe von 677,50 € für Januar 2016. Die Wohnung der Kläger ist nicht angemessen, da sie mit einer Bruttokaltmiete von 840 € die angemessene Miete um knapp 300 € übersteigt.
Ausgehend davon hat der Beklagte den Klägern die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt und gewährt.
Die sog. konkrete Angemessenheitsprüfung führt nicht zur Anerkennung des tatsächlichen Unterkunftsbedarfs. Soweit Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Es kann dahinstehen, ob die Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II aufgrund des Umzugs der Kläger ohne vorherige Zusicherung während des Leistungsbezugs oder aufgrund einer Bösgläubigkeit bei Einzug im Hinblick auf die unangemessenen Unterkunftskosten ausgeschlossen ist und die Kläger jedenfalls nur die angemessenen Unterkunftskosten als Bedarf beanspruchen könnten, denn selbst bei Anwendung der für die Kläger günstigeren Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II haben sie keinen Anspruch auf Übernahme höherer tatsächlicher Unterkunftskosten für die streitgegenständliche Zeit.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen, unangemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II.
Die Kostensenkungsaufforderung vom 27.01.2015 ist nicht zu beanstanden und gilt – anders als die Prozessbevollmächtigte der Kläger vorträgt – auch für die Absenkung der Unterkunftskosten ab November 2015. Zwar wurde mit der Kostensenkungsaufforderung vom 27.01.2015 eine Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten bis 31.07.2015 angekündigt und so auch im ersten Bewilligungsabschnitt (Februar bis Juli 2015) umgesetzt. Auf den Fortzahlungsantrag hin, in dem die Klägerin zu 1) ausführlich ihre Wohnsituation darstellt und um eine weitere Übernahme der tatsächlichen Kosten baten, erkannte der Beklagte dann mit dem angefochtenen Bescheid für weitere drei Monate (August bis Oktober 2015) die tatsächlichen Kosten an, nicht jedoch darüber hinaus. In der Begründung des Bescheids führte er aus, dass die tatsächliche Miete um drei Monate länger anerkannt werde, ab November 2015 nur noch die angemessene Miete. Eine Abkehr von der Kostensenkungsaufforderung vom 27.01.2015 durch den Beklagten oder eine Änderung der Sachlage kann darin nicht erblickt werden. Auch nach dem Eindruck, den der Senat von den Klägern zu 1) und zu 2) in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, haben diese nach dem objektiven Empfängerhorizont dies so verstanden (vgl. Luik a.a.O., § 122 Rn. 140; Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 22 Rn. 133).
Der Beklagte hat für insgesamt neun Monate die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung als Bedarf der Kläger anerkannt, während die Vorschrift von einem „Regelzeitraum“ von sechs Monaten ausgeht.
Es liegen weder objektive noch subjektive Umstände vor, die zur Anerkennung eines höheren Unterkunftsbedarfs im streitigen Zeitraum führen. An die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit sind wegen des Regel-Ausnahme-Prinzips strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 144). Ein Umzug ist in der Regel zumutbar, es sei denn, es liegen gravierende Umstände in der Person des Leistungsberechtigten vor. Solche Umstände liegen hier nicht vor.
Die behaupteten Vermittlungshemmnisse aufgrund eines Schufa-Eintrags bzw. vorangegangener Insolvenzen sind nicht geeignet, zu einer subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung zu führen. Ein Schufa-Eintrag oder eine (Verbraucher) Insolvenz sind keine Alleinstellungsmerkmale der Kläger zu 1) und 2), was sich aus den Zahlen des statistischen Bundesamtes zu Verbraucherinsolvenzen ablesen lässt (vgl. z.B. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28930/umfrage/anzahl-der-privatinsolvenzen-je-100000-einwohner/). Gleiches gilt für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II und für das Vorhandensein von Kindern.
Der Senat hält die nachgewiesenen Kostensenkungsbemühungen der Kläger nicht für ausreichend. Die Kläger haben dem Beklagten eine Liste mit elf Bewerbungen in sieben Monaten vorgelegt. Dies entspricht durchschnittlich 1,57 Bewerbungen pro Monat. Im Bewilligungsabschnitt haben sich die Kläger auf nur drei Wohnungen, im streitigen Zeitraum auf keine Wohnung beworben. Schließlich entsprachen nur vier der elf Wohnungen den Angemessenheitskriterien des Beklagten in etwa. Weiter haben die Kläger behauptet, selbst im Internet eine Suchanzeige aufgegeben und sich für den Erhalt einer Sozialwohnung registriert zu haben. Sowohl die Häufigkeit der nachgewiesenen Bewerbungen auf freie Wohnungen als auch die Auswahl der oft nicht angemessenen Wohnungen bei der Wohnungssuche stellen keine ausreichenden Kostensenkungsbemühungen dar. Wegen der nahezu fehlenden Kostensenkungsbemühungen der Kläger ist der Beklagte auch nicht in der Darlegungspflicht, dass es tatsächlich angemessenen Wohnraum gab, so dass der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die vom Beklagten vorgelegte Liste mit einigen von Leistungsempfängern angemieteten Wohnungen, dem Nachweis konkreter Unterkunftsalternativen genügen würde.
Schließlich handelt es sich bei dem Vortrag, dass keine Wohnungen zu den Angemessenheitskriterien des Beklagten auf dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung stünden und dass aufgrund der Flüchtlingskrise eine Wohnungsnot bestanden habe, um Behauptungen „ins Blaue hinein“.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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