Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Leistungen, Berufung, Mieter, Revision, Betriebskostenabrechnung, Zulassung, Beteiligung, Wohnung, Nebenkostenabrechnung, Streitwert, Leistungsverzeichnis, Herausgabe, Vermieter, Belegeinsicht, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Berufungsverfahrens, Die Fortbildung des Rechts

Aktenzeichen  31 S 7015/19

Datum:
14.5.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55271
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

461 C 21735/17 2019-04-26 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 26.04.2019 (Az. 461 C 21735/17) wird wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und seine Ehefrau Maria zur gesamten Hand 18,08 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2018 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger weitere 14,83 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2018 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 89% und die Beklagte zu 11%.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 255,76 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung ist im Ergebnis begründet.
I. Der nach der mündlichen Verhandlung außerhalb nachgelassener Schriftsatzfrist eingegangene Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 04.05.2020 wurde im Umfang der darin enthaltenen Rechtsansichten berücksichtigt. Da ein etwaiger neuer Sachvortrag im Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 04.05.2020 gemäß § 296a S. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, war über den vorsorglich gestellten Antrag der Klägervertreterin vom 05.05.2020 auf Einräumung einer angemessenen Schriftsatzfrist nicht zu entscheiden.
II. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 517, 519, 520 ZPO. Eine Beschränkung der Zulassung der Berufung durch das Amtsgericht lässt sich weder dem Tenor noch der Begründung des Urteils entnehmen. Das Amtsgericht sah sich aufgrund der Fragen zum Umfang des Belegeinsichtsrechts des Klägers und zur Frage der Reichweite der Darlegungslast der Beklagten im Hinblick auf die Konzernstruktur zur Zulassung veranlasst. Dass die Zulassung auf diese Fragen beschränkt sein sollte, lässt sich der knappen Begründung nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.
III. Die Berufung ist begründet. Die Kammer schließt sich zwar im Ergebnis der Ansicht des Amtsgerichts an, dass die Beklagte dem Kläger keine hinreichende Belegeinsicht gewährt hat (dazu III.1) und dem Kläger daher ein Zurückbehaltungsrecht zusteht (dazu III.2). Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass es dem Kläger zumutbar ist, zunächst auf Gewährung der begehrten Belegeinsicht zu klagen (dazu III.3).
I. Die Beklagte hat dem Kläger keine hinreichende Belegeinsicht gewährt.
a. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des Mieters bedarf nicht der Darlegung eines besonderen Interesses an einer Belegeinsicht; der Wortlaut des § 259 Abs. 1 BGB bietet für ein solches Erfordernis keinen Anhaltspunkt. Mit der Pflicht zur Vorlage von Belegen wird gerade bezweckt, die Ausführung der abzurechnenden Geschäfte umfassend nachprüfbar zu gestalten. Es genügt daher bereits das allgemeine Interesse des Berechtigten, die Tätigkeit des zur Abrechnung Verpflichteten zu kontrollieren. Dieser Maßstab gilt auch für die Betriebskostenabrechnung im Mietrecht (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, BeckRS 2018, 5179, Rz. 18-19).
Dem Mieter einer preisgebundenen Wohnung steht aus §§ 8 Abs. 4 WoBindG, 29 NMV ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht zu, das nicht von vornherein auf Abrechnungsunterlagen begrenzt ist (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, 14. Aufl. 2019, § 556 BGB Rn. 479). Der Anwendungsbereich des Wohnungsbindungsgesetzes ist gemäß § 1 WoBindG eröffnet, da es sich bei den Wohnungen unstreitig um öffentlich geförderten Wohnraum handelt.
Der BGH hat in seinem – auf Vorlage des OLG Hamm hin ergangenen – Rechtsentscheid vom I1. 01.1984 (Az. VIII ARZ 10/83; BeckRS 1984, 110207) dieses Auskunfts- und Einsichtsrecht dahingehend beschränkt, dass es unter Berücksichtigung auch der berechtigten Belange des Vermieters überzogen erscheine, diesen zur Beifügung von Unterlagen zu zwingen, die dem Mieter nur ein Minimum an Mehrinformation bieten, dem Vermieter dafür erhebliche Mehraufwendungen abverlangen (BGH aao, Rz. 17).
Darüber hinaus hat der BGH allgemein festgestellt, dass zu den vom Vermieter vorzulegenden Abrechnungsunterlagen auch Verträge des Vermieters mit Dritten gehören, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist; der Mieter muss vom Vermieter in die Lage versetzt werden, den Vertrag zwischen diesem und dem Lieferanten und vor allem die darin enthaltene Preisberechnungsformel und Preisänderungsformel kennenzulernen, um prüfen zu können, ob die Preisberechnungen mit dem Vertrag und den vereinbarten Formeln in Einklang stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2011 – VIII ZR 38/11, BeckRS 2012, 807, Rz. 2). Es ist gerade der Zweck der Belegvorlagepflicht nach § 259 Abs. 1 BGB, die Ausführung der abzurechnenden Geschäfte umfassend nachprüfbar zu gestalten (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, BeckRS 2018, 5179, Rz. 18).
b. Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich die dem Kläger gewährte Belegeinsicht als unzureichend dar.
aa. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Beklagten und der I. GmbH lässt nicht erkennen, welche Vergütung vereinbart worden ist. Es ist lediglich geregelt, dass die Beklagte die I. GmbH mit der Erbringung der Hausmeisterleistungen gemäß Anlage 1 (Bl. 20-21 d.A.) beauftragt und die Beklagte sämtliche für die Erfüllung der Aufgaben im Kalenderjahr entstandenen und per Einzelrechnung umlagefähig ausgewiesene Kosten erstattet. Die erwähnte Anlage 1 wird mit „Katalog der „umlagefähigen“ Leistungen (…)“ überschrieben, enthält jedoch keine Angaben zu den Kosten für die jeweiligen Positionen.
An dieser Unvollständigkeit ändert auch die vorgelegte Gesamtliste „Liste Hausmeisterleistungen 2014“ (vor Bl. 235 d.A.) nichts. Diese Liste enthält nur die Beträge, die der Beklagten in Rechnung gestellt worden sind und vermag damit lediglich die in Anlage B1 vorgelegten Rechnungen zu präzisieren. Die Gesamtliste stellt jedoch kein Leistungsverzeichnis dar, weil es nicht erkennen lässt, welche Vereinbarungen für die Kosten der einzelnen Positionen getroffen worden sind.
bb. Die von der Beklagten für die Betriebskostenabrechnung des Jahres 2014 erteilte Belegeinsicht ist auch deshalb unvollständig, weil sie bei der Erfüllung ihrer Pflicht zur Gewährung von Belegeinsicht die einzelnen Positionen nicht gleich behandelt.
Insoweit fällt der Unterschied zu dem Vertrag betreffend die in der Betriebskostenabrechnung enthaltenen Positionen „Wartung von Löscheinrichtung“ und „Wartung Rauchabzugsklappen“ auf. Die Beklagte hat in erster Instanz zu den in der Betriebskostenabrechnung aufgeführten Positionen „Wartung Löscheinrichtung“ und „Wartung Rauchabzugsklappen“ vorgetragen, dass die Grundlage für diese Kosten der Kontrakt mit der beauftragten Firma nebst dem dazugehörenden Leistungsverzeichnis ist. Diesen Kontrakt schloss auf Auftraggeberseite die D. A. D. GmbH. Die Beklagte hat sowohl den Vertrag als auch das Leistungsverzeichnis vorgelegt (Anlage B9, Bl. 200-209 d.A.). In diesem Leistungsverzeichnis sind die jeweiligen Kosten klar geregelt.
Anders als bei diesen beiden Positionen verweigert die Beklagte im Hinblick auf die Position „Hauswart“ die Vorlage der entsprechenden Unterlagen. Dieser Widerspruch begründet ein berechtigtes Interesse des Klägers, die Abrechnung zu kontrollieren. Das berechtigte Interesse ergibt sich zum einen aus der Angehörigkeit der Beklagten und der I. GmbH zum V. Konzern und zum anderen aus der Schutzwürdigkeit des Klägers in seiner Situation als Mieter von gefördertem Wohnraum.
Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass die I. GmbH Gewinn erzielt. Insofern besteht wegen der Angehörigkeit der Beklagten zu demselben Konzern die Gefahr eines Interessekonflikts. Daher vermag auch der Verweis der Beklagten, sie hätte jedes beliebige andere Drittunternehmen beauftragen können, nicht zu überzeugen; denn die Beklagte hat sich bei der Vergabe des Auftrags gerade für eine dem Konzern angehörende Gesellschaft entschieden. Die Gefahr des Interessenkonflikts verstärkt sich durch die offene vertragliche Vergütungsregelung. Die Kontrollbefugnis des Klägers im Rahmen seines Einsichtsrechts erstreckt sich damit auch auf die Prüfung, ob und inwieweit sie mit Gewinnmargen der I. GmbH belastet wird. Aus der begehrten Einsicht können sich Indizien für die Antwort auf die Frage ergeben, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot eingehalten ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Schwestergesellschaft mit dem Vertrag einen deutlich überhöhten Gewinn erzielt. Insofern liegt auch nicht ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor: Aufgrund des infolge der Konzernangehörigkeit bestehenden Interessenkonflikts kommt bereits eine entsprechende Vergleichsgruppenbildung des beliebigen Drittunternehmens mit der I. GmbH nicht in Betracht; im Übrigen ist der Umgang mit dem Interessenkonflikt ein sachlicher Grund für eine etwaige Ungleichbehandlung.
Die Schutzwürdigkeit des Klägers zeigt sich in § 20 NMV. Gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 NMV dürfen nur solche Betriebskosten umgelegt werden, die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind.
cc. Das Urteil des BGH vom 03.07.2013 (Az. VIII ZR 322/12, BeckRS 2013, 14244) stützt die Argumentation der Beklagten nicht. Die diesem Urteil zugrunde liegende Fallkonstellation unterscheidet sich vom vorliegenden Fall in zwei zentralen Punkten.
Zum einen verneint der BGH darin ein Einsichtsrecht des Mieters in Rechnungen, die der Vertragspartner des Vermieters dem Vorlieferanten ausgestellt hat. Im hier maßgeblichen Rechtsstreit geht es jedoch um die Frage der Einsicht in den Vertrag zwischen dem Vertragspartner des Vermieters und dem von diesem Vertragspartner beauftragten Auftragnehmer.
Zum anderen hatte der BGH nicht darüber zu entscheiden, ob sich aus dem Umstand, dass es sich um geförderten Wohnraum handelt, ein größerer Umfang des Rechts des Mieters auf Belegeinsicht ergibt.
Der BGH stellt in der Entscheidung klar, dass eine den Grundsätzen des § 259 BGB entsprechende Abrechnung auch die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen umfasst, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gemäß § 556 Abs. 3 S. 5 und S. 6 BGB erforderlich ist.
Die Einsichtnahme in den Vertrag der V. I. GmbH mit dem Hausmeister bzw. allgemein mit den Unternehmen, die solche Tätigkeiten erbringen, welche unter der Position „Hauswart“ abgerechnet werden, ist zusammen mit dem darin vereinbarten Leistungsverzeichnis erforderlich, um die Berechtigung zu Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung zu prüfen. Die Beklagte hat selbst ausdrücklich zugestanden, dass die V. I. GmbH Gewinn erzielt; für Mieter von gefördertem Wohnraum besteht ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Umfang der Gewinnerzielung transparent gemacht wird.
dd. Das – vom Beklagten mit Schriftsatz vom 04.05.2020 (Bl. 432 ff. d.A.) vorgelegte – Urteil des AG Dresden vom 19.03.2020 (Az. 145 C 4301/19) stützt die Ansicht der Beklagten ebenfalls nicht. Dem Tatbestand ist nicht zu entnehmen, dass der Mietvertrag geförderten Wohnraum betraf.
ee. Der Beklagten ist die Gewährung der entsprechenden Belegeinsicht auch möglich und zumutbar. Soweit die Beklagte in erster Instanz vorgetragen hat, die V. I. GmbH sei zur Herausgabe des Arbeitsvertrags nicht bereit und die Beklagte habe insoweit auch keine Handhabe, steht dies im Widerspruch zum ausdrücklichen Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen der Beklagten und der I. GmbH. In § 1 Nr. 4 S. 2 hat sich die I. GmbH verpflichtet, der Beklagten alle im Zusammenhang mit dem Vertrag angeforderten Daten, Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen. Dass eine entsprechende Handhabung nicht unüblich ist, zeigt sich daran, dass die Beklagte die Unterlagen zum Vertrag betreffend die beiden Wartungspositionen vorgelegt hat.
Im Übrigen greift die vom BGH (BeckRS 1984, 110207, Rz. 17) erwogene Beschränkung des Auskunfts- und Einsichtsrechts nicht ein. Weder sind erhebliche Mehraufwendungen der Beklagten ersichtlich, noch ist zu erwarten, dass die begehrten Unterlagen dem Kläger lediglich ein Minimum an Mehrinformation bieten.
ff. Der Einwand der Beklagten, der Kläger würde die Belegeinsicht in dem geltend gemachten Umfang bei der Beauftragung eines beliebigen Drittunternehmens durch die Beklagte nicht verlangen, überzeugt nicht. Die Veranlassung des Klägers ergibt sich aus dem signifikanten Anstieg des Betrags für die Position „Hauswart“ in der Betriebskostenabrechnung. Hieraus resultiert ein Interesse des Klägers an der Aufklärung der Hintergründe. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Kläger Mieter von gefördertem Wohnraum ist.
gg. Die Gefahr eines Verstoßes gegen die DS-GVO sieht die Kammer nicht. Zum einen ist insoweit Art. 6 Abs. 1 S. 2 lit. f) DS-GVO einschlägig. Zum anderen kann etwaigen Geheimhaltungsbedürfnissen oder -pflichten durch eine Anonymisierung und Schwärzung der nicht vom Einsichtsrecht gedeckten Angaben Rechnung getragen werden.
2. Dem Kläger steht daher ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Solange und soweit der Vermieter die begehrte Belegeinsicht unberechtigt verneint, besteht keine Leistungspflicht des Mieters. Dies wird damit begründet, dass der Vermieter durch die Verweigerung der Belegeinsicht in vertragsverletzender Weise das Recht des Mieters auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung verhindert; das gleichwohl erhobene Zahlungsverlangen verstößt dann als unzulässige Rechtsausübung gegen Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17, BeckRS 2018, 517, Rz. 26-27).
Das Zurückbehaltungsrecht gegenüber Nachforderungen des Vermieters ergibt sich aus § 273 Abs. 1 BGB und gilt gleichermaßen hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen (BGH, Beschluss vom 22.11.2011 – VIII ZR 38/11, BeckRS 2012, 807, Rz. 2-3).
3. Das Zurückbehaltungsrecht des Klägers begründet jedoch nicht unmittelbar einen Rückzahlungsanspruch. Vielmehr ist der Kläger darauf zu verweisen, zunächst auf Auskunftserteilung zu klagen. Die Berufung ist daher im Ergebnis begründet.
Der BGH hat bereits die Frage entschieden, ob im laufenden Mietverhältnis eine Klage auf Rückzahlung geleisteter Nebenkostenvorauszahlungen erhoben werden kann, wenn der Vermieter seiner Verpflichtung zur Vorlage von Belegen nicht nachkommt und somit hinsichtlich der abgerechneten Nebenkosten beweisfällig bleibt (BGH Beschluss vom 22.6.2010 – VIII ZR 288/09, BeckRS 2010, 2297, Rz. 2). Der BGH verneint dies, weil der Mieter in zweierlei Hinsicht hinreichend geschützt sei: zum einen stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu, zum anderen könne er auf Vorlage der Belege nach § 259 Abs. 1 BGB klagen (BGH aao, Rz. 5).
Da das Zurückbehaltungsrecht nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur gegenüber laufenden Forderungen auf Vorauszahlungen, sondern auch gegenüber Nachforderungen geltend gemacht werden kann, werden diese insoweit gleichbehandelt. Dementsprechend sind auch Rückzahlungsverlangen hinsichtlich geleisteter Vorauszahlungen und geleisteter Nachforderungen gleich zu behandeln. Hierfür sprechen zwei weitere Überlegungen.
Ist der Umfang des Rechts auf Belegeinsicht zwischen den Mietvertragsparteien umstritten, trägt der Mieter im Hinblick auf die Kostenquote das Prozessrisiko, eine zu weitgehende Belegeinsicht geltend zu machen. Könnte der Mieter direkt auf Rückzahlung klagen und würde die Frage, ob der Vermieter die Belegeinsicht vollständig gewährt hat, nur inzident geklärt, könnte der Mieter das beschriebene Kostenrisiko vollständig auf den Vermieter abwälzen.
Müsste der Vermieter auf Betriebskostenabrechnungen geleistete Zahlungen an Mieter zurückzahlen, bevor die Frage geklärt ist, ob die Belegeinsicht vollständig oder unvollständig erfolgt ist, müsste er auch einen jedenfalls berechtigt geltend gemachten Anteil zurückzahlen, obwohl in einem, diesem Anteil entsprechenden Umfang Tätigkeiten erfolgt und damit zu Recht abgerechnet worden sind. Der Mieter ist demgegenüber dadurch geschützt, dass er etwaige Zuvielzahlungen unmittelbar und zeitnah durch sein Zurückbehaltungsrecht ausgleichen kann.
Diese Erwägungen sind auch auf Mieter preisgebundenen bzw. geförderten Wohnraums ohne Weiteres übertragbar.
IV. Die Kostenentscheidung zum Berufungsverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung erster Instanz wurde entsprechend korrigiert.
V. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO.
VI. Die Revision wird zugelassen. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen betreffen Sie eine unbestimmte Vielzahl von Mietern, was sich auch in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2020 im Zuschauerbereich gezeigt hat. Zum anderen ist die Frage des Umfangs des Belegeinsichtsrechts von Mietern preisgebundenen bzw. öffentlich geförderten Wohnraums höchstrichterlich ebenso wenig geklärt, wie die Frage, ob auch Mieter preisgebundenen Wohnraums bei zu Unrecht verweigerter Belegeinsicht auf eine vorherige Klage auf Auskunftserteilung – gegebenenfalls im Wege der Stufenklage – zu verweisen sind. Insoweit erfordert auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BGH.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 GKG festgesetzt. Die Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil nicht in vollem Umfang (288,67 Euro) angegriffen, sondern im Umfang von 32,91 Euro unbeanstandet gelassen.


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