Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Mieter, Sondereigentum, Nutzung, Unterlassung, Teileigentumseinheit, Mietvertrag, Islam, Wechselwirkung, unterlassen, Anspruch, Zugang, Zweckbestimmung, Vermieter, Geltendmachung, durch Dritte, typisierenden Betrachtungsweise

Aktenzeichen  485 C 11775/19 WEG

Datum:
22.1.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50454
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagten zu 1 bis 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Nutzung der Räumlichkeiten der Teileigentumseinheit Nr. 49 im Anwesen … zu gesellschaftlichen oder religiösen Zusammenkünften (als Kulturzentrum, Kultur- und Begegnungsstätte, Moschee) zu unterlassen und die Nutzung zu solchen Zwecken durch Dritte zu unterbinden.
2. Der Beklagte zu 4 wird verurteilt, die Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 49 im A… zu gesellschaftlichen oder religiösen Zusammenkünften (als Kulturzentrum, Kultur- und Begegnungsstätte, Moschee) zu unterlassen.
3. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 20.000 Euro, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben we… Ordnungshaft von bis zu 2 Monaten angedroht.
4. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München – Abteilung für Wohnungseigentumssachen – auch hinsichtlich des Beklagten zu 4 aufgrund der Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht München vom 05.09.2019 (34 AR 157/19) zuständig.
Die Klagepartei ist prozessführungsbefugt, da die Geltendmachung und Durchsetzung der streitgegenständlichen Ansprüche durch Beschluss TOP 7.2 in der Eigentümerversammlung vom 20.03.2019 wirksam auf den Verband übertragen wurde (§ 10 Abs. 6 WEG).
II.
Die Klage ist auch begründet. Der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft steht als Prozessstandschafterin der übrigen Eigentümer ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 49 als Kultur- oder Begegnungsstätte zu gesellschaftlichen oder religiösen Zusammenkünften gemäß § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG zu.
Die Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 49 als islamisches Kulturzentrum widerspricht der in der Teilungserklärung vom 10.12.1968 getroffenen Vereinbarung, wonach in der Einheit Nr. 49 ein Laden beziehungsweise eine Bankfiliale vorgesehen ist. Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob eine den Gebrauch beschränkende Zweckbestimmung vorliegt und – wenn ja – welchen Inhalt sie hat, dabei kommt es wie bei allen Grundbucheintragungen auf den Wortlaut und Sinn an, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (vgl. Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 15 rn. 20). Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält die Teilungserklärung vorliegend nicht lediglich eine Beschreibung der Räumlichkeiten oder unverbindliche Nutzungshinweise, sondern vielmehr eine verbindliche Zweckbestimmung. Ausschlaggebend ist hier die in der Teilungserklärung jeweils vorangestellte Bezeichnung als „Laden – Teileigentum“ bzw. in anderen Einheiten als „Wohnung – Wohnungseigentum“. Die Bezeichnung eines Teileigentums in einer Teilungserklärung als „Laden“ enthält eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne der §§ 10 Abs. 2, 15 Abs. 1 WEG (BayObLG ZWE 2000, 129).
Durch diese Zweckbestimmung wird das Recht der Beklagten zu 1 bis 3, mit den in ihrem Sondereigentum stehenden Räumen nach Belieben zu verfahren, eingeschränkt. Dies gilt auch für den Beklagten zu 4 als Mieter, da auch der Mieter des betreffenden Teileigentums gegenüber den Wohnungseigentümern nicht mehr Rechte aus dem Mietvertrag bezüglich der Nutzung ableiten kann, als dem Vermieter und Teileigentümer zustehen.
Zwar kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist (vgl. BGH NJW 2010, 3093; BGH ZWE 2015, 402). Im vorliegenden Fall führt jedoch unter Zugrundelegung der gebotenen typisierender Betrachtungsweise eine Nutzung der gegenständlichen Teileigentumseinheit als islamisches Kulturzentrum und religiöse Begegnungsstätte zu einer deutlich höheren Geräuschbelastung als die vorgesehene Nutzung als Laden beziehungsweise Bankfiliale. Eine Nutzung als deutsch-kurdischer Kulturverein für Mitglieder islamischen Glaubens beinhaltet üblicherweise das Abhalten von religiösen oder anderen Veranstaltungen, bei denen sich eine größere Anzahl von Personen zu Gebeten, Vorträgen oder zum gemeinsamen Beisammensein trifft, was bereits per se zu einer höheren Lärmemission führt, als das Einkaufen in einem Laden oder Geschäfte in einer Bank. Zwar ist die Teileigentumseinheit Nr. 49 in einem zwischen den Wohnhäusern liegenden Flachbau untergebracht, wenn jedoch im Sommer die Fenster der Teileigentumseinheit beziehungsweise der Wohnungen geöffnet sind oder die Balkone, insbesondere von den Bewohnern des direkt angrenzenden Gebäudes … genutzt werden, ist mindestens für diese Bewohner eine höhere Geräuschbelästigung zu erwarten. Dazu kommt, dass davon auszugehen ist, dass am Beginn, in Pausen oder am Ende von Veranstaltungen größere Menschenmengen auf der Westseite des Gebäudes oder auch im begrünten Innenhof verweilen und Gespräche führen, was ebenfalls zu einer höheren Lärmemission führt als der Betrieb eines Ladens oder einer Bankfiliale, wo die Kunden einzeln oder zu zweit ankommen und das Gelände auch meist sofort nach Erledigung der Angelegenheiten wieder verlassen. Entsprechend geht auch das Landgericht München I in seiner Entscheidung vom 15.04.2013 (1 S 11264/12) davon aus, dass eine Begegnungsstätte für Menschen regelmäßig und typischerweise zumindest mit größeren Geräuschemissionen verbunden sei als ein Laden und bei typisierender Betrachtungsweise zu einer stärkeren Beeinträchtigung führe; eine Begegnungsstätte für Menschen sei üblicherweise darauf ausgerichtet, dass sich dort eine größere Anzahl von Menschen über einen längeren Zeitraum aufhalte, sich miteinander unterhalte und dabei zumindest auch Getränke konsumiere. Auch sei zu erwarten, dass Vereinsmitglieder und sonstige Besucher des Öfteren gemeinsam das Vereinsheim verließen und sich dann draußen vor der Tür noch weiter unterhielten.
Zusätzlich sind die zu erwartenden Beeinträchtigungen nicht nur während der üblichen Laden- oder Banköffnungszeiten, sondern auch außerhalb dieser Zeiten zu erwarten, da Treffen des islamischen Kulturvereins auch am Sonntag und insbesondere in der Zeit des Ramadan bis in die späten Abendstunden beziehungsweise frühen Morgenstunden üblich sind. Das Abheben von Geld bei einem EC-Automaten in einer Bankfiliale, auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten, führt hingegen regelmäßig zu keinerlei Geräuschemission.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Nutzung der streitgegenständlichen Teileigentumseinheit als kulturelle Begegnungsstätte mit Bescheid vom 25.04.2019 baurechtlich genehmigt wurde. Derartige öffentlich-rechtliche Gestattungen können für die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander nicht maßgebend sein; sie können deshalb auch nicht dazu führen, dass eine im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander aus wohnungseigentumsrechtlichen Gründen unzulässige Nutzung zulässig wird (OLG Frankfurt am Main, ZWE 2012, 35).
Abschließend bleibt festzuhalten, dass aufgrund der stärkeren Beeinträchtigung durch die derzeitige Nutzung ein Anspruch auf Unterlassung dieser Nutzung besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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