Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Fristsetzung zur Klageerhebung nach selbständigem Beweisverfahren eines Wohnungseigentümers

Aktenzeichen  36 T 14698/16

Datum:
29.8.2017
Fundstelle:
LSK – 2017, 136133
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 494a Abs. 1
WEG § 21 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Grundsätze, die der BGH zum Entfallen des Rechtschutzbedürfnisses für einen Antrag nach § 494a ZPO bei Mängelbeseitigung entwickelt hat, lassen sich auf das vorliegende Verfahren nicht ohne Weiteres übertragen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Wohnungseigentümer schulden nicht die Mängelbeseitigung, sondern primär die Mitwirkung an einer entsprechenden Beschlussfassung. Dies setzt im Regelfall die Vorbefassung der Wohnungseigentümer mit dem Rechtschutzbegehren des Antragstellers voraus. Hauptsacheklage wäre insoweit eine Verpflichtungsklage nach § 21 Abs. 4 WEG bzw. ein Antrag nach § 21 Abs. 8 WEG auf gerichtliche Beschlussersetzung. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Antragstellerin ist die Erhebung einer Klage in Gestalt einer Feststellungsklage, dass ihr ein entsprechender Anspruch auf Mitwirkung bei der Mängelbeseitigung zustand oder auch einer Leistungsklage auf Schadenersatz, grundsätzlich möglich.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 H 40/12 WEG (2) 2016-07-11 Bes AGEBERSBERG AG Ebersberg

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg vom 11.07.2016, Az. 8 H 40/12 WEG (2), aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird gem. § 494 a Abs. 1 ZPO aufgegeben, binnen einer Frist von 3 Monaten ab Zustellung der Beschwerdeentscheidung Klage zu erheben.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
5. Der Beschwerdewert wird auf 1.641,72 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien sind in der WEG …, 85586 Poing verbunden.
Mit Schriftsatz vom 03.12.2012 beantragte die Antragstellerin die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens zur Feststellung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum sowie deren Auswirkungen auf ihr Sondereigentum. Weiter begehrte die Antragstellerin eine Beweiserhebung zu Art und erforderlichem Aufwand für eine dauerhafte Mängelbehebung.
Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, auf Grund einer Undichtigkeit der Dachrinne oder deren Durchhängen bzw. einem nicht voll funktionstüchtigen Abfluss der Fall- und Endrohre der Regenfallleitungen tropfe es auf die Terrasse ihrer Sondereigentumseinheit.
Mit Beschluss vom 25.01.2013 (Bl. 51/53 d.A.) ordnete das Amtsgericht Ebersberg die beantragte Beweiserhebung durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an.
Mit Beschluss vom 22.04.2013 (Bl. 64/66) erfolgte eine Erweiterung des Beweissicherungsbeschlusses. Der Sachverständige wurde beauftragt zu folgendem Stellung zu nehmen:
An die Dachrinne wurden zwei Wasserspeier angebracht (wohl nach Einleitung des Beweissicherungsverfahrens), aus denen Wasser auf den Bereich vor der Terrasse tropft mit der Folge, dass die dortige Erde durch den Wasserdruck verteilt wird und somit auf die Terrasse und bis an die Fenster spritzt.
In dem schriftlichen Gutachten vom 27.05.2013 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass herabtropfendes Wasser auf die Terrasse der Antragstellerin aus einer Undichtigkeit der Regenrinne oberhalb der Sondereigentumseinheit herrühre und dass sich die Situation zusätzlich durch die montierten Wasserspeier verschlechtert habe.
Mit Beschluss vom 07.10.2013 (Bl. 95) stellte das Amtsgericht die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens fest.
Mit Schriftsatz vom 21.04.2016 beantragten die Antragsgegner, der Antragstellerin gemäß § 494 a ZPO eine Frist zur Klageerhebung zu setzen.
Mit Beschluss vom 11.07.2016 lehnte, das Amtsgericht eine Fristsetzung zur Klageerhebung gem. § 494 a ZPO ab und legte den Antragsgegnern die Kosten des Verfahrens auf (Bl. 135/139 d.A.). Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass es an einem Rechtschutzbedürfnis für den Antrag nach § 494 a ZPO fehle. Die Antragsgegner hätten den Anspruch der Antragstellerin, dessen tatsächliche Voraussetzungen im selbständigen Beweisverfahren festgestellt wurden. nach Beendigung des Beweisverfahrens erfüllt Damit sei eine Hauptsacheklage gegenstandslos geworden.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 20.07.2016 (Bl. 140/142 d.A.). Die Antragsgegner sind der Ansicht, dass entgegen der Ansicht des Amtsgerichts die Hauptsache im vorliegenden Fall nicht erledigt sei. Das Beweissicherungsverfahren sei wesentlich zu früh und ohne Vorbefassung der Eigentümerversammlung eingeleitet worden. Darüber hinaus komme im selbständigen Beweisverfahren ein Kostenausspruch nur bei Antragsrücknahme oder nicht innerhalb einer Frist gem. § 494 a ZPO in Betracht.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.07.2016 (Bl. 144/147) nicht abgeholfen und die Akte dem Landgericht München I zur Entscheidung vorgelegt.
Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 07.09.2016 (Bl. 151/155) einen rechtlichen Hinweis erteilt.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die gerichtlichen Entscheidungen Bezug genommen.
II.
Die rechtzeitig und verfahrensfehlerfrei eingelegte und begründete Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig (§ 494 a; §§ 567 ff. ZPO); sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der aus dem Beschlusssatz ersichtlichen Abänderung.
Wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Anwendung des § 494 a ZPO kein Raum, wenn der Antragsgegner die im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel selbst beseitigt.
Bei Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ist jedoch mit Blick auf die wohnungseigentumsrechtlichen Besonderheiten und den Umstand, dass Streitgegenstand des gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Hauptsacheverfahrens nicht die Mängelbeseitigung an sich, sondern die Mitwirkung an der ordnungsgemäßen Verwaltung in Gestalt einer entsprechenden Beschlussfassung ist, zu differenzieren.
In Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall hätte das Amtsgericht insoweit zu prüfen, ob hier unstreitig eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – VII ZB 14/02 –, juris, Rn. 6; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Januar 2011 – 4 W 44/11 –, juris, Rn. 9). Zur Kostenentscheidung entsprechend dem Antrag (der Antragsgegner) nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO auf Auferlegung der Kosten auf den Antragsteller kann und darf es daher bei unstreitiger und vollständiger Erfüllung des Hauptsacheanspruchs nicht kommen (Thüringer Oberlandesgericht. Beschluss vom 27. Januar 2011 – 4 W44/11 –, juris, Rn. 11).
Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
a) Das selbständige Beweisverfahren kennt im Grundsatz keine Kostenentscheidung (BGHZ 132, 96), was seinen Grund darin findet, dass im selbständigen Beweisverfahren nicht festgestellt werden kann und darf, wer letztlich obsiegt oder unterliegt (OLG Hamm. OLGR 1993, 2).
Allerdings gilt der Grundsatz, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens gehören und von der dort getroffenen Kostenentscheidung mit umfasst werden, sofern nur die Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses identisch sind (BGH BauR 2006, 865); denn das selbständige Beweisverfahren und das anschließende Klageverfahren sind insoweit als Einheit anzusehen (OLG Celle, OLGR 2003, 354).
Sinn und Zweck des § 494 a ZPO ist es, die Lücke zu schließen, die entsteht, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens nach der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verachtet (BGH NJW 2007, 1282 [juris Rnr. 9]; BGH NJW-RR 2008, 330); er soll nicht durch Unterlassen der Hauptsacheklage der Kostenpflicht entgehen, die sich bei Abweisung einer Hauptsacheklage ergeben würde (BGH NJW-RR 2003, 1240). Die Kostentragungspflicht nach § 494 a Abs. 2 ZPO wurzelt demnach in einem mutmaßlichen Unterliegen des Antragstellers des selbständigen Beweisverfahrens, § 494 a ZPO will damit letztlich denjenigen schützen, der zu Unrecht mit einem Beweissicherungsverfahren überzogen wird. Der Zweck der Bestimmung des § 494 a ZPO liegt nicht darin, den Antragsteller besonders zur Klageerhebung anzuhalten. Die Vorschriften sollen es vielmehr ermöglichen, zu einem sachgerechten Kostenausspruch in solchen Fällen zu kommen, in denen der Antragsteller von einem Hauptsacheverfahren aufgrund des für ihn ungünstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren absieht. Der Kostentragungspflicht liegt damit der innere – materiell-rechtliche – Gedanke zu Grunde, dass der Antragsteller nicht durch Unterlassen der Hauptsacheklage der Kostenpflicht entgehen soll, die ihn bei Abweisung einer solchen Klage treffen würde. § 494 a Abs. 2 ZPO wurzelt mithin in dem mutmaßlichen Unterliegen des Antragstellers im selbständigen Beweisverfahren und daraus resultierend in der Hauptsache.
b) Die Grundsätze, die der BGH zum Entfallen des Rechtschutzbedürfnisses für einen Antrag nach § 494 a ZPO bei Mängelbeseitigung entwickelt hat, lassen sich auf das vorliegende Verfahren nicht ohne Weiteres übertragen.
Die übrigen Wohnungseigentümer begeben sich durch die Mängelbeseitigung nicht in vergleichbarer Weise in die unterlegene Position wie etwa der Werkunternehmer, der sachverständig bestätigte Mängel behebt. Die Wohnungseigentümer schulden nicht die Mängelbeseitigung, sondern primär die Mitwirkung an einer entsprechenden Beschlussfassung. Dies setzt im Ragelfall die vorherige Vorbefassung der Wohnungseigentümer mit dem Rechtschutzbegehren des Antragstellers voraus. Hauptsacheklage wäre insoweit eine Verpflichtungsklage nach § 21 Abs. 4 WEG bzw. ein Antrag nach § 21 Abs. 8 WEG auf gerichtliche Beschlussersetzung.
Zutreffend weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine Klage auf entsprechende Beschlussfassung ebenfalls überholt ist, da die entsprechenden Mängelbeseitigungsarbeiten bereits durchgeführt wurden. Der Antragstellerin ist die Erhebung einer Klage in Gestalt einer Feststellungsklage, dass ihr ein entsprechender Anspruch auf Mitwirkung bei der Mängelbeseitigung zustand oder auch einer Leistungsklage auf Schadenersatz grundsätzlich möglich. Einer derartigen Feststellungsklage würde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht das Rechtschutzbedürfnis fehlen (vgl. BGH MDR 2004, 1325). Die Erfolgsaussichten einer derartigen Klage können derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Im Rahmen der Hauptsacheklage wäre dann auch die Frage zu klären, ob die übrigen Wohnungseigentümer ihre Pflichten verletzt haben und ob eine ordnungsgemäße Vorbefassung der Eigentümerversammlung vorlag.
Würde man in dieser Konstellation den Antragsgegnern ein Rechtschutzbedürfnis für den Antrag nach § 494 a ZPO versagen, wären diese wiederum gezwungen einen materiellen Kostenerstattunsanspruch in Form einer eigenständigen Klage geltend zu machen. Dies würde in der Regel voraussetzen, dass sich der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens aus dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten oder der deliktischen Handlung schadensersatzpflichtig gemacht hätte. In allen anderen Fällen müsste der Antragsgegner seine Kosten selbst tragen. Dieses unbillige Ergebnis vermeidet das Vorgehen nach § 494 a ZPO.
Vor diesem Hintergrund kann den Antragstellern nach Auffassung des Beschwerdegerichts ein Rechtschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden und es war eine Frist gem. § 494 a Abs. 1 ZPO zu bestimmen. Da Hinderungsgründe betreffend einer zeitnahen Klageerhebung nicht ersichtlich sind, erschien eine Frist von drei Monaten als angemessen.
c) Die Beschwerde hat auch insoweit Erfolg als sie sich gegen den Kostenausspruch in der angegriffenen Entscheidung wendet. Eine solche war nicht veranlasst. Das selbständige Beweisverfahren führt – von den dargestellten Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich nicht zu einer Kostenentscheidung. Auch die Entscheidung über den Antrag nach § 494 a Abs. 1 ZPO führt nicht zu einem Kostenausspruch, da Gerichtskosten hierfür nicht anfallen und die Tätigkeit der Rechtsanwälte durch die Verfahrensgebühr abgegolten ist (vgl. Zöller/Herget, § 494 a ZPO Rn. 8).
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGHZ 151, 221; NJW 2003, 2319). Dies ist hier nicht der Fall, weil es sich um einen Einzelfall handelt.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 33 RVG und bemisst sich nach den entstandenen Anwaltsgebühren der Antragsgegnerseite.

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