Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Revision, Berufung, Schadensersatzanspruch, Verletzung, Pflichtverletzung, Verwirkung, Zahlung, Anspruch, Sicherheitsleistung, Beweisaufnahme, Maklerlohn, Anlage, Vorsatz, Makler, Kosten des Rechtsstreits, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  27 U 6526/20

Datum:
14.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30100
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg, Az.: 031 O 3449/19, vom 13.10.2020 aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 9.603,30 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.07.2019 zu bezahlen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein fälliger Anspruch auf Zahlung des Maklerlohns in Höhe von 9.603,30 € zu aufgrund § 652 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. m. Ziffer 5.1, 5.2 des zwischen ihnen am 10.10.2018 geschlossenen Maklervertrags (Anlage K 2).
Eine Verwirkung des Provisionsanspruchs entsprechend § 654 BGB liegt nicht vor.
Zwar kann diese Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann anwendbar sein, wenn der Makler nicht vertragswidrig für den anderen Teil tätig geworden ist, er aber sonst unter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seines Auftraggebers in erhebliche Weise zuwidergehandelt hat (vgl. Urteil des BGH vom 18.10.2012, III ZR 106/11).
Hierfür bedarf es auch keines Nachweises eines Schadens des Auftraggebers (vgl. Urteil des BGH vom 29.11.1989, IV a ZR 206/88).
Die Verwirkung des Maklerlohnanspruchs hat jedoch Strafcharakter. Es ist daher geboten, den § 654 BGB grundsätzlich nur auf Fälle treuwidrigen Verhaltens des Maklers im eigentlichen und engeren Sinne anzuwenden. Der Makler muss den Maklerlohn nach allgemeinem Rechts- und Billigkeitsempfinden nicht verdient haben (vgl. schon Urteil des BGH vom 5.2.1962, VII ZR 248/60). Er muss sich infolge groben Fehlverhaltens des Maklerlohns unwürdig erwiesen haben (vgl. Urteil des BGH vom 29.11.1989, IV a ZR 206/88).
Nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung des Maklers und damit auch nicht jedes Informations- und Beratungsverschulden lässt deshalb den Provisionsanspruch nach § 654 BGB entfallen.
Es erfordert vielmehr auch subjektiv eine schwerwiegende Treupflichtverletzung. Der Makler muss sich seines Lohns „unwürdig“ erwiesen haben. Das ist erst dann der Fall, wenn er seine Treupflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz 27 U 6526/20 – Seite 3 – nahekommenden grob leichtfertigenden Weise verletzt hat (vgl. Urteile des BGH vom 19.5.2005, III ZR 322/04, und vom 18.10.2012, III ZR 106/11).
Andere Pflichtverletzungen führen ggfs. zum Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB, die der Auftraggeber durch Aufrechnung dem Provisionsanspruch des Maklers entgegenhalten kann.
In der fehlerhaften Angabe des Baujahrs mag objektiv eine (Neben-)Pflichtverletzung liegen. Sie hat jedoch nicht das für die Anwendung des Verwirkungsgedankens erforderliche außergewöhnliche Gewicht.
Die bloße fehlerhafte Angabe eines anderen Baujahrs rechtfertigt ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Verwirkung des Lohnanspruchs. Derartige besondere Umstände sind hier weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Zudem liegt auch keine subjektiv schwerwiegende Treupflichtverletzung vor.
Zum einen gilt für den Makler, dass er Informationen, die er von dem Veräußerer erhalten hat, grundsätzlich ungeprüft weitergeben darf. Er darf lediglich keine Angaben der Verkäuferseite in sein Exposé aufnehmen, die den in seinem Berufsstand vorauszusetzenden Kenntnissen ersichtlich als unrichtig, nicht plausibel oder sonst als bedenklich einzustufen sind (vgl. Urteil des BGH vom 18.1.2007, III ZR 146/06).
Zwar hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben, dass die Verkäufer über das Baujahr lediglich Vermutungen anstellten und dies auch der Klägerin gegenüber in Gestalt ihres Mitarbeiters Markus D. offenbarten (vgl. Bl. 4 f. des Ersturteils).
Anhaltspunkte für eine ersichtliche Unrichtigkeit, fehlende Plausibilität oder Bedenklichkeit bestehen indes nicht.
Vielmehr wurde auch in dem Energieausweis, den die Klägerin von den Grundstücksverkäufern erhalten hatte, das Baujahr mit 1953 angegeben (Anlage K 6).
Zum anderen hat der Zeuge D. in seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vom 8.9.2020 unwidersprochen Folgendes ausgeführt (vgl. Bl. 51 ff. d. A.):
– „Der Verkäufer, Herr Thomas M., war eigentlich daran interessiert, dass das Objekt von einer Baufirma gekauft würde, die es abreißt und dann neu baut. … Daher war aus unserer Sicht das Grundstück das werthaltige, nicht das Haus.“
– „Weitere Recherchen (zum Baujahr – Anmerkung des Senats) habe ich dazu nicht angestellt. Das deshalb, weil ja ein Bauträgerverkauf priorisiert wurde durch die Verkäufer. Dann wäre das Gebäude ohnehin abgerissen worden und das Baujahr hätte wenig Bedeutung gehabt.“
– Auf Frage durch den Klägervertreter, ob sich bei Nennung des richtigen Baujahrs am Kaufpreis etwas geändert hätte: „Nein, das ist nicht der Fall, für den Quadratmeter werden dort 280,00 bis 290,00 € aufgerufen. Die preisliche Gestaltung hätte also genauso ausgeschaut.“
– Auf weitere Frage durch den Klägervertreter, ob bei dem Sammeltermin (bei dem auch der Beklagte anwesend war – Anmerkung durch den Senat) das Baujahr ein Thema gewesen sei: „Nein.“
Schließlich enthält auch das maßgebliche Exposé (Anlage K 1) folgende Anmerkungen:
Auf S. 3: „Das MFH wurde um ca. 1950 massiv erbaut.“(Hervorhebung durch den Senat)
Auf S. 4: „Ideal auch als Bauträgerobjekt geeignet !!! Bebaubar nach § 34 BauGB – Umgebungsbebauung -“
Auf S. 5: „Angaben sowie Eckdaten in diesem Exposé vom Objekt wurden uns vom Auftragsgeber übermittelt. Wir übernehmen für die Richtigkeit dieser Angaben keine Gewähr.“
Nach einer Gesamtschau dieser Umstände ist – auch unter Zugrundelegung der erstinstanzlichen Zeugenaussagen – eine subjektiv schwerwiegende Treupflichtverletzung nicht zu bejahen.
Soweit der Beklagte mit Schreiben vom 15.3.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, erstmals die hilfsweise Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch des Beklagten erklärt hat, ist dieses neue Angriffs-/Verteidigungsmittel bereits wegen Verspätung nach §§ 530 f. ZPO zurückzuweisen.
Im Übrigen wurde auch die konkrete Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
2. Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch dient sie der Rechtsfortbildung noch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vorliegend geht es um die Frage, ob – unter den höchstrichterlich bereits herausgearbeiteten Grundsätzen – im Einzelfall eine Verwirkung vorliegt.
Verkündet am 14.04.2021


Ähnliche Artikel


Nach oben