Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ruhestörung – Häusliches Musizieren durch den Nachbarn

Aktenzeichen  072 S 4608/15

Datum:
13.4.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153065
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 906, § 1004

 

Leitsatz

1. Das Musizieren mit einer Trompete ist zu unterlassen, wenn ein Nachbar dadurch wesentlich in der Benutzung seines Eigentums (Haus) beeinträchtigt wird, wobei es bezüglich der Prüfung der Wesentlichkeit auf das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen ankommt.  (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Musizieren mit Trompete ist nicht generell zu verbieten, da die Ausübung von Musik auch mit solchen Instrumenten als Nutzung des Hauseigentums ortsüblich ist. Die Grenze der Zumutbarkeit wird aber überschritten und damit der Grad der wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB erreicht, wenn das Trompetenspiel den Rahmen von zehn Stunden wöchentlich (werktags, Montag bis Freitag) überschreitet. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Über die angegebene Zeitspanne hinaus ist indes das Mithören nicht selbstgewählter Trompetenmusik nicht zumutbar. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

82 C 3280/15 2015-12-11 Endurteil AGAUGSBURG AG Augsburg

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11.12.2015, Az.: 82 C 3280/15, wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt es zu unterlassen, in ihrem Anwesen … Instrumentalmusik zu spielen mit Ausnahme im Dachgeschoss.
II. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt es zu unterlassen, in ihrem Anwesen … Musikunterricht an Dritte (Nichtfamilienmitglieder) zu erteilen.
III. Die Instrumentalmusik gemäß obiger Ziffer I. darf lediglich für maximal zehn Stunden in der Woche, jeweils werktags (Montag – Freitag) zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr stattfinden. Darüber hinaus ist es dem Beklagten zu 1) gestattet, an maximal acht Samstagen oder Sonntagen im Jahr zwischen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr jeweils maximal eine Stunde Trompete zu üben.
IV. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen und die weitergehende Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VII. Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien sind unmittelbare Nachbarn in einer Reihenhausanlage und streiten um das Spielen von Trompeten durch den Beklagten zu 1), der Berufsmusiker ist, als Lärmbelästigung, die bei den Klägern nicht wahrgenommen werden soll.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen kann, soweit sich aus dem Augenscheinstermin vom 02.03.2017 nichts anderes ergeben hat, gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil des Amtsgerichts Augsburg Bezug genommen werden. In diesem Zusammenhang gilt § 529 I Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht Augsburg hat die Beklagten unter teilweiser Klageabweisung im Übrigen verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, dass das Spielen von Musikinstrumenten auf dem Anwesen der Kläger nicht wahrgenommen werden kann.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die Berufung der Beklagter,
die Klageabweisung begehren.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO statthafte und zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Augenscheinstermin am 02.03.2017 hat ergeben, dass, wenn der Beklagte zu 1) im Dachgeschoss des Hauses der Beklagten Trompete spielt, im Wohnzimmer der Kläger davon nichts zu hören war und im Schlafzimmer der Kläger (im Dachgeschoss) das Trompetespielen als leise wahrgenommen wurde. Spielte der Beklagte zu 1) in seinem Wohnzimmer, so war dies im Wohnzimmer der Kläger für die Kammer als schwache Zimmerlautstärke zu hören.
Das Klagebegehren hat seine Grundlage in §§ 906, 1004 BGB. Gemäß § 906 I BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks „Geräusche“ als eine von einem „anderen Grundstück ausgehende Einwirkung insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt“. Mit anderen Worten: das Musizieren ist zu unterlassen, wenn die Kläger dadurch wesentlich in der Benutzung ihres Eigentums (Haus) beeinträchtigt werden. Bezüglich der Prüfung der Wesentlichkeit kommt es auf das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen an, vgl. BGH NJW 1958, 1393.
Im Rahmen des Augenscheinstermins spielte der Beklagte zu 1) die Trompete zunächst im Dachgeschoss seines Hauses (erkennbar auch als Probenraum eingerichtet). Das Trompetenspiel konnte im Hause der Kläger von einem Durchschnittsmenschen mit gutem Gehör im Wohnzimmer gar nicht wahrgenommen werden und im Schlafzimmer der Kläger (im Dachgeschoss) nur leise. Eine Unterhaltung wurde durch das Trompetenspielen nicht gestört.
Allerdings ist hinsichtlich des Spielens mit Trompete (Blasinstrument) eine über die allgemeinen Ruhezeiten hinausreichende Beschränkung der Spieldauer geboten, da das Spiel, wenn auch leise, im Schlafzimmer der Kläger zu hören war. Soweit der Beklagte zu 1) im Wohnzimmer gespielt hat, war dies im Wohnzimmer der Kläger als schwache Zimmerlautstärke zu vernehmen. Das Musizieren mit Trompete kann indes nicht generell verboten werden, da die Ausübung von Musik auch mit solchen Instrumenten als Nutzung des Hauseigentums ortsüblich ist. Die Grenze der Zumutbarkeit wird aber überschritten und damit der Grad der wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB erreicht, wenn das Trompetenspiel den Rahmen von zehn Stunden wöchentlich (werktags, Montag bis Freitag) überschreitet. Die Kammer begibt sich bei dieser Feststellung in die Rolle des Durchschnittsbenutzers des Hauses der Kläger. Sie geht davon aus, dass der tägliche Ablauf Lebensbeschäftigungen und Tätigkeiten beinhaltet, die eine hörbare Musikquelle im Nachbarhaus ertragen lassen. Über die angegebene Zeitspanne hinaus ist indes das Mithören nicht selbstgewählter Trompetenmusik nicht zumutbar. Bezüglich der in Ziffer III. des Tenors formulierten weiteren Gestattung (Üben an Samstagen und Sonntagen) hat die Kammer die Situation des Beklagten zu 1) als Berufsmusiker besonders berücksichtigt, der seiner glaubhaften Darstellung nach an einigen wenigen Tagen im Jahr besonders schwer zu spielende Konzerte an Sonntagen oder Montagen hat, und hier unmittelbarer zusätzlicher Übungsbedarf besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.


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