Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schuldrechtliches Sondernutzungsrecht des “werdenden” Wohnungseigentümers durch nicht ins Grundbuch eingetragenen Nachtrag zur Teilungserklärung

Aktenzeichen  481 C 22391/16 WEG

Datum:
12.7.2017
Fundstelle:
ZMR – 2018, 86
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 13 Abs. 2 S. 1, § 14 Nr. 1, Nr. 2, § 15 Abs. 3, § 43 Nr. 1
BGB § 1004

 

Leitsatz

1. Ein im Nachtrag zur Teilungserklärung vereinbartes Sondernutzungsrecht wirkt nicht dinglich auch gegenüber den Rechtsnachfolgern, solange keine Eintragung ins Grundbuch erfolgt ist. Es wirkt aber als schuldrechtliches Sondernutzungsrecht jedenfalls zwischen den Parteien der Vereinbarung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist einer der Ersterwerber bislang nicht ins Grundbuch eingetragen, sein Eigentumserwerbsanspruch durch Auflassungsvormerkung gesichert und hat er den Besitz an der Wohnung durch Übergabe erlangt, so ist er als sog. “werdender Eigentümer” im Hinblick auf seine Mitgliedschaft, seine Rechte und Pflichten innerhalb der WEG so zu behandeln, als wäre er bereits Wohnungseigentümer (Anschluss BGH BeckRS 2012, 13396). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht München ist gem. § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Nr. 1 WEG sachlich und gem. § 43 Nr. 1 WEG örtlich ausschließlich zuständig.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Jeder Wohnungseigentümer ist grundsätzlich zur Geltendmachung von Abwehransprüchen nach § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 und 2 WEG aktivlegitimiert, solange die WEG keinen Ansichziehungs- und Vergemeinschaftungsbeschluss gefasst hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1991 – V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = WM 1992, 404; BGH, Urteil vom 05.12.2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 = WuM 2015, 178; Bärmann-Suilmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 10, Rn. 254; Bärmann-Armbrüster, WEG, 13. Auflage 2015, § 1, Rn. 189). Dies ergibt schon der Wortlaut von § 15 Abs. 3 WEG (vgl. dazu T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 15, Rn. 17). Insbesondere kann jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Herausgabe und Einräumung von Mitbesitz am Gemeinschaftseigentum, sowie einen Anspruch auf Unterlassung der alleinigen Nutzung gegenüber einem Miteigentümer geltend machen, der vom Gemeinschaftseigentum widerrechtlich Gebrauch macht, indem er es etwa für sich vereinnahmt (KG Berlin, Beschluss vom 04.12.2006 – 24 W 201/05, ZMR 2007, 384, Rn. 11 bei juris unter Hinweis auf Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 2006, § 13, Rn. 22).
2. Jedoch ist die Klage sowohl im Haupt –, als auch in den Hilfsanträgen unbegründet, weil der Beklagte sich gegenüber den Klägern auf ein – zumindest konkludentes – schuldrechtliches Sondernutzungsrecht aufgrund des notariell beurkundeten Nachtrags vom 25.10.1993 zur TE vom 30.06.1993 berufen kann. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 1 WEG, wonach dem Sondereigentümer der Wohnung Nr. 5 ein ausschließliches Sondernutzungsrecht am Spitzboden des Hauses eingeräumt wird.
a) Zwar handelt es sich insoweit nicht um ein dingliches Sondernutzungsrecht, das gem. § 10 Abs. 3 WEG auch dem Rechtsnachfolger einzelner Wohnungseigentümer entgegengehalten werden könnte, weil es bislang an der Eintragung dieses Nachtrags zur TE im Grundbuch fehlt. Es kann dahinstehen, aus welchem Grund bislang keine Eintragung in das Grundbuch erfolgt ist. Aus der Nichteintragung in das Grundbuch folgt, dass Rechtsnachfolger der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht an den Inhalt der Vereinbarung gebunden sind. Wird ein vereinbartes Sondernutzungsrecht nicht im Grundbuch eingetragen, so handelt es sich um ein rein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht (vgl. Bärmann-Suilmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 13, Rn. 83). Dieses wirkt jedenfalls zwischen den Parteien der Vereinbarung. Die Kläger und der Beklagte haben den Nachtrag der Teilungserklärung – die Kläger vertreten durch einen Bevollmächtigten – übereinstimmend unterzeichnet. Infolgedessen könnte sich der Beklagte, wenn er als Eigentümer der Wohnung Nr. 5 im Grundbuch eingetragen wäre, jedenfalls auf ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht berufen, das ihn gegenüber den Klägern zur ausschließlichen Nutzung des Dachspitzes berechtigt.
b) Allerdings ist der Beklagte bislang nicht als Eigentümer der Wohnung Nr. 5 im Grundbuch eingetragen. Daraus folgt, dass er alleine aus dem Wortlaut der Vereinbarung über den Nachtrag zur TE kein Sondernutzungsrecht gegenüber den Beklagten ableiten kann.
c) Allerdings kann sich der Beklagte nach den Grundsätzen der sog. werdenden WEG gegenüber den Klägern auf den Inhalt der schuldrechtlichen Vereinbarung über den Nachtrag zur TE berufen. Da der Beklagte als einer der Ersterwerber bislang nicht als Eigentümer der Wohnung Nr. 5 im Grundbuch eingetragen ist, handelt es sich bei der WEG … nach wie vor um eine sog. „werdende WEG“. Der Beklagte ist als „werdender Wohnungseigentümer“ anzusehen, da sein Eigentumserwerbsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung abgesichert ist und er den Besitz an der Wohnung Nr. 5 durch Übergabe erlangt hat (BGH, Urteil vom 11.12.2015 – V ZR 80/15, ZWE 2016, 169). Damit ist die Stellung des Beklagten als Mitglied der (werdenden) WEG insgesamt von der teilenden Eigentümerin auf den Beklagten übergegangen (BGH a.a.O. Rn. 13 bei juris; BGH, Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 = NJW 2012, 2650). Daraus folgt, dass der Beklagte im Hinblick auf seine Mitgliedschaft, seine Rechte und seine Pflichten innerhalb der WEG so zu behandeln ist, als wäre er bereits Wohnungseigentümer. Infolgedessen kann sich der Beklagte gegenüber den Klägern, die Parteien der Vereinbarung vom 25.10.1993 über den Nachtrag zur Teilungserklärung sind, auf das darin dem Sondereigentümer der Wohnung Nr. 5 eingeräumte Sondernutzungsrecht am streitgegenständlichen Spitzboden berufen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als auch eine vollkommen formfreie, nur konkludente Vereinbarung über die Einräumung eines Sondernutzungsrechts vorliegen kann, wenn Wohnungseigentümer eine langjährige Alleinnutzung durch einen Wohnungseigentümer in dem Bewusstsein hinnehmen, sich dadurch in Zukunft binden zu wollen (Jennißen-Schultzky, WEG, 5. Auflage 2017, § 13, Rn. 86; Bärmann-Suilmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 13, Rn. 80). Ein solches Bewusstsein wurde durch Abschluss der notariell beurkundeten Vereinbarung aller (werdenden) Wohnungseigentümer über die Einräumung eines Sondernutzungsrechts zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Wohnung Nr. 5 vor. Damit haben die Parteien dieser Vereinbarung, mithin auch die Kläger, übereinstimmend darauf verzichtet, den streitgegenständlichen Spitzboden als Gemeinschaftseigentum nutzen zu wollen, sondern statt dessen verbindlich einem einzelnen Eigentümer das ausschließliche Sondernutzungsrecht daran eingeräumt. Die derzeit noch eingetragene Eigentümerin, die … könnte sich schon jetzt unmittelbar aus der Vereinbarung gegenüber den Klägern auf das darin vereinbarte schuldrechtliche Sondernutzungsrecht berufen. Auch vor der Eintragung des Nachtrags zur TE im Grundbuch haben daher die an der Vereinbarung beteiligten Wohnungseigentümer, zu denen die Kläger gehören, keinen Anspruch, den Spitzboden als Gemeinschaftseigentum zu nutzen.
3. Im Ergebnis steht den Klägern daher der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Spitzbodens an alle Miteigentümer, der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Räumung des Spitzbodens (was zudem gegen § 13 Abs. 2 S. 1 WEG verstoßen würde, vgl. T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 13, Rn. 23) und der höchst hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung, auf dem Spitzboden persönliche Gegenstände abzustellen, nicht zu. Die Klage ist somit insgesamt im Hauptantrag und im Hilfsantrag abzuweisen. Die weiteren von beiden Parteien aufgeworfenen Fragen sind aus diesem Grunde ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Frage, ob es ein erledigendes Ereignis darstellt, dass der Beklagte nach Klageerhebung einen Teil des Spitzbodens – nach Aussage der Kläger die Hälfte, nach Aussage des Beklagten 4/5 – frei geräumt hat.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert wurde gem. § 49 a Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO in Höhe von 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen am Ausgang des Rechtsstreits festgesetzt. Mangels näherer Anhaltspunkte hat das Gericht das Interesse der Parteien und aller Beigeladenen im Hinblick auf den Hauptantrag mit 10.000,00 € und im Hinblick auf die Hilfsanträge jeweils mit 5.000,00 € bemessen, da letztere im Ergebnis auf ein mit dem Hauptantrag vergleichbares Ziel gerichtet waren. Der Streitwert wurde entsprechend 50 % hieraus für den Hauptantrag auf 5.000,00 €, sowie je Hilfsantrag auf 2.500,00 €, ingesamt also auf 10.000,00 € festgesetzt.


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