Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Sondereigentum enthält grundsätzlich keinen materiellen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch

Aktenzeichen  M 8 K 16.2655

Datum:
7.3.2017
Fundstelle:
ZWE – 2017, 424
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2
WEG WEG § 15 Abs. 3, § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Mit- und Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz schließt öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb der Eigentümergemeinschaft desselben Grundstückes aus (stRspr, BVerfG BeckRS 2006, 21818). (redaktioneller Leitsatz)
2 Abwehrrechte gegen ein Vorhaben anderer Miteigentümer sind ausschließlich im Wege einer gegen diese gerichteten Klage vor den Wohnungseigentumsgerichten geltend zu machen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten kann nach § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung in der Sache entschieden werden.
Die Klage ist bereits unzulässig, da es dem Kläger an der Klagebefugnis fehlt. Der Kläger kann als Sondereigentümer nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, dass er durch bauaufsichtliche Maßnahmen, die die Beklagte (bislang noch) nicht angeordnet hat, in eigenen Rechten verletzt wird.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der das erkennende Gericht folgt, schließt Mit- und Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb der Eigentümergemeinschaft desselben Grundstückes aus (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.2006 – 1 BvR 2304.05 – NJW-RR 2006, 726; BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 3.97 – NVwZ 1998, 954; BayVGH, B.v. 8.3.2013 – 15 CE 12.236 – juris). Dem Wohnungseigentumsgesetz ist eine schutzfähige Rechtsposition des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber anderen Miteigentümern sowie auch dem gemeinschaftlichen Eigentum und umgekehrt zwar nicht fremd (1.), es sieht jedoch zur Erlangung dieses Schutzes ein besonderes gerichtliches Verfahren vor (2.).
1. Wann und in welchem Umfang materielle Abwehrrechte gegen baurechtlich unzulässige Baumaßnahmen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück bestehen, ergibt sich materiell-rechtlich aus § 15 Abs. 3 WEG. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln können (§ 15 Abs. 1 WEG). Damit geht auch § 15 Abs. 3 WEG vom Vorrang des privaten Rechts vor dem disponiblen Gesetzesrecht aus. Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bestimmen sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Sondereigentum in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und Beschlüssen. Soweit keine speziellen vertraglichen Regelungen bestehen, gelten ergänzend auch die Normen des öffentlichen Baurechts, und zwar unabhängig davon, ob sie ihrerseits unmittelbar nachbarschützend sind oder nicht (BVerwG, U.v. 14.10.1988 – 4 C 1.86 – NVwZ 1989, 250). Aber auch dann besteht kein selbständiger öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch. Vielmehr beruht die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts auch in diesem Fall auf der privatrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 3 WEG.
2. Abwehrrechte gegen ein Vorhaben anderer Miteigentümer sind ausschließlich im Wege einer gegen diese gerichteten Klage vor den Wohnungseigentumsgerichten geltend zu machen. Gleiches gilt für Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einem Wohnungseigentümer. Dies ist in § 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WEG geregelt. Es fehlt deshalb den Miteigentümern wie auch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sowohl für eine Anfechtungsklage gegen die einem Wohnungseigentümer erteilte Baugenehmigung als auch für eine – wie hier – auf bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde gerichteten Verpflichtungsklage gegen einzelne Miteigentümer an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO.
Ob ausnahmsweise etwas anderes in solchen Fällen gilt, in denen nicht (nur) Eigentumsschutz geltend gemacht wird, sondern ein Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen erhebliche Gesundheitsgefahren (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG), die von einer bestimmten Art der Nutzung eines anderen Sondereigentums ausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1988 aaO), bedarf keiner Entscheidung, da eine solche Situation hier nicht vorliegt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zunächst die erforderlichen Ermittlungen im Zuge einer Feuerbeschau durchführt und auf dieser Grundlage sodann, ggf. nach einer Stellungnahme der Branddirektion, bauaufsichtlich über das weitere Vorgehen entscheidet. Der Kläger, der sich maßgeblich auf die Beeinträchtigung seiner Vermögensinteressen im Brandfall beruft (vgl. Schreiben vom 25. Februar 2017), macht auch selbst insoweit keine erheblichen Gefahren für Leib und Leben seiner Person infolge der von ihm monierten baulichen Zustände geltend.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 und 3 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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