Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Aktenzeichen  M 1 K 21.810

Datum:
5.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4890
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3
GKG § 54 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens zu 5/11, der Kläger zu 2 zu 6/11.
III. Der Streitwert wird auf EUR 10.917,50 festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Klageverfahrens vor Klagerücknahme war die Ausübung eines städtebaulichen Vorkaufsrechts. Beteiligte des Rechtsstreits waren die Verkäuferin (Klägerin zu 1) und der Käufer (Kläger zu 2) sowie die Vorkaufsberechtigte (Beklagte). Die Kläger hatten einen Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil am Grundstück FlNr. 495 Gem. … sowie über das Grundstück FlNr. 504 Gem. … zu einem Gesamtkaufpreis von EUR 120.000,- geschlossen. Die Beklagte übte mit dem angefochtenen Bescheid ein gemeindliches Vorkaufsrecht nur bezüglich des Grundstücks FlNr. 504 Gem. … aus und setzte eine Entschädigung in Höhe von EUR 23.670,- fest.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 19. Februar 2021 zur Festsetzung des Streitwerts angehört. Der Klägerbevollmächtigte beantragte mit Schriftsatz vom *. März 2021, den Streitwert auf EUR 102.247,50 festzusetzen.
II.
1. Die Klagepartei hat ihre Klagen mit der am 3. März 2021 bei Gericht eingegangenen Erklärung zurückgenommen. Gemäß § 92 Abs. 3 VwGO ist daher das Verfahren einzustellen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO. Die quotale Verteilung auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 begründet sich mit ihrem jeweiligen Anteil am festgesetzten Streitwert (vgl. unter 3.).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und in Anlehnung an den Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dem das Gericht insoweit folgt.
a) Für die Anfechtung des Klägers zu 2 (Käufer) werden 25% des Teils des Kaufpreises, auf den sich die Ausübung des Vorkaufsrechts bezieht, angesetzt (Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs). Ausweislich der Bescheidsbegründung beträgt dieser anteilige Kaufpreis EUR 23.670,-, und 25% hiervon ergeben den Betrag von EUR 5.917,50.
b) Für die Anfechtung der Klägerin zu 1 (Verkäuferin) wird der Auffangstreitwert in Höhe von EUR 5.000,- für angemessen erachtet. Dies erfolgt in Anlehnung an Ziffer 9.6.2 des Streitwertkatalogs i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Hiernach ist für die Anfechtung des Verkäufers die Höhe der Preisdifferenz, mindestens der Auffangwert (vgl. § 52 Abs. 2 GKG) festzusetzen.
aa) Maßgeblich ist hier der Auffangstreitwert. Eine Preisdifferenz in genannten Sinne liegt nicht vor. Dies wäre der Fall, wenn die Vorkaufsberechtigte den zu zahlenden Kaufpreis nicht gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB nach den zwischen Verkäuferin und Käufer vereinbarten Bedingungen bestimmt, sondern gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BauGB nach dem Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des Kaufs, weil der im notariellen Vertrag vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet (vgl. zum Fall eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts BayVGH, B.v. 28.8.2017 – 14 C 17.947 – juris Rn. 3). Dem Verkäufer wird ein wirtschaftliches Interesse zugestanden, nicht zum niedrigeren Preis an den Vorkaufsberechtigten, sondern zum höheren Preis an den Käufer zu verkaufen, und diese mögliche finanzielle Einbuße wird bei der Streitwertbemessung berücksichtigt. Ein solches, sog. limitiertes Vorkaufsrecht nach § 28 Abs. 3 BauGB hat die Beklagte jedoch nicht ausgeübt. Zwar legte die Beklagte den Verkehrswert des hier in Rede stehenden Anteils i.H.v. EUR 23.670,- zugrunde, doch diente dies nur der Bezifferung dieses Anteils an dem verbrieften Wert des Gesamtwerts i.H.v. EUR 120.000,-.
bb) Nicht durchzudringen vermag der Bevollmächtigte der Klagepartei mit der Ansicht, dass der Streitwert für die Klage der Verkäuferin auf EUR 96.330,-, nämlich in Höhe des restlichen Grundstücksgeschäfts, diesbezüglich die Beklagte kein Vorkaufsrecht ausgeübt hat, anzusetzen sei. Die Klagepartei trägt hierzu vor, dass es sich um ein Gesamtgeschäft der Klägerin zu 1 in Höhe von EUR 120.000,- gehandelt habe. Das Interesse der Klägerin zu 1 bestehe tatsächlich in der Differenz zwischen dem Gesamtkaufpreis von EUR 120.000,- und dem angesetzten Wert des mit der Ausübung des Vorkaufsrechts versehenen Teils, weil der Käufer nach dem Notarvertrag auch im Falle einer nur teilweisen Ausübung des Vorkaufsrechts ein komplettes Rücktrittsrecht vom Vertrag habe.
Die sich für den Kläger ergebende Bedeutung der Sache im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG, die für die Streitwertfestsetzung maßgeblich ist, ist am wirtschaftlichen Interesse an dem (Nicht-)Eintritt des Vorkaufsfalls nach Ermessen zu bestimmen. Dieses wirtschaftliche Interesse der Klägerin zu 1 im Falle des Vorkaufsrechts bezüglich des Grundstücks FlNr. 504 Gem. … besteht nicht in Höhe des Kaufpreises für den übrigen Vertragsgegenstand. Träte der Käufer (Kläger zu 2) infolge der Vorkaufsrechtsausübung vom Vertrag zurück, so erhielte die Verkäuferin (Klägerin zu 1) zwar nicht den (Rest-)Kaufpreis in Höhe von EUR 96.330,-. Dies entspricht aber nicht ihrem Schaden, weil sie im Gegenzug das Eigentum an der Immobilie nicht verliert. Daher ist das Zugrundelegen des (Teil-)Kaufpreises als Bemessung des wirtschaftlichen Interesses nicht sachgerecht.
Das Gericht hat erwogen, das wirtschaftliche Interesse der Klägerin zu 1 an der Durchführung auch des restlichen Vertrags in die Streitwertbemessung einzustellen und dieses – in Anlehnung an die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses eines Käufers an der Durchführung des Vertrags in Höhe von 25 Prozent des Kaufpreises (vgl. Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs) – zu bemessen, hier also auf 25% von EUR 96.330,-. Doch das Gericht hält es nicht für sachgerecht, das vertraglich eingeräumte Rücktrittsrecht bezüglich des Restvertrags bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigten. Es hat vielmehr außer Acht zu bleiben. Anderenfalls würden Umstände in die Streitwertbemessung einbezogen werden, die nicht Streitgegenstand – hier die Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich betreffend das Grundstück FlNr. 504 Gem. … – sind. Dass derartige privatrechtliche Vereinbarungen mit allenfalls mittelbarer Wirkung unberücksichtigt zu bleiben haben, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass das Kostenrisiko eines Klageverfahrens für die Beteiligten (etwa auch der Beklagten) kalkulierbar bleiben muss und nicht von Umständen abhängen kann, die ins Belieben einer Partei gestellt sind.
Es verbleibt somit für die Klage der Klägerin zu 1 beim Auffangstreitwert i.H.v. EUR 5.000,- 13 c) Die Werte von EUR 5.917,50 und EUR 5.000,- sind zu einem Gesamtbetrag von EUR 10.917,50 addieren (vgl. Ziffer 1.1.3 des Streitwertkatalogs). Denn eine Rechtsgemeinschaft der Kläger, etwa dem Miteigentum vergleichbar, liegt auch bei einem Kaufvertrag nicht vor, der zwar die daran beteiligten Parteien bindet, aber nur gegenseitige vertragliche Rechte und Pflichten entstehen lässt (vgl. ausführlich OVG Mecklenburg-Vorpommern, B.v. 3.12.2009 – 3 O 67/09 – juris Rn. 5 f.).


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