Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Untersagung der Wohnungsnutzung zum Zwecke der Wohnungsprostitution

Aktenzeichen  AN 3 S 16.00694

Datum:
10.5.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 76 S. 2
BauNVO BauNVO § 4 I, III Nr. 2
LStVG LStVG Art. 9

 

Leitsatz

Wohnungsprostitution ist in einem allgemeinen Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Sie stellt eine – regelmäßig störende – gewerbliche Nutzung dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Die in Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 13. April 2016 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung der in diesem Bescheid unter Ziffer 1 angeordneten Nutzungsuntersagung ist formell und materiell rechtmäßig. Zum einen ist der zugrunde liegende Verwaltungsakt nach Auffassung der Kammer aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass auch die gegen den Bescheid bereits erhobene Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Zum anderen hat die Antragsgegnerin im Bescheid vom 13. April 2016 gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ausreichend begründet.
Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung von baulichen Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Hiervon hat die Antragsgegnerin rechtmäßigerweise Gebrauch gemacht, da die beanstandete Nutzung formell rechtswidrig und nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist.
Wie von Antragstellerseite nicht substantiiert bestritten wird, steht die Ausübung einer Wohnungsprostitution in drei Appartments im Anwesen … in … im Widerspruch zur genehmigten Nutzung dieser drei Appartments zu Wohnzwecken, so dass eine nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt, für die es aber an der hierfür erforderlichen Baugenehmigung fehlt.
Der Erlass einer Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich bereits aus diesem Grunde rechtmäßig.
Allein der formelle Baurechtsverstoß genügt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn die materielle Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens offensichtlich gegeben ist. Dies ist jedoch vorliegend nicht gegeben, da die Nutzung von Wohnungen zum Zwecke der Ausübung der Prostitution dem Bauplanungsrecht widerspricht und auch kein Bestandsschutz gegeben ist.
Das klägerische Grundstück FlNr. … (…) liegt im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin, der als zulässige Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO 1968 festsetzt.
Auch eine sogenannte Wohnungsprostitution ist aber in einem allgemeinen Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Sie stellt eine – regelmäßig störende – gewerbliche Nutzung dar (vgl. BVerwG, B. v. 28.6.1995 – 4 B 137/95, BayVBl 1995, 667).
In einem allgemeinen Wohngebiet wäre aber gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 nur ein sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig.
Aufgrund der den Regelungen der BauNVO zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise (vgl. dazu BVerwG, U. v. 3.2.1984 – 4 C 54/80 – juris Rn. 15) kommt es nicht darauf an, ob – wie von Antragstellerseite vorgetragen – das Gewerbe sehr diskret betrieben wird, weil die Prostituierten, ebenso wie die Kunden, sehr auf Anonymität bedacht sind und die Wohnungsprostituierten verstärkt von Besuchern mit höherem sozialem Rang aufgesucht werden, die, wie vorliegend, eine unauffällige Umgebung bevorzugen. Typischerweise gehen aber von der Nutzung der Wohnungen zu Prostitutionszwecken sogenannte „milieubedingte“ Störungen, wie Ruhestörungen durch unzufriedene oder alkoholisierte Freier oder verstärkter Kraftfahrzeugverkehr, insbesondere in den Nachtstunden aus, die die Wohnruhe beeinträchtigen. Nach Bundesverwaltungsgericht stellt die Wohnungsprostitution eine gewerbliche Nutzung dar, die nicht den Bedürfnissen des Wohngebietes dient und die zudem den Charakter des Baugebiets, das vorwiegend dem Wohnen dient (§ 4 Abs. 1 BauNVO 1968), als Wohngebiet beeinträchtigt.
Das der Antragsgegnerin gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen, das vom Gericht nach Maßgabe des § 114 VwGO überprüfbar ist, hat diese ordnungsgemäß ausgeübt. Das öffentliche Interesse gebietet grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung, da nur auf diese Weise die Rechtsordnung wieder hergestellt werden kann. Der Bürger wird dazu angehalten, die vom Gesetzgeber vorgesehene Reihenfolge (Einholung der erforderlichen Baugenehmigung vor der Realisierung des geplanten Vorhabens) einzuhalten.
Auch die Auswahl des Antragstellers als Adressat der Nutzungsuntersagungsverfügung war ermessensfehlerfrei. Die Antragsgegnerin konnte den Eigentümer im Rahmen von Ziffer 1 als Zustandsverantwortlichen in Anspruch nehmen.
Art. 9 LStVG unterscheidet zwischen dem Handlungsstörer (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG) und dem Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 LStVG). Handlungsstörer ist derjenige, dessen Verhalten die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache oder einer Immobilie, deren Zustand Grund für die Gefahr oder Störung ist.
Bei einer Mehrheit von Störern hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Gesetzliche Richtschnur für die fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren Störern sind die Umstände des Einzelfalles, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer, wird es zwar regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2001 – 1 ZB 01.664 – juris Rn. 5).
Ausnahmsweise kommt jedoch eine ermessensgerechte vorrangige Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsstörer vor dem Handlungsstörer dann in Betracht, wenn andernfalls die im öffentlichen Interesse gelegene wirksame und schnelle Beseitigung der von der Sache ausgehenden Störung der Rechtsordnung verzögert würde. Eine solche Situation kann z. B. bei einem häufigen Mieterwechsel in Betracht kommen, wenn dieser ein wirksames Vorgehen gegen den jeweiligen Mieter unverhältnismäßig erschwert oder gar unmöglich macht.
Nach Maßgabe dieser Anforderungen an eine ermessensgerechte Störerauswahl hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer wirksamen und schnellen Unterbindung der ungenehmigten Nutzung durch Ausübung der streitgegenständlichen Wohnungsprostitution den Eigentümern des Anwesens zu Recht als Adressat der Nutzungsuntersagung herangezogen. Im Falle eines schwer zu ermittelnden oder schwer zu kontaktierenden und oft wechselnden Personenkreises als Mieter kann eine solche Verfügung dann an den Grundeigentümer bzw. den Verfügungsberechtigten gerichtet werden, wenn nur diese Personen es in der Hand haben, zukünftig für eine dauerhafte Beendigung der Wohnungsprostitution und für eine ordnungsgemäße Nutzung der Wohnungen zu Wohnzwecken zu sorgen (vgl. BayVGH, B. v. 26.2.2007 – 1 ZB 6.2296 – juris Rn. 22).
Im vorliegenden Fall war es weder für die Antragsgegnerin durch eigene Ermittlungen möglich den Mieter der zu Prostitution genutzten Wohnungen zu ermitteln. So ergibt sich aus der Niederschrift für eine von Bediensteten der Antragsgegnerin im Anwesen … am 2. Mai 2016 durchgeführte Ortsbesichtigung, dass es nicht möglich war, hinsichtlich des Mieters der streitgegenständlichen Wohnung eine weitere Sachaufklärung vorzunehmen. Weder im Klage- noch im Antragsverfahren wurden zur Frage des streitgegenständlichen Mietverhältnisses hinsichtlich der drei Wohnungen brauchbare Angaben gemacht. Auch die in der Klageschrift gemachte Angabe, dass besagte Wohnungen an einen Herr … vermietet worden seien, lässt die streitgegenständliche Störerauswahl im angefochtenen Bescheid nicht ermessensfehlerhaft erscheinen, da allein aufgrund dieser Angabe es für die Antragsgegnerin nicht möglich ist, eine entsprechende Nutzungsuntersagung gegenüber einer allein mit einem Nachnamen bezeichneten Person zu richten.
Auch die Zwangsgeldandrohung war weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Vorschriften des BayVwZVG.
Da die Klage daher in der Hauptsache aller Voraussicht nach keine Aussicht auf Erfolg hat, überwiegt vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers.
Der Antrag war deshalb abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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