Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Untersagung der Zweckentfremdung einer Wohnung als Büroraum

Aktenzeichen  M 9 K 15.5855

Datum:
1.2.2017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
ZwEWG Art. 2, Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 5
ZeS § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3, § 5 Abs. 1, Abs. 2
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Zweckentfremdung geschützten Wohnraums durch Nutzung als Anwaltskanzlei stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann deshalb untersagt werden (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG iVm Art. 5 ZwEWG). Gleiches gilt, wenn die Wohnung durch Leerstand zweckentfremdet wird. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fehlende Wohnnutzung kann sich aus der Art der Möbelierung ergeben. Ein Stromverbrauch von 73 kWh im Jahr spricht für einen Leerstand der Wohnung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 5 ZwEWG liegen vor. Danach können Sicherheitsbehörden für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Taten zu unterbinden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen. Die Nutzung der betroffenen Wohnung durch den Kläger als Kanzlei verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 5 ZwEWG. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung zur Überlassung von Wohnraum für andere als Wohnzwecke ohne die erforderliche Genehmigung ordnungswidrig.
Geschützter Wohnraum im Sinne des Art. 2 und 5 ZwEWG liegt vor. Die betroffene Wohnung ist baurechtlich zum Wohnen genehmigt worden und von der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum sachlich erfasst, § 3 Abs. 1 Satz 1 ZeS.
Die Wohnung wurde durch den Kläger zu anderen als Wohnzwecken gewerblich genutzt, ohne dass der Kläger die nach Art. 2 ZwEWG, § 5 Abs. 1 ZeS erforderliche Genehmigung dafür hatte. Die Nutzung als Rechtsanwaltskanzlei erfüllt tatbestandlich die Voraussetzungen für eine Zweckentfremdung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZeS.
Soweit der Kläger vorträgt, er nutze die Wohnung überwiegend zu Wohnzwecken, überzeugt dies nicht. Im Hinblick auf die Ortstermine, die Angaben seiner Ehefrau gegenüber der Beklagten und den eigenen Angaben des Klägers ist nicht ansatzweise überzeugend dargelegt, dass der Kläger dort wohnt und lediglich in einem Raum sein Büro hat, § 4 Abs. 2 Nr. 3 ZeS. Nach den Fotografien über die Besichtigung der Wohnung am 5. Mai 2015 ist die Wohnung zwar möbliert, wirkt jedoch bereits auf Grund der Art der Möblierung unbenutzt. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass in dieser Umgebung der Sohn des Klägers als Student bis Ende 2012/Angang 2013 gemeinsam mit dem Kläger und seitdem der Kläger dort alleine wohnt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen; der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe ein Bett im Wohnzimmer und zwei weitere Wohnungen in dieser Zeit gehabt. Die fehlende Wohnnutzung wird durch den fehlenden Stromverbrauch bestätigt. Ein Verbrauch von 73 kWh (Kilowattstunden) im Jahr deutet auf einen völligen Leerstand hin. Die Einlassung des Klägers, er habe keine Elektrogeräte und kein Licht benutzt, ist als Schutzbehauptung zu werten. 73 kWh im Jahr bedeutet, dass der Kläger vermutlich auch seine Rechtsanwaltskanzlei ohne Licht und elektronische Geräte betrieben hat, was nahe legt, dass die Räume nur noch als Aktenlager genutzt werden. Alternativ kann daraus auch geschlossen werden, dass die Wohnung leer steht und deshalb ein Fall der Zweckentfremdung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS vorliegt.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Anordnung der Beendigung der zweckentfremdenden Nutzung ist geeignet, diese den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichende zweckentfremdende Nutzung zu unterbinden. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2 ZeS liegen ebenfalls nicht vor. Öffentliche oder schutzwürdige private Interessen, die das Interesse am Wohnraumerhalt überwiegen, sind nicht gegeben. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ist nicht schlüssig dargelegt worden, da der Kläger selber angegeben hat, dass er seine Rechtsanwaltskanzlei bereits vor zehn Jahren aufgegeben hat. Danach berät er allenfalls noch vereinzelte Mandanten.
Gegen die Zwangsgeldandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Es handelt sich um das richtige Zwangsmittel, Art. 31 Abs. 1 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Der angedrohte Betrag hält sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Auch die Fristsetzung steht im Einklang mit Art. 36 Abs. 1 und 2 VwZVG, da dem Kläger nach dieser Sachlage zugemutet werden kann, die beanstandete Nutzung der Wohnung innerhalb der gesetzten Frist aufzugeben.
Im Übrigen wird ergänzend auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. Zivilprozessordnung (ZPO).


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