Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unwirksame Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in unübersichtlicher Darstellungsform bei einem Fahrzeugmietvertrag

Aktenzeichen  8 O 6674/19

Datum:
25.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16386
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305 Abs. 2 Nr. 2, § 535
VVG § 28 Abs. 2

 

Leitsatz

1.  Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auf der Rückseite eines Vertragsdokuments in sehr gedrängter Form abgedruckt sind und für die ein heller Grauton als Schriftfarbe und eine etwa einen Millimeter kleine und dünne Schrift gewählt wurde, sind nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, da sie von der anderen Seite aufgrund der Darstellungsform nicht in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden können.  (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2.  Will der Versicherer bei der Verletzung einer Obliegenheit Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen, muss nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG sowohl die Obliegenheit als auch diese Rechtsfolge vertraglich vereinbart werden.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.599,06 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Zwischen den Parteien ist ein Mietvertrag nach § 535 ff BGB entstanden. Vereinbart wurde eine Haftungsreduzierung in der Form, dass der Beklagte bei Unfallschäden der Klägerin gegenüber nicht haftet.
1. Die Schäden haben sich bei Fahrbewegung des VW Transporters ereignet. Dies steht fest aufgrund der vorgelegten Fotodokumentation der Sachverständigenzentrale GmbH. Damit sind die Schäden bei einem Verkehrsunfall im Sinne von Seite 1 des Mietvertrages entstanden. Ob sich ein Unfall so wie vom Beklagten geschildert abgespielt hat, kann daher offenbleiben.
2. Ein Wegfall der Haftungsreduzierung wurde vertraglich nicht wirksam vereinbart. Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen (analogen) Rückgriff auf § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VVG berufen.
a. Die „Mietbedingungen für Kraftfahrzeuge“ wurden nicht wirksam in den Mietvertrag einbezogen.
Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft wird, von ihrem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Anerkannt ist, dass diese für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar sein müssen (vgl. nur Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Auflage, 2020, § 305 Rn. 37 mit zahlreichen Nachweisen).
Die auf der Rückseite des Vertragsdokuments abgedruckten Geschäftsbedingungen erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Sie waren in einer etwa 1 mm kleinen und dünnen Schrift abgedruckt. Als Schriftfarbe wurde noch dazu ein heller Grauton gewählt. Die gesamten elf Abschnitte und zahlreiche Unterabschnitte füllenden Vertragsbedingungen wurde förmlich auf eine Seite gepresst. Der Seitenabstand zum linken Blattrand beträgt gerade einmal 1 cm, der Seitenabstand zum unteren Blattrand nicht einmal 0,5 cm. Die kleine Schriftgröße bewirkt zumindest in Kombiination mit dem Umstand, dass der Text durchgehend in hellgrau abgedruckt ist, dass der Text allenfalls mühevoll lesbar ist. Ohne Lesehilfe kann es einem Kunden nicht zugemutet werden, die gesamten Bedingungen durchzugehen. Die Lektüre würde innerhalb von wenigen Minuten zu einer Ermüdung führen. Die Gestaltung verstößt so offensichtlich gegen die gesetzlichen Vorgaben, dass das Gericht sogar davon ausgeht, dass die Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen hat, durch die Gestaltung der Vertragsbedingungen ihre Kunden vom Lesen abzuhalten.
b. Die unwirksame Einbeziehung der Mietbedingungen führt nicht zu einer Geltung des § 28 Absatz 2 und 3 VVG. Anerkannt ist vielmehr: Will der Versicherer bei Verletzung einer Obliegenheit (vollständige oder teilweise) Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen, setzt dies eine wirksame vertragliche Vereinbarung nicht nur der Obliegenheit selbst, sondern auch dieser Rechtsfolge voraus. Denn anders als beim Kündigungsrecht nach § 28 Absatz 1 VVG ergibt sich diese Sanktion nicht aus dem Gesetz. Für den Fall vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung ordnet § 28 Absatz 2 Satz 1 VVG ausdrücklich an, dass der Vertrag selbst bestimmen muss (“Bestimmt der Vertrag…“), dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Nichts anderes gilt für die in § 28 Absatz 2 Satz 2 VVG geregelte grobe Fahrlässigkeit (vgl. nur Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 6. Edition, Stand 15.10.2019, § 28 Rn. 101).
Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH vom 24.10.2012 (Az.: XII ZR 40/11) ist auf den hiesigen Sachverhalt nicht anwendbar, da die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (anders als im BGH-Sachverhalt) gar nicht lesbar waren und daher die Vorgaben von Seite 1 des Mietvertrages unter keinerlei rechtliche (lesbare) Sanktionen gestellt wurden.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


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